Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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© 2021 Hirschfeld, E.-Regina; Kuhröber, Ellen
Satz, Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-7543-7642-3
Es gibt Bücher, die man sich wünscht, dass sie geschrieben werden, weil sie aus dem Herzen sprechen – und dieses Buch ist so eines. Der Fall der Großmutter Ella K., ihres Sohnes und des Enkelkindes Lea ist in dieser Konstellation kein Einzelfall. Ella K. spricht vielen Menschen aus dem Herzen – Kindern, Großeltern und nicht verheirateten Vätern. Sie protokolliert und veranschaulicht, was viele erleben. Nahezu alle Betroffenen in ähnlicher Situation resignieren über kurz oder lang, manchmal nach einem Jahr, vielleicht nach zwei Jahren. Was bei Ihnen zurückbleibt, sich festsetzt ist meist tiefe Verbitterung und Resignation.
Das Enkelkind Lea steht für die vielen Kinder, die Umgangsverweigerung ausgesetzt, durch die »psychosoziale Mühle« der »Experten/Innen« gedreht werden, bis diese Kinder schließlich genügend manipuliert sagen, dass sie keinen Kontakt mehr mit einem Elternteil und den Großeltern wollen. Eigentlich ist die nicht nachvollziehbare Kontaktverweigerung ein Hilferuf der Kinder des Inhalts: »Lasst mich bitte in Ruhe, ich kann nicht mehr.« Wie im Buch akribisch beschrieben, obsiegen die Umgangsverweigerinnen – hier – und das ist spezifisch – die leibliche Mutter im Bündnis mit der Pflegemutter.
Leas Vater und Ellas Sohn steht für die vielen ausgesperrten nichtverheirateten Väter, die um das Sorgerecht kämpfen müssen, denen von Behörden Steine in den Weg gelegt werden. Veranschaulicht wird im Buch: Wenn die Mutter nicht will, ist der Vater rechtlos gegenüber dem eigenen Kind. Gerade deswegen fordern wir, der Verband für Unterhalt und Familienrecht (ISUV) seit Jahrzehnten auch für alle nicht in der Ehe geborenen Kinder die gemeinsame elterliche Sorge ab Geburt und Feststellen der Vaterschaft.
Ella. K. repräsentiert die vielen Großeltern, die gleichsam automatisch von Betreuung der Enkelkinder ausgesperrt werden. Wenn ihr Sohn oder die Tochter vom Umgang ausgeschlossen werden, dann sind es die Großeltern auch. Nur wenige Großeltern lehnen sich dagegen auf, obwohl ihnen per Gesetz ein Umgangsrecht zusteht. Darauf pocht Ella K. im Interesse des Kindeswohls. In ihren Augen gehört zum Kindeswohl, dass Kinder in die natürliche Familie eingebunden sind, Stabilität durch ein breites familiales Netz erhalten, dass sie ihre leiblichen Eltern zwecks Identitätsfindung kennen und von ihnen betreut werden.- Diese Auffassung vom Kindeswohl mag selbstverständlich klingen, praktisch ist es aber nicht so. Wir erleben seit Jahren eine Respektlosigkeit gegenüber den leiblichen Eltern und einzelnen Elternteilen. Vielfach werden die leiblichen Elternteile und mit ihnen die Großeltern einfach »ersetzt«, »ausgeschaltet«, unter Missachtung der UN-Kinderkonvention und des Grundgesetzes. Wie und mit welchen ausgeklügelten Methoden das geht, dies wird im Buch gezeigt.
Über mehrere Jahre habe ich durch Telefonate Ella K. kennengelernt und begleitet. Sie ist eine »Großmutter Courage«, ansonsten hätte sie resigniert, sich nicht derart nachhaltig für die Enkelin und den Sohn engagiert, viel Geld investiert und schließlich dieses authentische Buch geschrieben, das davon handelt, wie eine erziehungsunfähige Mutter den Vater und die Großmutter aushebeln und zugleich mehrere Grundrechte ganz »legal« missachten kann. Ella K. protokolliert, wie dies möglich war und weiterhin in anderen »Fällen« möglich ist, wer beteiligt war und weiterhin beteiligt sein kann und warum dies möglich war und weiterhin ist.
Ich erlebe seit vielen Jahren immer wieder als Pressesprecher und als Vorsitzender des Interessenverbandes Unterhalt und Familienrecht (ISUV), dass »Außenstehende« anzweifeln, was familienrechtlich alles möglich ist. Die von den Autorinnen geschilderten juristischen Strukturen sind Realität. Tatsächlich sehen sich manche Betroffene ähnlich wie Ella K. der kafkaesken Situation ausgesetzt: Auf der einen Seite die »Experten/innen«, Gutachter/innen, Sozialpädagogen/innen des Jugendamtes, die Umgangsbegleiter/ innen, »Fachkräfte« von diversen Vereinen, Pflegemütter, Familienrichter/innen, die sich kennen, von »Hilfegesprächen« und Verhandlungen. Man hat schon so manchen »ähnlichen Fall« gelöst, man vertraut sich, man braucht sich – nicht zuletzt auch wirtschaftlich. Dazwischen stehen die Anwälte/Innen beider Seiten, die Interessenvertreter der jeweiligen Seite sind, die sich nach eigenem Bekunden teilweise nicht wohlfühlen, weil sie die Beteiligten in anderen Fällen wieder treffen, was sie bedenken müssen.
Da ist der Richter, der den Fall vom Tisch haben will, der »seinen« Expertinnen vertraut, ein Umgangsrecht für Großeltern als lästig empfindet und Ella K. mittels Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe zum Aufgeben zwingen will. Da sind die Pflegemutter, die Pflegeeltern, wie bei mehreren ISUV-Mitgliedern auch, handelt es sich um ausgemachte Umgangsverweigerer, die damit nicht umgehen können, dass es noch leibliche Eltern gibt, ohne jegliche Bindungstoleranz, aber unterstützt darin von diversen Experten/ Innen. – Oft vergessen und verdrängt wird, bei nicht wenigen Pflegeeltern überwiegt das wirtschaftliche Interesse das Interesse am Kindewohl. Die anderen Experten/Innen unterstützen das Anliegen der gut vernetzten Pflegeeltern. Dabei versteigt man sich zu Aussagen: Der Besuch der Großmutter oder des Vaters gefährde das Kindeswohl.
