Satz: Gerfrid Arnold

Einbandgestaltung: Gerfrid Arnold

Fotos, Repros: Gerfrid Arnold

Lektorat: Elisabeth Arnold

© 2016 Gerfrid Arnold

Herstellung und Verlag: BoD-Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7431-8416-9

Städte und Baudenkmale sind wie eine steinerne Chronik.

Gottfried Kiesow, Kulturgeschichte sehen lernen, 2008.

Es gibt im verlorensten und einsamsten Teil von Franken eine Stadt, die dasteht wie Vineta, wenn eines Tags die große Flut verginge und sie wieder emporträte ans Tageslicht, so wie sie vor 400 Jahren versunken ist.

Alles in ihr: Rathaus, Dom, Hospital, Stadttore und Mauern, Patrizierhäuser und Scheunen, Gärten und Bastionen, die alten Schränke und Truhen, die schönen Portale und Treppen, die prachtvollen Beschläge und Gitter an den Fenstern, der ganze köstliche Hausrat, mit dem sie noch erfüllt ist, das alles ist organisch, nicht aus Prunksucht, künstlerischen Absichten, durch Theorien, Kunstgeschwätz, Phrasen, Willkürlichkeit und Spekulation entstanden, sondern einfach nach dem jeweiligen Bedürfnis des Tages. In einer unbeschreiblichen Schlichtheit löste man alle Probleme der Kultur, ohne zu wissen, was man tat, einfach wie eine Schnecke, die sich ihr Haus baut, bloß dadurch, daß man natürlich und kultiviert lebte.

Raoul Francé, Der Weg der Kultur, 1920.

Dinkelsbühl brilliert mit seiner Hauslandschaft.

Gerfrid Arnold, Dinkelsbühler Hauslexikon, 2016.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

nichts prägt unsere Stadt so sehr, wie das gut erhaltene spätmittelalterliche Stadtbild. Farbenfrohe Fassaden und schmuckes Fachwerk verleihen der Stadt ein besonderes Aussehen und machen es sowohl zum „Europäischen Kulturdenkmal“ als auch zur „Schönsten Altstadt Deutschlands (Focus)“. Dabei trägt jedes Altstadthaus seinen Teil dazu bei. Es ist deshalb sehr bedeutend, ehrenwert und beeindruckend, dass Gerfrid Arnold, Stadtarchivar der Stadt Dinkelsbühl, diese Häuser bearbeitet und dokumentiert. In dem vorliegenden ersten Band „Dinkelsbühler Hauslexikon A – H“ sind in 22 Gassen bzw. Straßen 191 Häuser unter die Lupe genommen worden. Es ist eine systematische Erfassung entstanden, welche die Häuser nicht nur optisch beschreiben, sondern auch auf deren Geschichte, Bewohner und Besucher und Besonderheiten eingeht. Zahlreiche Abbildungen veranschaulichen bestens das Textliche.

Für die Initiierung und Umsetzung dieses Lexikons, das jetzt und auch in Zukunft einen wertvollen Beitrag für Dinkelsbühl und seine Geschichte leistet, einen großen Dank allen voran dem Autor.

Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich viele neue Erkenntnisse und eine interessante Lektüre.

Dr. Christoph Hammer

Oberbürgermeister Große Kreisstadt Dinkelsbühl

Zum Buch

Das „Europäische Kulturdenkmal“ Dinkelsbühl brilliert mit seiner Hauslandschaft. Dreiviertel der Altstadthäuser sind älter als 350 Jahre, etwa zur Hälfte weisen sie einen mittelalterlichen Baubeginn auf und sind im Kern älter als 500 Jahre. Eine beispiellose Bilanz im Süddeutschen Raum. Im vorliegenden Band sind von den 191 beschriebenen Häusern 78 % der bis ca. 1650 entstanden, 48 % bis ca. 1500. Gebäude sind stadthistorische Zeugnisse ersten Ranges, die in der Geschichtsschreibung bisher zu wenig Beachtung gefunden haben. Eine erste Bestandsaufnahme der Stadt Dinkelsbühl wurde vor mehr als einem halben Jahrhundert im „Kurzinventarband“ von August Gebeßler veröffentlicht. Er listete auf ca. 36 Seiten rund 700 Häuser auf, wobei manche summarisch erfasst wurden, andere nicht erwähnt sind.

