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Originalausgabe 2015
2. Auflage Juni 2016
© Sternbald – alle Rechte vorbehalten
Herstellung und Verlag:
BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-7386-6104-0
Mein besonderer Dank gilt Vroni für viele interessante Gespräche
Gewidmet allen Unzeitgemäßen, und den freien Geistern unter den Christen, die den Mut besitzen, keine Frage auf dem Herzen zu behalten
„
Habt ihr nicht von jenem tollen Menschen gehört, der am hellen Vormittage eine Laterne anzündete, auf den Markt lief und unaufhörlich schrie: „Ich suche Gott!“ – Da dort gerade Viele von Denen zusammen standen, welche nicht an Gott glaubten, so erregte er ein großes Gelächter. Ist er denn verloren gegangen?, sagte der Eine. Hat er sich verlaufen wie ein Kind?, sagte der Andere. Oder hält er sich versteckt? Fürchtet er sich vor uns? Ist er zu Schiff gegangen? Ausgewandert? – so schrieen und lachten sie durcheinander. Der tolle Mensch sprang mitten unter sie und durchbohrte sie mit seinen Blicken. „Wohin ist Gott?“, rief er, „ich will es Euch sagen! Wir haben ihn getödtet, - Ihr und Ich! Wir alle sind seine Mörder! Aber wie haben wir das gemacht? Wie vermochten wir das Meer auszutrinken? Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen? Was thaten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben, und ein Unten? Irren wir nicht durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht? Müssen nicht Laternen am Vormittage angezündet werden?....
.... Hier aber schwieg der tolle Mensch und sah wieder seine Zuhörer an; auch sie schwiegen und blickten befremdet auf ihn. Endlich warf er seine Laterne auf den Boden, daß sie in Stücke sprang und erlosch. „Ich komme zu früh“, sagte er dann, „ich bin noch nicht an der Zeit“. Dieses ungeheuere Ereignis ist noch unterwegs und wandert, - es ist noch nicht bis zu den Ohren der Menschen gedrungen, Blitz und Donner brauchen Zeit, das Licht der Gestirne braucht Zeit, Thaten brauchen Zeit, auch nachdem sie gethan sind, um gesehen und gehört zu werden. Diese That ist ihnen immer noch ferner, als die fernsten Gestirne, - Und doch haben sie dieselbe gethan!
...
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<Der tolle Mensch>, aus „Die fröhliche Wissenschaft“ (1882), Friedrich Nietzsche
Motto: „Den Teufel spürt das Völkchen nie, und wenn er es beim Kragen hätte!“ - aus Faust I, in Auerbachs Keller
Die Welt ist nicht rund, sondern läuft nach oben hin spitz zu, ist also einer Pyramide ähnlicher als einem Globus. Zugegeben, nicht ihrer äußeren Gestalt nach, sondern eher hinsichtlich ihrer Struktur. Daß die Geometrie der Pyramide ein archetypisches Muster zu sein scheint, ist aus Zeugnissen von Kulturen weltweit, aus allen Zeiten nachweisbar. Sie wird, wo sie steht, als Ausdruck der Macht, sowohl raumgreifend in der Ebene, als auch weithin sichtbar himmelstrebend noch heute wahrgenommen. Um wieviel mehr muß die Pyramide als Architektur ihre Wirkung entfaltet haben, in einer Zeit, da das allgemeine Leben auf ebener Erde, von nomadischer Unstetigkeit, und Verweilen in kaum befestigten Siedlungen, bestimmt worden war.
Die sichtbare Pyramide ist stets als Symbol der Hierarchisierung der Macht in der Welt verstanden worden. Sie ist somit keine Erfindung neuzeitlicher Verschwörungstheoretiker, die seit dem Zeitalter der Aufklärung, und spätestens vor dem Hintergrund der amerikanischen und französischen Revolution im 18. Jhrd., einen Generalverdacht in Bezug auf die wahre Verfassung der Macht in der Welt äußerten. Sie glaubten dies an der symbolischen Pyramide der Illuminaten ablesen zu können.
Die Zweifel, daß der vermeintliche Fortschritt nicht zwangsläufig auf eine Verbesserung des Menschen hinausführen muß, wurden schon früh vorwiegend von Kritikern der Aufklärung, und gegenüber den Zumutungen einer Moderne überhaupt, gehegt. Das Spektrum der Kritiker reicht von J. J. Rousseau, der mit seinem ‚Emile’ einen Entwurf einer natürlichen Erziehung des Menschen vornimmt, bis zu Max Stirner, der mit seinem programmatischen Individual-Anarchismus, „seine Sache auf Nichts gestellt“ hatte. Die Phalanx der Kritiker der ‚Pyramide’ der Macht, ist demnach fern davon sich über eine gemeinsame Gegenposition zu einigen. An eine Vereinbarkeit vom individualistischen „Einzigen und seinem Eigentum“, mit der sozialistischen Gleichheitsutopie, ist vorerst kaum zu denken. Eine konkrete Kritik der Macht, gibt es in der Bandbreite von linkssozialistisch bis rechtskonservativ, und längst wartet nicht jede mit einem totalitären Gegenentwurf auf. Sie richtet sich neuzeitlich gegen den elitären Ring einer plutokratischen ‚Priesterschaft des Fluidums’, zu dem unsere Zeit gerinnt, nämlich des Finanzwesens, das wesenhaft als unbestimmt volatil, bindungslos und ‚wertefrei’ wahrgenommen wird.
Tatsächlich könnte sich gegenwärtig wiederrum ein Kreisschluß des politischen Spektrums ereignen, wie er sich für einen kurzen Moment in der Krise der Weimarer Republik (die Finanzkrise korrespondierte auch dort bereits mit einer grundsätzlichen Werte- und Sinnkrise) schon einmal angedeutet hatte. Nämlich durch die Gemeinsamkeit der links-sozialistischen und der rechts-nationalen Bewegungen, auf dem gemeinsamen Nenner in der Gegnerschaft zum international flottierenden Kapitalismus. Allein die separatistischen Tendenzen zum Nationalismus in die eine Richtung, bzw. zum völkernivellierenden Internationalismus in die andere, haben rasch für eine Aufspaltung der Stoßrichtungen gesorgt. Aber beiden ist das ursprünglich freiheitliche Moment in den Impulsen der jeweiligen Bewegungen nicht abzusprechen. Wohin der Freiheitsdrang die Masse Mensch führt, ohne konsequent für eine Definition dessen zu sorgen, was ‚Freiheit’, wovon und wofür, eigentlich bedeuten soll, ist in den Auswirkungen bei der Betrachtung der gesamten Kulturgeschichte evident. Die Ereignisse des letzten Jahrhunderts stellen hierbei keinesfalls ein unvergleichbares, oder nicht-relativierbares, Ultimum dar. Es wird zu zeigen sein, daß noch jedem vermeintlich historischen Höhe-, bzw. Tiefpunkt, stets ein weiteres Hoch-Tief notwendigerweise zu folgen hat, und künftig auch wird.
