INHALT

VORWORT

3 österreichische Musketiere im Kampf für den Zahn!

Das war mein Eindruck, als ich Dr. Viviane Österreicher, Dr. Gernot Österreicher und DDr. Gerald Jahl im Interview auf Herz und Nieren prüfte, oder besser gesagt: als ich ihnen auf den Zahn fühlte. Wenn ich mit Ärzten spreche befürchte ich immer, mit medizinischem Fachchinesisch abgespeist zu werden. In diesem Fall war das Gespräch aber für einen Laien wie mich wunderbar verständlich – und vor allem inhaltlich hochinteressant.

Für mich war der Gang zum Zahnarzt immer ein Canossagang. Und komischerweise hatte ich in meiner Jugend öfter größere Eingriffe an meinen Zähnen, als ich das heute habe. Ich bin jetzt über 50 und habe noch alle meine Zähne – juhu!

Aber ganz ehrlich – sollte es mal soweit sein, dass ich zum einen oder anderen meiner Beißerchen „leise Servus“ sagen müsste, dann könnte ich mir niemals vorstellen eines dieser „normalen“ Großvatergebisse tragen zu müssen. Die Gespräche mit den drei Zahnärzten Dr. Viviane Österreicher, Dr. Gernot Österreicher und DDr. Gerald Jahl haben bei mir für „Beruhigung“ gesorgt. Implantate sind heute keine Hexerei mehr, sondern – sind die erfolgreichste und nachhaltigste medizinische Behandlungsform überhaupt. Donnerwetter! Das lässt mich auf eine genussvolle Seniorenzeit hoffen, in der ich bis zum Schluss noch „kräftig zubeißen kann“.

Wie gesagt, noch ist es bei mir nicht soweit und das hat vielleicht mit der allgemeinen Verbesserung der Zahnpflege in Österreich zu tun! Es wird – anders als noch in meiner Jugend – dafür gesorgt, dass heute schon von Beginn an die Milchzähne geputzt werden und man geht auch öfter zum Zahnarzt. Gut so, denn das zahlt sich später mehr als aus.

So zumindest die einhellige Meinung der drei Zahnärzte, die ihr Wissen in diesem Buch mit Ihnen, liebe Leser, teilen. Es geht um nichts weniger, als um die ZAHN-ZUKUNFT-ÖSTERREICH!

Es wird erörtert wie der aktuelle Status Quo der Zahnmedizin ist, was in der Zahnprophylaxe bzw. in der Zahnbehandlung in der Alpenrepublik schief läuft, wo man nachbessern könnte (und müsste) und wo wir spitze sind. All das wird in dem, auch für Laien, leicht lesbaren Buch abgehandelt, aber es geht noch einen Schritt weiter!

TIPPS FÜR DAS SCHÖNSTE GEBISS DER WELT!

Jeder der drei Zahnärzte gibt Tipps in seinem Bereich und erklärt, wie man sich möglichst lange und mit möglichst hoher Lebensqualität ein strahlend schönes Gebiss erhalten kann. Beginnend beim Kleinkind, bei dem sich die Eltern überlegen, ob und ab wann eine Zahnspange sinnvoll ist, bis zum 92-jährigen Mann, der sich nach langem Leidensweg doch noch für moderne Zahnimplantate entschieden hat und davon hellauf begeistert war.

In diesem Sinne möchte ich Sie als Herausgeber dieses Buches einladen, sich mit einem Thema zu beschäftigen, das Sie tagtäglich begleitet von der Wiege bis zur Bahre…

MIT IHREN ZÄHNEN!

Viel interessante Lesezeit:

Alois Gmeiner

Herausgeber

ZAHNSPANGEN – KIEFERORTHOPÄDIE – KINDERZAHNHEILKUNDE

Dr.med. dent. Viviane Österreicher

Zahnärztin

Master of Science der Kieferorthopädie i.A. 2-jähriger berufsbegleitender Kurs: FACE Course, University ALPE Adria

Diverse Fortbildungen im In- und Ausland in den Bereichen Kieferorthopädie und Kinderzahnheilkunde

Werdegang:

 

www.geradezaehne.at

 

1. Einführung – von Dr. Viviane Österreicher

GMEINER: Frau Dr. Österreicher, Sie sind Zahnärztin, Ihre Praxis ist in Hollabrunn in Niederösterreich. Sie sind nicht die typische 08/15 Zahnärztin, und Sie wollen auch das gar nicht sein. Wie kam es zu Ihren Schwerpunkten Kieferorthopädie, Kinderzahnheilkunde, Invisalign?