Im „Hauslexikon Dinkelsbühl“ sind die Altstadthäuser einschließlich der Wörnitzvorstadt vornehmlich bis 1900 bearbeitet und dokumentiert. Beschrieben sind in erster Linie die sichtbaren Gebäudeteile. Architektur und Baugeschichte werden durch über 500 aktuelle Fotos, Ausschnitte historischer Aufnahmen und Bauzeichnungen aus dem Stadtarchiv veranschaulicht.

Der Baubeginn ist als Schätzwert in halben Jahrhundertschritten angegeben. Fachwerkdetails, die auf das Alter schließen lassen, können aufgrund erfolgter Baumaßnahmen inzwischen abgegangen sein. Neuerdings weisen dendrochronologische Untersuchungen vermehrt Dachbalken aus dem 14. Jahrhundert nach, die allerdings von anderen Bauten stammen könnten.

Die Häuser werden annäherungsweise klassifiziert in Armbürgerhaus, Kleinbürgerhaus, Bürgerhaus und Großbürgerhaus, indem die Breite der Giebelseite in einer Fensterzahl sowie die Obergeschoss- und Dachgeschosszahl angegeben werden. Dabei bedeutet z. B. „dreifensterbreit“ nicht unbedingt die heutige Anzahl der Fensterachsen. Als kleinbürgerliche Haustypen lassen sich schmale Häuser mit zwei Obergeschossen oder etwas breitere mit nur einem Obergeschoss erkennen. Beispielhaft hierfür sind die Nachbarhäuser Koppengasse 8 und 7.

Baulich tätig wurden die Bürgerinnen und Bürger oft nach dem Erwerb eines Gebäudes, das sie dann umbauen, reparieren, neu verputzen und farbig herunterstreichen ließen. Nach 1800 wurden die Häuser „steinerisch“ gestrichen, steingrau, steingelb und blass- oder hellgelb, steingrün und blass- oder hellgrün, selten rötlich. Weiß war amtlicherseits unerwünscht. Von den Antragstellern wurde auf eine „allerhöchst genehmigte“ Farbe und auf andere Häuser verwiesen oder ein Farbmuster vorgelegt. Man begann Fenster als Auslagefenster zu vergrößern, Auslagekästen vorzusetzen und Ladentüren einzubauen. Die vorkragenden Ober- und Dachgeschosse wurden hauptsächlich an der Eingangsseite in Steinbauweise unterfangen und in glatte Fassaden abgeändert. Dabei wurde auch die Steckenlehmfüllung des Fachwerks durch Ziegelsteine ersetzt. Bei den Fenstern legte man Wert auf eine symmetrische Anordnung und gleiche Größe, man baute mehr und größere Fenster ein, sodass Fensterbänder entstanden. In den Wohnungen sollte es heller werden, denn seitlich waren meist nur wenige oder keine Fenster möglich. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden vermehrt die über den Herdstellen hängenden Rauchkutten (Rauchfänge) durch geschlossene Kamine ersetzt. Der Wohnraum wurde mit zusätzlichen Öfen und beheizbaren Kammern erweitert, die Speicher mussten ersten Dachwohnungen weichen. Die stärksten Veränderungen erfolgten in den Hauptstraßen in den 1950er und 1960er Jahren durch den Einbau von Schaufensterfronten. Auch das Hausinnere wurde immer stärker verändert und erneuert. In den Zeiten des Wohlstands wurde das Alte weniger erhalten, saniert und regeneriert.

Schon früher waren Häuser etagenweise oder zur Hälfte bewohnt, selbst kleinere Häuser waren vorübergehend sogar in Viertelbesitz. Um 1850 waren etwa 1/5 der Altstadthäuser teilweise oder ganz vermietet.

