Bisher erschienen in dieser Reihe (Deutsch/Griechisch)
Mykonos Crime 1 Die Bestie von Mykonos
Mykonos Crime 2 Rache
Mykonos Crime 3 Tattoo
Mykonos Crime 4 Der Drei-Sterne-Mord vergr.
Mykonos Crime 5 Inzest
Mykonos Crime 6 Skalpell
Mykonos Crime 7 Hass
Mykonos Crime 8 Sturm über Mykonos
Mykonos Crime 9 Die Maske
Mykonos Crime 10 Abseits
Mykonos Crime 11 Glut
Mykonos Crime 12 Putsch
Mykonos Crime 13 Royals
Mykonos Crime 14 Trauma
Mykonos Crime 15 Khaled
Mykonos Crime 16 Spione
Mykonos Crime 17 Botschafter
Mykonos Crime 18 Libido (Mai/Juni 2020)
Andere Mykonos-Bücher siehe Buchende
Impressum
Titelbild: istockphoto, Innenteil Shutterstock Copyright Paul Katsitis 2020: Der Inhalt als auch Buch- und Reihentitel sowie der Autorenname sind urheberrechtlich geschützt oder unterliegen dem Titelschutz. Jedwede Verwendung ist strafbar.
ISBN 9783750492318
Druck und Verlag Books-on-Demand GmbH
Jeder Band behandelt einen abgeschlossenen
Fall, sodass die Bände nicht in der Reihenfolge
gelesen werden müssen.
Alle Bücher der Serie wurden in Griechenland
gesetzt. Da griechische Setzer keine deutschen
Fehler erkennen können, finden sich in dem Buch
sicher mehr Fehler als in einem normalen Buch.
Aber so bleiben wenigstens ein paar Euro in
Griechenland.
Passagen, die mit * markiert sind, werden im
Anhang näher erklärt.
Angelos Nikakis, 30, war Hauptkommissar in Thessaloniki. Während eines Urlaubs auf Mykonos traf er Alex Galis, Kommissar auf Mykonos. Die beiden heirateten.
Ein Jahr später wurde Angelos Nikakis zum Bürgermeister gewählt. Der erste schwule Bürgermeister Griechenlands.
Alles lief perfekt – bis …
Khaled Al-Massawi, 25, zu einem Kurzurlaub auf Mykonos eintraf. Khaled war Kronprinz eines kleinen Emirats und verliebte sich unsterblich in Angelos, der plötzlich nicht mehr wusste, zu wem er gehört. Letztlich trennen sich Alex und Angelos – und Khaled und Angelos werden ein Paar.
Angelos Ex-Mann starb kurz darauf bei einem Einsatz.
Es gibt einfach kein gutes Personal mehr heutzutage!“
Spiros Livinos fluchte laut. Der Sommelier, immerhin der Chef-Sommelier von Griechenlands renommiertestem Hotel, dem Grande Bretagne in Athen, schwieg. Er wusste – wie zehn Millionen Griechen, dass er keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen würde, wenn er Spiros Livinos verärgerte. Er und seine Kumpane waren die wahren Herrscher über Hellas.
„Es ist doch wohl nicht Ihr Ernst, einen Chateau Mouton Rothschild 2015 zu kredenzen. Der kostet nicht mal 3000 Euro. Ich soll den Vorständen der größten Firmen des Landes einen Wein aus dem Supermarkt vorsetzen?“, brüllte Livinos.
Die beiden Herren saßen im Konferenzraum von Livinos´ Yacht, die die Abmessungen eines veritablen Frachters hatte. Das aber war schon die einzige Gemeinsamkeit. Die Yacht vereinte in sich allen Luxus der Welt. Von den goldenen Wasserhähnen bis zum teuersten Geschirr der Welt.
„Wie wäre es mit einem Domaine de la Romanée 2004?“, schlug der Sommelier vor. Oder sind 7300 Euro pro Flasche immer noch zu billig, dachte er.
„Meinetwegen. Aber sorgen Sie dafür, dass genügend da ist. Es darf keinerlei peinlichen Zwischenfall geben, wenn ich der Gastgeber bin“, blaffte Livinos.
