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Westend Verlag

Ebook Edition

Simone Schmollack

»Und er wird es wieder tun«

Gewalt in der Partnerschaft

Westend Verlag

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ISBN 978-3-86489-664-4

© Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2017

Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin

Satz und Datenkonvertierung: Publikations Atelier, Dreieich

Inhaltsverzeichnis

Vorwort So etwas kommt in den besten Familien vor
Einleitung Das passiert doch nur im Suff oder Warum häusliche Gewalt ein gesellschaftliches und kein privates Problem ist
Von Prellungen bis hin zu offenen Wunden
Jeder Fall ist anders und doch ähnlich
Gewaltmythen halten sich hartnäckig
Gewalt gegen Männer
»Solche Probleme gibt es bei uns nicht«
1 Die Luft brennt manchmal in Sekunden oder Warum die Polizei mit Blaulicht losfährt, wenn es heißt, da prügelt sich ein Paar
Der Fall Daniela
Keine Bagatelle mehr
Die Fassade der bürgerlichen Oberschicht
Eigener Lehrstoff: häusliche Gewalt
2 Ohne Spermaspuren keine Anklage oder Warum es im Strafrecht bei sexueller Gewalt heißen muss »Nein heißt Nein«
3 Belagert, belauert, belästigt oder Warum Stalking kein Kavaliersdelikt ist
4 Worte, die wie Fäuste sind oder Warum Psychoterror so vernichtend sein kann wie Schläge und Tritte
Der Fall Lydia
Es beschimpft sie als »vertrocknet«
Der Fall Leyla
5 Vernetzt und verletzt oder Wie das Internet zur digitalen Gewalt werden kann
Der Fall Charlotte
6 Mama, ich will nicht heiraten oder Von traditionellen Familienstrukturen, Zwangsehen und wie das Aufenthaltsrecht Gewalt gegen Heiratsmigrantinnen fördert
Der Fall Dilara
Der Fall Yasmin
Der Fall Malie
7 Ein bisschen Frieden oder Warum geflüchtete Frauen separate Zimmer in Notunterkünften brauchen
Geschlechtsspezifische Fluchtgründe
Kein Schutz im Flüchtlingslager
Unterkünfte nur für Frauen
Die Gewalt in den Zimmern ist unsichtbar
8 Auch wenn der mich mit seiner Krücke verdrischt, kann ich nicht einfach gehen oder Warum Partnerschaftsgewalt auch ältere Menschen trifft
Gewaltsymptome mit Altersgebrechen verwechselt
Guter Mann, böser Mann
Chronische Gewaltbeziehung
9 Alles tut weh oder Was Gewalt mit dem Körper und der Seele der Opfer macht
Folgen psychischer Gewalt werden unterschätzt
Dramatischste Folge: Mord
»Wenn ich jetzt gehe, war alles umsonst«
Der Fall Sabine
10 »Hört endlich auf« oder Warum Kinder mitleiden, wenn Erwachsene gewalttätig sind
Sie hören die Mutter wimmern
Essstörungen, Kopf- und Bauchschmerzen
Ich halte es zu Hause nicht mehr aus
11 Mehr als ein Dach über dem Kopf oder Warum Frauenhäuser nötig und fast immer überfüllt sind
Ein Frauenhaus ist kein Hotel
Manche Frauen kehren zu ihrem Mann zurück
12 Sie beißt ihm ins Ohr oder Männer sind öfter Opfer von häuslicher Gewalt, als gemeinhin bekannt ist
Gewalt gegen Männer wird belächelt
Sprachlosigkeit der Männer behindert Forschung
Der Fall Jürgen
These von der Frau als häufige Täterin
Wie aus dem Opfer ein Täter wird
Störmomente im neuen Leben
13 Im Zweifel für den Angeklagten oder Wie schwer es sein kann zu beweisen, ob zwei Menschen freiwillig miteinander Sex hatten
14 Es gibt ein Leben danach oder Wie Opfer den Weg aus der Gewalt finden
Tasche packen für den Umzug ins Frauenhaus
»Männer können sich ändern«
Hilfreiche Adressen und Telefonnummern
Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen
Wichtige Gesetze
Gewaltschutzgesetz
Stalking
Sexualstrafrecht
Dank
Anmerkungen
Literatur

Literatur

Amendt, Gerhard: Vätererfahrungen nach der Trennung vom Ehe- und Lebenspartner. Forschungsbericht, Universität Bremen, 2005

Becker, Ruth: Das Leben im Frauenhaus. Ergebnisse einer Befragung zur Zufriedenheit von Bewohnerinnen der Autonomen Frauenhäuser in Nordrhein-Westfallen. Hg. LAG Autonomer Frauenhäuser NRW, Dortmund, 2013

berliner frauen netzwerk – bfn: Jahresbericht Berliner Frauenprojekte 2010 im Antigewaltbereich

Brendebach, Christine/Hirsch, Rolf Dieter: Gewalt gegen alte Menschen in der Familie. In: Rolf Dieter Hirsch, Erhard U. Kranzhoff, Guido Schiffhorst (Hg.): Untersuchungen zur Gewalt gegen alte Menschen. Bonn, Mabuse, 1999

Brückner, Margrit: Die janusköpfige Frau. Lebensstärken und Beziehungsschwächen. Verlag Neue Kritik, Frankfurt am Main, 1987

Brückner, Margrit: Wege aus der Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Fachhochschulverlag, Frankfurt am Main, 2002

Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (Hg.): Jahresbericht des Hilfetelefons Gewalt gegen Frauen. Köln, 2015

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.): Gewalt gegen Männer – Personale Gewaltwiderfahrnisse von Männern in Deutschland. Berlin, 2004