Für eine Hausgeschichte ist der Beruf der Besitzer und Bewohner, bzw. das im Haus ausgeübte Handwerk von Interesse. Genannt ist auch die evtl. zu einem Haus gehörende Gerechtigkeit, nämlich das Recht, ein besonderes Handwerk zu betreiben wie backen, brauen, schmieden, oder in einer Scheune zu wohnen oder eine Feuerstelle einzurichten.

Gut erforscht sind die Dinkelsbühler Hausbewohner ab 1700. Ihre Berufe werden für das jeweilige Haus nicht streng chronologisch aufgelistet, sondern bei mehreren Personen gleichen Berufs durch die Pluralform der Erstnennung deutlich gemacht. Mehrfachtätigkeiten einer Person sind durch einen Schrägstrich gekennzeichnet. Aufgeführt werden die Pfahlbürger, die in der Reichsstadt weniger Rechte und Pflichten hatten als Vollbürger, sowie die Schutzverwandten, die für den Stadtschutz bezahlten. Nicht genannt sind nachwohnende Witwen, Töchter und berufslose Frauen oder Männer.

Die Namen von Besitzern oder Bewohnern werden im „Dinkelsbühler Hauslexikon“ nur in besonderen Fällen angegeben. Genannt sind die Bürgermeister, Magistratsräte und Senatoren (Stadträte), Konsulenten (Stadtjuristen) sowie Stadträte mit Amtsaufsicht wie beispielsweise Spitalherr und Bauherr (Bauaufsicht). Auch Künstler, Drucker und heimatgeschichtlich bedeutende Personen sind erfasst. Ebenso, soweit erkennbar, werden in der Stadt wohnhafte Juden benannt, obgleich sie in Dinkelsbühl das Heimatrecht bis zur Aufhebung des bayerischen Matrikeledikts von 1861 nicht erwerben durften. Interessierte können Berufe und Namen der Hausbewohner in den städtischen Adressbüchern von 1894, 1911, 1922, 1927, 1938, 1950 und der nachfolgenden Zeit im Stadtarchiv erforschen.

Somit bietet das „Dinkelsbühler Hauslexikon“ Hausbesitzern und -bewohnern eine mit Sagen, Kunst und Stadtgeschichte bereicherte Grundlage für eine intensive Hausforschung.

Gerfrid Arnold

Inhaltsverzeichnis

Adlergässlein

Kurze Gasse zwischen Segringer Straße und Koppengasse. Auf dem dortigen Einzelgebäude „Hohe Wart“ (Segringer Straße 54) befand sich im 18. Jh. die Wirtschaft Zum Adler.

Adlergässlein 1

*D *S Dreikönigskapelle, Gedenkstätten

Die Dreikönigskapelle hat mit ihrem steilen, noch mit Hohlziegeln gedeckten Chordach ein uraltes Aussehen. Baubeginn vermutlich 1364, eine Stiftung ist urkundlich wahrscheinlich bereits für 1366 belegt. Jedenfalls wurde 1378 für einen Kaplan eine ewige Messe in der „newen capellen der heiligen dreier künig“ gestiftet. Ein älterer Glockenturm, ein Dachreiter auf dem Kapellenfirst, wurde spätestens bei der Restaurierung 1794 entfernt. Eine der zwei Glocken hatte die Aufschrift: M. Adam Ilian zu Dinkelspiehl gos mich. 1631.

Die Kapelle steht mit der Traufseite parallel zur Stadtmauer, der Chor zeigt eine seltene Südausrichtung. Da sie in den Hang gebaut ist und der Kapuzinerweg beim Stadtmauerbau nach 1372 um weitere ca. 1,5 m aufgefüllt wurde, legte man hier zum Schutz der Kapellenmauer einen Trockengraben an. Das Schiff blieb auf dieser Seite ohne Fenster. Der Fünf-Achtel-Chor hat schlichte gotische Spitzbogenfenster ohne Maßwerk, manche Fenster sind teilweise oder ganz zugemauert. Das Kragsturzportal im Höfchen ist erneuert. Neben dem Kapelleneingang ist eine Steinplatte mit einem zweiköpfigen Reichsadler angebracht; sie stammt vom Turmkranz des Münsters St. Georg, vermutlich angefertigt von Hans Behringer um 1540.