Du arroganter Bastard, dachte der Sommelier. Er konnte, wie die meisten Griechen, keine Reeder leiden. Während der kleine Mann brav seine Steuern zahlt, lachen sich die Herren Schiffseigner ins Fäustchen und zahlen: nichts. So jedenfalls steht es in der Verfassung, Und die hatten sich die Reeder schreiben lassen – von den Generälen der Militärdiktatur 1967. Im Gegenzug genossen die Herren Offiziere einen Lebensstil, der in keinem Verhältnis zu ihrem Sold stand. Das System funktionierte so gut, dass – wie erstaunlich – die neue Demokratie 1974 dieses System einfach übernahm.
Noch heute verbreiten die Reeder die Mär, das Schiffswesen sei der wichtigste Wirtschaftszweig des Landes und man könnte die Arbeitsplätze nicht halten, falls die Regierung … Sie kennen das Ende dieses Satzes.
3669 Schiffe nennen die griechischen Reeder ihr Eigen und den meisten Eigentümern gehörte nicht etwa nur eine Villa, sondern meist ganze Inseln.
So auch Spiros Livinos.
Kriegsgewinnler, dachte der Sommelier. Und lag damit richtig. Nach dem Krieg verscherbelten die Amerikaner ihren riesigen Bestand an Liberty-Schiffen, den Massentransportern, die die Grundlage für den späteren Sieg der Alliierten waren.
600.000 Euro musste Livinos pro Schiff bezahlen, ein Schnäppchen, das zu allem Überfluss auch noch vom Staat vorfinanziert wurde.
Also von mir, dachte der Sommelier.
Spiros Livinos war nervös. Zum ersten Mal seit zwölf Jahren war er der Gastgeber des Patrida-Kreises.
Die zwölf wichtigsten Wirtschaftsführer des Landes.
Politiker gehörten natürlich nicht dazu, denn die waren lediglich Befehlsempfänger und hatten somit keinen Zugang zu dem erlesenen Kreis.
Livinos ging an Deck, hatte aber keinen Blick für den Luxus dort. Vielmehr ließ er seinen Blick über die Bucht schweifen.
Rhenia.
Die unbewohnte Insel mit dem wohl schönsten Strand der Ägäis. Vollkommen unberührt.
Livinos machte sich Sorgen.
Denn Rhenia gehörte zu Mykonos.
Und gerade hier gab es ein drängendes Problem, vor dessen Lösung ihm graute. Nicht, dass er Skrupel gehabt hätte. aber das Risiko war hoch.
Hoffentlich begreifen die anderen das, dachte er.
Mit filigranem Vorgehen war hier nichts mehr zu regeln, denn mit Verrätern redet man nicht.
Man eliminiert sie.
Pavlos. Noch einmal: es darf kein Handy an Bord. Falls einer der Trottel doch eines dabeihat, muss es in den Käfig!“ Worin es nicht zu orten oder abzuhören war.
„Handkontrolle auf Waffen, Chef? Und Wanzen?“, fragte Pavlos.
Livinos musste innerlich grinsen. Er stellte sich vor, wie Männer wie Alafouzis wohl auf eine Leibesvisitation reagieren würden.
„Um Gottes willen! Die Schleuse ist im Türrahmen eingebaut. Wanzen oder sonstige Mikrofone kommen nicht durch!“
Es würde auch keiner versuchen. Jeder der Mitglieder hatte soviel Dreck am Stecken, dass niemand ein Interesse daran hatte, dass irgendjemand zuhörte. Selbst als Kronzeuge bekäme jeder zwanzig Jahre und – viel schlimmer: er würde sein Geld, seine Insel und seinen Platz im Jetset verlieren – DAS wären die ultimativen Strafen.
Livinos sah in Richtung Rhenia. Es fehlt nur noch einer. Die Parade der luxuriösesten Yachten der Welt war beeindruckend. Und man war abgeschirmt. Rhenia war unbewohnt und Yachten, die zufällig die Insel ansteuerten, würden von zwei Marinebooten diskret gestoppt werden.
Drei kleinere Drohnen sorgten für ein frühzeitiges Erkennen unerwünschter Besucher.
Livinos hörte einen aufheulenden Motor. Natürlich, dachte er, Herr Kardioyannis braucht immer Getöse. Die beiden hassten sich. Jeder unterstellte dem anderen, neureich und kriminell zu sein. In Wahrheit waren sie es beide.
Zu Spüren war es bei der Begrüßung nicht.
Kardioyannis strahlte.
Wahrscheinlich freut er sich noch immer darüber, in diesen erlauchten Kreis aufgenommen worden zu sein. Livinos hatte gegen die Aufnahme gestimmt, war aber unterlegen.
