Ein Happy Miez-Buch
Für Moriah und Shakti.
Als ich 2007 mit meiner Arbeit als Verhaltensberaterin für Katzen bzw. deren Halter begann, bin ich davon ausgegangen, dass die Planung und Begleitung von Katzenzusammenführungen ein häufiger Beratungsanlass sein würde. Falsch gedacht! Die Fälle, in denen ich gebeten werde, gemeinsam mit den Haltern geeignete Abläufe für eine Zusammenführung zu besprechen, kann ich wahrscheinlich pro Jahr an zwei Händen abzählen. Was stattdessen regelmäßig an mich herangetragen worden ist, sind Probleme während oder nach einer mehr oder weniger missglückten Zusammenführung. Dem Beratungstermin geht dann meist schon eine längere Vorgeschichte voraus, in der es oft bereits zu Angriffen zwischen den Katzen kam, manchmal sogar zu Verletzungen, und häufig zum starken Rückzug einer der beteiligten Katzen. Nach einem solchen verpatzten Kennenlernen ist es eine schwierige Aufgabe, den Weg für eine gute Beziehung zu ebnen. Der Aufwand sowohl für die Beratung, aber vor allem auch für die Halter, ist dann deutlich höher als bei einer „geordneten“ Zusammenführung, weil den schlechten Erfahrungen der Katzen miteinander mühsam viel Positives entgegengesetzt werden muss.
Es ist mir ein großes Anliegen, ein Buch über erfolgsversprechende Zusammenführungsmethoden zu schreiben, denn missglückte Vergesellschaftungen sorgen für unglaublich viel Leid bei allen Beteiligten. Die Katzen machen die Erfahrung, dass sie in ihrem vertrauten Zuhause plötzlich nicht mehr sicher sind oder dass ihr neues Zuhause ein gefährlicher Ort ist. In ständiger Angst vor Angriffen zu leben, ist ein fürchterlicher Zustand. Auch das Leben so mancher offensiv vertreibender „Täterkatze“ verwandelt sich in Stress pur, wenn sie pausenlos überwachen muss, wo der Eindringling gerade was treibt. Vergnügen ist anders! Schließen die Katzen irgendwann tatsächlich einen Burgfrieden, nachdem sie anfänglich häufiger körperliche Auseinandersetzungen ausgetragen haben, ist dieser Frieden nicht selten einer, der mit recht viel innerer Anspannung und Hab-Acht-Stellung bei mindestens einer Katze einhergeht. Sie muss ständig aufpassen, dass ihr auch wirklich nichts passiert, oder sie vermeidet einfach gänzlich vermeintlich gefährliche Situationen. Das führt leicht dazu, dass so eine Katze viel weniger aktiv am Leben teilnimmt und ihren Bedürfnissen nachgeht, als sie das eigentlich gerne tun würde. Auch für viele Menschen sind unglücklich verlaufende Zusammenführungen belastend. Sie sorgen sich um ihre Katzen und leiden unter der offensichtlichen Disharmonie. Gleichzeitig schmerzt der Gedanke, die neue Katze möglicherweise wieder abzugeben, besonders wenn diese sich dem Menschen gegenüber von ihrer liebsten und kuscheligsten Seite zeigt.
Ich wünsche mir, dass möglichst wenige Menschen und Katzen so etwas erleben. Glücklicherweise gibt es nicht nur einen einzigen Weg, einander fremde Katzen zusammenzuführen. Tatsächlich gibt es eine Reihe verschiedener Varianten, von einfach bis kompliziert, die gute Chancen bergen, schlechte Erfahrungen vermeiden zu können. Und das ist aus meiner Sicht das A und O bei Katzenzusammenführungen! Stellen Sie sich vor, Sie lernen jemanden neu kennen. Und innerhalb der ersten 24 Stunden schreit dieser jemand Sie plötzlich zusammen, verpasst Ihnen sogar eine Ohrfeige oder, in der ganz heftigen Variante, prügelt Sie durch die halbe Wohnung, bis Sie es schaffen, sich im Schlafzimmer zu verbarrikadieren. Wie gut schätzen Sie die Aussicht ein, dass Sie zu dieser Person noch einmal Vertrauen fassen und sich mit ihr anfreunden? Ihrer Katze wird es in einer ähnlichen Situation nicht anders gehen als Ihnen.
