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© 2021 Rita de Monte

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt“

ISBN: 9-783754399132

Inhalt:

Winterzeit

Es hatte wieder angefangen zu schneien. Dicke Flocken tänzelten vom Himmel, auf die gefrorene Erde herunter. Es war klirrend kalt, als Aurelia hinunter zu den Stallungen ging.

Tarek, ihr tunesischer Mann, hatte sich noch immer nicht an die Kälte in Deutschland gewöhnt, obwohl sie inzwischen drei Jahre verheiratet waren. Man brachte ihn deshalb bei Minusgraden kaum dazu, das schützende, warme Gutshaus zu verlassen. Selbst wenn es um die Null Grad hatte, mummelte er sich in mindestens zwei Pullover und eine Jacke ein. Da war Aurelia schon härter im Nehmen. Dafür hatte sie damals die Hitze an der afrikanischen Nordküste nicht so gut vertragen.

Wie jeden Vormittag, nach dem gemeinsamen Frühstück mit ihrem Mann und Georg, ihrem Großvater, machte Aurelia ihre Runde zu den Stallungen hinunter. Jetzt im Winter war nicht so viel zu tun, denn die Pferde wurden bei dieser eisigen Kälte nicht trainiert. Doch sie wollte ihre Lieblingspferde besuchen und nach dem Rechten sehen.

Sturmwinds Bein war inzwischen schon längst abgeschwollen. Aber sobald er es längere Zeit belastete, fing er an zu lahmen. Er würde für den Rennsport vermutlich nicht mehr taugen. Sie hatten deshalb beschlossen, den junge Sturmwind und seinen Vater Djamal nur noch als Deckhengste einzusetzen. Djamal sollte weiterhin die Freizeit Pferdelinie bedienen, während Sturmwind die neuen Rennstute beglücken durfte, die Georg vom Rennstall Gerber erworben hatte. Zehn wundervolle englische Vollblüter standen im Stall und einige waren bereits tragend. Vielleicht entstanden aus dieser Verpaarung einige vielversprechende Nachwuchs Rennpferde. Man würde sehen.

Ihre erfolgreiche Stute Joy of Life, die unter ihrem Jockey Joaquin in Frankreich so sensationell gelaufen war, würde in der nächsten Rennsaison wieder antreten und hoffentlich weiterhin gewinnen. Die gewonnenen Preisgelder waren zu einem schönen Polster angewachsen und sie hatten keine Geldsorgen.

Kurz darauf stand Aurelia an Sturmwinds Box. Sie öffnete die schwere Holztür mit den Gitterstäben und trat hinein. Der weiße Araberhengst wieherte ihr zärtlich entgegen und stupste sie mit seinen weichen Nüstern sanft an.

„Hey, mein Schöner. Wie geht es Dir denn heute.“ Sie bückte sich zu seinem Bein hinunter und strich vorsichtig tastend darüber. Sturmwind ließ sie gewähren. Das Bein fühlte sich nicht mehr heiß an, es war also nicht mehr entzündet. Er war bei seinem letzten Rennen schwer gestürzt und hatte sich einen bleibenden Sehnenschaden zugezogen. So ein Verlust. Er war der geborene Gewinner gewesen. Doch manchmal ging das Schicksal seltsame Wege.

Sie musste an ihren Ex-Ehemann Raoul de Toussant denken. Er war bei dem Versuch Lösegeld für Joaquin und Willi zu erpressen, getötet worden. Vermutlich hatte er gedacht, er hätte ihren neuen Ehemann Tarek in seiner Gewalt, denn Joaquin war auch ein dunkler Typ. Nun musste sie jedenfalls keine Übergriffe mehr befürchten und konnte in Ruhe, ohne mentale Sorgen, ihre Schwangerschaft genießen.

Inzwischen war sie im achten Monat und ihr Bauch war bereits kugelrund. Was es wohl werden würde. Sie hoffte, dass das Baby dieses Mal gesund sein würde. Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie an ihren kleinen Sohn Alexander dachte, der im letzten Spätfrühling gestorben war. Er war weggelaufen und hatte giftige Beeren gegessen, die er im Wald gefunden hatte. Leider kam jede Hilfe zu spät. Alexander war taub geboren worden. Aber sie hatten ihn alle sehr geliebt. Der kleine Sonnenschein würde unvergessen bleiben. Doch nun versuchte Aurelia sich auf das neue Leben zu konzentrieren, das in ihr heranwuchs. Das Kleine sollte nicht unter ihrer Trauer um Alexander leiden müssen.