Dieser Phalanx der »Routiniers« stehen dann wie im Fall der Ella K. unerfahrene emotional tief Betroffene gegenüber, die als Eltern, als Vater, als Mutter oder als Großeltern aus dem Leben des Kindes, der Kinder gedrängt werden sollen. Wie das geht und welchen Anteil die einzelnen »Experten« haben, das wird in diesem Buch protokolliert und veranschaulicht. Immer wenn ich mit ähnlichen Fällen von ISUV-Mitgliedern konfrontiert werde, denke ich an Kafkas Parabel »Gib´s auf«. Im Interesse der Kinder darf das aber nicht sein, Ruhe geben, Aufgeben ist und kann nicht die Lösung sein. Das ist auch der innere Impuls, der Ella K. trieb, dieses Buch zu schreiben.
Die geschilderten Umstände schreien nach einer Reform des Familienrechts, die schon so lange angekündigt ist. Das Buch gibt einen weiteren Impuls dafür. Ich wünsche, dass das Buch viele Leser/Innen findet, die angespornt werden sich ebenso nachhaltig fürs Kindeswohl, für eine Reform des Familienrechts einzusetzen wie Ella K.
Josef Linsler
ISUV-Pressesprecher
ISUV-Ehrenvorsitzender
Die Würde des Menschen ergibt sich durch seine Freiheit zur Selbstbestimmung. Um sie
verantwortungsvoll einsetzen zu können, braucht jeder Mensch – klein oder groß – Chancen zum Erwerb von Wissen und
Gewissen. In Diktaturen, in diktatorischen Familien und Gesellschaften wird Hinnahme und Duldung von
Fremdbestimmtheit gelernt, sowie deren angeblich gerechtfertigte Anwendung gegenüber anderen.
Die wahre Geschichte von Lea und ihrer Großmutter Ella K. zeigt, wie einfach und beharrlich Menschenrecht zu Makulatur gemacht werden kann – unterhalb des Radars oder innerhalb des funktionseingeschränkten Radars der Kontrollinstanzen.
Über das Mädchen Lea erfahren die Leser nichts. Hier wird nur vermerkt, was verschiedene Menschen über das Mädchen an Widersprüchlichem verlauten lassen, je nach ihren Interessen, ihren Zielsetzungen, ihren Bedürfnissen, ihren Irrtümern. Die vorgebrachten Gegensätze in diesen teils erschreckenden Auffassungen sind es, die hier ein Kind in Verhältnisse manövrieren, die nicht mehr durch Menschenrecht und Grundgesetz gedeckt sind. Lea lernt man nicht kennen. Auch wenn sie wörtlich zitiert wird, geben ihre Worte nur preis, wozu man sie drängte, lockte oder verpflichtete. Mit Erreichen ihrer Volljährigkeit hat Lea das Recht auf Einsicht in diese Akten des Jugendamts. Das heißt, der Staat beabsichtigt Transparenz in seiner Jugendhilfe-Politik. Aus dem hier vorliegenden Sachbuch kann sie nicht entnehmen, welche Namen welcher Person zugeordnet wurden, insbesondere nicht, wenn mehrere Personen derselben Institution angehören. Vieles passierte hinter Leas Rücken und kann deshalb von ihr nicht erinnert werden.
Sollen oder dürfen Familienrichter bei Fehlhandlungen seitens eines Jugendamtes weggucken? Interessiert sich niemand für ein Kind, das Rechtlosigkeit ausgesetzt ist? Soll persönliches Übelwollen oder vermeintliches persönliches Wohlwollen geduldet werden als Motor für Gesetzesbrüche?
Jedes Versagen hat seine Gründe. Diese gilt es zu identifizieren. In Frage kommen sowohl
A. persönliche Gründe wie Unfähigkeit, kognitive Schwäche, mangende Vorkenntnisse, ein dysfunktionales Gewissen, hohe Irritierbarkeit/Unsicherheit, vermeintlich zu verheimlichende Gesundheits-Beeinträchtigungen wie Alkohol-Krankheit, Depressionen, Schlafstörungen oder ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus. Auch individuell ideologisch oder religiös eingefärbte Überzeugungen oder Neurosen können eine Rolle spielen.
B. systemische Gründe wie z. B. Ausbildungsmängel der Entscheidungsträger, ein Missverhältnis von zu wenig verfügbarer Zeit zur Kontrollpflicht-Erledigung. Sind zudem die technischen Mittel ungeeignet, die traditionell benutzte Begrifflichkeit undifferenziert, fehlt ein verlockender Anreiz zur Pflichterledigung und ist der Zugriff auf fächerübergreifende wissenschaftliche Ressourcen beschränkt, geht das zu Lasten der Kontroll-Qualität.
Der »Fall Görgülü« – ein Vater bekam nach sieben Jahren Kampf seinen Sohn zugesprochen – veranlasste seinerzeit das Bundesverfassungsgericht aus den festgestellten Mängeln klare Lehren und Verbesserungsvorschläge zu ziehen. Sie blieben im »Fall Lea« ohne Wirkung. Sie, verehrte Leser, werden am Ende dieses Buches wissen, wie stark die Mauern aus Gedanken- und Gefühllosigkeit waren/sind, die sich in zehn Jahren nicht niederreißen ließen, in die keine Breschen zu schlagen und die nicht zu übersteigen waren.
Wir bieten mit konkreten Beispielen eine Übersicht über ein »System«, in dem sich Unwissenheit, Schematismus, Vordergründigkeit, Anmaßung, geduldete Widersprüchlichkeit und der Drang zu Selbstrechtfertigung miteinander verknäueln. Die daraus resultierenden Folgen schaden letztlich allen. Ausgangspunkt dieser Geschichte ist ein zu Unrecht verwehrtes persönliches Sorge- und Umgangsrecht eines Vaters zu seiner Tochter bzw. einer Großmutter zu ihrer Enkelin.