Das Ziel ist es also, eine Zusammenführung so zu gestalten, dass wir das Risiko minimieren, dass die Katzen negative Erlebnisse miteinander haben, und die Chancen maximieren, dass sie positive Verknüpfungen miteinander aufbauen. Damit Sie selber in die Lage versetzt werden, die geeignete Variante für Ihre spezielle Zusammenführung auszuwählen, werden in diesem Buch nicht einfach nur verschiedene Vorgehensweisen vorgestellt. Ich möchte Sie mit einigen Prinzipien vertraut machen, nach denen Katzen (und wir übrigens auch) Lernerfahrungen machen, die ihre Sicht auf eine Situation oder ihr Gegenüber verändern und ihr weiteres Verhalten bestimmen. Diese Lernprinzipien sind ein hilfreiches Raster, um das geplante Vorgehen kritisch zu überprüfen und zu optimieren. Außerdem werden Sie Kriterien an die Hand bekommen, die Ihnen helfen werden einzuschätzen, wie einfach oder kompliziert die Zusammenführung mit Ihren Katzen (in spe) werden könnte. Das Ergebnis der Abwägung dieser Kriterien wird dann, so hoffe ich, Ihre Wahl bezüglich der Zusammenführungsvariante beeinflussen. Scheuen Sie sich bitte nicht, im Zweifelsfall zusätzlich zu diesem Buch professionelle Unterstützung einzuholen. Diese kann Ihnen helfen, die hier gemachten Vorschläge auf Ihre individuelle Situation zu übertragen und umzusetzen.
Dass eine Vergesellschaftung einander fremder Katzen erfolgen soll, entscheiden in der Regel nicht die Katzen, sondern wir Menschen. Unsere Katzen sind abhängig davon, dass wir gute und kluge Entscheidungen bezüglich unseres Katzenhaushaltes treffen. Die Bedürfnisse der Katzen sollten deshalb ganz weit oben auf der Abwägungsliste für oder gegen eine neue Katze bzw. eine bestimmte neue Katze stehen. Ausschlaggebend für eine Entscheidung sollten vor allem rationale Kriterien sein: Passen die Katzen gut zueinander? Ist die Wohnung groß genug für eine weitere Katze? Wie sozial ist diese Katze? Und weniger emotionale Kriterien wie „Ich wollte schon immer mal eine Glückskatze haben“ oder „Ich muss dieses arme Häufchen Elend sofort retten!“. Das heißt nicht, dass Sie Katzen in Not nicht helfen dürfen. Arbeiten Sie bei der Rettung z.B. mit lokalen Tierschutz- und Katzenschutzorganisationen zusammen und engagieren Sie sich bei der Weitervermittlung, statt die Katze direkt in Ihren Haushalt einzugliedern.
Viele Menschen sagen: „Die müssen sich ja nicht lieben. Es reicht, wenn sie sich tolerieren.“ Würde Ihnen selber das für eine lebenslange Gemeinschaft auf engstem Raum ausreichen? Für Ihre Katzen ist die Vergesellschaftung dann ein Gewinn, wenn sie sich sympathisch finden und mögen, entspannt Nähe miteinander genießen oder sich in sozialem Spiel vergnügen können. Das sollte meines Erachtens der Anspruch an eine Katzenbeziehung sein, insbesondere bei Wohnungskatzen. Durch eine bedachte Wahl der neuen Partnerin Ihrer Katze stellen Sie die Weichen für ein gemeinsames Leben in Frieden und Freundschaft.