Nachdem sie Sturmwind ausgiebig gestreichelt hatte, ging sie weiter zu Joys Box. Die Stute hatte bereits ihr Mineralfutter, Heu und frisches Wasser bekommen. Als sie den Kopf hob, um Aurelia zu begrüßen, hing noch ein Wisch Heu aus ihrem Maul. Genüsslich fraß sie weiter und weil die junge Frau nicht stören wollte, ging sie weiter zu Djamal, ihrem ersten Araberhengst. Georg hatte ihn ihr geschenkt, als sie bei ihm eingezogen war. Mit ihm hatte sie einige Abenteuer erlebt, als sie damals auf der Suche nach ihrem leiblichen Vater, quer durch die arabischen Kontinente geritten war. Niemals hätte sie gedacht, dass sie ihren Vater lieben könnte, aufgrund ihrer gemeinsamen Vorgeschichte. Er hatte inzwischen schon so viel für sie getan und seinen furchtbaren Fehler wieder gut gemacht, obwohl er in Spanien lebte. Also weit weg von ihr. Aber immer, wenn sie ihn gebraucht hatte, dann war er da gewesen.

Djamal war inzwischen schon ein älterer Pferdeherr, aber immer noch genauso schön anzusehen wie früher. Mit seinen aufgeweckten, schwarzen Knopfaugen, die von langen, dichten Wimpern umrandet waren, schaute er ihr aufmerksam entgegen. Dann schnaubte er leise, als ob er sagen wollte: „Hast Du mir etwas mitgebracht?“

In der Tat hatte Aurelia noch einige Apfelstücke in der Tasche, die sie ihm nun auf der ausgestreckten Hand hinhielt. Auch mit diesem Pferd unterhielt sie sich eine Weile und tätschelte ihn am Hals. Welch wundervolle Zuhörer Pferde doch sind. Man konnte ihnen allen Kummer anvertrauen.

Aurelia und Tarek liebten sich zwar immer noch so wie am ersten Tag, doch manche Dinge verstand er einfach nicht. Da war es gut, einen tierischen Zuhörer zu haben der nichts ausplaudern konnte.

Die junge Frau ging weiter von Box zu Box und schaute bei jedem Pferd vorbei. Als sie gesehen hatte, dass die Stallburschen eifrig mit füttern und striegeln der Pferde beschäftigt waren und alles reibungslos ablief, beschloss sie, wieder ins Gutshaus zurückzugehen. Sie stöhnte, als sie den Hang zum Haus hinauf stapfte. Der Schnee war doch schon fast zwanzig Zentimeter hoch liegen geblieben.

Auf der Türschwelle stampfte sie kurz auf, um ihre Stiefel vom Schnee zu befreien, dann ging sie in den kleinen Flur, zog die nassen Schuhe aus und schlüpfte in ihre warmen Pantoffeln, die Tarek ihr geschenkt hatte.

Tarek saß, zusammen mit Georg, im Esszimmer. Dies war einfach der gemütlichste Raum im Haus, in dem sich die ganze Familie mehrmals täglich traf. Maria, die langjährige Haushälterin hatte ein gemütliches Feuerchen im Kamin angezündet und es war mollig warm.

Als Aurelia, mit ihren von der Kälte geröteten Wangen, ins Zimmer trat, stand der junge Tunesier auf und nahm sie in den Arm.

„Ich war doch nur eine Stunde weg, mein lieber Mann,“ schmunzelte sie.

Tarek grinste. „Ja, aber ich vermisse Dich einfach, wenn Du nicht hier bist.“ Er drückte sie sanft auf ihren Stuhl. Auch Georg konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Aber er war froh, dass Aurelia so glücklich war. Er war sehr besorgt um das junge Paar gewesen, nach dem Unglück mit ihrem kleinen Sohn Alexander. Doch bald würde er erneut Urgroßvater werden. Er freute sich schon sehr darauf. Hoffentlich ging alles gut.

„Wo sind denn eigentlich Joaquin und Kati? Die beiden habe ich heute noch gar nicht gesehen, nicht mal zum Frühstück.“ Aurelia wunderte sich. Georg meinte: „Na ja, die beiden sind frisch verliebt. Da muss man nicht so viel essen.“

Kati und Joaquin

Tatsächlich hatten die beiden das Frühstück zusammen im Bett verbracht.