„Hübsches Boot“, sagte Kardioyannis und Livinos spürte, wie sein Blutdruck stieg.
Ein Prolet. Ein Kriegsgewinnler.
Kardioyannis hatte sein Vermögen durch offensichtlichen Betrug erworben. Unter den Augen der Justiz, deren Blick durch Bündel von Geld eingeschränkt war. Seine Handelsschiffe und Tanker fuhren auch dann noch das isolierte Rhodesien an, als alle anderen aus Angst vor Sanktionen den Lieferverkehr schon eingestellt hatten. Später erfuhr Livinos, dass Kardioyannis das Ganze mit Zustimmung der Amerikaner tun konnte. Noch immer wurmte Livinos, dass nicht er selbst auf die Idee gekommen war, in Washington etwas genauer nachzufragen. Außerdem war Kardioyannis eine Art Paria unter den Reedern, denn ursprünglich betrieb er Tankstellen und so trug er noch immer den Spitznamen „Tankwart“.
Es herrschte reges Treiben in der sonst menschenleeren Südbucht von Rhenia. Die restlichen zehn Gäste trafen ein.
Es war das ‚Who is who‘ der griechischen Wirtschaft. Natürlich überwiegend Reeder, aber auch andere. Es gehört zu den Besonderheiten der hellenischen Ökonomie, dass die Unternehmen mit dem höchsten Börsenwert ein Telekomunternehmen und ein Wettanbieter war.
Livinos lächelte. Wetten funktionieren immer in Griechenland. Sportwetten gehören schließlich zur DNA jedes Griechen.
Als sie alle am Tisch versammelt waren, lehnte sich Kardioyannis zu Livinos hinüber und sagte leise:
„Beim Wein hast du offensichtlich gespart!“
Es gibt einfach kein anständiges Personal mehr heutzutage“, sagte Khaled al-Mussawi, in Kürze Ehemann von Bürgermeister und Kommissar Angelos Nikakis.
Er stand auf der Terrasse der Riesenvilla, die er gekauft hatte. Was für Khaled kein größeres Problem war, denn er war Kronprinz des Emirats Fudscheirah. Die Betonung liegt auf „war“, denn ein schwuler Kronprinz oder gar Emir war schlechterdings nicht möglich. Doch er hatte sich auf Mykonos in Angelos Nikakis verliebt und mit Freuden auf den Thron verzichtet. Er war glücklich, den Mann seiner Träume dazu gebracht zu haben, ihn zu lieben. Khaled war geduldig – denn Angelos war anderweitig vergeben. Khaled wartete und wartete – bis Angelos erkannte, dass auch er Khaled liebte.
Und so stand er da und erklärte:
„Das geht doch so nicht. Maria hat wieder vergessen, die Schnürsenkel zu bügeln!“
Angelos Nikakis lag auf der Sonnenliege und schaute Khaled fragend an. Meint er es ernst?, fragte er sich. Ja, er meint es ernst.
Angelos begann laut zu lachen.
„Da gibt es nichts zu lachen, ungebügelte Schnürsenkel sind gefährlich“, regte sich Khaled auf.
„Also ich hatte noch keinen Todesfall. Natürlich weiß ich nicht, ob es in den Emiraten häufiger zum Schnürsenkeltod kommt!“ Noch immer musste Angelos lachen.
Khaled al-Mussawi hatte fast sein ganzes privilegiertes Leben aufgegeben. Kein Thron, kein Palast mehr.
Als Trostpflaster für seinen Thronverzicht hatte der neue Emir, sein Bruder Raschid, ihm etwas Taschengeld mitgegeben – 45 Millionen, eine Yacht und einen Jet.
„Ah, der Herr Bürgermeister macht sich über mich lustig. Nun, wie ich sehe, gefällt es dir am Pool.
Erstaunlich, bedenkt man, dass du vehement gegen ein Haus mit Pool warst“, knurrte Khaled.
Was stimmte. Angelos wollte ein „normales Haus“
ohne Pool. Heraus kam eine Riesenvilla, drei Stockwerke ohne jede Zwischenwand – also besonders hip. Nicht, dass Angelos den Verlockungen des Luxus erlegen war, er könnte problemlos auf Haus, Yacht und Jet verzichten.
Aber er erkannte, dass er von Khaled nicht verlangen konnte, sein ganzes bisheriges Leben aufzugeben. Der Verlust von Thron und Familie war schon ein hoher Preis.