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.): Gesundheit – Gewalt – Migration. Eine vergleichende Sekundäranalyse zur gesundheitlichen und Gewaltsituation von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund in Deutschland. Berlin, 2009

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Zwangsverheiratung in Deutschland, Anzahl und Analyse von Beratungsfällen. Kurzfassung. Johann Daniel Lawaetz-Stiftung, Hamburg, 2011

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Bericht der Bundesregierung zur Situation der Frauenhäuser, Fachberatungsstellen und anderer Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder. Berlin, 2012

Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie (Hg): Gewalt gegen Frauen. Wien, 1991

Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff): Was Ihnen widerfahren ist, ist in Deutschland nicht strafbar. Fallanalyse zu bestehenden Schutzlücken in der Anwendung des deutschen Sexualstrafrechts bezüglich erwachsener Betroffener. Berlin, 2014

Buskotte, Andrea: Gewalt in der Partnerschaft. Ursachen, Auswege, Hilfen. Patmos Verlag, Düsseldorf, 2007

Das aktuelle wissen.de Lexikon. Wissen Media Verlag GmbH, Gütersloh/München, 2004

Deutschlands Zukunft gestalten. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 18. Legislaturperiode. Union Betriebs-GmbH, Rheinbach, 2013U

Evans, Patricia: Worte, die wie Schläge sind. Verbale Misshandlung in Beziehungen. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 1997

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Harrendorf, Stefan: Rückfälligkeit und kriminelle Karrieren von Gewalttätern. Ergebnisse einer bundesweiten Rückfallstudie. Universitätsverlag Göttingen, Göttingen, 2007

Hirigoyen, Marie-France: Die Masken der Niedertracht. Seelische Gewalt im Alltag und wie man sich dagegen wehren kann. Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 2002

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Jungnitz, Ludger/Lenz, Hans-Joachim/Puchert, Ralf/Puhe, Henry/Walter, Willi (Hg.): Gewalt gegen Männer. Personale Gewaltwiderfahrnisse von Männern in Deutschland, Verlag Barbara Budrich, Leverkusen, 2007

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Knellwolf, Thomas: Die Akte Kachelmann. Anatomie eines Skandals. Orell Füssli Verlag, Zürich, 2011

Kotlenga, Sandra/Nägele, Barbara: Es ist nie zu spät. Gewalterfahrungen älterer Frauen durch Partner und Ex-Partner. Zoom – Gesellschaft für prospektive Entwicklungen, Göttingen, 2013

Lamnek, Siegfried/Luedtke, Jens/Ottermann, Ralf/Vogl, Susanne: Tatort Familie. Häusliche Gewalt im gesellschaftlichen Kontext. 3., erweiterte und überarbeitete Auflage. Springer VS, Wiesbaden, 2012

Landmann, Salcia: Jüdische Witze. Der Klassiker. dtv, München, 2007

Lange, Cornelia/Starker, Anne/Von der Lippe, Elena/Hölling, Heike: Psychische und körperliche Gewalterfahrungen in den vergangenen 12 Monaten in der Allgemeinbevölkerung. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). In: Bundesgesundheitsblatt 2016, 59, S. 4–16

Müller, Ursula/Schröttle, Monika: Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Hg. BMFSFJ, Bonn, 2004

Müller, Ursula/Schröttle, Monika: Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Ergebnisse der repräsentativen Untersuchung zu Gewalt in Deutschland. Kurzfassung. Berlin, 2013

Niedersächsisches Ministerium Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit, Landespräventionsrat Niedersachsen, Niedersächsisches Justizministerium (Hg.): Interkulturelle Kompetenz in Einrichtungen zur Unterstützung von Frauen. Hannover, 2008

Prasad, Nivedita: Gewalt gegen Migrantinnen und die Gefahr ihrer Instrumentalisierung im Kontext von Migrationsbeschränkung. Kumulative Dissertation. Universität Oldenburg, 2008

Schirach, Ferdinand von: Die Würde ist antastbar. Essays. Piper, München/Berlin, 2014

Schlack, Robert/Rüdel, Julia/Karger, André/Hölling, Heike: Körperliche und psychische Gesundheit in deutschen Erwachsenenbevölkerung. Bundesgesundheitsblatt 5/6-2013, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, 2013

Schlack, Robert/Rüdel, Julia/Karger, André/Hölling, Heike: Körperliche und psychische Gewalterfahrungen in der deutschen Erwachsenenbevölkerung. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). In: Bundesgesundheitsblatt 2013, 56, S. 755–764

Schröttle, Monika: Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen. Eine sekundaranalytische Auswertung zur Differenzierung von Schweregraden, Mustern, Risikofaktoren und Unterstützung nach erlebter Gewalt. Kurzfassung. Hg. BMFSFJ, Rostock, 2012, 4. Auflage

Schröttle, Monika: Lehrstück für die Notwendigkeit einer methodisch versierten Erfassung, Auswertung und Interpretation geschlechtsvergleichender Daten im Rahmen einer geschlechtersensiblen Gewalt- und Gesundheitsforschung, 24.06.2013

Schwarzer, Alice: Der Fall Kachelmann. Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2012

Schweizerische Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten (Hg.): Beziehung mit Schlagseite. Gewalt gegen Frauen in Ehe und Partnerschaft. eFeF, Wettingen/Schweiz, 1997

Stein, Claudia: Seelische Gewalt in Paarbeziehungen. Interventionsformen und Bewältigungsstrategien. Tectum Verlag, Marburg, 2006

Strasser, Philomena: In meinem Bauch zitterte alles. Traumatisierung von Kindern durch Gewalt gegen die Mutter. In: Barbara Kavemann, Ulrike Kreyssig: Handbuch Kinder und häusliche Gewalt. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 2006