Kati war erst nach der Geburt Alexanders zu den von Dorners in den Haushalt gekommen. Sie war als Lehrerin und Erzieherin für den kleinen Alexander eingestellt worden, da sie mit der Gehörlosensprache vertraut war. Fleißig hatte sie mit dem kleinen Mann geübt, damit er sich verständigen konnte. Noch immer hatte sie schwere Schuldgefühle, denn sie gab sich die Schuld daran, dass Alexander in einem unbeaufsichtigten Moment, davongelaufen war. Aurelia hatte versucht, ihr diese Schuld auszureden, denn das hätte jedem von ihnen passieren können. Aber es gelang nicht so recht. Immer wieder rutschte sie in melancholische Momente ab.

Dann war, Anfang des Jahres, plötzlich Joaquin aufgetaucht, als die Familie einen Jockey gesucht hatte. Er war nicht viel größer als sie, aber sehr attraktiv mit seinem dunklen Haarschopf. Jedes Mal, wenn sie in seine sanften, braunen Augen blickte, fühlte sie sich geliebt und es wurde ihr warm ums Herz. Wäre er nicht gewesen, wer weiß, ob sie sich nicht etwas angetan hätte.

Als Joaquin nach der Rennsaison und dem Abenteuer in Frankreich, bei dem er entführt worden war, endlich nach Hause auf den Dornerhof zurückgekommen war, war Kati überglücklich gewesen. Sie hatte den jungen Mann von Anfang an sehr attraktiv gefunden. Doch erst vor Kurzem, hatte auch Joaquin ihr seine Liebe gestanden. Ihr sehnlichster Wunsch hatte sich erfüllt und bald wollten sie heiraten und planten schon eifrig.

„Sollten wir nicht aufstehen?“ Kati war es etwas peinlich, denn immerhin lebten sie im Haus ihres Arbeitgebers und es schickte sich nicht, so offen in wilder Ehe in einem fremden Haus zu leben und zu lieben. Doch Aurelia hatte ihr mehrfach versichert, dass sie es schön finde, dass sie ihr Glück gefunden habe. Deshalb wollte sie auch die Hochzeit auf Gut Dornerhof ausrichten.

„Komm wieder ins Bett Liebling.“ Joaquin zog sie zu sich. „Es ist eh nicht viel zu tun. Da können sie schon mal einen Tag auf uns verzichten.“

Doch Kati war zu pflichtbewusst. Sie wollte hinunter gehen und ihren Teil zur täglich anfallenden Arbeit beitragen. Sie zog sich an, wusch sich in der bereitgestellten Waschschüssel mit eisig kaltem Wasser und kämmte ihre kurzen, schwarzen Haare.

Dann warf sie sich auf Joaquin und kitzelte ihn durch vor lauter Übermut. Der gab ihr prompt kontra. Beide kicherten sie so laut, dass es sicher alle im Haus hören mussten. Als Kati dies bewusst wurde, nahm sie Joaquin an der Hand und zog ihn aus dem Bett.

„Jetzt steh endlich auf, Du Faulpelz. Wir werden nicht fürs Faulenzen bezahlt.“

Maulend stieg der junge Franzose endlich aus dem Bett und zog sich an. Als er seine Katzenwäsche vollzogen hatte, gingen sie zusammen die Treppe hinunter.

Maria, die betagte Haushälterin, hatte Kati schon entdeckt. „Kati komm doch bitte. Ich brauche Hilfe beim Gemüse putzen. Mein Rücken schafft die ganze Arbeit bald nicht mehr und Monika ist zu ihrer kranken Mutter nach Hause gefahren. Die fällt heute aus.“

Kati eilte sofort zu ihr in die Küche. Solange das neue Baby noch nicht auf der Welt war, half sie bei allem was so anfiel, denn die alte Maria war inzwischen auch schon über siebzig Jahre alt und nur noch fürs Kochen zuständig. Alles andere mussten das Hausmädchen Monika und sie stemmen. Aurelia hatte mit dem Haushalt nichts zu tun, denn sie war die Chefin und hatte mit den Pferden genug zu tun.

Während Kati bereits Gemüse putzte, setzte Joaquin sich zu den anderen an den Esszimmertisch.

