Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National-bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2014 Frank Stocker
Umschlaggestaltung, Satz und Layout: Frank Stocker
Das Buch basiert auf der Serie „Schein-Welt“ in der „Welt am Sonntag“. Die Genehmigung zur Veröffentlichung im Rahmen dieses Buches wurde von Axel Springer SE erteilt.
Das Bildmaterial besteht aus eigenen Scans bzw. Scans, die dem Autor von Ömer Yalcinkaya für dieses Buch überlassen wurden. Spezieller Dank an ihn.
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-7357-5599-5
Informationen zu allen Büchern, die zu der Serie erschienen sind, unter www.schein-welt.info
Wir Europäer denken oft, unsere Völker seien untereinander sehr verschieden. Die Sprachen, die Gewohnheiten, die Kultur – all das scheint uns zu trennen. Doch vergleicht man unsere Region mit anderen Kontinenten, so stellt man fest: Europa ist doch eigentlich recht einheitlich, wir teilen sehr viele Gemeinsamkeiten und eine eng verwobene Geschichte.
Das wird auch und gerade deutlich, wenn wir die Banknoten betrachten. Dann finden wir einen deutschen Bierbrauer auf den serbischen Geldscheinen, weil dieser in Belgrad einst der erste Notenbankpräsident war. Wir sehen Pflanzen auf Rumäniens Banknoten, die uns alle sehr bekannt vorkommen. Oder wir bekommen Schriftsteller präsentiert, die uns auch hierzulande bestens bekannt sind.
Der Inbegriff des einheitlichen Miteinanders ist der Euro. Er zeichnet sich auch und gerade dadurch aus, dass für die Gestaltung seiner Banknoten all das aufgenommen wurde, was die europäischen Völker eint, insbesondere die architektonischen Epochen, die fast in ganz Europa zeitgleich vorherrschten. Und dennoch: Obwohl wir diese Scheine jeden Tag in Händen halten, findet sich auf ihnen vieles, was wohl die meisten noch nie bemerkt oder beachtet haben.
Auf den folgenden Seiten werden Sie diese Geheimnisse entdecken. Sie lesen Geschichten aus und über die europäischen Staaten. Sie erfahren auch, wie manche über ihre Banknoten geradezu versuchen eine Nation zu erschaffen, indem sie eine jahrhundertelange Historie präsentieren, auch wenn manchmal sehr zweifelhaft ist, ob sich eine solche lange, gerade Linie wirklich ziehen lässt.
Überraschungen will das Buch liefern, auch Aha-Erlebnisse und vielleicht manch lustiges Detail. Zudem aber auch viel Wissenswertes aus fremden Kulturen, die uns doch oft so nah sind. Lassen Sie sich auf eine interessante Expedition durch Europa ein, von Polen bis Island, von Färöer bis Mazedonien.
Auch die Türkei wurde hier Europa zugeschlagen, denn ein Teil ihres Staatsgebietes liegt auf dem europäischen Kontinent, genau wie dies bei Russland der Fall ist. Beider Währungen werden aber gleichzeitig auch im Band über die asiatischen und ozeanischen Banknoten präsentiert, da die Länder eben zu beiden Kontinenten gehören.
Darüber hinaus sind auch Bände über die Banknoten Afrikas und Amerikas erschienen. All diese Bücher basieren auf der Artikelserie „Schein-Welt“, die bereits seit September 2010 jede Woche in der „Welt am Sonntag“ erscheint. Die Artikel wurden jedoch komplett überarbeitet und ergänzt, u.a. um eine Vielzahl von Abbildungen der beschriebenen Banknoten.
Mit dem Buch bzw. den Büchern komme ich vielfachen Bitten von Lesern nach, die immer wieder fragten, ob es die Artikel auch gesammelt als Buch zu erwerben gebe. Der Plan für ein entsprechendes Buch reifte dann auch schon recht schnell, und doch dauerte es einige Zeit bis aus dem Plan Realität wurde.
