Veranstaltungsreihe „Psyche im Film“ Metropolis Kino Hamburg, 2005 - 2009

Inhaltsverzeichnis

  Grußwort

Lieber, verehrter Herr Prof. Dr. Dr. Hinderk Emrich,

einmal monatlich richteten Sie im Rahmen einer über drei Jahre angelegten Filmreihe unter dem Banner „Psyche im Film“ einen psychoanalytischen Fokus auf ausgewählte Klassiker der Filmgeschichte und aktuelle Regie-Erfolge des Gegenwartskinos.

„Welche Filme laufen da eigentlich ab? Aus dem freudianischen Dreieck zwischen Leinwand, Kopf und dem Unterbewussten lässt sich so einiges an die Oberfläche befördern!“ Mit diesem aufmunternden Aufruf zu einer kollektiv erweiterten Traumarbeit lud die Kinemathek Hamburg im Anschluss an das ausgehende Sigmund-Freud-Jahr 2006 zur Auftakt-Veranstaltung dieser neuen Programm-Rubrik ein, die von Ihren engen Kontakten zu jungen Regietalenten ebenso profitierte wie von Ihrer profunden - häufig aus persönlicher Begegnung gewonnene - Kenntnis der Werke bereits lange verstorbener Kino-Legenden.

Der erste Gast im gut besuchten Metropolis-Kino war am 30. September 2006 Hans Weingartner mit seinem Film Das weiße Rauschen. „Wo Außenund Innenwelt nicht mehr korrespondieren können, wird auch die, normale‘ Definition von Wirklichkeit in Frage gestellt“, lautete die Eingangsthese. Und der Ankündigungstext zum Film versprach: »Wer das weiße Rauschen sieht, wird sofort verrückt. Es sei denn, er ist schon verrückt. Dann wird er wieder normal«. Wenig später, am 28. April 2007, lud Lutz Dammbecks phantastisch anmutende Verschwörungsrekonstruktion Das Netz dazu ein, gemeinsam mit Ihnen und dem Filmemacher am Fall des „Una-Bombers“ private und gesellschaftliche Paranoia im System der amerikanischen Psychiatrie zu entschlüsseln.

Mit einem neurologisch, philosophisch und filmhistorisch geschärften Blick auf mehr als 30 Filme loteten Sie exemplarisch die vielfältigen Beziehungen zwischen Psychologie und Kino aus und spürten dabei stets neue, überraschende, teils auch verstörende Momente in den Werken der Künstler auf und setzten sie mit der „eigenen Schaulust“ des Betrachters in Beziehung – so am 27.Januar 2007 exemplarisch bei Salò oder Die 120 Tage von Sodom von Pier Paolo Pasolini.

Die Filmabende – eingebettet in Einführungen und Gespräche – hatten einen bewusst experimentellen Seminar- und Workshop-Charakter. Nicht immer war es leicht, vom Markt verschwundene Filmkopien der gewünschten Titel zu beschaffen. Mitunter musste improvisiert werden. Aber immer war der Mehrwert eines solchen oftmals langen Filmabends für alle Gäste und Beteiligten deutlich spürbar. Dank Ihrer persönlichen Präsenz präsentierte sich „Psyche im Film“ als ein lebendiges „Kino der Berührung“.

Ich freue mich sehr darüber, dass der denkmalgeschützte Saal des Metropolis-Kinos mit seiner Leinwand Treff- und Ausgangspunkt dieser Begegnungen war und bedanke mich auch im Namen der cinephilen Fangemeinde für die gemeinsam verbrachte Zeit und die spannenden Filmvorträge, die dank Ihres Engagements nun auch als Buch vorliegen.

Ihre

Rita Baukrowitz

Kinemathek Hamburg – Kommunales Kino Metropolis

Hans Weingartner: Das weiße Rauschen, 30.09.05

G. Meierding

Die Verbindung von Kunst und Wissenschaft, von Philosophie und Psychoanalyse ist für Filmemacher eine Inspiration und damit ebenso für die Zuschauer. In Hans Weingartners Film „Das weiße Rauschen“ erleben wir diesen Doppel-Effekt. Ein junger Student, gespielt von Daniel Brühl, erkrankt an Schizophrenie. Er erlebt einen Zustand, in dem das Codiersystem für Informationen zusammenbricht. Was wissenschaftlich die Ursache für das weiße Rauschen erklärt. Nicht nur Physiker befassen sich mit diesem Phänomen. White Noise wurde zu einem Begriff der Kunst und ist Inspirationsquelle für Denker und Kreative.