Tarek stichelte. „So, bist Du auch schon aus dem Bett gefallen? Wie ist es denn so, frisch verliebt zu sein?“

Der Franzose grinste. „Der Ehrenmann genießt und schweigt. Was steht denn heute so an? Ich nehme an, zum Pferdetraining ist es zu kalt.“

Georg lachte. „Ja, das ist es. Wir wollen nicht, dass dir die Ohren abfrieren bei dieser Kälte und ich glaube die Pferde genießen es auch, einmal nichts tun zu müssen.“

Joaquin nickte. „Bestimmt ist das so. Wir sollten ihnen auch ein bisschen Ruhe gönnen. Ich bin so gespannt auf die neuen Fohlen. Aber da müssen wir ja leider noch bis zum Frühling warten. Vielleicht bin ich da schon wieder auf der Rennbahn mit Joy. Ich hoffe, wir können in der nächsten Rennsaison an unsere Erfolge anknüpfen.“

„Jetzt kommt erst mal ein anderer neuer Erdenbürger auf die Welt. In sechs Wochen müsste das Kleine schon da sein.“ Georg freut sich.

Aurelia mischte sich ein. „Vielleicht sollten wir uns erst einmal um Katis und Joaquins Hochzeit kümmern. Wenn unser Baby erst einmal da ist, dann habe ich keine Zeit mehr für die Planung.“

Tarek grinste den schmalen Franzosen an. „Dann bist Du auch im Ehegefängnis.“

Aurelia boxte ihren Mann in die Seite und tat, als ob sie mit ihm beleidigt wäre. Dann wandte sie sich wieder Joaquin zu. „Nein, ernsthaft. Eigentlich wäre es am besten, wenn ihr in den nächsten vier Wochen heiraten würdet.“

Joaquin nickte. „Da überlasse ich Dir ganz freie Hand liebe Aurelia. Du bist ja schon Profi in der Hochzeitsplanung.“

Aurelia beschloss, sich Kati vorzuknöpfen. Sie ging in die Küche und setzte sich zu ihr. Die junge Frau mit dem aparten Bubikopf saß am Tisch und schälte Karotten fürs Mittagessen.

„Guten Morgen Kati,“ sagte Aurelia. „Hast Du Dir schon Gedanken gemacht, wann ihr heiraten wollt? Ich habe gerade mit deinem zukünftigen Mann gesprochen und wir haben gedacht, dass es in den nächsten vier Wochen wohl sinnvoll wäre. Anschließend werde ich nicht mehr viel Zeit haben, wenn das Baby da ist.“

Kati lächelte. „Von mir aus kann es nächste Woche sein, oder so schnell wie eben möglich. Den Mann muss ich festnageln, nicht dass er mir abhanden kommt.“

Aurelia lachte schallend. „Gut, dann schicke ich den alten Vinzenz zum Pfarrer. Der soll uns einen Termin geben. Ich nehme an, dass ihr nur im kleinen Kreis heiratet, oder? Hast du noch irgendwelche Verwandten, die du einladen möchtest?“

Kati schüttelte den Kopf. Nein, meine Eltern sind tot und Geschwister habe ich keine. Ansonsten steht mir niemand so nahe, dass ich ihn dabei haben möchte. Soweit ich weiß, hat auch Joaquin niemanden. Es sind also nur wir Beide und deine Familie.“

„Umso besser. Dann geh ich Vinzenz suchen.“

Sie zog sich warm an und ging noch einmal hinunter zum Stall. Dort rief sie nach dem alten Kutscher. Sie fand ihn in der Sattelkammer. Er war gerade dabei die Sättel einzufetten. Der Winter war für Pflegemaßnahmen die beste Jahreszeit.

„Ach, da bist Du ja Vinzenz. Ich habe einen ganz speziellen Auftrag für dich.“ Der ältere Mann schaute sie verdutzt an.

„Kati und Joaquin wollen heiraten und ich dachte, es wäre sinnvoll, wenn wir das Fest bald ausrichten: Wenn mein Baby da ist, dann habe ich keine Zeit mehr für sowas. Kannst du heute im Laufe des Tages bitte zu Pfarrer Seibold reiten und ihn um einen Hochzeitstermin für die Beiden bitten? Das wäre echt toll.“

Vinzenz nickte. „Natürlich. Ich mache mich sofort auf den Weg.“

Schneehochzeit

Vinzenz sattelte seine alte Stute Toffee, eine dunkelbraune Württembergerin mit schwarzer Mähne und stieg auf.