Horkheimer und Adorno wiesen mit der „Dialektik der Aufklärung“, die Doppelnatur nach, die in der freiheitlichen Bewegung zugleich das potentiell Totalitäre beinhaltet. In der ‚kritischen Theorie’ der Frankfurter Schule, begründet von Th. W. Adorno, ist dargelegt worden, daß die Freiheitsbewegung des Menschen aus der fremdbestimmten Herrschaft, ihn zuletzt zum Objekt seiner eigenen Herrschaft gemacht hat. Obwohl schon die Erwähnung der ‚kritischen Theorie’ in der christlichen Gemeinde einen genetisch bedingten Abwehrreflex auslöst, sollte sie die Argumentation von Adorno doch immerhin zum eigenen Nutzen für bedenkenswert erachten. Aus ihrem ureigensten kritischen Potential heraus müßte ihr die Diagnose einer neuerlichen, neuzeitlichen, Selbstversklavung des Subjekts unter den selbstgeschaffenen Bedingungen seiner objektiv wahrgenommenen Welt, sehr gelegen kommen.
Ebenso erhob sich aus der ‚kritischen Theorie’ die Klage darüber, daß auf die Emanzipation des Geschmacks der Masse, die Verflachung der Kultur nach den Kriterien ihrer Vermarktung folgt. In diesem Zusammenhang steht auch die Befürchtung, daß die Zunahme von verfügbarem Wissen, im umgekehrten Verhältnis zur Fähigkeit des kritischen Umgangs mit ihm korrespondiert. Daraus würde wiederum die Wendung der ursprünglichen Impulse der Aufklärung, hin zu einer Begründung von autoritärer Herrschaft über eine unmündige Masse, in einer völlig neuen Qualität, begründbar.
Die Massenkultur hat indes aber auch ihre Fürsprecher. Umberto Eco wies in dem Essay, „Apokalyptiker und Integrierte“, auf die Tatsache hin, daß eine vormals elitäre Kulturschöpfung, mit der technischen Möglichkeit der massenhaften medialen Verbreitung, auch für eine Demokratisierung der Kultur gesorgt hat. Aus dieser Tatsache heraus ließe sich auch begründen, warum der Ausdruck von ‚Erhabenheit’ in der Kunst nicht mehr möglich ist, und eine tragische Tiefe der Existenz des Menschen nicht mehr ausgedrückt werden kann. Während Opernarien als Werbejingles eingesetzt werden, und Klang-Schnipsel aus Symphonien zu Klingeltönen verkürzt, verspüren wir den Verlust an Tiefendimension der kulturellen Identität noch nicht, denn die Schätze des Abendlandes scheinen noch unerschöpflich, von denen wir zehren.
Die Erhebung der Massen (Levée en masse) und ihre Manipulation durch Parteien und demagogische Führerfiguren, scheinen den Verdacht zu bestätigen, daß die, auf der einen Seite propagierten, Menschenrechte, auf der anderen Seite mit deren Uneinlösbarkeit für das entwurzelte Individuum in der Masse, in einem unheimlichen Zusammenhang stehen. Die Paradoxie besteht nun darin, daß die strenge und gut sichtbare Hierarchie der alten Welt einerseits, dennoch nicht als ‚pyramidale’ Zumutung empfunden, sondern als Ausdruck göttlicher Ordnung hingenommen worden ist. Andererseits ist die revolutionäre Auflösung der ständischen Strukturen der Bevormundung, hingegen als verdächtig angesehen worden. Möglicherweise, weil man darin die Vorbereitung einer subtileren Qualität des ‚pyramidalen’ Machtgefüges vermutete. Inwiefern dieser Verdacht nicht völlig unbegründet ist, soll im Folgenden dargestellt werden.
Die Kritiker der Aufklärung haben die modellhafte Vorstellung einer Pyramide der Weltordnung auch nicht selbst konstruiert, sondern eine bereits vorgefundene zum anschaulichen Anlaß genommen, nachdem eine international vernetzte Vereinigung elitär Freisinniger ausgerechnet die Pyramide, von sprechender Symbolik, anführten.
Das Postulat einer neuen Weltordnung wurde von Freimaurern ausgegeben, die unter der Verkündung der allgemeinen Menschenrechte, eigentlich die Liberalisierung und Dynamisierung des Handels anstrebten. Für die Kapitalbeschaffung an den Börsen, war inzwischen längst nicht mehr eine unmittelbare Bindung an die reale Volkswirtschaft nötig, und die Freisetzung von Wachstumspotentialen aus der Kapitalisierung des Wirtschaftslebens, erforderten die Herauslösung des bürgerlichen Gewerbestrebens aus seinen tradierten Bezügen und Bindungen an Land und Leute, Bedarf und Fähigkeiten. Auch insoweit die Produktqualität noch in einen Zusammenhang mit der Herkunft gestanden hat, sollte schließlich die internationale ‚Marke’ den Ideen der Werbe-Treibenden, und nicht mehr der Kompetenz Gewerbetreibenden überlassen bleiben.
Ursprünglich war der Begriff des Bürgerlichen jedoch an den Besitz von Eigentum und Kapital gebunden, und sollte es noch lange Zeit bleiben. Von nun an, wurde die dynamische Lösung des Menschen aus tradierten Bindungen betrieben, um ihn freizustellen für die bessere ökonomische Verfügbarkeit. Weltläufige Anpassungsfähigkeit und kultureller Relativismus sollten von nun an für eine uneingeschränkte Vernetzung unternehmerischer Interessen ermöglichen. Mit der Infragestellung von Glaubensgrundsätzen, sollten die Skrupel gegenüber der Freiheit des Handels beseitigt werden. Faktisch konzentriert sich die Freiheit aber auf wenige potente Akteure auf dem Weltmarkt, sobald diesen die Bündelung der wirtschaftlichen Kräfte auf sich selbst gelungen ist.
Eine tragische Ironie liegt aber gerade darin, daß auf der Seite der Kritiker der ‚Pyramide’, ein ebensolches Potential vorhanden ist, um eben gerade die Basis für die Errichtung einer künftigen, weitaus effizienteren, ‚Pyramide’ zu liefern. Der Auflösung dieses scheinbaren Widerspruchs wird im Folgenden der Versuch gelten.