„Wie wäre es, wenn du die Schuhe einfach ausziehst, natürlich unter größter Vorsicht, und dich zu mir legst. Wozu haben wir denn die Doppelliegen?“, fragte Angelos grinsend.
Er öffnete Khaleds Reißverschluss und begann mit leichten Streichelbewegungen.
„Wenn die Wähler wüssten, dass ihr Bürgermeister der größte Bock Griechenlands ist“, sagte Khaled lächelnd und zog sich aus.
„Das liegt daran, dass ich jung bin. Da ist es doch ganz normal, ein bisschen Sex zu haben“,
antwortete Angelos.
„Ein bisschen Sex? Drei Mal pro Tag? Ein Wunder, dass du zwischendurch überhaupt noch klar denken kannst!“
„Soll das eine offizielle Beschwerde sein?“, fragte Angelos. „Es gab Zeiten, da hättest du eine Million für eine Nacht mit mir bezahlt!“
Was stimmte.
Angelos zog eine Schnute.
„Um Gottes Willen. Nein. Ich finde es nur außergewöhnlich angesichts deines hohen Alters!“
Angelos war 30, Khaled 25.
„Dann wird dir der Opa jetzt mal zeigen, was eine Harke ist!“
Vierzig Minuten später fühlte sich Ex-Kronprinz Khaled al-Mussawi, als wären mehrere Panzer über ihn hinweggerollt. Er war erschöpft und überglücklich.
„Hoffentlich lässt das nach der Hochzeit nicht nach“, sagte er vorsichtig.
Angelos lächelte.
„Keine Sorge. Dafür bin ich viel zu …“
„ …dauerrollig?“, ergänzte Khaled.
Angelos lachte und räkelte sich auf der Liege, die bedrohlich knarzte.
„Solltest du dich nicht langsam anziehen?“, fragte Khaled.
„Wozu? Wofür?“
Khaled verdrehte die Augen.
„Die Einweihung der Kläranlage. Du musst eine Rede halten!“
„Oh verfluchte Sch …“, sagte Angelos und rannte nach drinnen.
Meine Herren! Ich will nicht viel Zeit verschwenden mit Begrüßungsfloskeln.
Daher nur ein kurzes ‚Willkommen‘ auf meiner ‚Sophia‘!“
Warum die Yacht „Sophia“ hieß, wusste jeder der Teilnehmer. Livinos´ neue Partnerin war 24 Jahre alt und hieß eben „Sophia“.
„Für seine Verhältnisse relativ alt“, ätzte einer der Teilnehmer.
„Und die Yacht heißt bald anders“, setzte einer der Reeder obendrauf.
Man lästerte gnadenlos, man hinterging sich und manche hassten sich. Aber der „Patria-Kreis“
zwang alle zumindest zu temporärer Zusammenarbeit. In ihren Augen war es eine ehrenwerte Gesellschaft, nicht zu vergleichen mit der Mafia. Denn die Summen, um die es früher bei Capone & Co ging, waren dagegen Peanuts.
„Leider geht es bei unserem diesjährigen Treffen nicht um langfristige Strategien oder Politik. Wir haben drängende Probleme, die einer sofortigen Reaktion bedürfen. Gelingt dieses Unternehmen nicht, besteht die Gefahr, dass unsere edle Versammlung zum Wohle unseres geliebten Vaterlandes enttarnt wird. Und jeder ahnt, dass dies für die Linke ein gefundenes Fressen wäre.
Lügen und Verleumdungen wären die Folge.
Eventuell bei Wahlen eine neue linke Regierung.
Und dies, nachdem wir alles getan haben, um diese Vaterlandsverräter aus dem Amt zu jagen!“
Mit Schrecken erinnerten sich die Teilnehmer an die linke Syriza-Regierung, die zum Entsetzen der Unternehmer fast vier Jahre regiert hatte.
Das Etikett „Vaterlandsverräter“ hatten die Medien der Regierung verpasst, anlässlich des Nachgebens von Athen im Namensstreit um Mazedonien. Die Medien, die sich ausschließlich im Besitz von Patrida-Mitgliedern befanden.
Und es war tatsächlich die Mazedonien-Frage, die die Wahlen entschieden hatte – nicht die Wirtschaftslage.
„Meine Herren, unser Kreis versucht seit fast 80 Jahren, genau seit 1940, unser Vaterland durch stürmisches Gewässer zu steuern!“
Gut, meist ging es nicht um das Vaterland, sondern um den eigenen Geldbeutel, aber man sollte in Gefahrensituationen nicht zu selbstkritisch sein.