Und wenn das das Ziel ist: Wie schwer wiegen einige Tage oder gar einige Wochen Umsicht und „anstrengende“ Katzenzusammenführung im Verhältnis zu fünf – zehn – fünfzehn Jahren Katzenfreundschaft?
Hinweis: Wenn ich in diesem Buch von „Katze“ spreche, beziehe ich mich damit auf beide Geschlechter. An den Stellen, an denen eine Abgrenzung notwendig ist, benutze ich die Begriffe „Kätzin“ und „Kater“.
Sollten Sie dieses Buch lesen, weil Sie bereits mit Katzen zusammenleben, deren Zusammenführung sehr schlecht läuft und mit regelmäßigen Kämpfen und/ oder großer Angst bei mindestens einer Katze einhergeht, trennen Sie die beiden bitte zunächst so voneinander, dass sie sich vorerst nicht begegnen und sich auch nicht sehen können. Während Sie dieses Buch lesen, können die Katzen sich ein paar Tage von den erlebten Strapazen erholen – und Sie auch. Und dann wird für Sie und Ihre Katzen wahrscheinlich die „systematische Zusammenführung“ der Weg sein, die Vergesellschaftung weiterzuführen.
Früher hieß es ganz klar: Katzen sind Einzelgänger. Sie brauchen und wollen keine Gesellschaft. Heute gibt es zwei Fraktionen, die gegenteilige Annahmen vertreten. Die einen halten an der Katze als Einzelgängerin fest, die im Mehrkatzenhaushalt nur Stress und Probleme bekommt. Die anderen sind überzeugt, dass Hauskatzen soziale Tiere sind, die in modernen Haltungsbedingungen unbedingt Gesellschaft brauchen. Einzelhaltung gleicht für sie nicht selten Tierquälerei. Wer hat nun recht? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, und wie so oft im Leben gibt es nicht nur Schwarz oder Weiß, sondern eine Reihe von Grautönen. Nähern wir uns der Antwort auf Umwegen:
Katzen sind unterschiedlich sozial.
Verschiedene Studien haben in den vergangenen Jahrzehnten verwilderte (oder teilweise verwilderte) Katzen und Katzengruppen im Hinblick auf ihre soziale Organisation untersucht. Verblüffendes Ergebnis: Verschiedene Gruppen weisen ganz unterschiedliche Ordnungen auf. Kater und Kätzinnen zeigen unter variierenden Rahmenbedingungen verschiedene Lebensformen, von einzelgängerisch bis sehr sozial, wobei sich soziales Verhalten auf viele oder einzelne Individuen beziehen kann. Pfleiderer und Rödder fassen beispielsweise zusammen: „Die Sozialstrukturen, die frei lebende Hauskatzen ausbilden, sind erstaunlich variabel […]. Es gibt unter ihnen löwenrudelähnlich organisierte Gruppen, Katergruppen, die wie Studentenverbindungen wirken, ebenso Weiberfreundschaften, dauerhafte Paarbindungen, Harems, Herumtreiber, selbst den gelegentlichen ‚Kneipentreff‘ kann man beobachten.“ (Pfleiderer/Rödder 2010: 39).
Ein entscheidender Aspekt für das friedliche Zusammenleben von Katzen in einer Gruppe ist das Vorhandensein der wichtigsten Ressource: Futter in Form von günstigem Beutetierangebot oder menschlicher Zufütterung. Es gibt dabei einen Grenznutzen, d.h. das theoretische Vorhandensein von unendlich viel Futter würde nicht das Zusammenleben von unendlich vielen Katzen ermöglichen. Denn weitere wichtige Ressourcen, die Katzen ein Zusammenleben ermöglichen, sind u.a. Platz und Versteckmöglichkeiten. Es wurde wiederholt gezeigt, dass mehrere Katzen sich nun aber nicht einfach gleichzeitig in der Nähe einer Futterquelle ansiedeln und sonst nichts miteinander zu tun haben (wie früher von den Forschern angenommen). Stattdessen wurden häufig besondere, freundschaftliche Beziehungen zwischen Katzen beobachtet, insbesondere zwischen miteinander verwandten Kätzinnen, die freiwillig engen Körperkontakt eingehen und sogar bei der Jungenaufzucht kooperieren (vgl. z.B. Turner in Turner/Bateson 2014). Kalz beobachtet in ihrer Untersuchung von freilebenden Katzenpopulationen in Berlin, dass jugendliche Tiere häufiger als erwachsene enge soziale Kontakte unterhalten (Kalz 2001).