Der lange Weg der Emanzipation des Menschen, durch seine Geschichte, mit allen äußeren Formen der sakralen Handlungen zur Vergegenwärtigung göttlicher Beziehung, mündet nun in die Verinnerlichung des autoritären Prinzips zum inneren moralischen Gesetz. Dazu gehörten ebenso die rituellen Ehrbezeugungen gegenüber den gehobenen Ständen, die seit jeher als Repräsentanten der Entsprechung göttlicher Ordnung in der sichtbaren Welt gegolten haben. Im großen deutschen Bauernkrieg wurde Luther der Vorwurf gemacht, er hätte aus der Knechtschaft der Devotion eine Knechtschaft der inneren Überzeugung gemacht.
Die existenzielle Grundfrage lautet seit jeher, in welche Bindungen tritt der Mensch, wenn er sich zu befreien vermeint? Ihn lediglich als ein Gefäß zu betrachten, das geleert, gereinigt und mit neuen Inhalten befüllt werden kann, hat den Menschen zum Objekt seiner selbst werden lassen. In unserer Zeit läßt sich die Konsequenz am unausgesprochenen Zwang zur Selbstoptimierung erkennen. Wenn wir von etwas frei gemacht werden sollen, können wir der Beantwortung eines Wozu nicht ausweichen.
Die graphische Darstellung der Illuminaten-Pyramide auf der Dollarnote weist eigentlich 13 Stufen auf. Für die folgende Betrachtung soll modellhaft ein vereinfachtes Schema mit 8 Stufen angenommen werden, wofür den realen Einrichtungen aus Politik und Wirtschaft eine Zuweisung der jeweils ihnen entsprechenden ‚pyramidalen’ Instanz erfolgen soll. Eine umfassende Erklärung der Wechselwirkungen zwischen den Ebenen würde aber wohl jeden Angehörigen der Stufe 1 überfordern, und ist zum Verständnis des funktionalen Aufbaus der Pyramide eigentlich auch nicht erforderlich. Ohnehin muß mit zunehmender Höhe der Stufen mehr der intuitiven Mutmaßung Raum gegeben werden, da die eindeutigen Belege schwerer zu finden sind, und mithin die Ausprägungen der Hierarchie subtiler, und die Mechanismen der Macht abstrakter werden.
In der Hauptsache werden Beispiele aus unserer Lebenswelt, mit ihren Analogien in der Geschichte herangezogen, die Schlaglichter auf die Charakteristik werfen sollen, die für die jeweilig zuzuordnende, Ebene der Pyramide als typisch angenommen werden können.
Bei der Beantwortung der Frage nach den zugrunde liegenden Zwecken und Absichten, bleibt als Resultat ein entschiedenes Unbehagen in Bezug auf den Charakter der ‚Pyramide’, wie er sich bereits mit seinen Zumutungen auf persönliche Lebensbereiche auswirkt. Insbesondere lohnt sich ein kritisches Ohr auf die ‚pyramidale’ Sprachregelung in den offiziellen Verlautbarungen. Jede Instanz formuliert auf eine ihr charakteristische Weise die Selbstvergewisserung seiner Existenzberechtigung, sowie die Begründung für den ausgreifenden Anspruch seiner Deutungsmuster auf alle Lebensbereiche.
Um das Denken innerhalb der Kategorien der ‚Pyramide’ zu halten, muß die Anwendung sprachlicher Mittel in allen Stilen, den Geist der ‚Pyramide’ transportieren.
Im Rahmen des menschlichen Bewußtseins, wird es z.B. immer unnachvollziehbar sein, sich das Bewußtsein einer Fledermaus zu vergegenwärtigen. Bei diesem Versuch käme man nur bis zu dem Ergebnis eines Menschen, der ‚glaubt’ eine Fledermaus zu sein, also zu einem lächerlich wirkenden, im Grunde tragischen Wahn von der Möglichkeit, die Grenze des Eigenbewußten überschreiten zu können. Als, in ähnlicher Weise lächerlicher Wahnwitz, wird, im Rahmen der vorherrschenden Verfassung der ‚pyramidalen’ Machtverhältnisse, die Frage nach einer Alternative angesehen.
Die Gesetzmäßigkeiten des Ökonomischen, nach denen der homo oeconomicus zwangsläufig handeln müsse, zu den Naturgesetzlichkeiten zu rechnen, heißt die Tatsache zu unterschlagen, daß das menschliche Handeln nicht in einem rein kalkulierbaren Rahmen gehalten werden kann. Was in den Naturwissenschaften längst anerkannte Tatsache ist, nämlich die nur auf Wahrscheinlichkeit bestimmbare Nichtlinearität in sog. ‚chaotischen’ Prozessen, kann weder in der Mikro- noch Makroökonomie zu befriedigenden Ertragsaussichten führen. Denn gerade im deterministischen Chaos der quasistabilen Vorgänge nach dem Prinzip des Schmetterlingseffekts (kleinste Ursache mit u.U. globaler Wirkung), liegt ein unverfügbar anarchistisches Potential zugrunde. Die Wirkmächtigkeit von menschlichen „Machenschaften“ erhebt sich längst über die ursprünglichen Gründe des „Seins“. Immer schafft der Mensch mit seiner Tat auch die Tatsachen mit denen er leben muß, und baut sich den Käfig seiner Vorstellung nach Kräften selbst. Er lebt also mit dem unauflöslichen Widerspruch, einer offenen Zukunft, vor der der Schleier seiner gegenwärtigen Erkenntnis liegt, und der zukünftigen Bestimmung der Konsequenzen seines gegenwärtigen Handelns.
Der ökonomische Mensch ist eine eindimensionale Verkürzung auf die Lebensform als Bündel von Bedürfnisparametern zur besseren Kalkulierbarkeit seines Handels in einem ihm aufgenötigten System, als wenn das Koordinatensystem des Kalküls nicht selbst im beständigen Wandel begriffen wäre, und damit seine Prämissen. Das Experiment bestätigt sinngemäß im Ergebnis nur die Bedingungen, unter denen der Menschenversuch der geldbasierten Tauschwirtschaft zuvor angelegt worden ist. Ein Denken außerhalb dieses willkürlichen Koordinatensystems scheint so wenig möglich zu sein, wie eine Welt vorstellbar ist, in der eine andere Physik herrscht. Daher rührt auch die Gleichsetzung der Ökonomie als ‚Naturwissenschaft’, obwohl sie wesentlich eine scholastische Theologie ist. Auf die axiomatische Begrifflichkeit der geldbasierten Ökonomie ist gewissermaßen das noch zu überwindende ‚ptolemäische’ Weltbild der Neuzeit gestützt.