„Vielleicht wissen nicht alle um die Umstände der Gründung unseres Kreises. Im Jahre 1940 …“
Sogleich wurde Livinos unterbrochen.
„Wissen wir doch. Komm zur Sache, Spiros“, sagte einer.
„Nun, ich bin sicher, unser geschätztes Mitglied Kardioyannis weiß es nicht!“
Kardioyannis knurrte, was bedeutete, dass Livinos recht hatte.
„Aber bitte, dann komme ich gleich zur aktuellen Lage!“
Und die Gesichter wurden länger. Manche zeigten regelrecht Angst.
Fünfzehn Minuten später wusste jeder Bescheid.
„Ich denke, wir sind uns einig, dass wir umgehend handeln müssen, sonst gehen wir alle unter“,
sagte Livinos.
„Gibt es keine andere Möglichkeit? Mit Teil 1 besteht glaube ich Einverständnis, aber Punkt 2 birgt hohe Risiken. Wir legen uns mit einem Gegner an, der uns sehr gefährlich werden kann“,
sagte Menos, ältestes Mitglied von „Patrida“.
„Ich sehe keine Alternative“, antwortete Livinos.
„Es darf keinerlei Verbindung zu uns geben“, gab Menos zu bedenken.
„Natürlich nicht. Und wer sollte uns denn gefährlich werden? Ein schwuler Kommissar? Und vor ein paar Juden haben wir uns noch nie gefürchtet“, sagte Livinos.
Fast alle nickten oder lachten.
Ihr Vollidioten, dachte Menos. Erstens ist der Kommissar auf Mykonos eine harte Nuss. Und die „paar Juden“ war der effizienteste Geheimdienst der Welt.
Gott steh uns bei, dachte Menos.
Kostas Karapatis saß in einem großen Ledersessel im Keller seines Anwesens auf einem Hügel bei Agios Ioannis. Nun, das Wort Keller beschreibt nur die Lage oberhalb des Fundaments. Das aber war die einzige Gemeinsamkeit mit einem Keller. Zwölf Meter unter der Erde ähnelte er frappierend einem Ausstellungsraum im Louvre. Erst viel später sollten die anderen Beteiligten an diesem Fall die Koinzidenz bemerken.
Trotz der Lage im Berg hatte man zu keiner Zeit das Gefühl unter Tage zu sein. Es war taghell und die Lichttechnik hatte alle Register gezogen.
Geld spielte bei Kostas Karapatis ohnehin keine Rolle. Er war – wie konnte es anders sein – Reeder.
Aber im Gegensatz zu seinen Kollegen machte er sich selbst nichts vor. Sein Vermögen basierte auf Unredlichkeit und Betrug. Und Mord. In jungen Jahren hatte Karapatis seinen Reichtum genossen und blieb von heftigen Gewissensbissen verschont. Er schob sie schlicht beiseite unter tätiger Mithilfe von Geld, Drogen und jungen Mädchen.
Doch in den letzten Jahren holten ihn die Dämonen ein. Karapatis´ Nächte wurden kürzer und unruhiger. Seine Aufenthalte im Keller verliehen ihm kein Hochgefühl mehr. Früher schwebte er beim Betrachten der ganzen Kostbarkeiten und sah sich als Wohltäter und Mäzen.
Und natürlich als großen griechischen Patrioten.
Alles änderte sich mit den ersten Fragen seiner Tochter Anna. Entgegen Karapatis´ Erwartungen war sie komplett resistent gegenüber dem Luxus, den er als Vater ihr bieten konnte. Sie trug Jeans und Billigklamotten und bei jeder Gelegenheit kam die Frage nach den Quellen des familiären Reichtums.
Bis es zum Bruch kam. Ein linker Journalist hatte in der Familiengeschichte gewühlt und einige unangenehme Aspekte entdeckt, aber – Gott sei Dank – nicht den größeren, vor allem nationalen, Kontext. Wenn nicht sogar international. Denn sowohl in Paris als auch in Tel Aviv wäre das Entsetzen groß. Und der Druck auf Athen wäre maximal.
Leider konnte sich Karapatis nicht darüber freuen, dass die Erkenntnisse des Journalisten nur an der Oberfläche kratzten, denn als der Reporter nach dem Präsentieren der Ergebnisse ging, nahm er Anna mit. Sie kam aber wieder zurück, mit dem unsinnigen Wunsch, Judaistik zu studieren. Nach einem erneuten Krach war sie fort.