Die Kapelle wurde 1834 profaniert, ab 1924 war sie Kriegergedächtniskapelle. Der vor 1600 am Chor angebaute Glockenturm 1835 bis auf das Erdgeschoss abgetragen und als Schlachterei verwendet (Segringer Straße 56). Die danach darin befindliche Schusterwerkstatt wurde 1863 in eine Sattlerwerkstätte mit Laden umgebaut.

Gedenkstätte im Turm Ab 1954 wurde der Turmstumpf zu einer Gedenkstätte. In der Wand ist das Teilstück eines gotischen Epitaphs eingemauert, wohl vom Friedhöfchen des nahegelegenen Karmeliterklosters stammend: Im Dreipass ist eine Kreuzigungsgruppe mit Johannes dem Täufer dargestellt, ein Lamm in der Hand tragend und auf den Gekreuzigten deutend, daneben kniet die Stifterfamilie.

Inschrift zum Gedächtnis der Kriegsgefallenen 1939-1945:

ERKENNE ES UNTER DEM KREUZ

KRONE DES SEINS IST ES MENSCH ZU SEIN.

DER TOTEN VERMÄCHTNIS: ACHTUNG DES LEBENS!

WANDERER BEDENKE, DU PILGERST VERGEBENS,

STÖSST DEINE TAT IN DIE NACHT.

Im Fenster zum Höfchen wurde 2005 eine mattierte Glastafel angebracht. Inschrift in Deutsch, Hebräisch, Englisch und Russisch:

zukunft

braucht

erinnerung

den opfern des ns-regimes

Ein Bronzewappen mit Lilie, daneben eine Plakette mit Inschrift:

Der Stadt Dinkelsbühl zum 10jährigen Bestehen der Patenschaft mit Pz.-Gren. Btl. in Ellwangen. Dezember 1990. (Die Patenschaft bestand mit Transportbataillonen 1980 bis 2013.)

Gedenkstätte im Höfchen Im Höfchen ist eine Steintafel der Sudentendeutschen Landsmannschaft Heimatkreis Mies-Pilsen mit zwei Wappen angebracht: „Zum Gedenken an die Opfer der Vertreibung 1945-1946“.

Ebenso eine Metallplatte zum „Patenschaftsverhältnis Dinkelsbühl- Mies Pilsen“.

Die Gedenksäule trägt die Inschrift:

HEIMATKREIS MIES-PILSEN . GEBORGEN IN DINKELSBÜHL. 50 JAHRE PATENSCHAFT 2004

Sage Es geht die Sage, die Gebeine der Heiligen drei Könige aus dem Morgenland, die gekommen waren, das Jesuskind im Stall von Bethlehem anzubeten, hätten an dieser Stelle geruht. Als nämlich der Stauferkaiser Friedrich I. Barbarossa die aufsässige Stadt Mailand dem Erdboden gleich machen ließ, überführte der Reichskanzler und Erzbischof von Köln die bislang dort aufbewahrten kostbaren Reliquien 1164 in seinen Dom. Der Geleitzug rastete im Schutz der Stauferstadt Dinkelsbühl, wo man den Schrein zur Verehrung in einer kleinen Kapelle absetzte. Später erbaute man hier die heutige „capellen der heiligen dreier künig“.

Adlergässlein 2

Neubau.

Baubeginn des Vorgängerhauses ca. 1450. Stehender Dachstuhl, Verblattungen. Als Haus beim Kornhaus 1690 genannt.

Historisches Foto: Einst Bürgerhaus (vierfensterbreit, ein Obergeschoss, zwei Dachgeschosse). Mit den Giebelseiten zur Koppengasse bzw. Adlergasse stehend. Hier befand sich auch der Eingang mit Seitenflur, heute an der Traufseite. + Das 1. Dachgeschoss kragte auf Konsolen vor. Die Ladeluken waren in einer Dreiergruppe angeordnet, beidseitig von einer rundbogigen Luke schlossen kleine Rechteckluken an. + Im Spitzboden waren zwei Andreaskreuze mit geraden Hölzern und eine Ladeluke.