Hans Weingartner studierte an der Hochschule für Medien in Köln. Dort wurde eben diese Verbindung zwischen Kunst und Wissenschaft gepflegt und darum möchte ich dort auch die Urzelle für unsere Reihe „Psyche im Film“ mit Professor Hinderk Emrich verorten – der auch die Arbeit an diesen Film begleitet hat.

Das Motto, die Spur des von Stimmen verfolgten Lukas, ist in einem Zitat des Kunst-Philosophen Hans-Ulrich Reck angelegt:

„Wer das weiße Rauschen sieht, wird sofort verrückt. Es sei denn, er ist schon verrückt. Dann wird er wieder normal.“

Für den Regisseur beschreibt dieser Zustand die Summe aller Informationen, die sich gegenseitig auslöschen. Für den Protagonisten und schließlich auch für uns, die Zuschauer, wird dieser Zustand im Wechsel zwischen den Wahrnehmungsebenen zur Utopie. Im Grenzbereich zwischen Wahn und Wirklichkeit geraten wir mit Lukas buchstäblich in den falschen Film. In dem der Horror nicht von Spezialeffekten generiert wird sondern direkt im Gehirn. Wo unsere eigenen Filme entstehen. Damit übergebe ich an den Neurologen.

Hans Weingartner: Das weiße Rauschen

H. M. Emrich

1.0 Einführung

In welcher Weise hängen Film und Psyche miteinander zusammen? Da ist einmal eine eigentümliche Parallele zwischen der Entdeckung der Psychoanalyse Ende des 19. Jahrhunderts durch Sigmund Freud und der gleichzeitigen Entstehung des Kinos; so wie wenn damit gesagt werden sollte: es gibt gewissermaßen dunkle Taburäume in uns selbst, die es zu repräsentieren und anzuschauen gilt; diese sind individuell und kollektiv zugleich; denn – wie Edgar Reitz sagt: „Der Film entsteht im Kopf des Betrachters und insofern sieht jeder seinen eigenen Film.“ Andererseits hat der Film eine untergründige Beziehung zum Traum, der „via regia“ zum Unbewussten, dem Königsweg zur Seele, im Verständnis Sigmund Freuds.

Die andere Parallele hat mit der Frage nach Subjektivität und Identitätsbildung zu tun: Psychisches sucht gewissermaßen stets nach einer Absicherung im Selbst, nach Geborgenheit in der „Identität“, im Selbstsein, weil – wie Sigmund Freud erkannte – sonst die Daseinsgefährdung in der „ozeanischen Entgrenzung“ droht.

2.0 „Das weiße Rauschen“ von Hans Weingartner

Das „weiße Rauschen“ ist ein physikalischer Begriff. Darunter versteht man, dass elektrische Prozesse so zufällig generiert werden, dass keine semantischen Strukturen daraus gebildet werden können. Kurt Schwitters, der große Dadaist, hat dazu einmal bemerkt: „Es gibt keine Zufälle, eine Tür kann zufallen, aber das ist kein Zufall sondern ein bewusstes Erlebnis der Tür, die Tür, die Tür, das Tür; Zufälle gibt es prinzipiell keine.“ Etwas in uns sperrt sich gegen das Zufällige des Zufalls. In Hans Weingartners Film ist das „weiße Rauschen“ eine Metapher für die besondere Verbindung des Innen mit dem Außen. Signale können dann auch aus dem rein Zufälligen bezogen werden: alles hat Bedeutung, alles wird zur Bedeutung. Psychiater lassen delirante Patienten gerne auf eine weiße Wand blicken und fragen sie, was sie da sehen. Oft sind es Käfer, Krabbeltiere aller Art, die sie beschreiben – ein Scheich aus Abu Dabi beschrieb kleine Kamele – dies ein Beleg für die Konstruktivität der Wahrnehmung, die nicht von außen nach innen sondern von innen nach außen funktioniert.