Wetzels, Peter/Greve, Werner/Mecklenburg, Eberhard/Bilsky, Wolfgang/Pfeiffer, Christian: Kriminalität im Leben alter Menschen. Stuttgart, Kohlhammer, 1997

Wolf, Corinna/Voß, Kati: Am Rande der Wahrnehmung. Kinder als Zeugen und Opfer häuslicher Gewalt. Kinder- und Jugendberatung der Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt Schwerin und Rostock, 2008

14
Es gibt ein Leben danach

oder
Wie Opfer den Weg aus der Gewalt finden

Das Paar sitzt am Frühstückstisch. Alles ist rein und weiß in der Wohnung: Wände, Couch, Stehlampe, Geschirr. Er trägt ein weißes Hemd, sie einen weißen Bademantel. Aber nichts ist rein und weiß in der Beziehung des Paares. Als sie Kaffee verschüttet, schlägt er zu. Mitten in ihr Gesicht. Sie springt auf, läuft vor ihm weg durch die schöne, weiße Wohnung. Er rennt ihr hinterher, packt sie, würgt sie, drückt sie an die Wand. Am Ende sitzen beide wieder am Küchentisch. Sie hat ein blaues Auge.

Es ist ein kurzer Kinospot, produziert vom Bundesfamilienministerium, gerade mal 35 Sekunden lang. Heftig, brutal, zerstörerisch: Wegen einer Nichtigkeit prügelt ein Mann seine Frau. Doch der Spot hat eine positive Wendung: Als der Prügler die Wohnungstür hinter sich zuzieht, greift das Opfer zum Telefon und wählt 08000 116 016, die Nummer des Hilfetelefons Gewalt gegen Frauen. Die Botschaft dahinter: Es gibt Hilfe, für jede und jeden Betroffenen. Es gibt ein Leben danach.

Für die meisten Opfer ist es nicht leicht, aus der Gewalt herauszufinden, in der Regel benötigen sie dazu professionelle Unterstützung. Das Hilfetelefon, das seit über drei Jahren rund um die Uhr bundesweit geschaltet ist, kann ein Anfang sein. Die psychologisch und sozialpädagogisch geschulten Beraterinnen der Hotline hören zu, fragen nach, erklären, was Frauen in einer schwierigen Situation tun können. Sie vermitteln Kontakte zu Frauenhäusern, Beratungs- und Polizeidienststellen. Sie helfen mit Telefonnummern und Adressen weiter. Kostenfrei am Telefon, online, per Mail, barrierefrei und in sechzehn verschiedenen Sprachen.

Durchschnittlich sieben Jahre braucht eine Frau, um sich aus der Gewaltspirale zu lösen. Der Ablösungsprozess vom Täter, der zugleich Partner ist, erweist sich für die meisten Frauen als kompliziert. Die Opfer sind häufig und auf vielfältige Weise von ihren Peinigern abhängig: sozial, emotional, finanziell. Viele Opfer glauben zudem, die erlebte Gewalt sei ein privates Problem, mit dem sie allein seien. Die Täter setzen einiges daran, dem Opfer genau dieses Gefühl zu vermitteln. So behalten sie die Kontrolle über das Opfer, bauen sie weiter aus. Die Täter versuchen, das Opfer zu isolieren, zu verängstigen, handlungsunfähig zu machen. Häufig erfolgreich. Am Ende sind die misshandelten Frauen verunsichert und oft sprachunfähig.

Trotzdem gelingt es nicht wenigen Frauen, sich aus der Gewalt zu befreien. Beispielsweise Leyla, die ihre Geschichte in diesem Buch erzählt. Eines Morgens packte sie eine Tasche und meldete sich in einem Frauenhaus. Oder Dilara, deren Geschichte ebenfalls im Buch steht. Eine Ärztin hat ihr geholfen, sich von ihrem Mann zu trennen. Lydia und Marianne, zwei weitere Protagonistinnen im Buch, haben länger gebraucht, um sich aus ihren Ehen zu lösen. Über zwei Jahrzehnte. Aber auch sie haben es geschafft.

Tasche packen für den Umzug ins Frauenhaus

Was können Opfer tun, um auszubrechen aus dem Gewaltkreislauf? Was sollten sie dabei beachten? Wann und wo müssen sie vorsichtig sein?

Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich, sagen Expertinnen in Beratungsstellen und in Frauenhäusern: Was für eine Frau sinnvoll ist, muss einer anderen nicht nützen. Aber es gibt grundsätzliche »Handlungs- und Verhaltenstipps« für Opfer.

Ein erster Schritt kann sein, das gut gehütete Gewaltgeheimnis zu lüften – auch wenn das schwerfällt und es viele Gründe dafür gibt, über die Gewalt des Partners nicht zu reden. Viele Frauen wollen ihren Mann nicht bloßstellen – könnte ja sein, dass er sich bald »wieder fängt« und die Ohrfeige, der Tritt in den Bauch, das Rumbrüllen »Ausrutscher« sind. Die meisten Menschen scheuen zudem das Gerede der Nachbarn: Was sollen die nur denken? Möglicherweise droht der Partner damit, alles zu leugnen und die Frau als Lügnerin darzustellen. Doch weiter zu schweigen ist die falsche Strategie, wissen Beraterinnen: Schweigen schützt den Täter und schadet dem Opfer.