DR. VIVIANE ÖSTERREICHER: Mein Mann und ich haben uns während dem Zahnmedizinstudium in Wien kennengelernt. Wir haben uns damals entschlossen, nicht nur unsere private Zukunft, sondern auch unsere berufliche Zukunft miteinander zu planen und zu bestreiten.

Schon während dem Studium habe ich mich entschieden, mich auf Zahnspangen und Kieferorthopädie zu konzentrieren. Ich habe meine Diplomarbeit in diesem Fachgebiet geschrieben und nach dem Studium ein Jahr in der Abteilung für Zahnspangen an der Universitätszahnklinik gearbeitet.

Danach haben mein Mann und ich unsere private Zukunft geplant und unser erstes Kind bekommen. Dann haben wir unsere Ordination in Hollabrunn gegründet. Durch weitere Fortbildungen habe ich mich immer weiter auf das Gebiet der Zahnspangen konzentriert.

GMEINER: Seit 2015 gibt es in Österreich die Gratiszahnspange. Bieten Sie diese Leistung an?

DR. VIVIANE ÖSTERREICHER: Ja. Als akkreditierte und qualifizierte Kieferorthopädin bin ich berechtigt, für die Behandlung von Patienten mit schwerwiegenden Zahnfehlstellungen bei der Krankenkasse um Bewilligung und Bezuschussung anzusuchen.

GMEINER: Ihr Gebiet ist Zahngesundheit bei Kindern und Jugendlichen. Warum arbeiten Sie gerne mit jungen Patienten?

DR. VIVIANE ÖSTERREICHER: Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist deshalb so schön, weil es mir Freude macht, ihnen durch meine freundliche und einfühlsame Art die Angst vor der Behandlung zu nehmen. Ich kann mich gut in sie hineinversetzen und kann mich selbst noch genau erinnern, wie ich mich als Kind beim Zahnarzt gefühlt habe.

2. Kinderzähne in Österreich – Vergangenheit und Zukunft

GMEINER: Frau Dr. Österreicher, Sie sind Zahnärztin mit Schwerpunkt Zahngesundheit bei Kindern und Jugendlichen. Wie war es früher? Was hat sich verändert?

DR. VIVIANE ÖSTERREICHER: Die Zahnhygiene hat in den letzten Jahrzehnten deutlich an Bedeutung zugenommen. Das Bewusstsein für die Wichtigkeit der täglichen Zahnpflege ist seitens der Eltern merkbar gestiegen. Die Eltern schauen aktiv darauf, dass die Kinderzähne sauber sind und dass die Kinder ihre Zähne pflegen. Deswegen hat sich die Zahngesundheit der Kinder und Jugendlichen in den letzten Jahrzehnten sicherlich deutlich verbessert.

Zusätzlich gibt es seit 20 Jahren Prophylaxeprogramme in den Kindergärten und in den Schulen. Da kommen Zahnärzte sowie auch Zahngesundheitserzieherinnen. Die Zahnärzte untersuchen dort die Kinder überblicksmäßig und die Assistentinnen zeigen den Kindern spielerisch, wie sie ihre Zähne pflegen können.

WICHTIG ZU WISSEN: Regelmäßiges Zähneputzen ist enorm wichtig! Eltern müssen auf die Zahnpflege ihrer Kinder achten!

DDR. GERALD JAHL: Ein wichtiger Punkt ist natürlich das Zähneputzen, aber auch die Ernährung hat sich massiv geändert. Die Qualität und die Quantität der Ernährung haben sich enorm verändert.

GMEINER: Ernsthaft?

DDR. GERALD JAHL: Ja, absolut. Die Leute haben früher ganz anders gegessen. Mittlerweile achten die Eltern darauf, was ihre Kinder zu essen bekommen. Die Ernährung hat sich massiv verändert.

