Marianne Ehrmann: Philosophie eines Weibs. Von einer Beobachterin im Jahre 1784
Neuausgabe mit einer Biographie der Autorin.
Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2017.
Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:
Dmitry Levitzky, Portrait einer unbekannten Frau, um 1785
ISBN 978-3-7437-0293-6
Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:
ISBN 978-3-8430-9478-8 (Broschiert)
Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.
Erstdruck: Anonym ohne Ort und Verlag [Kempten] 1784.
Der Text dieser Ausgabe folgt:
Marianne Ehrmann: Philosophie eines Weibs. Von einer Beobachterin, [o. O. u. V.], 1784.
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Principium dulce est, sed finis amoris amarus:
Læte venire Venus, tristis abire solet.[2]
Ist das eine Vorrede? – Das weis ich in Wahrheit selbst nicht, denn mein Plan ist sonderbar, und noch sonderbarer vielleicht seine Ausführung.
Sonst das Wesentliche einer Vorrede, das Lob des Werks lasse ich geflissentlich hier weg, weil es blos Thatsachen schildert, die eine meiner Freundinnen, ein Frauenzimmer, das überall mit richtiger Beurtheilung von dem Aeußern auf das Innere[3] zu schließen vermochte, aus Beobachtungen der Handlungen, – aus dem Vertrauen ihrer Freunde und Freundinnen, – kurz – aus der Nebenmenschen Schicksalen sich sammelte.
Zu gerne entlehnte ich dann aber doch noch das Ansehen einer Vorrede, um dieser meiner Freundinn öffentlich für das Vertrauen zu danken, womit sie mir ihren Aufsatz, nach Willkühr und Gutbefinden in allem abzuändern, übergab, und um mich zugleich bey ihr zu entschuldigen, wenn vielleicht hie und da eine launigte Stelle, die das Gepräge der Heiterkeit ihrer Schöpferin an der Stirne trug, unvorsätzlich[4] unter meiner Feder ins ernsthaftere sich umwandelte. Dazu ist schon unsre Natur gestimmt, und selbst im Gemählde der Welt ist der männliche Ernst Schatten gegen dem weiblichen Witz, der so oft Licht verbreitet.
Was aber den Vortrag, den Zusammenhang dieser Skitzen betrifft, so muß ich nur selbst bekennen, daß ich weniger darauf bedacht war, als auf den Wunsch, daß nur einige wenigstens aus dem guten Rath, den gemeiniglich die Erfahrung eines dritten zu geben pflegt, den Theil, der ihrem Zustand der nächste ist, herausnehmen, – und unvermerkt[5] diese Wahrheit liebgewinnen möchten: daß sie nie Friede in ihrem Herzen, nie Beruhigung in ihren Begierden finden werden, wenn sie je die Hallen des Leichtsinns betreten.[6]
Alle Herzen sind zu fühlen geschaffen, und alle Vergnügungen scheinen gemacht zu seyn, der Seele Liebe einzuflößen. Durch sie werden die grösten Männer schwach, und das ist der unglückliche Zustand des Menschen, daß ihr die vollkommneste Klugheit, und die gewissenhafteste Frömmigkeit zu entgehen Mühe haben.
Von allen Leidenschaften ist Liebe die allgemein herrschende, und ich darf beynahe sagen, daß sie die einzige ist,[7] der ehrliche Leute frohnen, denn – man wird den ehrlichsten Mann, das ehrlichste Weib – verliebt sehen. Und der Sieg über sie ist nur dem Mißtrauen in sich selbst, und der Flucht gewähret.
Ein elendes Ding ist daher ein Frauenzimmer ohne System gegen die Liebe – gegen die Männer. Hat sie noch dazu das Unglück, Reitze und Gefühl zu besitzen, – Stoff genug, daß sie jede Gattung von Schmetterlingen, die nur der Schönheit und ihrem Genuß nachflattern, immer auf dem Fuß verfolgt.
Diese Weichlinge werden sich ihr unter verschiedenen Masken darstellen, und unter eben so vielen Künsten ihre Wünsche verbergen, um endlich zu siegen.[8]
Uns widersteht kein Mädchen, kein Weib: ist der gewöhnliche Machtspruch dieser Helden, und die mächtigsten Stützen dagegen sind Entschlossenheit, Stoltz und Geschmack eines Weibs in ihrer Wahl.
Ich liebe meinen Körper zu sehr, um ihn so geradezu zum Mißbrauch so vieler Undankbaren zu bestimmen, und nur eine Dumme, Verdorbene kann niedrig genug seyn, bey jedem Angriff das Werkzeug der Bedürfniß der Männer zu werden.
Ewige Schande dem Niederträchtigen, der ein Herz kauft, und die Liebe zum Miethling macht! Wißt Elende, daß ihr die Urheber so vieler Laster, die die Erde decken, und all des Schimpfes seyd, die diesen unglücklichen gefallenen Geschöpfen zu Theil wird.[9]
Die Einfalt eines Mädchens mißbrauchen, ist unwürdig eines ehrlichen Mannes, und wenn sich erst dann derer manche mit der Beute eines so armen vertraulichen Geschöpfes pralen! – O das ist wahrlich ein rührender Heldenzug! ein wackeres Verdienst!
Bedenkt ihr dann nicht, daß, wenn wir Frauenzimmer wirklich so schwach sind, als ihr behauptet, euch eben darum unsre Eroberung wenig Mühe koste, und euer Triumph von keinem Werth seye?
[10]