Betroffene sollten sich einer Freundin oder anderen Vertrauenspersonen offenbaren, sagt Katja Grieger vom Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff). Sie sollten Telefonnummern und Adressen von Hilfseinrichtungen und Beratungsstellen sammeln und sich später dort melden, rät Heike Herold von der Frauenhauskoordinierung. Die Gewaltexpertin Andrea Buskotte empfiehlt, bei Freunden oder anderen Vertrauten eine Tasche mit wichtigen Unterlagen und Kleidung für sich und die Kinder unterzustellen, um notfalls fliehen zu können. Opfer sollten Strafanzeige erstatten und die Verletzungen entweder selbst fotografieren oder medizinisch dokumentieren lassen, fordert Jürgen Thiele, Dezernatsleiter für Sexualdelikte beim Landeskriminalamt (LKA) Berlin.

Andrea Buskotte schlägt eine Art Strategieplan vor: Egal, was der Mann tut und womit er droht, Betroffene sollten Kontakt zu Nachbarn, Freunden, Verwandten Kolleginnen und Kollegen halten und sich nicht isolieren lassen. Sie sollten wichtige Telefonnummern – Hilfetelefon, Frauennotruf, Beratungsstellen – auswendig lernen oder auf dem Handy speichern. Und sich in der Wohnung einen sicheren, abschließbaren Raum suchen, in den sie bei einem Angriff fliehen können. In dem Raum sollte es keine Gegenstände geben, die man als Waffe verwenden kann. Günstig sei, einen Notfallplan zu erarbeiten, welche helfende(n) Person(en) im Fall neuer Gewalt angerufen werden kann (können). Diese Person(en) muss (müssen) vorher in die Situation eingeweiht werden. Wichtig: Die Polizei alarmieren. Die kann den Täter aus der Wohnung weisen, so dass Opfer (und Kinder) erst mal zur Ruhe kommen können. Grundlage hierfür ist das Gewaltschutzgesetz, das seit 2002 gilt und Opfer von häuslicher und Partnerschaftsgewalt schützen soll. Danach muss die Gewalt ausübende Person die Wohnung verlassen.

In der Regel wiederholt sich die Gewalt, und die Wohnung wird für das Opfer zu einem gefährlichen Ort, an dem es nicht dauerhaft bleiben kann. Deshalb bleibt für viele eine Flucht in ein Frauenhaus unausweichlich. Die Telefonnummern für eine Schutzeinrichtung in der Nähe kennen die Beraterinnen des Frauennotrufs, ebenso die Polizei und viele Ärztinnen und Ärzte. In einem Frauenhaus können Betroffene und ihre Kinder auch über Nacht aufgenommen werden. Einige Frauenhäuser nehmen mittlerweile auch Transfrauen auf.

Entgegen der häufigen Annahme, die Beraterinnen in den Schutzeinrichtungen würden die Bewohnerinnen dazu bringen, sich von ihren Ehemännern oder Partnern zu trennen, tun sie das nicht. Die Not und das Leiden der Betroffenen und deren Kinder stehen im Mittelpunkt der Fürsorge – nicht die Taten des Mannes.

Gleichwohl ist eine Trennung vom Prügler häufig die einzige Lösung, der Gewalt dieses Täters dauerhaft zu entkommen. Die Berliner Ärztin Antje Barnick hat das häufig erlebt. Sie sagt: »Anders ist die Gewaltspirale oft nicht zu durchbrechen.« Sie würde einer Patientin allerdings nie direkt zu einer Trennung raten, diese Entscheidung überlässt sie den Patientinnen. Sie sagt eher Sätze wie: »Sie werden noch viele Jahre leben. Sie selbst haben es in der Hand, wie die aussehen.«

Manchmal kehren Frauen nach einer bereits geglückten Trennung zu ihrem Mann zurück. Das erscheint Außenstehenden in der Regel irrational und unverständlich. Aber das muss man akzeptieren, meint die Berliner Sozialwissenschaftlerin Heike Ritterbusch: Was Paare zusammenhält und warum es eine misshandelte Frau zum Täter zurückzieht, könnten andere Menschen in der Regel nur schwer einschätzen.

Trennungen sind nicht immer einfach, erlebt Katja Grieger vom bff immer wieder: »Wer sagt denn, dass Gehen in jedem Fall die richtige Lösung ist?« Viele Opfer haben Kinder und können daher die Beziehung nicht ohne weiteres beenden. Andere sind finanziell abhängig und nach einer Trennung sozial isoliert. Manche Frauen müssen um ihr Leben fürchten, wenn sie den Partner verlassen, weil er droht, sie umzubringen. Grieger sagt: »Die Zahl der Beziehungsmorde von Männern an ihren Partnerinnen oder Expartnerinnen steigt.« 331 Frauen wurden im Jahr 2015 laut Polizeilicher Kriminalstatistik von ihren Ehemännern und Partnern getötet.

Und was tun, wenn eine Trennung vom Partner unmöglich ist, der aber immer wieder zuschlägt?

»Die Polizei rufen«, kann Jürgen Thiele vom LKA Berlin nur mantraartig wiederholen: »Das verhindert nicht nur eine weitere Viktimisierung des Opfers, sondern löst auch Therapiedruck auf den Täter aus.«

Meist erhalten gewalttätige Männer Auflagen, sich in sogenannten Täterprogrammen zu melden. Dort sollen sie lernen, ihre Aggressionen unter Kontrolle zu behalten. Solche Trainingsprogramme sind nicht nur hilfreich für Männer, sondern auch gut für Frauen: als Schutzmaßnahme und Prävention.

»Männer können sich ändern«

Im Gegensatz zu früher nimmt die Arbeit mit den Tätern heute einen großen Raum ein. In der Europäischen Union gibt es rund 200 Täterprogramme, in Deutschland findet man Beratungs- und Anlaufstellen für Gewalttäter vor allem in Großstädten wie Berlin, München, Hamburg, Düsseldorf. Hierzulande arbeiten Therapeuten und Antigewalttrainer seit Mitte der 1980er Jahre mit Männern, die in Partnerschaften gewalttätig werden.