Denn das Problem war , dass sich kein Verlag fand, der ein solches Buch herausgeben wollte. Zwar waren viele von der Idee begeistert, doch dann kalkulierten sie – und lehnten ab. Denn ein solches Buch muss mit vielen Bildern der Banknoten versehen werden, und zwar im Vierfarbdruck. Das machte es für die Verlage zu teuer.
Daher habe ich es nun im Eigenverlag herausgegeben. Dazu habe ich selbst sämtliche Texte überarbeitet und das Buch auch selbst gestaltet, das senkte die Kosten. Dennoch ist ein Vierfarbdruck nach wie vor relativ teuer, weshalb auch dieses Buch nicht ganz billig ist. Sie dürfen jedoch versichert sein, dass meine eigene Marge dabei allenfalls die Unkosten deckt.
Genau aus diesen Gründen habe ich auch mehrere Bücher herausgegeben, die verschiedene Erdteile abdecken. So ist jedes einzelne Buch relativ günstig, und wer erst einmal nur in die Welt der Banknoten reinschnuppern möchte, kann dies auf diesem Wege tun. Gleichzeitig gibt es aber auch eine Gesamtausgabe mit Artikeln zu allen 165 Währungen dieser Welt. Hinweise zu den anderen Büchern gibt es unter www.schein-welt.info.
Nun soll die Reise aber ohne weitere Verzögerungen beginnen. Tauchen Sie ein in die spannende und faszinierende Welt der Banknoten Europas.
Viel Spaß beim Lesen wünscht
Während ärmere Länder in Asien oder Afrika auf ihren Scheinen gerne technische Errungenschaften der Gegenwart zeigen und preisen, greifen europäische Notenbanken meist lieber auf historische Bezüge zurück. Einen besonders tiefen Blick in die Geschichte bietet dabei das albanische Geld.
Fläche: 28.748 km2
Einwohner: 2,8 Mio.
Amtssprache: Albanisch
1 Lek = 100 Qindarkë
Scheine in Umlauf: 500, 1000, 2000, 5000 Lekë
1 Euro = 140 Lekë
Es fängt schon beim Namen an. Der Lek soll nach dem Fürsten Lekë Dukagjini benannt worden sein, der im 15. Jahrhundert lebte und ein Zeitgenosse Skanderbegs war. Letzterer kämpfte jahrzehntelang gegen die Türken und galt damals in ganz Europa als Vorbild für die Christen im Widerstand gegen die Osmanen. Dukagjini kämpfte dabei wohl zeitweise unter Skanderbeg, mitunter auch gegen ihn – die Loyalitäten wechselten zu jenen Zeiten oft schnell.
Bekannt wurde Dukagjini jedoch durch etwas anderes: den sogenannten Kanun des Lekë Dukagjini. Der Kanun ist das Gewohnheitsrecht der Albaner, das vor allem auf dem Begriff der „Ehre“ aufbaut. Er fordert in einzelnen Fällen als negative Konsequenz die Blutrache, hat aber auch positive Aspekte, wie beispielsweise das Gastrecht, das im Kanun einen besonders hohen Rang einnimmt. In einigen Gegenden Albaniens wird dieser Verhaltenskodex bis heute angewendet. Die bekannteste Fassung des Kanuns wurde nach Dukagjini benannt.
Während Lekë Dukagjini also zu der Ehre kam, dem albanischen Geld seinen Namen zu geben, ist sein Zeitgenosse Skanderbeg wenigstens prominent auf den Banknoten abgebildet. Sein Porträt ziert den 5000-Lek-Schein, der aufgrund der Schwäche der Währung relativ häufig benutzt wird. 5000 Lek entsprechen rund 36 Euro.
Doch auch auf den anderen Scheinen sind vor allem Persönlichkeiten abgebildet, die sich um die Nation verdient gemacht haben, so auch der Gründer des modernen albanischen Staates Ismail Qemali (auf dem 500-Lek-Schein). Er lebte von 1844 bis 1919 und rief 1912 die Unabhängigkeit seines Heimatlandes aus und wurde auch dessen erster Ministerpräsident. Ungefähr zur gleichen Zeit (1846—1900) hatte der Schriftsteller Naim Frashëri gelebt, der auf dem 200-Lek-Schein zu sehen ist. Er hatte das Wiedererwachen des albanischen Nationalgefühls im 19. Jahrhundert maßgeblich beeinflusst und gilt heute als wichtigster Poet Albaniens.