Mehrere Versuche, mit ihr Kontakt aufzunehmen, scheiterten. Anna wollte ihn nicht sehen und auch am Telefon ließ sie sich verleugnen.
Mit jedem Jahr nagte diese Wunde mehr an Karapatis. Er hätte einen Teil seines Vermögens hergegeben, wenn er nur seine Tochter zurückgewinnen könnte. Die Vorstellung, dass er alleine sterben würde, ließ ihm keine Ruhe.
Er wusste, dass er eine Entscheidung treffen musste.
Und Karapatis hatte nicht mehr viel Zeit. Der Bauchspeicheldrüsenkrebs ließ es nicht zu.
Er lehnte sich zurück und starrte die berühmte Skulptur an. Vor einer Woche hatte er sich zu drastischen Entscheidungen durchgerungen.
Ich will meine Tochter zurück, beschloss er.
Und sie würde nur zurückkommen, wenn ich alles offenlege. Natürlich wusste Karapatis, was dies bedeuten würde. Viele würden ins Gefängnis gehen, manche gar sterben.
Aber es gab kein Zurück. Karapatis hatte den Stein ins Rollen gebracht. Bei einem Gespräch am Mittwoch würde die Bombe platzen. Es würde im Ermessen seines Gesprächspartners liegen, wie er darauf reagiert.
Er hörte, wie der Aufzug nach oben fuhr.
Karapatis zuckte. Wie kann das sein? Es gibt nur einen Schlüssel und den habe ich. Kein anderer wusste überhaupt von diesem Raum. Architekt und Bauleiter starben einen frühen Tod, der nicht unbedingt auf Freiwilligkeit beruhte. Auch das Personal wusste nichts. Dass der Fahrstuhl noch weiter nach unten reichte, ahnten sie nicht. Erst mit einem Schlüssel ließ sich das Panel öffnen, auf dem man eine Fahrt in das Allerheiligste „buchen“
konnte.
Der Aufzug fuhr wieder nach unten.
Einen kurzen Moment hatte Karapatis die Hoffnung, es wäre Anna. Im anderen Fall könnte es sein, dass mein Leben nun doch schon früher endet.
Karapatis kannte den Mann nicht. Jung, muskulös, plump.
Es war ein Mörder, da hatte Karapatis nicht den geringsten Zweifel. Und er hatte keine Waffe in der Hand. Sondern einen Draht.
„Man wird mich suchen. Das Personal …“,
versuchte Karapatis, sein Leben zu retten.
„Nein. Es wird in wenigen Minuten einen Anruf geben, dass Sie von Singapur nach China weiterreisen und vorerst nicht nach Mykonos zurückkehren!“
Der Mann drückte eine Taste auf seinem Handy.
Karapatis hörte sich selbst, wie er das Personal über diese Reise unterrichtet. Schöne neue Welt.
Bruchstücke einer Unterhaltung, neu zusammengefügt.
„Sie sehen, Karapatis: Sie sind gar nicht da!“
Gott sei Dank habe ich die Trennwände noch hochfahren können. Seine Schätze waren sicher.
Und vor allem die Unterlagen, die er für den Mittwoch bereits zusammengetragen hatte.
Wie hatten sie diesen Raum entdeckt? Hier war noch nie auch nur eine Person. Außer den fünf Bangladeschis, die als Handwerker hier tätig waren. Aber auch die waren längst verstorben, denn hier durfte nur arbeiten, wer über 50 Jahre alt war. Und in Bangladesch findet man ohnehin niemand. Nein. Es musste eine andere Erklärung geben.
Außer …. außer Patrida wusste von Anfang an Bescheid und hatte Architekt und Bauleiter vor deren Tod unter Vertrag.
Er dachte an seine Tochter und begann zu kämpfen. Er versuchte, mit den Fingern unter den Draht zu gelangen.
Eine Minute später flogen drei Finger auf den Boden.
Sein Gesprächspartner würde am Mittwoch umsonst warten. Hier täuschte sich Karapatis: sein Gesprächspartner befände sich am nächsten Mittwoch schon bei Gott – oder besser: bei Jahwe.
Der Samstag zuvor begann harmlos. Nichts deutete auf die Ereignisse hin, die in den folgenden Tagen nicht nur die Insel erschüttern würden.
Angelos und Khaled hatten genug zu tun, um sich auf ihre Hochzeit am Montag vorzubereiten.