Zusätzlich gibt es seit vielen Jahren die Pflicht der Fluoridierung des Speisesalzes. Das war ein großer Quantensprung für die Zahngesundheit.

GUT ZU WISSEN: Die Speisesalzfluoridierung begann 1955 in der Schweiz. Der Grund: Kariesprophylaxe. Das Schweizer Modell haben verschiedene andere Länder übernommen. In Österreich wird fluoridiertes Speisesalz seit 1995 angeboten. Heute ist die freiwillige Anreicherung von Speisesalz mit Fluorid eine allgemein akzeptierte Form einer wirkungsvollen Kariesprophylaxe.

Die Anreicherung von Speisesalz mit Fluorid ist nicht zu verwechseln mit dem Zusatz von Jod. Die Jodierung von Speisesalz ist in Österreich seit 1963 per Gesetz verpflichtend vorgeschrieben.

DDR. GERALD JAHL: Die Leute achten seit etwa 10 Jahren viel mehr auf ihre Ernährung. Jeder kleine Haushalt weiß mittlerweile: Das sind Kohlehydrate, das ist Fett, das sind Ballaststoffe.

GMEINER: Zum Thema Ernährung wird medial aber ein ganz anderes Bild vermittelt. Die Botschaft ist: Es wird alles immer schlechter. Wir essen mehr Hamburger, immer mehr Fastfood, immer mehr Fertiggerichte…

DDR. GERALD JAHL: Na ja, proteinreiche Ernährung wie Hamburger hat es damals auch noch nicht gegeben. Proteine sind immer noch tausend Mal besser als ständig Kohlehydrate zu essen. Auf die gesunde Mischung der Nahrung kommt es an, das ist wichtig.

DR. VIVIANE ÖSTERREICHER: Ich glaube, es ist eine sehr gebildete Schicht, die ernährungsbewusst ist und die darauf achtet, was die Kinder essen. Ich denke, dass ein großer Teil der Bevölkerung diesen Werbeversuchungen stark nachgibt, den Kindern nachgibt, und die Kinder tendieren immer zum Süßen. Die naschen und trinken irrsinnig viele zuckerhältige Sachen.

DDR. GERALD JAHL: Das stimmt, Kinder neigen immer dazu. Aber es hat sich dennoch etwas verändert. Warum werden wir allgemein älter? Weil sich die Qualität der Ernährung geändert hat, ganz einfach. Nicht nur, weil die Ärzte besser geworden sind und wir mehr Medikamente haben, sondern auch weil wir uns anders ernähren als vor 100 Jahren.

WICHTIG ZU WISSEN: Möglichst wenig süße Lebensmittel und Getränke! Zucker ist der ideale Nährboden für Zahnkaries. Daher: Auch wenn die Kinder Süßes lieben, geben Sie ihnen möglichst wenig Schokolade, Kekse, Honig, Marmelade, Limonaden, Fruchtsäfte, Instantgetränke, süßes Obst (Bananen, Trockenfrüchte etc.)…

GMEINER: In den 60er Jahren war es modern, den Kindern jeden Tag am Morgen eine Fluortablette zu geben. Hat das Ihrer Meinung nach irgendetwas gebracht?

DR. GERNOT ÖSTERREICHER: Mit Sicherheit hat es etwas gebracht. Das Problem war nur, dass es keine Kontrolle in dem Sinn gab. Hat man die Fluortablette genommen, hat man sie nicht genommen, hat man es richtig genommen, hat man zu viel genommen? Das hat man dann völlig verändert. Die Schweizer machen das bis heute, indem sie Fluorid dem Trinkwasser hinzufügen. Bei uns ist es ebenfalls im Trinkwasser.

DR. VIVIANE ÖSTERREICHER: Als Spurenelement.

DR. GERNOT ÖSTERREICHER: Anhand des Fluoridgehaltes, der im Trinkwasser enthalten ist, wird bemessen, ob in einer Gemeinde wie Hollabrunn substituiert werden muss. Das heißt, muss man Fluorid hinzufügen oder müssen wir wissen, ob die Kinder Fluoridtabletten nehmen sollen. Heutzutage, wo wir fluoridiertes Kochsalz haben, wo wir den Fluoridgehalt in der Zahnpasta haben, schon von der Kleinkindzahnpasta an, und auch Fluorid im Trinkwasser, hat sich das zum Glück entspannt.