Im 18. Jh. Eigentum oder bewohnt von Pfahlbürgern, Maurer, Gürtler. + Im 19. Jh. Eigentum oder bewohnt von Gürtler, Pfahlbürger, Schuhmacher, Schneider, Maurer, Tagelöhner.

Adlergässlein 3

*H *G Mittelalterhaus, Obere Klause, Tür, Fachwerk

Baubeginn vor 1369. Ein Haus bei der Dreikönigskapelle mit Wohnrecht des Kaplans wird urkundlich 1390 genannt, als Obere Klause in der Kammerrechnung von 1401 bezeichnet. Im Fachwerk vielfach angeblattete Kopf- und Fußstreben in drei Varianten. Im Gefach wurden Reste von Bohlen-Füllung festgestellt.

Bürgerhaus (dreifensterbreit, zwei Obergeschosse, zwei Dachgeschosse). Das Haus mit Schopfwalm ist in L-Form mit der Dreikönigskapelle zusammengebaut und steht mit dem Giebel zur Gasse. Im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss führte ein schmaler Gang zur Kapelle. Die meisten Fenster wurden vergrößert. + An der Traufseite ist ein ummauertes Höfchen. Hier zwei Hauseingänge: Eine aufgedoppelte Rechtecktür zur Kaplanwohnung mit Rautenmuster von ca. 1700 und vom Historischen Verein montierten Renaissance-Beschlägen und Türklopfer. Sowie Eingang ins „Klosterinnen“-Haus mit Stichbogentür, Renaissancetürblatt, die untere Hälfte mit einer gerahmten Füllung, Türklopfer und Würfelleiste, die obere Türhälfte mit Holzgitterfenster. + Das 1. Obergeschoss ist giebelseitig verputzt, die Traufseite kragt auf Konsolen vor. Der Eckständer zeigt eine sich kreuzende K-Strebe, der Bundständer in Wandmitte mit einer kreuzenden Strebe und einer kurzen Fußstrebe als Gegenstrebe; an der Traufseite sind am Bundständer ungleiche Kopf- und Fußstreben. + Das 2. Obergeschoss kragt giebelseitig auf eng gelegten Balkenköpfen vor, traufseitig auf gekehlten Konsolen. Das Fachwerk ähnelt dem 1. Obergeschoss. Unter der Dachtraufe stand im vorigen Jh. das Renovierungsjahr 1571. + Das 1. Dachgeschoss kragt auf einer Mittelkonsole stärker vor. Die Ladeluken sind in einer Dreiergruppe angeordnet, an die Ladetür schließen beidseitig Luken an. + Im 2. Dachgeschoss ein steiler, am First offener Schopfwalm.

Geschichte Im Jahr 1369 stiftete der Patrizier Eytel Arnold für seine zwei Töchter im „Closter“, der späteren Oberen Klause, 220 Pfund Heller. Der Bau stand vor dem staufischen Stadttor, aber innerhalb der Äußeren Umwallung. Hier führten einige Frauen als „Klosterinnen“ und „Geistliche Schwestern“ bis zur Reformation ein frommes Leben. Der Kaplan, dessen Amt es war, täglich eine Messe in der Dreikönigskapelle zu lesen, erhielt dort das Wohnrecht 1390. Zur Stiftung gehörte bald auch das Nachbaranwesen Adlergässlein 5 mitsamt Garten. Nach Auflösung der Oberen Klause war das Haus von den Kapuzinern 1618-1622 bewohnt, bis 1665 Armenhaus, danach Mesnerwohnung. Das Haus wurde 1814 von der Bayerischen Stiftungsadministration verkauft und war Eigentum oder bewohnt von Schuhmachern und einem Metzger. 1903 erwarb es der Historische Verein Alt-Dinkelsbühl, der das „Vereinshaus“ als Abbild eines kleinbürgerlichen Wohnhauses museal einrichtete. Der Verkauf erfolgte 1968 an die Siebenbürger Landsmannschaft. Heute Privatbesitz.