Manche dieser Täter landen bei Günter Reif im Hamburger Gewaltschutzzentrum. Der Antigewalttrainer sitzt im sechsten Stock in einem kleinen Raum eines unauffälligen Bürogebäudes in der Nähe des Hauptbahnhofs. Graue Auslegware, flacher Couchtisch, bequeme Sessel. Ein großer Mann mit grauen Schläfen, der einnehmend lächelt. Wohlfühlstimmung.

Einige Männer kommen freiwillig. Das sind die sogenannten »Selbstmelder«. Sie fühlen sich überfordert, vom Alltag, vom Job, vom Stress mit den Kindern, häufig vom eigenen Anspruch: Familie und Job müssen mir gleichzeitig gelingen, andere schaffen das doch auch.

Aber was, wenn das nicht gelingt? Wenn es schiefgeht und die Männer das Gefühl haben zu versagen?

»Dann kann für manche Gewalt ein Ventil sein«, sagt Reif.

Andere Männer werden von der Polizei, vom Jugendamt, vom Staatsanwalt, vom Familiengericht geschickt. Wenn sie vor Günter Reif sitzen, sagen sie Sätze wie: »Ich soll mich hier melden.« Oder: »Der Richter will das so.«

Erst neulich hatte er wieder so einen Fall: Ein Mann mit einem tollen Job, einer wunderbaren Frau und entzückenden Kindern. Eine Familie, die sich erst vor Kurzem neu gefunden hat. Der Mann brachte ein Kind aus einer früheren Partnerschaft mit in die Ehe, die Frau zwei Kinder aus einer vergangenen Beziehung. Beide Erwachsene arbeiten, die Kinderbetreuung mit Kita und Hort ist geregelt. Eine Bilderbuchfamilie. Eine, die versucht, alles mustergültig zu gestalten. Es gibt nur ein Problem: Bei dem Perfektionsanspruch bleibt die Beziehung des Paares auf der Strecke, die Liebe schwindet. Der Mann leidet darunter, er sehnt sich zurück nach der Leidenschaft und der Zärtlichkeit, die das Paar hatte, bevor aus ihm eine Patchwork-Familie wurde. Aber der Mann kann seine Wünsche nicht formulieren. Er kann nicht sagen: »Ich fühle mich überfordert, ich schaff das nicht.« Also schweigt er und schluckt seinen Kummer hinunter.

Außerdem hat er Angst, von seiner Frau zurückgewiesen zu werden, wenn er ihr gesteht, dass er sich gestresst fühlt. Schon oft hat sie Sätze gesagt wie: »Was bist du nur für ein Schlappschwanz.« In solchen Momenten fühlt er sich von ihr entwertet, heruntergeputzt, in seiner Männlichkeit getroffen – und schlägt zu. Mehrfach. Anders kann er seine Emotionen und die Verletzung über die gefühlte Abwertung nicht artikulieren.

Die Frau zeigt ihn an. Die Polizei kommt und nimmt ihn mit, mehrere Tage darf er nicht zurück in die Wohnung. Der Staatsanwalt schickt ihn zu Günter Reif. Bei ihm soll der Mann lernen, seine Aggressionen zu beherrschen.

Der Berater sagt: »Die gute Nachricht lautet: Männer können sich ändern.«

Die schlechte: Das dauert lange. Ein Antigewaltkurs geht über Wochen, Monate. Eine Erfolgsgarantie kann Günter Reif nicht geben.

Und manchmal klappt es auch nicht. Etwa die Hälfte der Männer bei Reifs Antigewalttraining durchlaufen bis zum Schluss das volle Programm: Einzelgespräche, Gruppenrunden, Hausaufgaben. Die andere Hälfte bricht schon am Anfang oder mittendrin ab. Männer mit Alkohol- und anderen Suchterkrankungen werden erst gar nicht zum Verhaltenstraining zugelassen.

Alarmierend ist die Rückfallquote: Etwa ein Drittel der Gewalttäter übt wieder Gewalt aus, hat der Rechtswissenschaftler Stefan Harrendorf herausgefunden. Die Rückfallquote der »Körperverletzer«, wie der Professor an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Prügler bezeichnet, ist dabei besonders hoch. Das ist irritierend. Denn die meisten gewalttätigen Männer, hat Reif erfahren, haben ein »Problembewusstsein: Gewalt ist gesellschaftlich nicht gestattet.« Unabhängig davon, ob die Männer freiwillig zur Beratung gehen oder von den Behörden geschickt werden. Ob sie Hochschullehrer sind, Medizintechniker oder Gabelstaplerfahrer.

Wieso schlägt jemand zu, obwohl er weiß, dass das nicht legitim ist?

»Viele Männer haben nicht gelernt, auf sich zu achten«, erklärt Gerhard Hafner von der Berliner Beratung für Männer gegen Gewalt. »Sie können mit Wut, Eifersucht und Ärger nicht umgehen.« Im Büro und in der Werkhalle hätten sie sich noch im Griff, dort rasteten sie nicht aus. Zu Hause aber, wenn die »Ressourcen« für ein friedliches Miteinander aufgebraucht seien, knallt’s dann.

Hafner hat einen Begriff für sie gefunden: »Männer im Tunnel«. Sie empfinden die Gewalt nicht als solche, sondern sagen: »Es ist doch gar nichts passiert.«

Anders ausgedrückt: Die von ihnen ausgeübte Gewalt nehmen sie nicht wahr.