Allerdings liefert Albanien auch ein Beispiel dafür, wie man seine Geldscheine für eine mindestens leicht zweifelhafte Geschichtsschreibung missbrauchen kann. Denn auf der 2000-Lek-Banknote ist Genthios (lat. Gentius) abgebildet. Er war der letzte illyrische
König, der von 180 bis 168 vor Christus regierte.
Hintergrund dafür ist, dass die Albaner ihre Geschichte und auch ihre Sprache gerne auf die Illyrer zurückführen, die in der Antike auf dem Balkan und in Süditalien lebten. Vor allem während der kommunistischen Herrschaft war die Theorie einer durchgängigen Historie von den alten Illyrern bis zum modernen Albanien sehr populär.
Unter Historikern und Sprachwissenschaftlern ist sie jedoch höchst umstritten. Die albanische Notenbank preist Genthios auf ihrer Internetseite dennoch als „Staatsmann, Krieger, Wissenschaftler und Mann bemerkenswerter wirtschaftlicher Errungenschaften“.
Sie vergisst dabei allerdings zu erwähnen, dass er schließlich von den Römern besiegt und in die Gefangenschaft nach Rom abgeführt wurde. Sein Land wurde danach unter den Bundesgenossen Roms aufgeteilt – das jedenfalls ist historisch gesichert.
Wer Sarajevo besucht, der sollte auf dem Baščaršija-Platz einen bosnischen Kaffee zu sich nehmen. Nicht nur des Geschmacks und des Ortes wegen, auch wegen des Erlebnisses, wenn der Kellner am Ende sagt: „Eine Mark.“ Ein Kaffee für eine Mark – das weckt doch nostalgische Gefühle.
Fläche: 51.197 km2
Einwohner: 3,8 Mio.
Amtssprachen:
Bosnisch, Kroatisch,
Serbisch
1 Konvertibilna
Marka = 100 Feninga
Scheine in Umlauf:
10, 20, 50, 100, 200
Maraka
1 Euro = 1,96 Maraka
Die offizielle Währung Bosnien-Herzegowinas heißt korrekt „konvertibilna marka“, also konvertible Mark – auch wenn auf den meisten Scheinen „maraka“ steht. Dies hängt jedoch mit der etwas komplizierten Pluralbildung in den slawischen Sprachen zusammen: Nach den Zahlen 2 bis 4 lautet der Plural in diesem Fall „marke“, über 5 „maraka“.
Die Untereinheit heißt „Fening“ – auch das dürfte deutschen Ohren vertraut klingen. Die Währung wurde 1998 eingeführt und löste verschiedene Währungen ab, die in den Teilgebieten der Republik verwendet wurden, also den jugoslawischen Dinar, die kroatische Kuna und auch den bosnischen Dinar, den es zwischenzeitlich gab.
De facto löste sie aber die Deutsche Mark ab, die damals im Alltag meistens verwendet wurde. Daher war es den verschiedenen Volksgruppen auch relativ leicht gefallen, sich auf diesen Namen für die neue Währung zu einigen. Und folglich wurde auch der Kurs der konvertiblen Mark an die Deutsche Mark eins zu eins gekoppelt. Seit der Euro-Einführung entspricht der Umrechnungskurs daher auch exakt dem Kurs von Deutscher Mark zu Euro, also 1,95583 konvertible Mark je Euro.
Das Aussehen der Mark-Scheine hat alledings nichts mit den alten D-Mark-Scheinen zu tun. Sie erhielten vielmehr eine eigene Gestaltung – und das gleich doppelt. Denn für die bosnisch-kroatische Föderation einerseits und die Republika Srpska andererseits werden unterschiedliche Scheine gedruckt, beide Versionen gelten aber in beiden Landesteilen.