Der Wunsch einer Kindsmutter, die ihr Kind ab Geburt in Pflegschaft gegeben hat, lautet: »Ich will keinen Kontakt zwischen meinem Kind und der väterlichen Großmutter«. Ein Richter eines niedersächsischen Amtsgerichts kann diese Willensäußerung als Weisung verstehen? Verehrte Leser, Sie können das nicht glauben? Sie halten nicht für möglich, dass eine unmütterliche Mutter die Autorität erhält, das Menschenrecht auf »Schutz der Familie«, das einem Kind und seinen Blutsverwandten zusteht, außer Kraft zu setzen?
Brauchen die Gesetzeshüter zum Entwerten eines Menschenrechts keine beweisbaren Rechtfertigungen, keine nachvollziehbaren Gründe, keine psychobiologischen Erklärungen, keine Orientierung an der staatlich versprochenen »unantastbaren Menschenwürde«? Wieso finden Richter keine Worte der Aufklärung angesichts einer rechtswidrigen Handlung? Eine Mutter hebelt mal eben ein Grundrecht aus – in einer Demokratie, in der es Mehrheiten für Gesetzesänderungen braucht? Vor Gericht gilt die Wahrheitspflicht, und hier sieht man davon ab? Widersprüche grotesken Ausmaßes treten auf, dürfen ungeklärt bestehen bleiben und bieten Profiteuren eine nützliche Handhabe. Wie geht das? Verehrte Leser, machen Sie sich selbst ein Bild. Beide Seiten dieser Front stehen Ihnen zur Betrachtung, zur Hinterfragung und Abwägung zur Verfügung. Vor Ihnen liegt ein Lehrstück!
Christliche Kirchen erlauben ohne Bedenken eine Mutterschaft – ohne Voraussetzung von Zeugung, Schwangerschaft und Entbindung. Staatlicherseits wird sie zugestanden mit der Berechtigung zur Adoption. Leibliche Eltern eines Adoptivkindes erhalten kein Sorgerecht, müssen aber dem Nachwuchs ihre Identität preisgeben. Das adoptierte Kind hat ein Recht, seine leibliche Herkunft in Erfahrung zu bringen und nach seinem Belieben Familienkontakte einvernehmlich zu pflegen oder ihnen aus dem Weg zu gehen – nach seiner freien Entscheidung.
Eine ledige Mutter, die ihr Kind zur Adoption freigibt, verliert ihr Recht zum Widerspruch eines Antrags des Kindsvaters auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts. Zu beachten ist, dass
a. ein Kind erst im Alter von acht Wochen adoptiert werden kann und
b. auch der uneheliche Vater einer Adoption zustimmen muss, sofern er einen Antrag auf alleiniges Sorgerecht gestellt hat, das ihm vor der Adoption bewilligt wurde.
Jugendamt und Familiengericht bilden das behördliche Scharnier zwischen den Hochs der persönlichen Aufwertung durch Übertragung einer Elternschaft und den Tiefs des Entzugs von Sorge-, Aufenthaltsbestimmungs- und Erziehungsrecht ihrer Nachkommen – je nach den von Familiengerichten gefällten Entscheidungen. Jugendamtsmitarbeiter schätzen sich selbst als Wohltäter ein wegen ihrer ehrenvollen Schutzaufgabe für Kinder in Not. Mit kunstgerechter Erledigung verleiht ihnen diese Aufgabe tatsächlich Ehre. Mit Desinteresse am objektiven Ergehen und dem subjektiven Befinden der Kinder ist das natürlich nicht der Fall. Schlimm wird es, wenn ihnen nicht nur das Interesse, sondern auch die Fähigkeit fehlt, Wohl und Wehe, Gedeih und Leid eines Kindes realitätsgerecht wahrnehmen zu können. Das ist der Fall, wenn sie nicht mit eigenen Augen sehen, nicht mit eigenen Ohren hören können, sondern wenn sie unbedacht unsachliche Behauptungen Fremder übernehmen.
Eltern verwirken ihr Sorgerecht mit strafbarer Pflichtverletzung der Fürsorgepflicht, z. B. dem Vorliegen nachweisbarer Beschädigungen: körperlicher Art (z. B. Blutergüsse durch Prügel), psychischer Art (z. B. Stottern wegen autoritärer Gehorsamsforderungen), emotional-moralischer Art (Neigung zum Verletzen Schwächerer) und sozialer Art (Abschottung von üblichen Sozialbeziehungen, unzulängliche Fähigkeit zum Aufbau individualisierter Bindungen, zu Fairness).
Ein Kind ohne Elternbindung muss mit dem Trauma des Zusammenbruchs seiner ersten natürlichen Beziehung fertig werden. Ein solcher Zusammenbruch höhlt bei einem Säugling das Urvertrauen aus. Weitere dem Kind zugemutete Traumata beschränken sein Selbst- und Weltvertrauen, behindern seine Entwicklung zu Selbstachtung oder verbauen sie ihm komplett.
Biologisch ist bereits bei kleinen Kindern vorrangig die Solidarität mit ihren Eltern angelegt. Selbst wenn diese schludrig, unehrlich und unvernünftig handeln, ziehen die Kinder sie als Vorbild jedem Fremden vor.
Da Traumata in der frühen Kindheit sich lebenslang mit bösen Folgen auswirken können, bedarf die Rettung eines Kindes aus einer traumatischen Situation sorgsame Abwägung, damit das Kind nicht vom Regen in die Traufe schlittert.
Jugendämter und Familiengerichte dürfen keinem Elternteil die Erziehungs- und Pflege-Berechtigung absprechen. Vielmehr müssen sie ihnen optimale Gelegenheiten zum Erwerb sowie fachliche und materielle Unterstützung zu deren Ausübung gewähren. Die staatlich garantierte Menschenwürde ist angetastet, wenn Jugendämter die Einbeziehung des Vaters in seine naturgegebene Funktion aus ihrem Aufgabenkreis und Handlungsrepertoire ausklammern. In Angelegenheiten von schicksalhafter Bedeutung für das Kind, wie zum Beispiel der Übergabe an Pflegeeltern, zählt das väterliche Votum genauso viel wie das der Mutter, auch bei nicht verheirateten Eltern. Man geht davon aus, dass ein Paar, das miteinander intim werden konnte, auch Bereitschaft zu Versöhnlichkeit aufbringt.