Christoph Liel, Sozialpädagoge und wissenschaftlicher Referent am Deutschen Jugendinstitut, beschreibt die Diskrepanz zwischen Fremd- und Selbstwahrnehmung solcher Täter so: Wenn der Mann objektiv mehr Stärke und Macht habe als die Frau, empfinde er sich als gleichberechtigt. Sei das Kräfteverhältnis ausgewogen, sehe sich der Mann in der schwächeren Position. Für diese Männer sei Gewalt »weniger ein Problem als eine Lösung, um aus ihrer Sicht den gleichberechtigen Zustand wiederherzustellen«, sagt Liel, der früher in der Täterarbeit engagiert war.

Manchen Männern bereitet es Freude, ihre Partnerin zu unterwerfen. Ihnen geht es um »Versklavung des Opfers«, wie Hans Jörgen Wevers, Psychologe aus Mönchengladbach, das ausdrückt. Die Täter verhielten sich despotisch, kontrollierten sämtliche Lebensbereiche des Opfers, verlangten totalen Gehorsam, sagt Wevers. Das Opfer soll glauben, dass der Täter allmächtig und somit jegliche Gegenwehr sinnlos sei. Hat der Täter die Herrschaft über das Opfer (zurück)erlangt, kann er wieder anders agieren, diesmal mit Zuwendung und Nachsichtigkeit, als Trostspender. Nach einem Zerwürfnis und Gewalteskapaden kann für das Opfer die Aussicht auf Aussöhnung und neue Einigkeit verführerisch sein. In solchen Momenten scheint für den Täter das Gleichgewicht der Macht in der Beziehung wiederhergestellt zu sein.

In Täterprogrammen wie denen von Günter Reif in Hamburg und Gerhard Hafner in Berlin sollen anfällige Männer lernen zu erkennen, wie sich Wut körperlich ausdrückt und was mit dem Opfer passiert, wenn der Täter zuschlägt. Um Tätern ihre eigene Gewalt »vorzuführen«, macht Gerhard Hafner mit ihnen Rollenspiele: Eine Tat wird rekonstruiert, mit all den Worten, die gefallen, und all den Handgreiflichkeiten, die passiert sind.

Manchmal steht ein Täter ratlos da, wenn es heftig zur Sache geht. Gerhard Hafner fragt dann: »An welcher Stelle hätten Sie Ihre Aggressionen beenden können?« Oder er sagt: »Sie haben eine Tochter. Was wäre, würde Ihr Schwiegersohn das mit ihr tun, was Sie mit Ihrer Frau machen?«

Es gibt noch einen Spot im Internet, einen siebenminütigen Kurzfilm des Schauspielers und Regisseurs Philipp Hallenberger. Eine Familie sitzt beim Abendessen: Vater, Mutter, zwei Söhne. Der Vater trinkt ein Bier, einem Jungen fällt das Messer auf den Boden. Der Vater brüllt ihn an: »Heb das Messer auf.« Das macht der Junge, aber offenbar nicht schnell genug. Der Vater schlägt zu. Die Situation eskaliert, auch der Bruder und die Mutter bekommen Schläge.

Als die beiden Jungs allein in ihrem Zimmer sind, telefoniert der große Sohn mit einem Freund. Der jüngere Sohn geht Kaffee kaufen, vor der Haustür wird er gekidnappt. Kurz darauf fordern die »Entführer« den Vater auf, zu einem alten Schrottplatz zu kommen, dort würde er seinen Sohn wiederbekommen.

Was der Vater nicht weiß: Die Entführung ist fingiert, organisiert von den Söhnen und der Mutter. Die drei haben Freunde, die ihnen helfen, den Vater und Ehemann zu verlassen. Der Schläger wird aus der Wohnung gelockt, die Mutter und der große Sohn packen rasch ein paar Sachen zusammen. Die Sache ist von langer Hand geplant.

Als der Vater unverrichteter Dinge nach Hause zurückkommt, findet er eine leere Wohnung vor und auf dem Tisch einen Zettel: »Wir haben dich verlassen. Sieh zu, wie du allein zurechtkommst. Und versuch’ gar nicht erst, uns zu suchen. Wir wollen dich nie wieder sehen.«

Der Film zeigt, wie es gehen kann. Er heißt: »Flucht aus dem Elend«.


Hilfreiche Adressen und Telefonnummern

Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen

Unter der kostenlosen und bundesweiten Telefonnummer 0800 116 016 und unter www.hilfetelefon.de finden Betroffene Unterstützung, entweder direkt am Telefon oder über E-Mail und Chat. Das Telefon ist 365 Tage im Jahr und rund um die Uhr geschaltet. Die Beratung ist anonym, für Betroffene aller Nationalitäten, mit und ohne Behinderungen. Auch Angehörige und Freundinnen und Freunde werden dort beraten.

Frauenhauskoordinierung

Tucholskystraße 11, 10117 Berlin

(030) 338 43 42-0

Auf der Internetseite des Vereins www.frauenhauskoordinierung.de kann man bundesweit nach Beratungsstellen und Frauenhäusern suchen: Postleitzahl eingeben, Suche nach einer Entfernung von 20, 50 oder 100 Kilometer eingrenzen, anklicken. Die Seite verzeichnet alle Einrichtungen in allen Bundesländern. Darüber hinaus sind Abfragen nach behindertengerechten Einrichtungen möglich sowie die Frage, ob beispielsweise ältere Söhne in ein Frauenhaus mitgebracht werden dürfen.

Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff)

Petersburger Straße 94, 10247 Berlin

(030) 322 99 500

Zum bff gehören mehr als 170 Frauennotrufe und Frauenberatungsstellen. Auf der Internetseite des Vereins www.frauen-gegen-gewalt.de finden sich unter »Hilfe & Beratung« ebenfalls Beratungsstellen und Frauennotrufe.

Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel

Kurfürstenstraße 33, 10785 Berlin

(030) 263 911 76

Auf der Internetseite https://www.kok-gegen-menschenhandel.de des Vereins, der sich national und international gegen Menschenhandel und für die Durchsetzung der Menschenrechte von Migrantinnen engagiert, findet man deutschlandweit Beratungsstellen.

Women against Violence Europe (WAVE)

Bacherplatz 10/6, 1050 Wien, Österreich

0043-0-154 827 20

Auf der Seite des Netzwerks Frauen gegen Gewalt in Europa www.wave-network.org finden sich Adressen von Beratungsstellen und Frauenhäuern in ganz Europa. Eine Suche nach Ländern und Städten ist möglich.

Zentrale Informationsstelle autonomer Frauenhäuser (ZIF)

Markt 4, 53111 Bonn

(0228) 684 695 04 / -05

Auf der ZIF-Internetseite www.autonome-frauenhaeuser-zif.de finden sich Kontaktdaten der autonomen Frauenhäuser und Koordinationsstellen in den einzelnen Bundesländern.

Deutsches Institut für Menschenrechte

Zimmerstraße 26/27, 10969 Berlin

(030) 259 359-0

Auf www.institut-fuer-menschenrechte.de/startseite, der Internetseite des Instituts, das die Öffentlichkeit über die Lage der Menschenrechte informieren und zur Prävention beitragen soll, findet sich eine Fülle von Informationsmaterial.

Terre des Femmes (TdF)

Brunnenstraße 128, 13355 Berlin

(030) 40 50 46 99-0

Auf der Internetseite der Organisation www.frauenrechte.de gibt es Adressen für medizinische Beratungs- und Anlaufstellen, Medibüros, Medinetze und Medizinische Flüchtlingshilfen und spezielle Kontaktadressen bei Fälle von Genitalverstümmelungen. TdF betreibt die Beratungsstelle LANA für Fälle von Zwangsheirat und Gewalt im Namen der Ehre.

Gewaltlos

Mauritiussteinweg 77–79, 50676 Köln

Der Sozialdienst katholischer Frauen bietet unter www.gewaltlos.de eine Internetberatung für Opfer von häuslicher Gewalt und Stalking. Per Chat gibt es Hilfe an vier Tagen in der Woche zu festen Zeiten (nachzulesen in den Chat News).

Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen (BIG)

Durlacher Straße 11 a, 10715 Berlin

(030) 61 70 91 00

Unter der rund um die Uhr geschalteten BIG-Hotline (030) 611 03 00 für Opfer von häuslicher Gewalt können Anruferinnen gezielt an freie Plätze in Frauenhäusern und Zufluchtswohnungen vermittelt werden. BIG (www.big-berlin.info) wird von den Hilfseinrichtungen über deren aktuelle Aufnahmekapazitäten informiert. Wer akut keinen Platz in Berlin findet, kann in andere Orte vermittelt werden. Unter www.anlaufstellen-berlin.de sind alle Berliner Beratungsstellen, Krisenzentren, interkulturelle Initiativen, medizinische Hilfen sowie ein Wegweiser für von Gewalt betroffene Migrantinnen aufgelistet.

BIG bietet auch Hilfe für Männer, sowohl für Opfer als auch für Täter: Adressen von Opfer-Beratungsstellen und für Täterprogramme in Berlin.

Männerberatungsnetzwerk

Arminiusstraße 65, 07548 Gera

(0365) 22 77 31 10

Das Männerberatungsnetzwerk ist ein Zusammenschluss aller in Deutschland existierenden Beratungseinrichtungen, Schutzwohnungen und Notrufe für Männer, die von Gewalt betroffenen sind. Man findet sie unter www.maennerberatungsnetz.de.

Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt

Nordring 15 c, 76829 Landau

(06341) 557 58-21

Der Verein ist ein überregionaler, interinstitutioneller und interkultureller Dachverband von Tätereinrichtungen. Unter www.taeterarbeit.com findet man sämtliche Beratungsstellen.

Weißer Ring

Weberstraße 16, 55130 Mainz

(06131) 83 03-0

Der Weiße Ring ist eine Opferberatungsstelle für verschiedene Fälle von Gewalt und Kriminalität. Unter der bundesweiten Hotline 116 006 ist das sogenannte Opfertelefon geschaltet. Auf der Internetseite www.weisser.ring.de findet man alle Beratungsstellen vor Ort.


Wichtige Gesetze

Gewaltschutzgesetz

Das Gewaltschutzgesetz (GewSchG) gilt seit 2002 und soll Opfer häuslicher und Partnerschaftsgewalt schützen und Täterinnen und Täter von den Opfern entfernen. Wenn der Täter (oder die Täterin) das Opfer massiv körperlich und seelisch angreift und bedroht, kann der Täter/die Täterin aus der Wohnung verwiesen werden. Früher sind in der Regel die Opfer aus der gemeinsamen Wohnung in ein Frauenhaus, eine Zufluchtswohnung, ins Hotel, zu Freunden und Verwandten oder woandershin geflohen. Manche, die diese Möglichkeiten nicht hatten, sind obdachlos geworden – auch mit Kindern. Das GewSchG ermöglicht, dass die Nutzung der Wohnung dem Opfer dauerhaft zugesprochen werden kann – vor allem dann, wenn Kinder im Haushalt leben, die ebenfalls gefährdet sind. Um sicherzugehen, dass der Täter/die Täterin die Wohnung nach Wegweisung nicht widerrechtlich betritt, kann die Polizei dem Täter/der Täterin den Wohnungsschlüssel abnehmen.