Laut Empfehlungen des Obersten Sanitätsrates sind 0,1–0,3mg Fluorid pro Liter ein normaler Fluoridgehalt des Trinkwassers.

Beim zuständigen Wasserwerk oder Gesundheitsamt können Sie erfragen, wie hoch der Fluoridgehalt des Trinkwassers ist. Sollte das Trinkwasser in Ihrem Ort einen höheren Fluoridgehalt aufweisen, benötigen Sie eine individuelle Dosierung und sollten sich von Ihrem Zahnarzt diesbezüglich beraten lassen.

ub.meduniwien.ac.at

Alter Fluoridkonzentration im Trinkwasser mg /1
< 0,3 0,3 – 0,7 > 0,7
0–6 Monate - - -
6–12 Monate 1 Tbl. (0,25) - -
ab 1 - unter 3 Jahre 1 Tbl. (0,25) - -
ab 3- unter 6 Jahre 2 Tbl. (0,5) 1 Tbl. (0,25) -
> 6 Jahre 4 Tbl. (1) 2 Tbl. (0,5) -

Tabelle 3: Altersabhängige Dosierung von Fluoridtabletten (mg Fluorid/ Tag) lt. DGZMK85

GUT ZU WISSEN: „Gesunde Zähne brauchen ausgewogene Ernährung und richtige Mundhygiene. Wer darauf achtet, kann seine Zähne über lange Zeit gesund erhalten. Fluoride bilden eine ‚Schutzschicht’ an der Zahnoberfläche, die in zwei Richtungen wirkt. Zum einen schützen Fluoride die Zähne vor den Säuren der Mundhöhlenbakterien, zum anderen unterstützen sie die Wiedereinlagerung von Mineralien in den geschädigten Zahnschmelz. In der Werbung heißt das: ‚… härtet den Zahnschmelz’.

Wie bei allen Wirkstoffen, die dem menschlichen Körper zugeführt werden, geht es auch bei Fluoriden um die richtige Dosierung. Wer Fluorid aus anderen Quellen aufnimmt, muss das beim Zähneputzen mit fluoridierten Zahnpasten berücksichtigen.“

Quelle: Kariesprophylaxe mit Fluoriden: Empfehlungen des Obersten Sanitätsrates, Kommission „Zahnmedizin, Prophylaxe“

Babys und Erste Zähne (Milchzähne)

Sobald die ersten Milchzähne durchgebrochen sind, sollten die Eltern sie zweimal am Tag reinigen, und zwar mit einer weichen Kinder-Zahnbürste. Die Verwendung fluoridierter Kinderzahnpasta in kleiner Menge (ca. „erbsengroß“) ist zumindest einmal täglich empfohlen. Ab dem 2. Lebensjahr sollen die Zähne zwei Mal täglich mit fluoridierter Zahnpasta geputzt werden. In den ersten Lebensjahren gehört diese Aufgabe unbedingt in Elternhand.

Volksschulalter

Ab dem Schuleintritt sind Erwachsenen-Zahnpasten mit einem Fluoridgehalt 1,0–1,5 mg/cm3 (1.000–1.500 ppm) Fluorid empfehlenswert. Auch wenn das Kind bereits selbst die Zähne putzt, müssen die Eltern noch bei der Zahnpflege nachhelfen. Kinder in diesem Alter können nur etwa ein Drittel der vorhandenen Zahnbeläge selbst entfernen.

Erwachsene

Erwachsene sollten ihre Zähne zweimal am Tag mit Zahnpasten mit einem Fluoridgehalt von 1,0–1,5 mg/cm3 (1.000–1.500 ppm) reinigen. Bei erhöhtem Kariesrisiko sollten zusätzliche Fluoridmittel (siehe unten) in Absprache mit der Zahnärztin/dem Zahnarzt verwendet werden.

Ältere und alte Menschen

Im Alter kommt es häufig zu einem Rückgang des Zahnfleisches (Rezession), der Speichelfluss verringert sich und die Hände sind bei fein abgestuften Bewegungen, wie es bei der Zahn-pflege erforderlich ist, nicht mehr so geschickt. Freiliegende Wurzelhälse sind oft besonders kariesanfällig. Zusätzliche Mittel zur fluoridierten Zahnpasta sollten in Absprache mit der Zahnärztin/dem Zahnarzt verwendet werden.