Adlergässlein 5

*H *G Mittelalterhaus, Fachwerk

Baubeginn ca. 1450. Stehender Dachstuhl. Ohne Aufschiebling. Im Obergeschoss lange verblattete Kopfstreben, z. T. zweifach gehakte Blattsitze. Aufgeblattete Kehlbalken. 2016 Abriss der Scheunenanbauten und stattdessen ein Wohnhausneubau.

Bürgerhaus (vierfensterbreit, ein Obergeschoss, drei Dachgeschosse). Der Fachwerkbau steht mit dem Giebel zur Gasse und hat einen Mittelflur. + Erdgeschoss und Obergeschoss unter Putz. + Das 1. Dachgeschoss kragt auf 5 Balkenköpfen vor, rechte Ecke mit Wandsäule verstärkt. Im Fachwerk sind Mann-Figuren mit langen angeblatteten Kopfstreben, sämtliche Fußstreben gehen vom Brustriegel aus und bilden eine ornamentale Reihe. Die Ladeluken sind in einer Dreiergruppe angeordnet, beidseitig von der rundbogigen Ladeluke je eine kleine Luke. + Der Spitzboden zeigt die früher gebräuchliche Bretterschalung mit Deckleisten. + Zweigeschossige Gruppe von Schleppdachgauben von 2016.

Im 18. Jh. Eigentum der Dreikönigspflege. + Im 19. Jh. Eigentum oder bewohnt von Schreinern, Schuhmacher, Bäcker, Landwirten.

Geschichte Ursprünglich als Wohnhaus zur Oberen Klause bei der Dreikönigskapelle gehörend, war die obere Haushälfte bis 1814 Eigentum der Dreikönigspflege. Ab 1842 wurde das Haus unter Verwendung eines Gartenteils zum Stadtbauernhof erweitert. So baute Landwirt Jakob Steinacker zunächst an das Wohnhaus eine Wagenremise an (im Situationsplan b), es folgten ein Viehstall und Scheune mit Schopfwalm in Holzbauweise. Ihre Einfahrten lagen am höher gelegenen Kapuzinerweg. Die Mistlege befand sich zwischen dem Haus Segringer Straße 54 und dem Haus Adlergässlein 2. Vermittelte bis 2016 den Eindruck eines kleinen Stadtbauernhofs des 19. Jahrhunderts.

Altrathausgässlein

Schmale, kurze Gasse zwischen Nördlinger Straße und Altrathausplatz, wo das Alte Rathaus von 1490 bis zur Verlegung der Stadtverwaltung 1855 lag. Ohne Hausnummern.

Altrathausplatz

Platz des Rathauses von 1490 bis zur Verlegung der Stadtverwaltung 1855, heute Haus der Geschichte Dinkelsbühl – von Krieg und Frieden. Auf einer Geländeerhöhung im Siedlungskern des fränkischen Königshofs und innerhalb der Stauferstadt gelegen. Der ansteigende Platz wurde im Spätmittelalter um ca. 1 m erhöht. 1403 im Schuldbuch als Viehmarkt bezeichnet, laut Ratsprotokoll fand der Obstmarkt nach dem Gottesdienst an Sonn- und Feiertagen anstatt vor den Kirchen ab 1676 hier statt, ab ca. 1700 auch Apfelmarkt genannt. Der unregelmäßige Platz wird vom Alten Rathaus beherrscht, im unteren Teil vom Löwenbrunnen und dem Wörnitztor.

Löwenbrunnen

*B *G *S

Der repräsentative Marktbrunnen ist mit dem Wörnitztor als Hintergrund ein beliebtes Foto- und Malermotiv.

Der laufende Brunnen hat vier Ablaufröhren und einen achtseitigen, farbig gefassten, eisernen Brunnenkasten, gegossen in Wasseralfingen. Jede Platte zeigt in einer verkröpften Rahmung in der Feldmitte ein barockes Rollwerk mit dem bekrönten doppelköpfigen Reichsadler, der das Stadtwappen als Brustschild hat. Statt der Adlerfänge halten Hände Zepter und Schwert. Bezeichnet mit dem Fabrikationsjahr 1715. Die Beckenecken zieren Blattstäbe mit Kugeln. Auf dem Brunnenkasten ist ein Abschlussgitter aufgesetzt.