Bei unserer Hauptperson Lea ist festzustellen, dass ihre Mutter und ihre Pflegeeltern im Verein mit dem Jugendamt den Vater ab Geburt des Kindes von ihm fernhielten. Das gelang mit dem In-Zweifel-Ziehen seiner Vaterschaft – hier fast ein Jahr lang. Dabei hatte er bereits im vierten Schwangerschaftsmonat beim Jugendamt um Hilfe für die werdende Mutter und sein erwartetes Kind gesucht. Diverse Dokumente beweisen die Verbindung und zumindest anfänglich und zwischenzeitlich die Verbundenheit der werdenden Eltern. Die Kindesmutter nannte noch am elften Tag vor ihrer Niederkunft einer Jugendamtsmitarbeiterin den Namen des Vaters, diese kannte ihn bereits persönlich.
Einst war tatsächlich die Mit-Sorge des Vaters von der gnädigen Zustimmung der Kindsmutter abhängig. 2011 stellte das Bundesverfassungsgericht per Beschluss fest, dass eine Kindsmutter dem Vater ihres Kindes das Sorgerecht nicht mehr grundlos vorenthalten lassen kann.
Das Menschenrecht auf >Schutz der Familie< ist wie jedes weitere Menschenrecht kein verhandelbares, kein stückelbares Gut, kein subjektiv individuell interpretierbarer Wert. Zu seiner Bemessung dürfen keine widersprüchlichen Standards gelten. Alle Menschenrechte sollten geschützt sein vor Beeinträchtigungen ihres Sinnes und Zweckes – zumindest durch staatliche Gerichte. Jedermanns >Recht zu Atmen< kann niemand straflos entziehen, weder direkt durch Erwürgen noch indirekt durch Luftverpestung oder -Verknappung (z. B. mit schädigenden Abgasen aus Diesel-Autos oder einer Überdosis Narkosegase). Ein Recht ist ein Anspruch, dem gänzlich und ohne Wenn und Aber stattgegeben werden muss – solange keine beweisbaren, zweifelsfrei strafrechtlich relevanten Tatsachen in einem unanfechtbaren richterlichen Urteil dagegen sprechen. Vorgegaukelte »Tatsachen« reichen nicht.
Hier wird erkennbar, dass unzutreffenden, aber offiziellen – bzw. als offiziell geltenden – Verlautbarungen Vorrang eingeräumt wird vor ehrlichen, aber privaten Aussagen. Darauf läuft es im Grunde hinaus und Unrecht kann ungejätet ins Kraut schießen.
Beeinträchtigte gesundheitliche Unversehrtheit ist unstreitig leichter festzustellen als beeinträchtigtes oder gefährdetes Kindeswohl. Parameter des Blutes und anderer Körperflüssigkeiten und Gewebeproben bieten rasch Aufschluss über körperliche Schwächen, Mängel, Unzulänglichkeiten. Der Begriff >Kindeswohl< ist umfassender, komplexer. Er betrifft äußere Lebensbedingungen und innere Persönlichkeitseigenschaften, wie Vorkenntnisse, Interessen, Erkenntnismöglichkeiten, Denkfähigkeiten. Er ist bislang wenig definiert und wenig konkret messbar. Deshalb kann er missbräuchlich verwendet werden. Ärzte bzw. Psychiater haben eher Maßstäbe zur Bewertung eines individuellen Zustands als Psychologen, die nicht in der Lage sind, z. B. den Einfluss physiologischer, genetischer, teilweise auch soziologischer Parameter im Gesamtbild eines Kindes zu berücksichtigen. Eine interdisziplinäre Gutachtergruppe bietet also eher Gewähr als ein einzelner Fach-Experte. Auf dem Gebiet der Kindeswohlgarantie bzw. -Bedrohung tummeln sich jedoch als »Gutachter« oft selbsternannte, selbstgefällige Könner. Da Familienrichter nicht zum Erwerb des Fachwissens verpflichtet sind, das sie zur Unterscheidung der Qualitätsstufen von Gutachten befähigt, kann ein Leck entstehen, das ein Familienverfahren »in den Abgrund reißt«. Dennoch steht den gerichtlichen Entscheidern das Recht zu, Gutachter auszuwählen ohne dafür bestimmte Auswahlkriterien beachten zu müssen – mitunter mit fatalen Konsequenzen.
Die Beschreibung dieses hier vorliegenden realen Falles zeigt konkret die Stolpersteine, Störquellen und Gefahren, die seine Aufarbeitung behinderten und noch behindern, sowie die Implikationen, die unbedingt zu bedenken und umzusetzen sind, um Fehler, Mängel, Irrwege und Schäden auszuschließen bzw. zu minimieren.
Das Mädchen Lea ist überwiegend passiver Zankapfel. Um es streiten 1. die Pflegemutter Happig, die es als eigenen Nachwuchs beansprucht. 2. Kindsmutter Anke Weh, die es ab Geburt in Pflegschaft gab und die sich anschließend als Werkzeug der Pflegemutter hergibt, 3. ihr Rechtsvertreter, Herr Rechtsanwalt (abgekürzt RA) Zugig. Die Nummern 4. bis 6. gehören zu drei Jugendamtsmitarbeiterinnen. Hinzu kommen zwei Mitarbeiterinnen des katholischen Vereins KPf-D (Katholischer Pflege-Dienst)/Adoptions- und Kinderpflegedienst des Landkreises Oh.: 7. Frau Zackig und 8. Frau Schneidig. Herr Richter Wichtig vom Familiengericht ist zu zählen als Nummer 9., der von ihm erwählte Verfahrensbeistand von Lea, Herr RA Wendig, als Nummer 10.