Psychiatriefilme haben oft etwas Heikles; sie stellen Fallstudien dar, die psychisch kranke Menschen zeigen sollen, und sie oft bloßstellen. Aber es gibt auch Filme, in denen das Seeelenleben psychisch Kranker, ja die Psychiatrie generell, eigentlich auf etwas anderes, viel Fundamentaleres abzielt, wie z.B. „Rain Man“, „Einer flog über das Kuckucksnest“ und „Awakenings“. Hier geht es um künstlerische Wirklichkeitsbilder der Menschen schlechthin – anhand der Frage nach einem einzelnen seelisch und gesellschaftlich scheiternden Menschen. Der Film von Weingartner hat diese Gratwanderung zwischen Psychiatriefilm und Kunstwerk hervorragend gelöst. Dennoch, und vielleicht gerade deshalb, lohnt es sich, einen Moment bei der Frage stehen zu bleiben, wer und was das denn ist, ein Mensch in und mit einer schizophrenen Psychose. Wir haben lange darüber diskutiert, ob die Hauptrolle von jemandem gespielt werden sollte, der selbst eine solche Störung aufweist; und leidvolle Erfahrungen bei den Vorproben haben dann Hans Weingartner überzeugt, dieses Konzept verlassen zu sollen. Derartige Psychosen verursachen eine Fundamentalstörung von allen verschiedenen seelisch-geistigen Eigenschaften eines Menschen im Bereich des Fühlens, Handeln, Wahrnehmens und Denkens; dies aber fast nie gleichzeitig sondern sehr punktuell mal die eine mal die andere Fähigkeit betreffend.

Der Psychologe Prof. Cohen aus Konstanz hat einmal formuliert: „99% aller Funktionen sind zu 99% aller Zeiten bei diesen Patienten ungestört.“ Deshalb ist es oft sehr schwer zu begreifen, dass und inwiefern überhaupt eine Störung vorliegt. Dabei ist das Halluzinieren, das Erleben von Signalen, Botschaften, Bildern, Geräuschen und Stimmen aus dem „weißen Rauschen“ zwar charakteristisch aber keineswegs das Zentrum des Geschehens. Vielmehr ist das Zentrum die situative Unangemessenheit, die fehlende Passung, die gestört Einpassung von Denken, Wahrnehmen und Fühlen in die jeweilige Kontext-Situation. Deshalb habe ich in meiner „Systemtheorie der Psychose“ von einer gestörten „internen Zensurleistung“ der Betroffenen gesprochen. Dieser Aspekt der fehlenden Kontextualisierung von Fühls- und Bewusstseinszuständen wurde von Weingartner meisterhaft herausgearbeitet. Hans Weingartner hat sich in seinem Werdegang intensiv mit Psychopathologie und Hirnforschung beschäftigt. Er hat vor dem Film „Das weiße Rauschen“ schon einen sehr ausdrucksstarken Kurzfilm gedreht über „dissoziative Zustände“ und Mulitpersonalität. Der Film heißt „Frank“ und wird sicher nun auch bekannter werden.

Was Schizophrenie letztlich wissenschaftlich-psychiatrisch „ist“, wissen wir nicht. Nach meiner „Systemtheorie der Psychose“ ist das Wesen des Psychotischen in jeden Menschen quasi “eingebaut“, d.h. latent in jedem von uns vorhanden (dafür sprechen die Befunde unter Schlafentzug, sog. Reizdeprivation („Tank“-Experimente) und die Wirkung psychedelischer Drogen). Dabei bedeutet das „schizein“ der „phrenes“, - die Spaltung der Psyche - nicht so sehr die innere Spaltung in mehrere Aspekte sondern vor allem das Abgespaltensein von den anderen, die Trennung, die Unüberwindbarkeit der Barriere von Ich und Du, letztlich Vereinzelung und Einsamkeit, d.h. die Störung betrifft ein Fundamentalproblem von uns allen: Wie kommt das Ich zum Du? Dieser Aspekt wird am Schicksal des jungen Mannes, das Weingartner filmisch dargestellt hat, besonders deutlich; und deshalb ist es auch ein Film über uns alle, unsere Trennungen, Ängste, die Frage nach der Berührung.