Die Renaissance-Brunnensäule von 1557 ist in Form eines Kerzenleuchters gestaltet und an Basis und korinthischem Kapitell mit Akanthusblättern geschmückt. Sie trägt einen sitzenden, brüllenden Löwen mit Blechzunge, der einen Schild in den Pranken hält. Auf ihm ist der doppelköpfige Reichsadler mit Heiligenschein dargestellt, in den Fängen das Stadtwappen haltend, im Brustschild Mauerzinnen als Kennzeichen des Stadtstatus.

Geschichte Angefertigt wurde der Löwenbrunnen für den Marktplatz vor dem Münsterportal. Als Kind hörte Christoph von Schmid (1768-1854), der seinerzeit berühmte Jugendschriftsteller und Dichter des Weihnachtslieds „Ihr Kinderlein, kommet“, an einem kalten Heiligen Abend um 1778 vor dem Münster eine wundersame Musik, die alle erstaunte. Sie wurde durch Löcher in der Eisdecke des Brunnens hervorgerufen, über die der Wind strich. Spitzweg zeichnete den Löwenbrunnen vor dem Münster 1858. Der Löwenbrunnen wurde 1866 vom Marktplatz auf den Altrathausplatz versetzt. Der Originallöwe befindet sich im Haus der Geschichte Dinkelsbühl.

An dieser Stelle stand bis dahin ein ähnlicher Brunnen ohne Figur, im Ratsprotokoll von 1651 als „Röhrkasten beim Rathaus“ bezeichnet, gemalt 1839 von Friedrich Bürklein.

Sage Auf dem Altrathausplatz findet alljährlich das Nachspiel des Festspiels „Die Kinderzeche“ statt. Bürgermeister samt Ratsherren übergeben die Stadtschlüssel an den schwedischen Obristen Claus Dietrich von Sperreuth. Das Flehen der „Kinderlore“ mit ihrer heranziehenden, singenden Kinderschar erweicht das Herz des Obristen. Er hebt den blonden „Lorebub“ zu sich auf das Pferd und verschont die Stadt.

Altrathausplatz 1

*H Barockhaus, Jahreszahl

Baubeginn vor 1690 anstelle zweier Giebelhäuser.

Großbürgerhaus (vierfensterbreit, zwei Obergeschosse, zwei Dachgeschosse). Das repräsentative, symmetrisch gegliederte Haus im Barock-Stil schließt den Platz am Löwenbrunnen ab. Das mit Ecklisenen versehene, an drei Seiten frei stehende Walmdachhaus hat seine lange Seite mit Mittelflur gegen den Platz. Das zum Nachbarhaus Ledermarkt 4 in einem reizvollen Häusergewinkel angebaute, ebenerdige Häuschen war Werkstatt. + Der im vorigen Jh. an der Hausecke gewesene Ladeneingang wurde zum ursprünglichen Hauseingang zurückversetzt. Die Jahreszahl 1849 über der neuen Eingangstür gibt das Erwerbsjahr durch die jetzige Besitzerfamilie an. + Die Hauptfassade ist durch Schaufenster im Erdgeschoss und französische Balkone in den Obergeschossen verändert. + Im Mögelinsgässlein befindet sich ein Hintereingang mit historistischer Flügeltür der Gründerzeit. + An der Hauptfassade ist die Traufe des Walmdachs unterbrochen, während das hölzerne Kranzgesims durchläuft. Darüber befindet sich ein abgewalmtes Giebelhäuschen, dessen rechteckige Ladeluke zum Fenster umgebaut ist, darüber ein Aufzugbalken.

1690 im Besitz eines Tuchmachers. + Im 18. Jh. Eigentum oder bewohnt von Stadtamtmann, Bürgermeister, Stadtleutnant. + Im 19. Jh. Eigentum oder bewohnt von Senator, Buchdrucker, Buchbinder/Porzellanhändler/Magistratsrat, Bürstenbinder.