Zum Glück hatte er seine pelzverbrämte, warme Jacke und die gefütterten Stiefel angezogen, denn es war wirklich bitterkalt. Im Stall hatte er das gar nicht so bemerkt. Doch nach kurzer Zeit fror es ihn bereits an die Ohren. Zum Glück waren es nur etwa zwei Kilometer bis zur kleinen Kapelle des Dörfchens.

Er war froh, als er sein Ziel erreicht hatte und durch die schwere Holztür der kleinen Kapelle schritt. Pfarrer Seibold stand in der Nähe des Altars am Wasserbecken.

Der Gottesmann hob einladend die Arme und ging auf Vinzenz zu. „Vinzenz, was verschafft mir die Ehre deines Besuches?“

Der alte Mann erklärte ihm den Grund seines Kommens. Pfarrer Seibold ging zum Altar und schaute in seinen Kalender. „Hmm, schauen wir mal. Diesen Sonntag geht es nicht, aber den nächsten. Sollen wir den Termin nehmen? Dann habt ihr auch noch genügend Zeit euch auf die Zeremonie vorzubereiten.“

Vinzenz war zufrieden, stieg auf sein Pferd und trabte nach Hause, um die frohe Botschaft zu überbringen.

Nachdem er Toffee in ihre Box gebracht und abgesattelt hatte, ging er den kleinen Hügel zum Gutshaus hinauf. Sein Atem dampfte in der kalten Luft. Doch drinnen im Haus war es mollig warm.

Er räusperte sich und kurz darauf stand Aurelia vor ihm. „Ah, Vinzenz. Bist du schon wieder da? Und was spricht unser Pfarrer?“

„Er lässt ausrichten, dass er am übernächsten Sonntag Zeit hätte und hält sich für zehn Uhr bereit.“

„Danke Vinzenz. Dann werde ich die frohe Kunde gleich dem Brautpaar überbringen.“ Sie ging zurück in die Küche, während Vinzenz wieder in den Stall hinunter ging, um seine Arbeit fortzuführen.

„Kati,“ rief Aurelia als sie in die Küche stürmte. „Ich habe eine gute Nachricht für Dich. Ihr könnt bereits übernächsten Sonntag heiraten. Der Termin steht.“

Die junge Frau erschrak. „Aber ich habe doch noch gar kein Brautkleid. Wo soll ich das denn so schnell herbekommen?“

Aurelia lächelte. „Mach Dir keine Sorgen. Ich habe zwei davon. Du kannst dir eines aussuchen und ich lasse es von Monika abändern. Du bist doch etwas zierlicher als ich.“

Kati strahlte. „Das würdest Du für mich tun Aurelia? Vielen, vielen Dank. Darf ich mir die Kleider ansehen?“

Aurelia nickte. „Natürlich. Das machen wir gleich nach dem Mittagessen.“

Sie ging ins Esszimmer, um auch Joaquin die frohe Botschaft zu überbringen. Dem wurde es etwas mulmig, aber natürlich freute er sich auch. Tarek grinste seinen Freund an. Er wusste genau, wie der Franzose sich fühlte. Auf der einen Seite war da pure Freude, und andererseits auch Angst in der Ehe gefangen zu sein und über alles was man tat Rechenschaft ablegen zu müssen.

Kati konnte es kaum erwarten die Brautkleider zu sehen. Direkt nach dem Mittagessen ging Aurelia mit Kati hoch in ihre Räumlichkeiten, wo sie zusammen mit Tarek lebte. Aus einem großen, dunklen, mit schönen Schnitzereien versehenen Schrank aus Walnussholz, nahm Aurelia zwei lange, weiße Kleider heraus und legte sie aufs Bett. Kati war ganz entzückt und kam aus dem Schwärmen nicht mehr heraus. Sie entschied sich für das wunderschöne, schneeweiße Kleid mit dem eng anliegenden Oberteil und dem weit ausgestellten Glockenrock, das Aurelia bei ihrer Hochzeit mit Tarek getragen hatte. Der herzförmige Ausschnitt mit der zarten Spitze und der schmal gehaltenen Taille, stand Kati ausgezeichnet. Man würde es nur etwas enger nähen müssen und natürlich kürzen, denn Kati war fast zehn Zentimeter kleiner als Aurelia.