Über die Definition der Sprachregelung kann der Rahmen des Denkens, und damit die Formung des Bewußtseins entsprechend gelenkt werden. Aus der Technik des „Neurolinguistischen Programmierens“ (NLP) gelangen die Methoden der Sprachmusterprägung in einflußreiche Kreise, des Managements von Unternehmen, in politische Diskurse, sowie in Forschung und Lehre. Der jeweilige ‚Jargon’ weist den kompetenten Fachangehörigen aus. Von hier aus gelangt der ‚pyramidale’ Positivismus des Sprachdenkens in den alltäglichen Umgang, wo die Diffamierung von Bedenkenträgern als Fortschrittsbremsen, bereits angekommen ist. In kaum einer Gruppierung, sie sei weltlicher oder geistlicher Natur, ist der Kritiker wohlgelitten.
Am Wandel der Bedeutung des Begriffes einer „Theorie der Verschwörung“ ist der maximale Grad einer Wendung bis hin zur kompletten Umwertung der Begriffe nachweisbar. Während vormalig, in der klassischen Geschichtsschreibung, der Verdacht der ‚Verschwörung’ von Seiten der vorherrschenden Macht gegenüber einer ‚anarchistischen’ Minderheit ausgesprochen worden ist, also die Macht notwendig der Anhänger einer eigenen „Verschwörungstheorie“ gewesen ist, zeigt sich nunmehr, daß der Vorwurf der „Verschwörungstheorie“ sich vorzüglich an die Kritiker der vorherrschenden Machtverhältnisse richtet. Also hat der Begriff der „Verschwörung“ einen fundamentalen Bedeutungswandel erfahren, nämlich von dem damit verbundenen Verdacht, sich der Kontrolle der Macht entziehen zu wollen, hin zu dem Verdacht gegenüber den Mechanismen der sozialen Kontrolle innerhalb der gegebenen Machtverhältnisse. Das gefährliche Element ist nicht mehr der ‚Verschwörer’, der sich gegen die Macht verschworen hat, sondern der „Verschwörungstheoretiker“ der die Mechanismen der Macht selbst als eine großartige ‚Verschwörung’ ausmacht. Es handelt sich hierbei um die sinnenverwirrende Tatsache eines Begriffswandels im Spiegelkabinett der Bedeutungen. Es ist dabei nur schwer auseinanderzuhalten, wer sich jeweils in wem widerspiegelt, bei der Gestalt des ‚Verdächtiger und der des ‚Verdächtigen’. Das alte Verhältnis zwischen der ‚Macht’ und ihren Kritikern besteht indessen weiterhin fort, jedoch auf einer ‚pyramidal’ transformierten Matrix der Begriffe.
Der sprachwissenschaftliche Philosoph Richard Mervyn Hare prägte einmal den Begriff des „blik“ für die Matrix der Weltbetrachtung auf die der Mensch durch vorgegebene sprachliche Erklärungsmuster gestellt ist. Ein derartiger ‚blik’ ist unwiderlegbar, und innerhalb des Sprachmusters auch unwidersprechbar, weil jede Erfahrung durch den Filter der begrifflichen Muster im Bewußtsein geht. Er bestimmt damit alle Beziehung des Subjekts zur ‚Welt’ als sein Objekt der Erkenntnis. Hare hat hierfür einmal ein eingängiges Gedankenexperiment vorgeschlagen. Angenommen, Jemand sei davon überzeugt, daß es eine Verschwörung gegen ihn gäbe. Diesem würde jede Wahrnehmung infolge dessen nur Indizien für eine Bestätigung des Verdachtes liefern. Aber auch die Abwesenheit von schlüssigen Hinweisen würde nur wieder als systematische Verschleierung der Wahrheit gedeutet, und damit wiederum als ‚Beweis’ für eine hinterhältige Verschlagenheit gewertet.
Zur Erklärung der Wirkungsweisen von Indoktrination bei Sekten, bis hin zur Suche nach ‚Beweisen’ für ein Eingreifen Gottes in das Weltgeschehen, zu Gunsten oder Ungunsten des Betrachters, dient der Ansatz des Hare’schen ‚blik’ zumindest als nützlicher Ansatz. Soweit nun Formen der individuellen Paranoia auf diese Weise dekonstruiert werden könnten, kommt der Fähigkeit, sowohl der Auflösung des ‚blik’, als auch der bewußten Konstruktion eines solchen, einen nicht geringen Aspekt der Macht zu. Die mediale Manipulation der Menschen geschieht nicht etwa nur in der Gestaltung sprachlicher Muster zur Erzeugung eines, als alternativlos vermittelten, positivischen ‚blik’ auf das Weltgeschehen, sondern gerade auch im Versuch einer Leugnung eines solchen Musters. Dadurch wird zum Einen erreicht, daß die Verfassung der ‚pyramidalen’ Matrix unserer Wahrnehmung unhinterfragbar als das, was eben „der Fall ist“ affirmativ hingenommen wird. Zum Anderen bleiben uns die Quellen der Prägung auf die ‚pyramidalen’ Muster selbst verborgen, weil uns das Sensorium dafür zusehends verkümmert, bzw. systematisch aberzogen wird. Den wesentlichsten Anteil dieser ‚pyramidalen’ Erziehung leisten hierbei die engmaschigen Netzwerke der Medien.
Zur höchsten Vollendung des Ausdrucks von Macht gehört zuletzt die Verflüchtigung ihrer Wahrnehmbarkeit, ihre ‚unsichtbare’ Wirksamkeit. Die medialen Kraftfeldlinien krümmen den Raum ihres Einflußbereiches, ein absolutes Zentrum ist nicht auszumachen, sowenig, als der Stabmagnet eine bestimmte Stelle des polaren Umschlages besitzt. Bricht man ihn, erhält man sofort das bipolarisierende Potential selbst wieder an beliebiger Stelle.
Wo die Dingfestmachung des Zentrums der Machausübung nicht mehr stattfinden kann, etwa wenn es virtuell dezentralisiert vorliegt, gerät die Machtfrage in den spekulativen Raum der begrifflichen Verallgemeinerung – und der höchste Grad der begrifflichen Verallgemeinerung besteht in der Verabsolutierung der Attribute von Macht, also ein Heranrücken an das ‚Göttliche’ als Absolutum schlechthin. An dieser Stelle muß folgerichtig die Fundamentalfrage nach dem Sein und dem Nichts begegnet werden. Der nihilistische Charakter des ‚pyramidalen’ Machtstrebens äußert sich in der Verschlingung aller Dinge und Prozesse des Weltgeschehens in eine wirbelnde Dynamik der beständigen Möglichkeit, des reinen Potentials der Beliebigkeit. In dieser Einförmigkeit von Migration und Konvektion, des beständigen Hin und Her, und Auf und Ab, befindet sich die pyramidale Verheißung fern von jeder konkreten Bestimmtheit, von eigentlicher Identität. Bei aller Dynamik ist aber jener, immer nur grund- und bodenlose Wille, ein Begehren ohne erlösende Aussicht, auch je einmal in bestimmter Weise zu Sein, und damit eigentlich, zwar in beständiger Bewegung, dennoch zum rasenden Stillstand verdammt.