Altrathausplatz 1a

*G Kath. Lateinschulhaus

Vgl. Kirchhöflein 8. Baubeginn des Vorgängerhauses ca. 1450. Dachgestühl mit Verblattungen von Sparren und Hahnbalken des ersten Baus. Als Neubau 1569 laut Jahreszahl am Kirchhöflein errichtet.

Schulhaus (vierfensterbreit, ein Obergeschoss, drei Dachgeschosse). An drei Seiten frei stehendes Eckhaus am Kirchhöflein, das in Nr. 8 den Schuleingang hatte. Im vorigen Jh. gefugtes Erdgeschoss sowie gefugte Ecklisenen. + Am Giebel zum Altrathausplatz im Erdgeschoss ein Geschäftseingang mit Schaufensterfront aus dem vorigen Jh. Zuvor war hier ein Fensterband mit fünf symmetrisch angeordneten Fenstern wie im Obergeschoss. + Der Giebel ist mit gekehlten Gurtgesimsen gegliedert. + Im 2. Dachgeschoss ist die Ladeluke zum Fenster umgebaut.

Im 18. und 19. Jh. Eigentum oder bewohnt von Katholischer Kirchenpflege, Katholische Lateinschule.

Altrathausplatz 2

*H Mittelalterhaus, Tür

Baubeginn ca. 1450. An der Traufseite zum Nachbarhaus 1a im Rähm des 1. Obergeschosses Blattsitze von Kopfstreben.

Bürgerhaus (dreifensterbreit, zwei Obergeschosse, zwei Dachgeschosse). Verputztes Giebelhaus mit Seitenflur, im vorigen Jh. gefugte Fassade. + Im Erdgeschoss Schaufenstereinbau. + Rundbogiger Hauseingang mit Flügeltür nach 1750, Deckleiste mit Flechtband, in der unteren Füllung klassizistisches Vorhang-Dekor, noch ein spitzovaler Türknauf auf ebensolchem Schild, ein Original-Schlüsselschild. Türoberlichtgitter im späten Rokokostil mit reich verschlungenem Blattwerk. + Die Fassade ist im 2. Obergeschoss und 1. Dachgeschoss durch Gurtgesimse gegliedert. + Im 1. Dachgeschoss sind die Ladeluken in einer Dreiergruppe angeordnet, beidseitig von der großen Luke eine kleine Luke. + Im Spitzboden kleine Ladeluke.

Im 18. und 19. Jh. Eigentum der kath. Pfarrei St. Georg. Das Haus diente als Kirchenhüter-Wohnung und war bis ins 20. Jh. „Benefiziatenhaus“.

Altrathausplatz 3

*H Mittelalterhaus, Fachwerk

Baubeginn ca. 1500. An der Traufseite zum Nachbarhaus 4 im Rähm des 1. Obergeschosses ist der Blattsitz einer Kopfstrebe. 1872 vergrößert Sattlermeister Franz Huber die stichbogige Haustür.

Bürgerhaus (vierfensterbreit, zwei Obergeschosse, zwei Dachgeschosse). Das Giebelhaus hatte ursprünglich einen Seitenflur. + Im Erdgeschoss Schaufenstereinbau. + Obergeschosse mit Fensterbändern. + Fachwerkgiebel erneuert. Das 1. Dachgeschoss kragt auf Balkenköpfen vor. Die Ladeluken sind in einer Dreiergruppe angeordnet, beidseitig von der großen Luke sind kleine Luken zu Fenstern umgebaut. + Im Spitzboden eine große Ladeluke als Fenster, darüber ein Aufzugbalken.

Im 18. Jh. Eigentum oder bewohnt von Krämer/ Vogt in Wört, Kanzlist, Ratskanzlist. Im 19. Jh. Eigentum oder bewohnt von Fabrikant (Wollwaren, Steintafeln, Zichorien), Sattler, Tapezierer.

Altrathausplatz 4

*H *G Mittelalterhaus, Patrizierhaus Schad, Jahreszahl, Portal, Kath. Kaplan- und Stadtpfarrhaus, Portal, Tür, Fensterkörbe