Problematisch ist, dass die meisten wissenschaftlichen Untersuchungen zur sozialen Organisation von Katzen an freilebenden Katzen, Laborkatzen oder Katzengruppen in Tierheimen durchgeführt wurden. Die Lebensbedingungen dieser Katzen unterscheiden sich jedoch maßgeblich von denen als Haustier gehaltener Katzen, insbesondere Wohnungskatzen. Eine Studie von Barry und Crowell-Davis aus dem Jahr 1999 untersuchte hingegen 60 Katzenpärchen in US-Haushalten mit Blick darauf, wie gleich- und gemischtgeschlechtliche Paare miteinander auskommen. Die Forscher waren tatsächlich überrascht davon, wie wenig unfreundliche und wie viele soziale Verhaltensweisen zwischen den Katzen beobachtet werden konnten (vgl. Bernstein/Friedmann in Turner/ Bateson 2014). „Es wurde klar, dass das Verhalten von kastrierten Hauskatzen im menschlichen Haushalt sehr unterschiedlich ist zu dem von freilebenden Hauskatzen und anderen Katzenarten“ (Bernstein/Friedmann in Turner/Bateson 2014: 75, Übersetzung Hauschild).
Wir müssen jede Katze als Individuum betrachten.
Was heißt das nun für uns? Sind unsere Hauskatzen sozial und brauchen Gesellschaft oder nicht? Leider gibt es auf diese Frage keine Antwort, die jeder Katze gerecht wird. Wir müssen jede einzelne Katze als Individuum betrachten und die Frage muss lauten: „Ist diese Katze sozial und braucht Gesellschaft bzw. kann sie in Gesellschaft glücklich sein?“
Die individuellen sozialen Fähigkeiten und Bedürfnisse einer Katze sind von unterschiedlichen Faktoren abhängig: von ihrer genetischen Disposition (wie sozial waren die Elterntiere und Vorfahren, in welchen sozialen Strukturen haben diese gelebt), von ihrer Sozialisierung (wie waren ihre frühen Erfahrungen mit anderen Katzen) und von ihren weiteren Erfahrungen mit anderen Katzen im späteren Leben.
Neben dem Vorhandensein wichtiger Ressourcen haben weitere Rahmenbedingungen großen Einfluss auf das soziale Verhalten einer Katze: Für viele von ihnen gilt, dass sie dann einen Lebensraum teilen können, wenn ausreichend viel Platz vorhanden ist. Gansloßer weist zurecht darauf hin, „dass die Streifgebiete von freilaufenden Hauskatzen selbst unter günstigen Lebensumständen mehrere Tausend Quadratmeter, unter vielen Bedingungen, etwa eines Vorstadt- oder dörflichen Lebens, sogar mehrere Hektar betragen. Die Umstellung auf ein Leben in einer Wohnung oder einer anderen räumlich begrenzten und anders strukturierten Situation übersteigt bisweilen bei weitem das, was etwa Wildtiere in moderner Zootierhaltung an vergleichbaren Einschränkungen erfahren“ (Gansloßer 2010: 123). Entscheidend ist also nicht, als wie großzügig Sie Ihre Wohnung empfinden, sondern wie sich diese in den Augen Ihrer Katze darstellt. Außerdem sollte die Katzendichte nicht zu hoch werden, also nicht zu viele Katzen im gleichen Haushalt leben. Schroll verdeutlicht durch eine einfache Berechnung anschaulich, wie komplex das soziale Leben für Katzen in einem Mehrkatzenhaushalt schnell werden kann: „Die Anzahl der wechselseitigen Beziehungen steigt exponentiell mit der Anzahl der beteiligten Sozialpartner […]. In einem Bestand mit 3 Katzen gibt es 6 wechselseitige Beziehungen. Kommt eine Katze neu hinzu gilt es auf einmal doppelt so viel, nämlich 12 wechselseitige Beziehungen zu regeln“ (Schroll 2004: 55). Und zu jeder Beziehung gehört, dass die Bedürfnisse nach z.B. Nähe und Distanz, Spiel und Ruhe sowie mögliche Aggressionen geklärt werden. Da haben die Katzen einiges zu tun!