Quelle: Kariesprophylaxe mit Fluoriden: Empfehlungen des Obersten Sanitätsrates, Kommission „Zahnmedizin, Prophylaxe“

DR. VIVIANE ÖSTERREICHER: Die offizielle Empfehlung in Österreich ist immer noch, dass man Kindern diese Fluortabletten gibt. Von den 60er Jahren bis in die 80er Jahre war das ein großer Hype mit diesen Fluortabletten. Aber der Haken daran ist, dass viele Kinder die Tabletten einfach zerbeißen, schlucken und fertig. Dann kommt das Fluor in den Verdauungstrakt, von dort in die Blutbahn und in der Blutbahn ist das Fluorid derart verdünnt, dass es fast gar keine Wirkung mehr hat, bis es durch die Blutbahn bei den Zähnen ankommt.

GMEINER: Es war also richtig, dass die Lehrer in den 60er Jahren den Kindern gesagt haben, sie sollen die Fluortablette möglichst lang in der Backe behalten?

DR. VIVIANE ÖSTERREICHER: Ja, das war richtig. Das Schlucken-und-fertig hat meines Erachtens überhaupt keinen Sinn. Deswegen ist es viel sinnvoller, das Fluorid lokal anzuwenden, sprich, dass es im Mund wirkt. Da gibt es ein Gel, das in der Apotheke erhältlich ist.

Damit kann man die Zähne einmal die Woche einbürsten, nicht mehr spülen, nicht mehr trinken, damit das Gel in der Nacht einwirken kann. Das ist eine exzellente Kariesprophylaxe.

Ich sehe das bei Kindern, die alle drei Monate mit neuen Löchern gekommen sind. Wenn die Eltern so konsequent sind und den Kindern einmal pro Woche das Gel geben, wird ein kompletter Abbruch dieses Kariestrends erreicht. Es kommen tatsächlich keine neuen Löcher mehr dazu. Es hilft super.

ub.meduniwien.ac.at

Tabelle 4: Empfehlungen zur Fluoridprophylaxe (Fluoridgehalt des Trinkwassers < 0,3 ppm)102

DR. VIVIANE ÖSTERREICHER: Ich möchte gerne noch etwas zum Thema Fluorid loswerden. Es gibt viele Familien, die sehr gebildet sind und sich viele Gedanken über das Fluorid machen. Sie lesen auch sehr viel im Internet darüber. Allerdings werden hier unzählige Schauergeschichten über das Fluorid geschrieben. Zum Beispiel soll es unglaublich giftig sein, die Nazis sollen es verwendet haben, um ganze Bevölkerungen zu eliminieren, indem sie es kiloweise ins Trinkwasser geschüttet haben. Es kursieren ganz viele gruselige Geschichten. Diese Familien beschließen dann, ihre Kinder ohne Fluorid großzuziehen.

DDR. GERALD JAHL: Und haben den schlimmsten Effekt dadurch.

DR. VIVIANE ÖSTERREICHER: Genau. Diese Familien kaufen eine Zahnpasta ohne Fluorid im Drogeriemarkt oder im Bioladen. Ganz bewusst. Die Kinder kommen zu mir und haben ein komplett kariös zerstörtes Gebiss. Mehrere solche Familien habe ich jetzt schon erlebt.

WICHTIG ZU WISSEN: Keine Angst vor Fluorid! Fluorid ist extrem wichtig! Dass Zahnpasten mit Fluorid angeboten werden, ist gut!

DR. VIVIANE ÖSTERREICHER: Dass Zahnpasten mit Fluorid verwendet werden, ist extrem wichtig. Man darf das Kind natürlich nicht mit der Zahnpastatube unbeaufsichtigt lassen. Das Kind soll nicht drei Zahnpastatuben hintereinander schlucken. Das wäre tatsächlich eine kritische Fluoriddosis. Wenn man wirklich nur die auf der Packung angegebene Menge verwendet, dann hat Fluorid einen riesengroßen Nutzen in der Kariesprophylaxe.