Das Bild, das hier entwickelt worden ist, zeichnet ziemlich treffend das mephistophelische Grundmotiv ab, gemäß dem Motto „..denn besser wär’s, daß Nichts entstünde..“. Aber auch das Nichts (nihil) verheißt nicht etwa einen ewig ruhenden Gegenpol zur existentiellen Last des Seins, sondern ziemlich wahrscheinlich den Zustand eines qualvollen Sein-Wollens - und es nicht zu vermögen, rein unschöpferische Dynamik – viel Wallung um Nichts eben. Das ist der Pudelskern der Pyramide, und das Schicksal jeder pyramidal geformten Biographie.
Weil hier auch von den Ersten und den letzten Dingen zu sprechen ist, erfordert eine Kritik der ‚pyramidal’ verfassten Macht auch einen entschiedenen religionskritischen Impuls, der nicht an der bloßen Sprachkritik an der lingua imperii. stehenbleibt. Damit sollte sich aber zunächst der aufgeklärte Gläubige unter den Lesern durchaus vertraut machen. Die Herausforderung beim Bezug gerade auf ein christliches Menschenbild war nie größer, da der Gemeinde gegenwärtig der Gottesbegriff aus der Hand gewunden zu werden droht – von einem ‚pyramidal’ verfassten System, das sich selbst zu ‚vergöttlichen' ‚ anschickt.
Wollte man bei der Kritik gar lauter bis zu der Aussage „Gott ist nur ein Vorurteil“ folgen, ohne bei der Frage ankommen zu wollen, warum denn überhaupt etwas IST, und nicht vielmehr NICHTS, müßte zugleich aufrichtig die Frage geklärt werden, was in das Vakuum der existenziellen Geworfenheit des Menschen in das Sein, anstatt dessen mit Macht zu drängen versucht, wenn nicht ein veritabler Nihilismus. Aber gerade mit diesem Vorwurf sollte der aggressive Positivismus der ‚pyramidalen’ Ideologie konfrontiert werden. Es handelt sich hierbei um ein Verständnis von Positivismus im Sinne einer Affirmation, also des kritiklos angepassten Bejahens des rein faktisch Gegebenen, dem gleichzeitig damit ein naturgemäß vernunftbasierter Grundbaß unterstellt wird. Zusätzlich ereignet sich dabei eine moralische Überhöhung des Faktischen zum gleichzeitig wahrhaftig ‚Guten’ und notwendig Sinnhaften. Eine Verflachung im Denkrahmen der Alternativlosigkeit, als Pervertierung des Leibniz’schen Postulats von der „besten aller möglichen Welten“.
Seine durchschlagende Überzeugungskraft besitzt der positivistische Materialismus aus dem engen Zusammenhang mit der Ökonomie. Der affirmative Positivismus als opportunistische Haltung zum Faktischen, bezieht sich direkt auf die handelbare Güterwelt. Denn nur Etwas positiv Gegebenes kann als Ware wertbestimmt getauscht werden. Das negative, durch Nicht-Sein charakterisierbare kann, einsichtig, auch nicht gehandelt werden; nur was ich faktisch habe kann ich tauschen, nicht jedoch, was ich nicht habe. Auf dem Börsenparkett wird dem zum Widerspruch allerdings suggeriert, daß auch nicht-faktische Güter, wie Erwartungen, Optionen, Risiken und Befürchtungen als Güter wertgestellt werden könnten. Immer wieder platzende Spekulationsblasen bringen uns aber regelmäßig wieder auf das Faktische zurück.
Der Positivismus der Sprache äußerst sich etwa in Begriffen wie, „Harmonisierung“, wo die Vereinheitlichung von Standards vorangetrieben werden soll; Probleme und Risiken, erscheinen weniger besorgniserregend, wenn sie als „Herausforderungen“ begriffen werden. In der Dynamik des Fortschritts, ist ein Innehalten nicht vorgesehen, da mit „Stillstand gleich Rückschritt“ droht. Zum Zwecke der Verwischung geschlechtlicher Identitäten wird inzwischen auch an einer Begrifflichkeit des Gender-Wordings gearbeitet.
Mit dem Verschwinden der kontroversen Debatte aus der Alltagswahrnehmung des Politischen, wird die allgemeine Kultivierung einer weichen Konsensgesellschaft begrüßt. Jede konfrontative Äußerung ist von vorne herein als ‚inkorrekt’ disqualifiziert. Es ist aber davon auszugehen, daß der NLP-Sprech nicht der wirkliche Code der Macht ist. Vermutlich dient er lediglich zur kommunikativen Prägung der ‚pyramidalen’ Basis, durch die mittleren Ebenen der ‚Pyramide’
Jeder Kultur wird der Nährboden entzogen, wenn die immunstimulierende Wirkung der Kritik, bis hin zur völligen Infragestellung, als unzulässig gilt, aus Furcht vor einer ‚Anätzung’ des Selbstverständnisses. Wo Partei- und Gemeindedisziplin, mit Sprach- und Denkverboten, der wirksame Kitt sind, braucht man sich um deren Identität keine Sorgen zu machen. Sie wäre dann bereits längst nicht mehr am Leben, sondern nur noch eine mumifizierte Hülle.
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Im Folgenden, soll die Freilegung der Wirkmechanismen des ‚pyramidalen’ Prinzips nicht etwa durch Belege von, bislang undurchschaubaren Verflechtungen von geheimen Ritterschaften, verschwiegenen Logen und obskuren Hexenzirkeln geschehen. Ohne Zweifel sind Vereinigungen dieser Art, unter Mitwirkung wirtschaftlich einflußreicher Kreise in höheren Ebenen der Pyramide einbezogen. Eine weitere Beschäftigung mit ihnen mag vermutlich geeignet sein, gewisse schauerromantische Gefühle zu erregen.
Um aber zum Verständnis des Wesentlichen, des eigentlichen ‚pyramidalen’ Willens zur Macht durchzudringen, soll im Weiteren vielmehr aufgezeigt werden, inwiefern die kulturelle Basis unseres alltäglichen Lebens gleichzeitig die Basis der ‚Pyramide’ ist.