Die Gegenseite bilden der Vater des Kindes, Herr K. und die väterliche Kindsgroßmutter, Frau Ella K. sowie manchmal deren verschiedene Rechtsvertreter.
Das Personenverhältnis von 10 zu 2+x verweist auf die Verteilung von Macht und Schwäche. Besonderes Augenmerk gilt den Mitarbeitern von Jugendamt und KPf-D: zum einen deren Schwächen bei ihrer Aufgabenerledigung und ihren bemerkenswerten »Stärken« bei der Unterstützung der Pflegeeltern – in bemerkenswert ausgefallener Weise.
»Lea, Du bist so nah und doch so fern«, denkt Großmutter Ella K.: »Uns trennt staatlich verordnete Menschenrechtsverweigerung«. Lea, ihr Vater und ihre Großmutter werden zehn Jahre um ihre biologisch begründeten, gesetzlich geschützten, ihre gewissermaßen »feuerfesten« Naturrechte und natürlichen Funktionen gebracht. Lea ist sich ihrer heiklen Lage natürlich nicht bewusst. Die beiden anderen fühlen sich in ihrem Familiensinn schwer verletzt und bangen, ob und wie Lea mit der Trennung von ihrer Herkunftsfamilie und den pflegeelterlichen Herabwürdigungen von Leas Nächstverwandten langfristig fertig werden kann. Leas Geschichte handelt von Menschen – die scheinbar unbekümmert, ohne Interesse an eigener Menschenwürde – sie anderen absprechen. Das Mädchen Lea wird von ihren Pflegeeltern als Mittel, als Werkzeug eingesetzt, zur Verwirklichung einer lang gehegten pflegeelterlichen Lebenslüge. Diese starke These wird im Folgenden verifiziert.
Die eingesetzten Mittel des Rechtsentzugs sind unter anderem: Missdeutung von Opfer und Täter, Verkennung von Ursache und Wirkung, denkwürdige Ehrerbietung gegenüber Schuldigen und Bestrafung Unschuldiger, Vertrauen zu Lügnern und Misstrauen gegenüber Aufrichtigen.
Natürlich kann ein sachlicher Berichterstatter nicht wissen, was sich in Privathäusern, in heimlichen Absprachen und in den Köpfen der Beteiligten abspielte/abspielt. Hier dennoch mitgeteilte individuelle Vorstellungen, Gefühle, Gedanken, Motive und heimliche Absichten sind einerseits an Indizien orientiert und werden – entsprechend angepasst – intuitiv und in möglicher Auswahl behauptet. Damit sind sie natürlich gegen glaubwürdige Korrektur-Vorschläge oder beweisbare Klarstellungen austauschbar.
Bekundete Details dieses Falles erwecken vereinzelt den Anschein von Fürsorge, Wohlverhalten, »good will«, Folgerichtigkeit, eingehaltenen Gesetzesstandards, sogar von aufopferungsvollem Altruismus – jedoch erweisen sie sich meist schnell als Theaterkulissen, die bei genügsamen Zuschauern auch die gewünschten Assoziationen wecken. Doch diese aufschimmernden glänzenden Facetten blenden und verbergen, dass es hier um einen insgesamt hässlichen »Klumpen von Ereignissen« mit ein paar wenigen Glitzerpunkten geht. Der einen Partei geht es darum, die Glitzerpunkte am Klumpen als Beweis dafür zu nehmen, dass eigentlich ein Edelstein vorliegt. Die Gegenpartei entlarvt das Geglitzer als Schwindel, den Klumpen als Desaster.
Die stringente Übersicht über Schreiben von Großmutter Ella K. an Gerichte, an Autoritätspersonen und an offizielle Institutionen und vor allem deren Niederschlag in Gerichtsbeschlüssen und behördlichen Antworten, lassen die systematische Gestaltung und den fatalen Ablauf des Falles erkennen – der zweifellos den Menschenrechten und dem Grundgesetz zuwider läuft. Deshalb sind im Folgenden belegbare Zitate – sowohl aus den Anträgen und Bittbriefen der Großmutter wie aus den die Großmutter beschuldigen Schreiben der Pflegeeltern und ihres Anhangs und den offiziellen Antworten von Vertretern der Justiz, der Politik und der Kirche in der Schriftart >Times New Roman kursiv< gekennzeichnet.
Wissenschaftliche Aussagen sind gedruckt in Arial Narrow kursiv. Der Text unserer Analysen fremder Schriftstücke und unsere eigenen Schriftstücke ist eingerückt und gedruckt in Arial Narrow.
Die zitierten Richter-, Beamten-, Anwalts- und Theologen-Schreiben wurden nicht mit dem Vermerk »Streng geheim« verschickt. Solange ihre Verfasser mit fingierten Namen unkenntlich gemacht sind, gebührt ihren Texten Veröffentlichung, denn sie sind frappierend aufschlussreich, um nicht zu sagen verräterisch – als abschreckende Beispiele sind sie instruktiv. Sie dürfen nicht verloren gehen – gemäß der Erkenntnis, dass böse Beispiele nicht gute Sitten verderben sollten.
Es geht den Autorinnen nicht darum, beteiligte Personen zu beschämen, sondern darum, begangene Handlungen und Formulierungen auf ihre Sinnhaftigkeit und Vereinbarkeit vor allem mit dem Grundgesetz und § 1685 BGB zu untersuchen.
Zu zeigen ist, in welcher Form und mit welchen Methoden sich sowohl Gerichtsbarkeit, vor allem das Amtsgericht in A. mit Herrn Richter Wichtig, und dem vom Gericht gewählten Verfahrensbeistand des Kindes, Herrn RA Wendig, sowie kommunale und staatliche Verantwortungsträger dieser Angelegenheit widmen. Das Niveau dieser Widmungen ist angsteinflößend, somit berichtenswert. Kann die Darlegung dieses Falles vergleichbare Abläufe verhindern, dann hat dieser Bericht seinen Zweck erreicht.