DR. GERNOT ÖSTERREICHER: Man muss dazu sagen, dass es immer ein ähnlicher Menschenschlag ist, der auf solche Sensationsmeldungen – wie beispielsweise über das Fluorid – reagiert und darauf hereinfällt. Das sind Leute, die gern in Alternativmedizin abrutschen, die nur auf Homöopathie stehen, oder kein Fleisch essen. Ich würde sagen, es ist psychisch auffällig, welche Leute zu solchen Sachen tendieren.

DR. VIVIANE ÖSTERREICHER: Was ich in punkto Prophylaxe von Babys oder Kleinkinderzähnen noch sagen kann ist, dass ein Trend dazu besteht, dass Kuhmilch als ungesund angesehen wird und dass die Milchprodukte für Babys, dieses Milchpulver, als die gesündere Alternative in den Medien propagiert werden. Das ist auch ein großer Trugschluss, weil nämlich in diesem Milchpulver sehr viel Zucker steckt.

Milchpulver hat bis zum ersten Lebensjahr absolut seine Berechtigung. Wenn ich meinem Kind allerdings diese Milchpulverprodukte im Fläschchen über das erste Lebensjahr hinaus gebe, entstehen oftmals sehr viele Schäden an den Milchzähnen, die nicht sein müssen.

GMEINER: In den Drittweltländern scheint es einen Trend zu geben, dass die Frauen davon weggehen, ihren Babys die Brust zu geben, hin zu Produkten bekannter Markennamen, was eigentlich eine verheerende Situation ist. Noch dazu, wo die Leute ohnehin kein Geld haben und das wenige Geld für solche Nahrungsmittel ausgeben, weil sie glauben, das Kind gut ernähren zu wollen. Heftig. Aber zurück zu uns. Sie sagen: Kuhmilch ist etwas Gutes.

DR. VIVIANE ÖSTERREICHER: Absolut. Ab dem ersten Lebensjahr, wenn das Kind nicht gerade eine Kuhmilchallergie hat, ist es ein sehr gutes und sehr gesundes Nahrungsmittel. Es ist deutlich besser als Kakao oder Milchpulver.

WICHTIG ZU WISSEN: Kuhmilch ist für Kleinkinder deutlich besser als Kakao oder Milchpulver! Denn Fertigpulver enthalten viel versteckten Zucker!

GMEINER: Gibt es eigentlich Unterschiede in der Zahnsubstanz von Kindern österreichischer Herkunft oder mit Migrationshintergrund?

DR. VIVIANE ÖSTERREICHER: Es wird wahrscheinlich Unterschiede geben. Migrantenfamilien haben oft nicht so das Bewusstsein dafür, dass die Zähne ab dem ersten Tag gepflegt gehören, sobald sie bei den Babys durchbrechen. Aber ehrlich gesagt haben wir in unserer Ordination selten Familien mit Migrationshintergrund, deswegen kann ich es aus eigener Erfahrung nicht sagen.

DDR. GERALD JAHL: Das hat mich selbst interessiert: Ist es so, dass Migrationshintergrund wirklich eine Rolle spielt?

Es gibt eine interessante Statistik in einer interessanten Studie vom Bundesministerium für Gesundheit vom Dezember 2012. Es gibt kieferorthopädische Diagnosen, die nach folgenden Kriterien zugeordnet wurden: Eltern mit oder ohne Matura, Eltern mit oder ohne Migrationshintergrund, es geht rein um kieferorthopädische Diagnosen aller Kinder nach Geschlecht in Prozent. Das ist echt sehr interessant.

Laut Studie gibt es in Österreich einen deutlichen Zusammenhang zwischen Leuten mit oder ohne Migrationshintergrund in Bezug auf die Zahngesundheit. Leider ist der Unterschied statistisch signifikant. Die Zahngesundheit bei 6- bis 7-Jährigen ist bei Leuten mit Migrationshintergrund etwa doppelt so schlecht. Anscheinend ist es auch so, dass es Unterschiede gibt betreffend Bildungsniveau. Ob die Eltern Matura haben oder nicht bedeutet eine deutliche Veränderung der statistischen Zahlen.