Vielfach ist schon der Versuch unternommen worden, über das innere Wesen der Macht-Struktur in den obersten Ebenen (also ab dem mittleren Teil der Pyramide) zu spekulieren, und Vermutungen darüber anzustellen. Da das, was hinter den Kulissen geschieht, sich dem Licht der offenen Bühne entzieht, entsteht kurzschlüssig die Vermutung, daß diese Schattenexistenz generell das Licht scheut. Oft ist es auch der Beleuchter der Bühne selbst, der im Dunkeln sitzt, als Träger des Lichts gewissermaßen (es ist unschwer zu erraten, wer jener ‚Leuchtentrager’ sein mag, der auch an eine Gestalt aus der Erzählung „Ahasver“, von Stefan Heym erinnert). So gelenkt, gleiten die meisten Vorstellungen in die Unübersichtlichkeit esoterischer Modelle ab. Leider führen auch Ausführungen, von fundamentalen Christen unternommen, meist zu nebulösen Annahmen über ein personales antichristliches Wesen, das an der Spitze der Pyramide verortet wird, unter Vernachlässigung einer Analyse der ‚pyramidalen’ Stufenordnung. Dies führte bislang auch dazu, daß ebendiese Strukturen zumeist, auch von entschiedenen Christen, mitgetragen werden, da sie sich ja durch das Verorten des ‚absolut Bösen’ an einen Ort außerhalb ihres eigenen Wirkungskreises, ihrer Familie, ihrer Gemeinde, selbst gleichsam psychologisch entlastet haben. Somit gedeiht das christliche Unbehagen am Lauf der Welt im Allgemeinen, selten zur Kulturkritik an ihrer eigenen Lebenswirklichkeit, insoweit sie selbst die Prinzipien der ökonomischen Vernunft verinnerlicht haben. Auch hier greift effektiv das Scheinargument von der Alternativlosigkeit, das sich im herrschaftlichen Diskurs häufig glatt von der Zunge löst, und dem Kritiker der ökonomischen Vernunft leider selten etwas entgegenzusetzen haben.
Aufklärung (enlightment!) im besten Sinne hieße, etwas Licht auf jene psychologisch blinden Flecke in der Wahrnehmung von Machtstrukturen zu werfen, und weniger im Trüben des Okkultismus zu fischen.
Allgemein hegt zwar kaum jemand mehr eine Illusion dem Umstand gegenüber, daß hinter offiziellen Verlautbarungen der Volksvertreter in Partei und Parlament, der Vorstehenden, bzw. –sitzenden von Kommissionen und Gremien, zumeist die wahren Motive verborgen bleiben. Häufig dienen gezielt lancierte Pressemeldungen dazu, ebenso das Spiel mit der medialen Präsenz. Erreicht wird dadurch eine ermüdende Beschwichtigung und Zerstreuung der Aufmerksamkeit. Ein, durchaus berechtigter, Verdacht auf irgendwelche Eigeninteressen soll gar nicht erst aufkommen. Eine forcierte Präsenz in den Medien erhöht das Gefühl der Relevanz von Themen und Personen; ein medialer Entzug hingegen kühlt die gereizte Stimmungslage ab, oder marginalisiert bestimmte Meinungen. Oft findet gerade über die Instrumentalisierung von Popularität der eigentliche Machtmissbrauch statt. Die Konsumenten der präparierten Nachrichtenlage bleiben in jedem Fall die „Menschen draußen im Lande“, denen nur die höhere Einsicht in die alternativlose Notwendigkeit von Entscheidungen fehlt. Stellvertretende Umfragen, als repräsentativ bezeichnet, dienen zur Bestätigung der bestimmten Richtung, und zur Prägung von Trends, durch die Wiedereinkopplung in die Öffentlichkeit.
So wird etwa der Boden für Reformen im Gemeinwesen zur Steigerung der pyramidalen Effizienz, durch breit gestreute mediale Kampagnen vorbereitet. Mit der Vokabel des ‚Reformstau’ wird gleichsam ein gesellschaftlicher Notstand ausgemalt, der bildlich gesprochen einer Trägheit der Peristaltik im pyramidalen Stoffwechsel entsprechen solle. In analoger Weise wird gleichzeitig jedwede kulturelle Beharrungstendenz als nationaler Alleingang diffamiert und abgewertet. Dem gegenüber sind die überbordenden Regulierungen, die man auf kommunaler Ebene beklagt, aber in jedem Falle dann gerechtfertigt, wenn sie nur im ‚höheren’ europäischen Rahmen geschehen, oder gar mit dem Attribut ‚internationaler Standard’ geadelt sind. Dem historisch belasteten Sozialismus, der seine Impulse aus der völkischen und nationalen Selbstbestimmung beziehen möchte, wird ein Sozialismus aus einem supranationalem Ethos des Globalhumanismus entgegengesetzt. Definiert werden diese moralischen Standards jedoch in elitären Zirkeln fernab von der Lebenswirklichkeit der Menschen ‚draußen im Lande’. Ja, sie definieren fortan den Begriff der Wirklichkeit, abgezogen vom lebendigen Subjekt. Mit der Schaffung wiederum künstlicher Lebenswirklichkeiten im virtuellen Raum, befinden wir uns in einem existentialistischen Kreisschluß, der den Menschen gleich einer Monade in einer Matrix der Machtverhältnisse gefangen hält. Es ist dem Menschen real nicht mehr möglich, seine Lebenswirklichkeit derart zu umfassen, um im vollen Maße verantwortlich Entscheidungen für sich treffen zu können. Sie ist ihm entrückt, permanent fremdbestimmt und fremdkommentiert. Er ist gleichzeitig existentiell ihr Gefangener ohne in seinem Leben auf reale Partner des digitalen Zugriffes treffen zu können. Dezentral verwaltet, und virtuell verortet, stellt sich die Macht nicht mehr in ihrem Anspruch zum realen Austrag des Kampfes um die Deutungshoheit über den Begriff ‚Wirklichkeit’ – Mensch versus Institution war noch nie so aussichtslos wie gegenwärtig.
Im Folgenden wird zu erhellen sein, auf welche Weise die Individualität gerne gegenüber dem überhöhten Ethos der Netz-Gemeinschaft moralisch abqualifiziert wird.
Ebenso allgemein ist die Resignation gegenüber dem anschwellenden Strom von ‚bedeutsamen’ Neuigkeiten, und der mangelhaften Möglichkeiten des Einzelnen, sich selbst dazu noch in Beziehung zu setzen. Wir wagen es nicht einmal, zu anderen sprachlichen Mitteln zu greifen, als denen, die dem jeweils zeitgeistlichen Wortschatz entnommen sind. Weil die ‚Dinge im Fluß’ sind, muß auch unser Ausdruck für diese fluide sein, alert und glatt. Der Raum für eine differenzierte Diskussion, für weiträumigere Argumentation, ja auch für ein assoziatives Schweifen der Gedanken, ist leider in der Beschränkung auf die zulässige Zeichenlänge von Twitter-Nachrichten gekürzt, unmöglich. Die Forderung „fasse Dich kurz“, ist seit jeher dazu geeignet, die argumentative Kette zu kappen, um das Herauspräparieren von Wesenskernen unmöglich zu machen. Leider muß auch in dieser Darstellung zumeist auf die gebotene Ausführlichkeit verzichtet werden, um den Rahmen, fürs Erste, etwas globaler zu gestalten. Jeder erwähnte Aspekt verdiente eine genauere Betrachtung, und würde dennoch wieder nur als fein ausgearbeitetes Ornament an der Gesamtstruktur erkennbar sein, deren Überblick hier aber immer die Hauptsache bleiben soll.