Wir müssen also gut darauf achten, dass wir die sozialen Fähigkeiten und Bedürfnisse unserer Katzen nicht überstrapazieren.
Nicht alle Katzen bringen die gleichen Voraussetzungen für die Zusammenführung mit fremden Artgenossen mit. Katzen verfügen über unterschiedlich ausgebildete soziale Fähigkeiten. Sie zeigen bezüglich Art und Intensität von sozialen Kontakten zu anderen Katzen ganz verschieden ausgeprägte Bedürfnisse. Und schließlich haben auch viele Katzen frühere Erfahrungen als Altlasten im Gepäck, die ihr Verhalten in Begegnungssituationen beeinflussen.
Katzen mit ähnlichen Bedürfnissen schließen eher Freundschaft.
Wir Menschen tun deshalb gut daran, die individuellen Voraussetzungen der zu vergesellschaftenden Katzen bei unserem Vorhaben bestmöglich zu berücksichtigen. Natürlich können wir nicht mit ihnen sprechen oder in ihre Köpfchen hineinschauen, und oft genug haben wir auch nur spärliche oder gar keine Informationen über die Vergangenheit der Katzen. In diesem Kapitel möchte ich Ihnen verschiedene Kriterien vorstellen, anhand derer Sie zu einer Einschätzung kommen können, wie einfach oder kompliziert Ihre geplante Zusammenführung sein könnte. Daraus ergibt sich dann später die Empfehlung für eine bestimmte Zusammenführungsvariante.
Ich bin mir sicher, es gibt sie auch unter Katzen: spontane Sympathie oder Antipathie. Diese haben wir leider nicht in der Hand. Wir können nur versuchen, die Weichen so günstig wie möglich zu stellen, indem wir uns bemühen, eine möglichst gut passende Partnerkatze auszuwählen. Die besten Chancen für ein wirklich harmonisches und inniges Miteinander haben Katzen, die einander recht ähnlich sind. Dabei gilt es, an folgende Dimensionen zu denken:
Aktivitätslevel
Einige Katzen lieben es, wild durch die Wohnung zu toben, den deckenhohen Kratzbaum in einem Satz zu erklimmen und mit viel Getöse auf dem kleinen Läufer durch den Flur zu schliddern. Andere Katzen wiederum finden das schlichtweg unmöglich, fühlen sich in ihrer Ruhe gestört und schieben einem solch ungehobelten Verhalten entweder erbost einen Riegel vor oder ziehen sich eingeschüchtert zurück. Erstere sind recht häufig auch für regelmäßige Sozialspiele mit Verfolgungsjagden und Raufereien zu haben, während letztere dadurch meist überfordert sind. Wenn zwei Katzen von ihrem Aktivitätslevel her nicht gut zueinander passen, treten häufig Missverständnisse und Unstimmigkeiten auf. Wählen Sie hingegen zwei Katzen mit ähnlichen Aktivitätsbedürfnissen, können diese miteinander die relative Ruhe genießen oder eben gemeinsam jede Menge Quatsch aushecken und die Wohnung auf den Kopf stellen.
Sozial-offen oder sozial-zurückhaltend?
Manche Katzen legen Wert auf ein besonders höfliches Gegenüber.