Karies ist also leider sozial determiniert. Auf ein Viertel der 6-Jährigen konzentrieren sich mehr als drei Viertel (81%) der diagnostizierten Kariesstellen. Kinder mit Eltern aus sozial schwachen Schichten, geringerem Bildungsgrad (ohne Matura) und/oder Migrationshintergrund leiden in viel zu hohem Ausmaß an kariösen, unbehandelten und hygienisch vernachlässigten Milchzähnen. Das ist die traurige Tatsache.

GUT ZU WISSEN: „Eine wesentliche Ursache für den langsamen ‚Caries Decline’ bei Milchzähnen liegt sicherlich darin, dass Eltern in schwierigen sozialen Lagen sehr häufig Angebote der Zahngesundheitsvorsorge nicht wahrnehmen. Aus gesundheitsökonomischer Sicht führt aber mangelnde Prävention/Therapie von Kariesfolgen zu hohen volkswirtschaftlichen Kosten. Abhilfe kann nur spezielle Betreuung von Risikogruppen – unter Berücksichtigung soziokultureller Einflussfaktoren – im jeweiligen Setting schaffen. Das moderne Gesundheitssystem muss das Gesundheitsniveau breiter Bevölkerungsschichten anheben und auch für ein entsprechendes die (zahn)gesunde Lebensweise förderndes soziales und gesellschaftliches Umfeld sorgen.“

Quelle: „Zahnstatus 2011, Sechsjährige in Österreich“, S. 62. Wissenschaftlicher Ergebnisbericht im Auftrag des BM für Gesundheit, ISBN-13 978-3-85159-175-0

GMEINER: Ich weiß es durch meine Tochter vom Kindergarten. Mir wurde gesagt, dass es tatsächlich so ist, dass Leute mit Migrationshintergrund weniger auf die Zahngesundheit ihrer Kinder achten und ihnen viel mehr zuckerhältige Sachen geben. Auch der Zusammenhang von Bildung der Eltern und Zahnhygiene wurde mir bestätigt. Es gibt hier also Unterschiede.

DR. GERNOT ÖSTERREICHER: Ich glaube, dass das mehr durch die Kassen bedingt ist. In Kassenordinationen ist das ein großes Thema. Im Burgenland, wo ich zwei Jahre lang in einer Kassenordination vertreten habe, hatte ich viele Patienten aus dem kroatischen Gürtel an der burgenländischen Grenze und auch viele Migranten, da war es eklatant. Es war unfassbar, wie kaputt da alles war.

GMEINER: Frau Dr. Österreicher, Sie befassen sich intensiv mit Zahnspangen und Zahnfehlstellungen. Haben sich die in den letzten Jahren verbessert? Gibt es da Entwicklungen, die Sie in den letzten Jahren verfolgen können, auch von Ihrem Studium her? Gibt es heute mehr Zahnfehlstellungen oder eher weniger?

DR. VIVIANE ÖSTERREICHER: Zahnfehlstellungen hat es immer gegeben und wird es leider auch immer geben.

GMEINER: Sind Zahnfehlstellungen genetisch bedingt?

DR. VIVIANE ÖSTERREICHER: Auch. Es gibt mehrere Komponenten, die zusammenspielen. Die genetische Komponente kann man natürlich nicht beeinflussen. Aber es gibt auch andere Einflussfaktoren, welche den Kinderärzten beispielsweise bewusster sind. Das sind zum Beispiel vergrößerte Mandeln oder Polypen in der Nase. Wenn das Kind durch die Nase schlechter Luft bekommt und dann den Mund permanent offen hat, weil es durch den Mund atmen muss, dann berührt die Zunge den Gaumen nicht und der Oberkiefer wächst weniger mit. Daraus resultiert ein zu schmaler Oberkiefer, Platzmangel oder ein Kreuzbiss.

Es ist mittlerweile den Kinderärzten, den HNO-Ärzten sehr wohl bewusst, dass man da prophylaktisch agieren kann, indem man Polypen rechtzeitig entfernt, indem man Mandeln verkleinert, damit die Kinder normal durch die Nase Luft bekommen. Damit kann Zahnfehlstellungen vorgebeugt werden.

GUT ZU WISSEN: Zahnfehlstellungen wird es immer geben. Sie können genetisch bedingt sein, sind aber auch durch andere Faktoren bedingt. Im Kindesalter kann Zahnfehlstellungen vorgebeugt werden!