In den Auswirkungen der Manipulation, die über alle Kanäle auf unsere Wahrnehmung einwirkt, sind die Motive der oberen pyramidalen Ebene mittelbar auch an der Basis spürbar. Es bedarf des Zurechtrückens der Perspektive hin zum selbstbestimmten Blick des freien Auges, um das Ausmaß der Entwurzelung und Entfremdung, sichtbar zu machen. Diese besteht im Verlust von Identität und dem Bewusstsein von Herkunft, sowie dem Verlust von realen Bezügen zu Natur, zum Leben und selbstbestimmtem Tätig-Sein. Für diesen Zusammenhang muß das ‚freie Auge’ zurückgewonnen werden. Oft braucht es dazu nur den Aufblick vom Bildschirm, aus dem Fenster hinaus, an den Horizont.
Im Weiteren wird vom ‚pyramidalen’ Prinzip gesprochen, wo es jeweils um Interessen des Selbsterhaltes des hierarchisch gestaffelten Machtgefüges geht. Zwar ist die Vorstellung eines pyramidal aufgebauten Gefüges mit einem angenommenen Zentrum, des ‚Willens zur Macht’, leicht als verschwörerisch abzuqualifizieren. Der größte Trick des Teufels ist es seit jeher, von sich glauben zu machen es gäbe ihn nicht, und ein weiterer, er säße in jedem Detail.
Dennoch läßt sich wiederum aus der Verbindung vieler Aspekte des modernen Lebens, gleichsam in einem Kräfteparallelogramm aufgetragen, die Gestalt einer pyramidalen Hierarchie modellhaft gewinnen, sowie die Kettenlinie der Indizien gedanklich zu einem Schnittpunkt verlängern, der als ein Schwerefeld-Zentrum der Machtkonzentration angenommen werden kann. Obwohl ein solches sich selbst nicht notwendig positiv zeigen muß. In der Analogie der Vorgehensweise unserer Darstellung dazu, steht die Postulierung von subatomaren Elementarteilchen, für die der Nachweis auf reale Existenz noch erst noch geführt werden muß. Wie zwingend die Logik einer Existenz eines konzentrierten Willens zur Macht sein kann, wird der Gegenstand der folgenden Betrachtungen sein.
Für eine transparente basisdemokratische Organisation, als freie Assoziation freier Individuen, gibt es in der Geschichte, wenn überhaupt, nur kurzzeitige, lokal auftretende Beispiele, die entweder äußeren Einflüssen nicht standzuhalten vermochten, oder, hauptsächlich daran gescheitert sind, daß Gruppen, denen ein spezieller Einfluß auf die Gesetzgebung, das Hüten der Schätze, und Bewahren herrschaftlichen Wissens übertragen wurde, eben die Tendenz haben, sich von den Ebenen des profanen Lebens abzuheben.
In der kulturellen Entwicklung wuchs dieser Kaste aus ihrer hervorragenden Stellung ein besonderer Nimbus zu, zuerst aus ihren speziellen Fähigkeiten abgeleitet, wie in der Tradition der Kriegerfürsten und deren Familienangehörige, oder den Trägern geheimen heilkundlichen Wissens. Aus der Annahme sie wären die Garanten und Vollstrecker des Volkesschicksals, gestand man ihnen verschiedentlich die Mittlerrolle zwischen weltlichem Schicksal und göttlichen Willen zu (Gottkaiser, Hohepriester, Orakel).
Die Sichtbarkeit eines handgreiflichen Schatzes, das Vorweisen der auf Tafeln niedergelegten unumstößlichen Gesetze, der Beweis von ‚Wundertätigkeit’ war in einem weiteren Abstraktionsschritt künftig nicht mehr notwendig, denn die wahre Geschichte lebte in den Mythen der Völker, die durch Erzählung weitergereicht wurden, weiter. Damit ist auch gleichzeitig das Wesen von Geschichte gegeben, nämlich als willkürliches Residuum in der Erinnerung aus Erlebtem und dessen Deutung in nachhinein. Und, es ist das Vorrecht des Siegers des historischen Prozesses, sie authentisch zu erzählen.
Das Allerheiligste wurde schließlich nur noch symbolisch in Tempelbauten veranschaulicht, wie dies in Hellas und Rom geschah. Es hat sich dort in Kunst und ästhetischen Ritus verwandelt.
Durch das Anhäufen von wertvollen Opfergaben für den Kultus, hat sich allerdings auch, und dies gilt im Speziellen für den Tempel des Jahwe im alten Israel, zu einem veritablen ‚Bankhaus’, schließlich zur Wechselbude und Finanz-Börse entwickelt. Mit der neutestamentarischen Erwähnung vom Zorne Jesu angesichts der derartiger Auswüchse, ist uns das Ausmaß dieser Entartung auf den heutigen Tag realistisch überliefert worden. Aber auch wenn man sich nicht auf die schriftlichen Urkunden beziehen will, läßt sich der enge Bezug von Kultstätte und spekulativem Finanzwesen an der tempelartigen Architektur von Bankengebäuden und Börsen in aller Welt noch heute nachweisen.
Die Dramen und Tragödien der antiken Theaterbühne haben ihre Herkunft in den frühen sakralen Mysterienspielen, in die der Zuschauer mit einbezogen wurde, und wobei er Zeuge des unmittelbaren Wirkens der Götter war.
In einigen Hochkulturen wurde der Blick auf das ‚Heilige’ gar vollständig vor dem profanen Blick verschleiert, wie etwa in Alt-Ägypten und Israel. Im verschleierten Bildnis zeigt sich das wahre Gesicht der ‚Wahrheit’, das Höchste ist genugsam belegt durch seine Nicht-Nachweislichkeit. Mutmaßlich hätte sich auch ein Spiegel dahinter verborgen befinden können, mit einem Verweis auf die apollinische Forderung „Erkenne Dich Selbst“ - konsequenterweise aber wäre der Raum hinter dem Vorhang – leer!
Über die längste Zeit der kultivierten Religiosität hat eine heilige Scheu vor der expliziten Darstellung des Göttlichen vorgeherrscht (von dem man sich kein vollständiges Bild machen sollte). Götzenbilder des Göttlichen blieben häufig abstrakt, und scheinbar unvollkommen gestaltet, was in der geschichtlichen Deutung in nachhinein zu dem trügerischen Schluß verleitet, darin, der äußeren Form halber, auf sie mit dem Vorurteil nicht vollwertiger Vorstufen kultureller Entwicklung blicken zu dürfen.