Ich möchte noch etwas sagen zur Emotion in ihrer Kontextualisierung, dieser Feinabstimmung in der emotionalen Intelligenz. Ein junger Mann möchte mit einem jungen Mädchen ins Kino gehen; an der Kasse stellt er fest, dass ein anderer Film läuft als er erwartet. Wie reagiert er? Die Störung der Kontextualisierung führt zu einem Gefühls-Ausbruch, im Grunde einem Nervenzusammenbruch - einem Welteneinsturz. Die einfachsten Dinge des Lebens - sie sind in Wirklichkeit recht kompliziert.

P.P. Pasolini: Teorema – Geometrie der Liebe, 25.11. 2005

G. Meierding

Vor einigen Jahren fragte mich ein Kollege ironisch, ob man einen gewissen Film – es handelte sich um „Titanic“ – eigentlich mit ärztlicher Begleitung sehen müsste. Wir erinnern uns: James Camerons Untergangs-Melodram hatte 1998 hierzulande eine Art Massenpsychose ausgelöst. Menschen konnten nicht damit aufhören, sich diesen Film immer wieder anzuschauen. Beim NDR 90,3-Kinotalk live aus dem Hamburger Cinemaxx am Dammtor gab es damals über Monate zum Auftakt jeder Sendung das obligatorische Interview mit Zuschauern, die zum vierten, fünften, sechsten… Mal in diese drei Stunden eintauchen wollten. Und irgendwann meldete sich auch ein Arzt zu Wort, der das Phänomen „Titanic“ im Selbstversuch durchlebte. Die magische Einheit des als unsinkbar geltenden Luxusliners, der an einem Eisberg zerschellen sollte und die damit verknüpfte klassenübergreifende Liebesgeschichte wurden zum Thema für die psychoanalytische Filmkritik.

Dieser Umweg über den Blockbuster „Titanic“ schweift keineswegs vom Thema des Abends ab. Psyche im Film zu analysieren ist eine komplexe Herausforderung. Wenn uns der Neurologe, Psychiater und Filmdozent Professor Hinderk Emrich einen so vielschichtigen Film wie Pasolinis „Teorema“ erschließt, ist diese „ärztliche Begleitung“ unbedingt empfehlenswert.

Vielleicht ist die Titanic der kapitalistischen Dekadenz in Pasolinis Film auch gar nicht so fern. Nach der Ankunft eines jungen Mannes von geradezu überirdischer Schönheit brechen die maroden inneren Strukturen einer Mailänder Industriellenfamilie ein. Ein selbstgerechtes Bollwerk sozialer Überheblichkeit treibt in den Untergang. Der Vater, die Mutter, die Tochter, der Sohn und auch das Dienstmädchen werden dem Gast verfallen. Der von Terence Stamp gespielte Adonis ist eine sexualisierte Heilandsfigur in Pasolinis christlich-marxistischem Lehrstück. Es geht einher mit der Selbstgeißelung eines Künstlers:

Keiner soll erkennen, dass der Künstler nichts wert ist.

Dass er kein normaler Mensch ist, minderwertig, und dass er sich windet wie ein Wurm, um leben zu können.

Der Künstler Pasolini, der Poet, der Schriftsteller, der Filmemacher, spricht nicht nur aus diesem selbstquälerischen Monolog einer seiner Figuren. „Teorema“ entstand zu einer Zeit, Mitte der 1960er Jahre, als auch Pasolinis Werte umgewertet wurden. Da war das Ländliche, das er mystifiziert und in dem er die wahren Formen von Marxismus und Religiosität verortet hatte. Und wie die von Pasolini verachteten Söhne der Großbourgeoisie veränderten sich auch die Jungs des Subproletariats. So gingen und so gehen die Konflikte des Künstlers und Menschen Pier Paolo Pasolini in diesem Film mit einem Theorem zur industriellen Gesellschaft einher. Die hatte, so Pasolini, den Sinn für das Heilige verloren und diesen Verlust durch die materielle Ideologie des Wohlstands und der Macht ersetzt. In diese sinnentleerte Welt des Geldes hatte Pasolini eine Erlöserfigur gebracht.