Ist menschliches Verhalten hinsichtlich seiner »Beschaffenheit« und ethischen Effizienz in Frage zu stellen, wird ihm die entschuldigend gedachte Vorsilbe »Allzu-« vorangestellt.
Natürlich kommt einiges an Allzumenschlichem zusammen, um eine Affäre wie die vorliegende zusammenzubrauen.
Dieses Kapitel bietet wissenschaftliche Erkenntnisse, die wegen ihrer puren sachlichen Faktizität ernüchtern. Es stellt eine Hürde dar und unterbricht insofern das Einschlürfen der atemberaubend abenteuerlichen Geschichte. Dies Kapitel, verehrte Leser, lässt sich überspringen. Da es aber – für später im Text auftauchende Begriffe und Phänomene – erklärende Orientierung bietet, die sowohl Einsicht, Verständnis und den persönlichen Auf- und Ausbau ethischer Standfestigkeit in den Turbulenzen menschlicher Beziehungen ermöglicht, ist es nützlich. Sie, verehrte Leser, sind dazu eingeladen – um sich auf das Kommende vorzubereiten und zu wappnen oder es nachträglich in Ihnen passenden Portionen zu konsumieren. Entscheiden Sie selbst.
1. Verschmutzte Sprache: Das wesentlichste Medium im Kampf um Lea ist die verwendete Sprache. Sprache ist entscheidend, denn – je nach Gebrauch – verbindet oder trennt sie Menschen. Ist sie getrübt mit doppeldeutigen Begriffen, logischen Widersprüchen oder nebligen Andeutungen −, wird es gefährlich. Unheil droht, wenn von naiven oder gewissenlosen Sprechern/Schreibern schlampig gewählte Begriffe einseitig und ungeklärt dauerhaft herangezogen werden. Zahlreich sind für diesen Vorwurf die Beispiele dieses Berichts.
Die historische Vergangenheit, auch die jüngste, bietet Beispiele, wie leicht Macht gefestigt werden kann – zumindest zeitweise – mit Sprache. Auf sie gehen Rufmord und illusionär lobende Selbstdarstellungen zurück. Meist ist noch ein drittes sprachliches Mittel im Spiel: Versprechen von einzigartigen Vergünstigungen und Heilserwartungen. Immer wieder lassen sich Menschen von diesen drei sprachlichen Machtmitteln >Rufmord<, >überzogene Selbstwerbung< und – natürlich leere – >Rettungs-Versprechen< faszinieren. Dabei sollten sie im Moment ihres Auftauchens eigentlich alarmiert und aufmerksam sein.
Rufmord wird besonders leicht geglaubt, wenn er unterhaltsam ist. Sein Unterhaltenswert steigt, wenn die Rede ist von außergewöhnlichen, weltbewegenden, erstaunlichen Gefahren in nächster Nähe des Rufmord-Adressaten. Die ihm vermittelte emotionale Erregung des Rufmörders muss ihn anstecken. Rufmordinhalte müssen simpel und übersichtlich sein und dem Empfänger ein Aha-Erlebnis vermitteln. Das Aha-Erlebnis verhilft ihm zur Illusion der endlich gewonnenen Durchschaubarkeit der ungeordneten Realität. Wer sich informiert fühlt, genießt seinen vermeintlichen Vorsprung vor den vielen armen Ahnungslosen. Kennt der Rufmörder sogar den Namen des zu verdächtigenden Buhmanns, umso besser, das steigert die Kampfbereitschaft des Gewarnten, seine Unterstützung bei der Verbreitung des Gehörten, seine Bereitschaft zum Knüppel zu greifen.
Rufmörder halten sich für gerechte Aufdecker fremder böser Absichten, zu erwartender böser Angriffe und bereits verübter böser Aktionen. In Wirklichkeit »decken« sie eigene Fantasien »auf«, die sie ihren vermeintlichen »Feinden« zuordnen. Die vermeintlichen Feinde sind oft nicht in der Lage zu erkennen, was sich hinter ihrem Rücken abspielt.
»Wenn die Menschen Situationen als wirklich definieren, sind sie in ihren Konsequenzen wirklich«, sagen Dorothy und ihr Ehemann William Thomas. Sie verdeutlichen damit, dass Behauptetes und Geglaubtes dieselbe Wirkung entfalten, wie sie eine entsprechende Tatsache bewirkt hätte. Das sogenannte »Thomas-Theorem« ermöglicht das Verständnis dafür, dass der Sinn eines Textes je nach Rezipient anders ausgelegt wird. Da von den gerichtlichen Aktivitäten Protokolle vorliegen, kann im vorliegenden Fall nachvollzogen werden, wie aus Mutmaßungen Sachverhalte werden konnten bzw. können.
Wenn mitgeteilte Halb-, Viertel- oder gar 32igstel-Wahrheiten für voll genommen werden, ist das so, als wenn man sich von einem Mosaik aus tausend Steinchen bereits nach Vorlage von drei Splittern ein Bild machen könnte. Dieser Vergleich veranschaulicht, wie nötig es ist, dass Sprecher auf Genauigkeit achten und Hörer auf diese Genauigkeit angewiesen sind bzw. sie verlangen müssen. Subjektive Meinung und belegbare Tatsache sind säuberlich zu unterscheiden. Meinungen sind grundgesetzlich geschützt. Sie haben ihre Existenzberechtigung als individueller Ausdruck eines Subjekts. Im Einzelfall können sie auch nachvollzogen werden, aber ihr Wahrheitsgehalt ist begrenzt. Ihre Bedeutung beschränkt sich auf das Subjekt und seine Gewordenheit. So ist korrekt festgestellt: »Ich bin gerade draußen nass geworden, also vermute ich, dass es vielleicht regnet«. Es kann ja sein, dass statt Regentropfen der Nachbar mit dem Gartenschlauch eine Attacke ausführte oder ihm ein Versehen passierte.