Als zum ersten Male Statuen und bildliche Darstellungen des Menschen, realer Könige und Helden nach siegreichen Wettkämpfen, zur Verehrung in Tempeln aufgestellt worden waren, wurde der Blick des Betrachters an die Nähe der menschlichen Gestalt zum Göttlichen gewöhnt, und zur Verehrung erzogen. Aus dem kultischen Bildnis, mit einer göttlicher Überhöhung versehen, hat sich die rückhaltlose Verehrung des ‚Bildes’ an sich, der Bilderkult bis in unsere Zeit hinein vorhaltend, entsprechend tief in die Seele der Kultur eingeschrieben. Die götzendienerische Verehrung, die die wackelnden Bilder von Prominenten beim rituellen Schaulauf unserer Tage genießen, zehrt noch von eben jener heiligen Scheu, die dem Menschen vor der Prominenz der menschlichen Gestalt im Anfang eingeimpft worden war.
Aber erst mit der Abstraktion der logischen Begrifflichkeit von der real anschaulichen Umwelt war der Logo-Lego-Baukasten geschaffen worden, mit dem eine pyramidale Architektur des Weltgebäudes erst möglich wurde. Hier soll einmal, und gewiß nicht zum letzten Mal, Nietzsche aus seiner Schrift, <Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinn>, zu Wort kommen: Denn erst nunmehr war es „...möglich, was niemals unter den anschaulichen ersten Eindrücken gelingen mochte: eine pyramidale Ordnung von Kasten und Graden aufzubauen, eine neue Welt von Gesetzen, Privilegien, Unterordnungen, Grenzbestimmungen zu schaffen, die von nun an der Welt als das (vermeintlich) Wahrhaftere, allgemein Regulierende und Imperative, gegenübertritt..“
„Was ist die Wahrheit?“, so wird uns die Frage des Pilatus überliefert. Nach Heidegger ist sie die Übereinstimmung einer Sache mit der Erkenntnis über sie, also das Verbindende jeweils des Subjekts und des Objekts der Erkenntnis. In einem unmittelbaren Zusammenhang stehend, die keine Gleichsetzung ist, teilen sowohl die Sache, als auch der Erkennende die Schöpfungsordnung als dem Grund des gemeinsamen „Seins“. Eine Aufhebung von der Unterschiedenheit von Subjekt und Objekt in der Welt ist damit aber noch nicht gemeint, denn dies würde einer vollständige Identität gleichkommen. Das verbindende Element ist der Seinsgrund, auf dessen Basis die Ordnung der Welt beruht. Er setzt die Dinge als Objekte des erkennenden Subjekts in einen wechselseitigen Bezug zueinander. In der religiösen Rückbindung auf den Seinsgrund setzt sich das Subjekt mit dem einheitlichen ungeteilten Willen des „Schöpfers“ in Beziehung, und leistet dadurch seine Selbstvergewisserung, und zwar auf dem Wege einer Selbst-Ermächtigung. In einer Welt der abstrakten Theo-Logik mußte etwa Jesus mit seinem Verweis auf sich Selbst als der Weg zur Wahrheit, als ein mißverständlicher Fremdling erscheinen. Er tat dies mit Verweis auf ein älteres, ursprüngliches, Recht des Lebens, als Erstlingsrecht, vor der berechenden Rechtschaffenheit der Gemeindedisziplin, die es aber im weiteren Verlauf der Geschichte noch, nach einer gravierenden Umwertung aller Werte, zuletzt noch wagen wird, sich dabei auf Ihn zu berufen.
Mit dem Eintreten der Kategorien der ‚Gesetzlichkeit’ der Vernunft, bei der Ablösung des Mythus vom Logos, tritt sie gleichzeitig als deutende Auslegung zwischen die Dinge und das vernünftige Subjekt. Das muß nicht verkehrt sein, kann der Erkennende doch dabei dennoch der ‚Wahrheit’ potentiell durch Vermittlung teilhaftig werden, insoweit er die Naturgesetzlichkeit des Weltgeschehens anerkennt. Ein Versuch der Positionierung des erkennenden Subjekts und der Welt in die es gestellt ist, wurde etwa in der Naturphilosophie bei den Vorsokratikern entwickelt. So gehen die Bestimmungen der Axiome des Raumes ebenso auf sie zurück, wie die Betrachtung der harmonischen Ordnung der kosmischen Mannigfaltigkeit in Zahlenverhältnissen.
Problematisch ist die Überbewertung des logischen Aussagen-Kalküls in der Sophistik, mit der die Argumentation um die Wahrheit ins Dickicht des Syllogismus geraten sind. Die Kombination der Begriffe von den Dingen als Objekte der Erkenntnis tragen jetzt den Wahrheitswert einer Aussage in die Operatoren-Grammatik. Nunmehr herrschen die Wahrheitstabellen der Prädikatenlogik vor, die die Vorlagen für die Algorithmen des digitalen Zeitalters liefern. Der Begriff des ‚Wahren’ an sich wird durch das Sieb der Junktoren („...Dieses Und, Oder, Aber, Auch Jenes...“) und Quantoren („..für alle P gilt dies.., wenn für einige Q jenes gilt..“) passiert Es ist fortan die ‚Pyramide der Macht’, deren Verfassung sich gleichsam als Prisma, als optische Strahlweiche, zwischen das Subjekt der Erkenntnis und das Weltgeschehen als Objekt der Betrachtung einschaltet. Durch den so ‚gebrochenen’ Verlauf des gedanklichen Strahlenganges werden damit auch die Deutungsmuster, innerhalb denen Erkenntnis noch gestattet ist, vorgegeben.
Was Schopenhauer einmal das reine Subjekt der Erkenntnis genannt hat, ist gleichsam die höchst mögliche Potenz des Individuums, das sich vom rastlosen Umtrieb des egoistischen Wollens abgelöst hätte, falls das irgend menschlich möglich wäre. Nicht länger dem blinden Streben der Triebenergien unterworfen, würde eine so verfaßte Persönlichkeit zu einem glücklichen Zustand der Kontemplation im Stande sein. Sie würde das existenziale Leiden des Menschseins nicht etwa ignorieren, sondern zuletzt konsequent bejahen und annehmen können. Den Stoikern, wie den Epikureern schien ein solches Menschenbild erstrebenswert, wie es sich für Christen in Jesus verwirklicht haben soll. Daß also dabei durchaus nicht Verzicht auf eine Rückbindung (religio) auf ein transzendentes Höheres geleistet werden muß, dem wird im Weiteren noch nachzugehen sein.
Iordo seclorum