Bei häuslicher Gewalt muss die Polizei eine Anzeige aufnehmen und ermitteln. Sie ermittelt auch, wenn das Opfer selbst keine Anzeige erstattet hat. Es genügt, dass die Beamten von der Gewalt erfahren, den Tatort besichtigt sowie Opfer und Täter (möglicherweise auch Zeugen) befragt haben. Die Anzeige wird an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, die über eine Anklageerhebung entscheidet.

Ebenso kann dem Täter/der Täterin jeder Kontakt mit dem Opfer untersagt werden. Das gilt für persönliche Treffen wie für Telefonate, Briefe, E-Mails, SMS.

Darüber hinaus können Opfer zivilrechtliche Schutzmaßnahmen in Anspruch nehmen, zum Beispiel Schadenersatz und Schmerzensgeld, die gerichtliche Regelung des Sorgerechts für gemeinsame Kinder und die zeitweilige und gänzliche Aussetzung des Umgangsrechts – wenn das Kindeswohl schwer beeinträchtigt ist. Zuständig ist das Familiengericht. Beim Sorge- und Umgangsrecht erweist sich das GewSchG allerdings als lückenhaft: Vielfach behalten die Täter/Täterinnen sowohl das Sorge- als auch das Umgangsrecht. Begründung: Das Recht der Kinder auf weiteren Umgang mit dem »entfernten« Elternteil soll bestehen bleiben, Eltern und Kinder sollen sich gegenseitig nicht entfremden.

Diesen Passus beklagen Frauen-, Gewaltschutz- und Opferverbände, weil es bei Begegnungen zwischen Opfer und Täter/Täterin – beispielsweise bei der Übergabe der Kinder – häufig zu neuen Übergriffen kommt. Möglich ist ein begleiteter Umgang, in solchen Fällen ist in der Regel eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter des Jugendamts dabei.

Als lückenhaft erweist sich das GewSchG auch bei Partnerschaftsgewalt gegen Migrantinnen/Migranten. Migrantinnen/Migranten, die aufgrund einer Ehe nach Deutschland gekommen sind, erhalten einen eigenständigen Aufenthaltstitel erst, wenn die Ehe mindestens drei Jahre bestanden hat. Will sich die ausländische Partnerin oder der Partner trennen, kann das zur Folge haben, dass sie/er das Land verlassen muss. Ausnahme: Wenn die Migrantin oder der Migrant und deren Kinder durch die häusliche Gewalt massiv gefährdet sind und ein Zusammenleben mit dem Täter/der Täterin dem Opfer nicht zuzumuten ist. Hier entscheidet nicht nur das Familiengericht, sondern auch die Ausländerbehörde.

Stalking

Das unerlaubte und beharrliche Nachstellen einer Person – Stalking – ist eine Straftat, die im Strafgesetzbuch geregelt ist. Danach kann mit bis zu zehn Jahren Freiheitsentzug bestraft werden, wer sich dem Opfer nähert, über Briefe, Telefon, E-Mails, SMS und andere Kommunikationsgeräte ständig versucht, mit dem Opfer Kontakt aufzunehmen. Dazu zählt auch der Annäherungsversuch über Bekannte, Familienangehörige oder Kolleginnen und Kollegen des Opfers. Ebenso kann bestraft werden, wer Daten- und Identitätsdiebstahl betreibt und im Namen des Opfers beispielsweise Waren bestellt.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat 2016 das Gesetz verschärft. Jetzt können Täter und Täterinnen ebenso dann bestraft werden, wenn das Opfer beispielsweise nicht umzieht oder den Job wechselt. Vor der Novellierung des Stalking-Paragrafen § 238 StGB musste das Leben eines Opfer massiv beeinträchtigt sein, verbunden beispielsweise mit einem Umzug, Job- und teilweise Identitätswechsel.

Sexualstrafrecht

Seit 2016 gilt im Sexualstrafrecht (§ 177 StGB) der Grundsatz »Nein heißt Nein«: Jetzt können unerlaubte sexuelle Handlungen auch dann als Vergewaltigung eingestuft werden, wenn sich das Opfer nicht aktiv wehrt. Es reicht, dass sich der Täter über den erkennbaren Willen des Opfers hinwegsetzt. Für Opfer von häuslicher und Partnerschaftsgewalt ist das besonders wichtig: Häufig wehren sich Opfer nicht aktiv (drücken jedoch ihre Ablehnung aus), weil im Zimmer nebenan Kinder schlafen. Oder sie fürchten, weiteren Taten ausgeliefert zu sein, wenn sie sich aktiv wehren.

Neu im Gesetz ist der Straftatbestand sexueller Angriffe aus der Gruppe heraus: Wenn Sexualstraftaten aus Gruppen heraus begangen werden – wie bei den Übergriffen in der Silvesternacht 2015 in Köln und anderen Orten –, können jetzt alle Teilnehmer der Gruppe belangt werden.

Für verurteilte migrantische Täter kann das Gesetz zur Folge haben, dass sie schneller ausgewiesen werden.


Dank

Dieses Buch hätte nicht entstehen können ohne das Wissen und die Kenntnisse vieler Menschen, ohne ihre Unterstützung und Hilfe. Dafür möchte ich ihnen allen ganz herzlich danken. In allererster Linie natürlich den Betroffenen, die mir ihr Vertrauen geschenkt und ihre »Geschichten« erzählt haben. Die Schicksale der Opfer berichten eindrücklich davon, wie Partnerschaftsgewalt aussieht und was sie (auch bei anderen nahestehenden Personen) bewirkt. Die Namen aller Betroffenen bleiben an dieser Stelle leider unerwähnt, so gern ich sie nennen würde. Aber Sicherheit und Anonymitätswunsch haben Vorrang.