Selbst wenn Millionen Menschen wahrnehmen, dass Schutzengel durch die Luft fliegen, entzieht das nicht den Bedenken eines Ungläubigen die Berechtigung. Solange die Vorstellung eines Schutzengels nicht einwandfrei auf Stofflichkeit und naturgesetzliche Wirksamkeit zurückführen ist, kann sie als Glaubenskonstrukt gelten, jedoch nicht als dingliches Faktum. Glaube ist Überzeugung ohne Beweise, belegt mit dem Verbot des Hinterfragens. So muss man ihn annehmen. Seine Nicht-Hinterfragbarkeit macht Glaube gefährlich, anfällig für Machtmissbrauch.
Da in den hier zu zitierenden Gerichtsbeschlüssen Meinung und Tatsachen-Angaben nicht separat, sinngemäß, wortgetreu und detailgenau zur Sprache kamen, entwickelte sich der Fall Lea zu einem gesetzlichen und behördlichen Tohuwabohu. Verehrte Leser, diese Schlussfolgerung ist leider kaum in Frage zu stellen, weil ersichtlich ist, dass ein Richter etwas höchstens Vermutbares behandelt wie bereits Stattgefundenes. Das schreckt doch auf: eine subjektive Zukunftsvorausschau wird mit einem gegebenen Straftatbestand verwechselt?
Wird die Unterscheidung von stattgefundener Geschichte und fantasierter Fiktion nicht ernst genommen, verursacht das Gänsehaut bei denen, die geistiges Kuddelmuddel fürchten. Kein – seine Berufsbezeichnung verdienender – Mathematiker lässt sich überzeugen von einer Addition 1+1=5. Können Juristen-Prinzipien den Vergleich mit wissenschaftlichen Mathematiker-Standards bestehen? Was lassen Rechtsgelehrte an zweifelhaften Axiomen durchgehen? Ein solches tragisches Ergebnis kommt hier zum Vorschein.
2. Verwechslung von zugestandener sozialer Macht mit geistiger Allmacht. Steht Autoritäten das entscheidende letzte Wort zu, lassen sie sich schon mal verführen, die eigene Sicht für unübertrefflich zu halten. Sie bestimmen, was wie aufzufassen, anzuklagen, abzuurteilen und zu bestrafen ist. Dem Chairman schmeichelt seine »gute Idee«, sie erfreut, ergreift, erhebt ihn. Schnell sind blöde Besorgnisse und Skrupel unterdrückt. Vor Augen flirrendes Geglitzer auf dem schwarzen Klumpen tut ein Übriges. Das heißt, wenigen Details kann so viel Aussagekraft zugeschrieben werden, dass sie Schlussfolgerungen nahelegen, die der Realität nicht standhalten. Bekannt ist, wie zudem Routinen und Schematismus die Blindheit für eigene Fehler und Unzulänglichkeiten begünstigen. Psychologen haben herausgefunden, dass das Bewusstsein von Macht wie eine Droge wirkt. Es benebelt Verstand und Selbstkritik, es blockt das Bewusstwerden von Moralkriterien.
3. Selbstbezogenheit und Selbstgerechtigkeit: Ein Interesse an der Aufnahme von Pflegekindern stammt aus den unterschiedlichsten Quellen. Vor dem Eintritt einer ersehnten Schwangerschaft kann zum Beispiel die eigene Mutterschaftstauglichkeit bewusst oder unbewusst angezweifelt werden. In dieser Not versucht man als Pflegemutter fremder Kinder die Mutterrolle zu üben. Ein zweites Motiv zur Annahme eines Pflegekindes kann der Wunsch des Ersatzes eines »verloren gegangenen« eigenen Kindes sein. Wer sich infolgedessen die Illusion, ein angenommenes Kind könne »eigenes Fleisch und Blut werden« zur Realität kneten will, den stört natürlich die leibliche Verwandtschaft seines Pflegekindes. Für solche Pflegeeltern stellen sie eine höchst unliebsame Konkurrenz dar. Sie sind Stachel in der Idylle »vom Kind als Ausweis eigener Fruchtbarkeit und bester Mütterlichkeitseignung«. Weitere Motive zur Annahme eines Pflege- oder Adoptivkindes können tatsächlich altruistischer Natur sein, aber auch egoistisch-selbstbetrügerisch.
Mit welchen Methoden kann ein Pflegeelternpaar seinen ausschließlichen Begehr am fremden Kind verwirklichen? Eine Adoption erleichtert die komplette Konfiszierung des Kindes. Falls das nicht geht, bleibt nur die Entfremdung zwischen Kind und dessen leiblicher Verwandtschaft. Wie betreibt man diese Entfremdung?
4. Selbstmanagement in fremden Augen: Der Wunsch nach positiver Identität in fremden wie in eigenen Augen ist ein allgemeines lebenswichtiges Bedürfnis. Die Bedeutsamkeit dieses Wunsches verführt zu Schummelei und zum Selbstbetrug. Weil es dem eigenen Ansehen widerspräche, einem falschen Kollektiv anzugehören, fantasiert jedes Mitglied einer Gemeinschaft bei den Angehörigen der eigenen Gruppe »(ge) rechte Gesinnung« und prinzipielle Unschuld. Konkurrenzgruppen wird ein Makel angedichtet. Dadurch springt das eigene Renomee umso vorteilhafter – vor allem ins eigene Auge. Fremde Gruppen mit Makel fallen als Attraktion weg. Jede Herabsetzung Fremder poliert eigenes Ansehen. Besser wäre natürlich die Erkenntnis: Wer andere schlecht macht, hat´s nötig.
Jeder Mörder kann erklären, weshalb er selbst unschuldig und sein Opfer der wahre Bösewicht ist. Natürlich ist es langfristig sinnvoller, sich den eigenen Leumund nicht zu erheucheln und vorzuschwindeln, sondern sich entgegengebrachtem Applaus von Anhängern selbstkritisch würdig zu erweisen. Pflegeeltern, wie in diesem Bericht das Ehepaar Happig, wissen, was sie ihrem ehrsamen Ruf an Werbung schuldig sind. Sie päppeln ihn auf mit der besonderen Art ihrer Selbstdarstellung – nach ihrem eigenwilligen Selbstverständnis. Mit folgenden Methoden lässt sich eigenes Selbstwertgefühl aufplustern: Jede Distanzierung zu einer verachteten Person gewährt dem Sich-Distanzierenden den Vorteil, die gute Seite des Verstoßenen nicht erkennen zu müssen. Der Verstoßende kann sich seine Feindseligkeit konservieren und wie gelagerter Wein im Geschmack verbessern. Je abgelagerter diese Form von Wein, desto wohlschmeckender das Geschluckte, desto erhebender der Rausch und desto ferner der Gedanke an den irgendwann sich doch einschleichenden Kater.