GMEINER: Grundsätzlich würden Sie also sagen, die Zähne sind bei den Kindern derzeit im Durchschnitt besser als sie früher waren. Was würden Sie Eltern als Tipp mitgeben, wenn sie ein Baby bekommen und wenn sie ein Kleinkind zu Hause haben? Was ist der Rat einer Zahnärztin für Kinder und für Eltern von Kindern?

DR. VIVIANE ÖSTERREICHER: Beim Baby, wie ich zuvor schon gesagt habe, sollten Sie auf Kuhmilch umsteigen, sobald es 1 Jahr alt ist. Ab dem 2. Jahr sollten Sie den Schnuller weglassen, bzw. wenn das Kind den Daumen lutscht, versuchen Sie, ihm das Daumenlutschen abzugewöhnen, um Zahnfehlstellungen vorzubeugen.

Beim Kind würde ich jeden Tag konsequent die Zähne nachputzen, auch beim Baby schon, das ist ganz wichtig. Auch wenn das Kind mal keine Lust hat, muss man dranbleiben. Man tut dem Kind keinen Gefallen, wenn man da nachgibt und sagt: „Na, mein Gott, mein Kind will das nicht.“ Da darf es keine Ausnahme geben.

Ebenfalls ein ganz wichtiger Tipp: Sobald alle Milchbackenzähne da sind, fahren Sie wenn möglich einmal pro Tag kurz mit der Zahnseide zwischen den Backenzähnen durch. Das beugt Kariesentstehung vor, denn oft entsteht Karies zwischen den Milchzähnen, dort, wo die Zahnbürste gar nicht hinkommt.

WICHTIG ZU WISSEN: Gesunde Zähne beginnen beim Zähneputzen! Beim Kind jeden Tag die Zähne konsequent nachputzen! Einmal pro Tag mit Zahnseide die Zwischenräume der Backenzähne säubern!

GMEINER: Gibt es ein Zuviel beim Zähneputzen? Soll man so oft wie möglich Zähneputzen oder genügt einmal pro Tag?

DR. VIVIANE ÖSTERREICHER: Zu viel kann man beim Zähneputzen nicht sagen. Es gibt ein zu fest. Man darf nicht zu fest aufdrücken, weil man sich sonst den Zahnschmelz oder das Zahnfleisch wegputzen könnte. Verwenden Sie auf keinen Fall eine harte Zahnbürste. Eine mittlere ist okay, eine weiche Zahnbürste ist gut.

Einmal in 24 Stunden das Gebiss ganz gründlich reinigen reicht theoretisch, um Karies vorzubeugen. Einmal am Tag Zähneputzen hat absolut seine Berechtigung, dann sollte es aber sehr gründlich sein. Auch die Zahnpflege zwischen den Zähnen ist ganz wichtig.

WICHTIG ZU WISSEN: Bitte eine weiche Zahnbürste verwenden! Auch eine mittlere ist okay, auf keinen Fall eine harte, denn zu festes Zähneputzen kann Zahnschmelz und Zahnfleisch schädigen.

DR. GERNOT ÖSTERREICHER: Das Problem ist, man kann dem Patienten nicht die Empfehlung geben, dass einmal am Tag Zähneputzen reicht. Denn dann meint der Patient, dass es schon alle 2 Tage reicht.

GMEINER: Stichwort Zahnfehlstellungen bei Jugendlichen: Was ist der häufigste Fall? Worüber regen sich Eltern auf und worüber regen sich Jugendliche auf in Bezug auf die Optik der Zähne?

DR. VIVIANE ÖSTERREICHER: Eltern sind oft schon beunruhigt, wenn ein Zahn schief durchbricht. Beim einem 7-Jährigen zum Beispiel gibt sich das aber meist, weil der Zahn sich im Laufe der Zeit von alleine gerade stellt, wenn genügend Platz da ist.

Männliche Jugendliche sind eigentlich recht gleichgültig, was das Erscheinungsbild ihrer Zähne angeht, würde ich sagen. Ich glaube, das entwickelt sich erst, wenn sie junge Erwachsene sind, dann wird ihnen das wichtiger.