P.P. Pasolini: Teorema

H.M. Emrich

Abstract

Im Christentum ist schon oft gefragt worden: wenn der Erlöser noch einmal auf die Welt zu uns käme, würden wir ihn überhaupt erkennen? Pasolini lässt in eine Mailänder Industriellenfamilie eine alle ihre Mitglieder liebende strahlende jugendliche Gestalt einziehen, die ihnen Sinn und Liebe vermittelt.

Als der junge Mann aber abreist, bleibt Sinnentleerung, Wahnsinn oder auch die Freiheit zur Steigerung der eigenen Person und zur Transzendierung zurück. Ein geometrisches Theorem ist diese Liebe, weil sie sich symbolisch auf alle Familienmitglieder verteilt: Hausmädchen, Vater, Mutter, Sohn und Tochter. Dabei sind alle Formen der Liebe für P.P. Pasolini konkret und gleichrangig.

Pasolini hat sowohl in Gedichten und Romanen als auch in Filmen wie „Accatone“, „Das heilige Evangelium nach Matthäus“ und „Teorema“ die Konkretheit des Metaphysischen dargestellt. Für ihn ist das „Unsichtbare“ (Rilke) real erfahrbar. Pasolinis Film zeigt den Menschen, was passiert, wenn man daran vorbeigeht.

1.0 Einleitung

Von Frau Meierding bin ich zu Recht gefragt worden, warum ich für die Filmreihe „Psyche im Film“ ausgerechnet Pasolinis Film „Teorema“ vorgeschlagen habe. Scheinbar handelt doch „Teorema“ von ganz anderen Themen als von „Psyche“. Ich möchte dazu eine Erläuterung geben: für mich geht Psychisches nicht darin auf, „psychisch“ oder gar psychologisch zu sein. Vielmehr ist das Psychische immer das, was über sich selbst hinausweist; Psychisches bleibt nicht in psychologischen Mechanismen stecken. Vielmehr ist das Psychische bei Aristoteles das Lebendige, das Lebendigmachende. Psyche ist das, was uns belebt, uns dazu anregt, über uns hinauszuwachsen, und ist damit mit der Liebe in engstem Zusammenhang. Das Psychische ist in diesem Sinne auch das Spirituelle, das Metaphysische. In Pasolinis Film ist es auch das Heilende, das was den Vater, der schwerkrank zu Bett liegt, wieder gesund macht.

Eine besondere Beziehung zwischen Psyche und Film gibt es nun auch gerade deshalb, weil auch der „wirkliche“ Film immer dasjenige ist, was über sich hinausweist. Wie die große Avantgarde-Filmemacherin Maya Deren in den 40er und 50er Jahren meisterhaft ausgeführt hat, ist „eigentlicher“ Film nie abbildend, sondern auf eine höhere Realität verweisend. In diesem Sinne verweist Film – wie Psyche – auf das Andere, auf das, was es selbst, an sich selbst, nicht ist bzw. noch nicht ist. Film und Psyche sind dadurch verbunden, dass sie auf das Werden verweisen, auf das Anderssein, auf das Anderswerden.

In welcher Hinsicht ist nun gerade Pasolini derjenige, der geradezu protagonistisch diese Verbindung herstellt? Wie Maya Deren kommt Pasolini aus der Poesie, aus der Lyrik, also einer melodischen Kunst der Sprache. Von den im friaulischen Dialekt geschriebenen frühen Gedichten bis zum späten Roman „Petrolio“, Öl, geschrieben gegen den Megakapitalismus der Gegenwart, ist es ein schwerer und grandioser künstlerischer Weg, ein Weg auch gerade eines genialen Filmschöpfers. In einem sehr schönen in ARTE gesendeten Pasolini-Portrait äußerte sich Pasolini auch gerade zu diesen frühen Gedichten.