„Siehst Du Kati, jetzt bist Du schon fast ausgestattet. Ich habe auch noch wunderschöne, lange Ohrringe mit Bergkristallen. Die würden sicher ganz hervorragend dazu passen. Ein zartes Goldkettchen mit einem einzelnen gefassten Bergkristall müsste auch noch irgendwo sein. Wo ist der denn nur. Ach, da habe ich ihn. Du wirst wunderschön aussehen.“

Die junge Frau bewunderte sich im Spiegel. „Ich denke, Du hast recht. Das Kleid ist wirklich unglaublich. Was wohl Joaquin dazu sagen wird?“

„Du weißt, der Bräutigam darf die Braut erst vor dem Altar sehen. Also habe bitte etwas Geduld. Mir ging es damals genauso. Ich konnte es kaum erwarten. Aber es sind ja nur noch neun Tage.“

„Zum Glück. Die schaffe ich auch noch.“ Kati zog das Kleid wieder aus und legte es sorgfältig zusammen.

Die Tage verrannen schnell und am Hochzeitssonntag schien die Sonne strahlend an einem wolkenlosen, blauen Himmel.

Kati hatte in dieser Nacht kaum schlafen können, während ihr zukünftiger Mann, selig schnarchte und kein bisschen aufgeregt zu sein schien. Es war noch dunkel als sie aufstand und in die Küche hinunterschlich. Maria und Monika, die inzwischen wieder da war, werkelten schon geschäftig in der Küche herum. Die alte Haushälterin hatte für heute ein besonders aufwändiges Menü geplant.

„Was willst Du denn schon hier in der Küche?“ Monika schmunzelte. „Du kannst es wohl gar nicht abwarten eine Madame zu werden?“

Kati kicherte. „Madame Joaquin de la Roche. Das klingt doch gut?“

Zu Maria gewandt fragte sie: „Maria, hast Du schon einen starken Schwarztee für mich, mit ganz viel Zucker? Ich brauche heute gute Nerven.“

Maria zeigte auf eine Porzellankanne und schmunzelte vor sich hin. Sie war noch nie verheiratet gewesen, aber sie konnte sich in etwa vorstellen wie nervös und aufgeregt Kati sich fühlen musste.

Während Kati sich einschenkte und drei Löffel Zucker dazu gab, tauchte Aurelia ebenfalls in der Küche auf.

„Guten Morgen allerseits. Hier ist ja schon ganz schön was los.“

Auch sie holte sich eine Tasse und goss Schwarztee hinein, den sie mit Zucker süßte und mit einem Schuss Sahne abrundete.

„Prost Kati, auf Dich. Nach dem Frühstück werden wir Dich schön machen, noch schöner meine ich, denn schön bist Du schon. Die Männer fahren dann voraus.“

„Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen wie aufgeregt ich bin. Ich freu mich schon so,“ strahlte Kati und nippte an ihrem heißen Getränk.

„Doch Kati, glaub mir, das kann ich. Ich war bei meinen beiden Hochzeiten vorher so aufgeregt, dass ich nichts zu mir nehmen konnte. Mein Herz klopfte, als wolle es mir aus der Brust hüpfen. Doch wenn Du vor dem Altar stehst, dann wirst Du ganz ruhig sein. Glaub mir.“

„Dein Wort in Gottes Ohr Aurelia.“

Nach und nach wachten auch die Herren auf und setzten sich an den gedeckten Esszimmertisch. Maria bewirtete die Männer, während Aurelia mit Kati nach oben schlich.

Tarek grinste. „Und, wie fühlst Du Dich Joaquin?“

„Als ob ich zur Schlachtbank geführt werde.“ Er grinste bei diesen Worten.

Georg schmunzelte und reichte ihm das Brotkörbchen hinüber. „So schlimm ist die Ehe gar nicht. Du hast Dir doch sicher die Hörner schon abgestoßen. Ich kann mich erinnern, dass Du in Paris ganz schön unterwegs warst, wenn wir frei hatten.“

Joaquin sagte dazu nichts, aber der Schalk blitzte aus seinen braunen Augen.

„Wo sind denn die Damen?“ Tarek wunderte sich, weil er wusste, dass Aurelia bereits vor ihm aufgestanden war, aber noch nicht zu Tisch erschienen war.

„Ich denke, sie ist bei Kati, um sie hübsch herzurichten.“

Nach dem ausgiebigen Frühstück verschwanden auch die Männer in ihren Zimmern, um sich zu waschen und ihre besten Anzüge anzuziehen.