Das Maß an Aktivität, das eine Katze an den Tag legt, muss nicht zwangsläufig ein Maß für ihre Kontaktvorlieben zu anderen Katzen sein. D.h. es kann sein, dass eine besonders aktive Katze auch besonders extrovertiert und offen anderen Katzen gegenüber ist. Es ist aber auch möglich, dass eine Katze einerseits recht verspielt ist, andererseits im Kontakt mit anderen Katzen aber eher zurückhaltend auftritt. Es lohnt sich deshalb, neben dem allgemeinen Aktivitätslevel zu schauen, auf welche Weise die jeweilige Katze sozial ist: Ist sie eher eine sozial-offene oder gar sozial-„offensive“ Katze, die freundlich, aber forsch auf andere zugeht, sich gerne auch mal etwas plump annähert oder recht wild zum Spielen auffordert? Oder ist sie zwar durchaus sozial und kann auch Nähe und gemeinsame Aktivitäten genießen, ist aber eher der etwas schüchterne, zurückhaltende Typ? Für letztere Katze ist eine langsame und rücksichtsvolle Kontaktaufnahme beim Kennenlernen, aber auch im Alltag entscheidend, um Vertrauen aufzubauen und sich auf gemeinsame Aktivitäten einzulassen. Wird sie – wenn auch nett gemeint – „überfallen“, zieht sie sich in ihr Schneckenhaus zurück.
Stellen Sie sich einen Menschen vor, der mehrere Treffen mit einer neuen Bekanntschaft braucht, um langsam aufzutauen und warm zu werden. Wenn er erst einmal Vertrauen gefasst hat, kann er sich womöglich als lustige und unterhaltsame, aber auch feinfühlige Gesellschaft erweisen. Wird er aber während der ersten Treffen bedrängt, kommt er nicht aus sich heraus. Und dieser sozial-zurückhaltende Mensch trifft nun auf einen total offenen Menschen, der ihm sofort den Arm um die Schulter legt, ihn irgendwo hin führt und lauter Vorschläge macht, was man nun zusammen tun könnte. Können Sie sich vorstellen, wie der zurückhaltende Mensch sich innerlich verkrampft? Und der andere möglicherweise bald denkt: „Oh weh, ist der steif“? Wir Menschen sind in der Lage, über das Verhalten anderer nachzudenken und ihnen somit auch die Chance zu geben, im Laufe einiger Begegnungen zu zeigen, wie sie wirklich sind. Bei Katzen können wir davon ausgehen, dass sie sich am unmittelbaren Eindruck orientieren. Eine Katze wird wahrscheinlich nicht denken: „Ach, die taut bestimmt noch auf, wenn ich ihr ein wenig Zeit und Raum gebe“, sondern noch viel schneller als wir: „Boh, ist der aufdringlich“ oder „Meine Güte, ist die eine Mimose!“
„Sozial-offen“ und „sozial-zurückhaltend“ stellen die beiden Endpunkte einer Skala dar, auf der es natürlich auch einige Zwischentöne gibt. Es gibt aber tatsächlich einige Katzen, die sich eher an den Endpunkten dieser Skala bewegen. Dann hilft man ihnen sehr, wenn man ihnen einen Katzenpartner an die Seite stellt, der ähnlich tickt. So steht gemeinsamer schöner Zeit nichts im Wege.
Nähe und Distanz
Katzen zeigen ganz unterschiedliche Bedürfnisse nach Nähe und Distanz zu ihren kätzischen Mitbewohnern. Wir dürfen dabei nicht von den Nähewünschen uns gegenüber auf mögliche Nähewünsche einem Artgenossen gegenüber schließen. Es gibt Katzen, die fast permanenten Körperkontakt zu ihren geliebten Menschen suchen, aber nicht von anderen Katzen berührt werden wollen. Und umgekehrt solche Katzen, die sich von ihren vertrauten Menschen kaum anfassen lassen, aber innigst mit ihren Mitkatzen kuscheln. Die Bandbreite an Nähebedürfnissen bei Katzen ist groß und reicht von
über
bis zu
oder sogar
Zurückweisung kann frustrieren.