Zu diesem Punkt gehört auch >Beharrlichkeit<. Man kann seine Wahl auch noch favorisieren wenn die sichere Niederlage abzusehen ist. Was steckt dahinter, wenn man bis zum ruinösen Ende beharrlich weiter in ein verlorenes Geschäft investiert, weiterlügt, selbst wenn die Lügen längst entlarvt sind; oder nicht aufgeben kann, selbst wenn sich der Missstand von Tag zu Tag verschlimmert?
Es ist das Bedürfnis, sich nicht zu blamieren. Das Eingeständnis, sich selbst als Verlierer anerkennen zu müssen, ist unerträglich. Neuigkeiten, die einen zum Wundenlecken zwingen, will man nicht hören, nicht bedenken, nicht sich selbst eingestehen.
5. Gedankenlesen: Fremde Gedanken sind nicht zu entlarven. Doch um sich die Glut seiner Feindseligkeit am Glimmen zu erhalten, identifiziert man hinter der Stirn des Feindes dessen böse Gedanken. Bei den sogenannten »Gedankenlesern« fällt auf, dass sie bei sich selbst nur Wohlmeinendes entdecken können. Die Bösen sind stets die anderen.
6. Die Magie von Ideen: Vorteilhaft für egoistische Interessen ist »magisches Denken«. Kinder im sogenannten »magischen Alter« von ca. zwei Jahren können per Lidschluss einen von ihnen wahrgenommenen Unhold aus der Welt schaffen. Durch Bedecken ihrer Pupille können sie sich sogar selbst unsichtbar machen, um – im Fall des Erwischtwerdens z. B. beim Keksklauen – sich selbst aus der Schusslinie zu nehmen. Gefühlte Scham ist verbunden mit dem Wunsch des Unsichtbar-Seins. Dieses magische Vermögen kann sich bis ins Erwachsenen-Leben erhalten. Wirklich? Wie kommt ein Richter/eine Richterin dazu, einen Beschluss zu formulieren, der Sachverhalte verkennt und gültiges Recht missachtet? Kann er/sie übersehen, dass sein/ihr Schriftstück den besten Beweis seiner/ihrer – auch mal unzulänglichen – Gesetzeskenntnis abgibt? Was lässt ihn/sie hoffen, seine/ihre Entscheidung käme nur unkritischen Lesern vor Augen? Antwort: sein/ihr magisches Denken.
7. Der Ruf: »Der Wolf ist da!« Eine weitere menschliche Schwäche wird – wie unser Bericht belegt – strategisch verwendet: die Angst vor Bedrohung. Gefahrenmeldungen, auch erfundene, wirken umso einschüchternder und werden umso schneller befolgt, je dramatischer sie vorgebracht werden. Ein Überprüfen auf Richtigkeit kostet Zeit. In einer Risikolage darf Zeit nicht verschwendet werden mit dem Ermitteln von Wahrheitsgehalt und Berechtigung der Warnung. Lieber den Grad der Gefahr ernst nehmen und sich schnell in Sicherheit bringen. Außerdem weckt jede – scheinbar in die Schnauzenregion des Wolfes gelangte – Person Mitleid. Nur Kampflustige stellen sich Gefahrenverursachern. Die Kampfabgeneigten bevorzugen die Flucht und werben fürs Flüchten.
Personen mit Irreführungsabsicht übertreiben gern zu erwartende Gefahren. Wer sich erschreckt, stiftet weitere zum Abhauen, zu Demutshaltung oder Kapitulation an – doch auch zum Anschluss an den vermeintlich wohlmeinenden Aufschrecker, der meist das Rezept zur Gefahrenabwehr parat hat oder zu haben vorgibt.
8. Stereotype: Was mit den Stereotypen >Alle Pflegemütter sind aufopferungsvoll< und >Alle Richter sind um Gerechtigkeit bemüht< angerichtet werden kann, wird hier bewiesen. Die Verwendung von Stereotypen ermöglicht den raschen Aufbau von Fassaden, verhilft zu schnellen Entscheidungen und erleichtert Gewissensberuhigung. Leider verursacht sie auch grobe Irrtümer. Stereotypes Denken verführt dazu, einen beschimpften Menschen auch für einen Beschimpfenswerten zu halten. Das dahintersteckende Stereotyp lautet: Was nicht sein darf, kann nicht sein. Stereotype sind quasi Infektionserreger mit hoher Ansteckungskraft. Bei der Kindererziehung werden Stereotype eingesetzt, um dem Kind die komplexe Welt – per Simplifizierung – verständlich zu machen. Kinder werden entweder entmutigt mit einem »Das verstehst du noch nicht!« oder einem Stereotyp ruhiggestellt.
Aus Stereotypen erwachsen Plattitüden und Phrasen. Folgendes passiert, wenn Stereotype wichtiger sind als Menschenrechte: »Da das Jugendamt zwar nach dem Gesetz vor allem aber dem Kindeswohl verpflichtet ist, werde, so [die OLG-Richterin Gretel] Diehl, kein Richter in Deutschland gegen den Willen des Jugendamtes entscheiden, sondern so beschließen, wie das Jugendamt es mittragen und umsetzen wollte. … Konkret heißt das, dass der eigentliche Richter im Jugendamt sitzt und der Richter lediglich das Sprachrohr des Jugendamts ist, dessen vermeintliche Kompetenz in Sachen »Kindeswohl« er kraft seines Richteramtes für rechtmäßig erklärt. … So agiert das Jugendamt nach bestem Wissen und Gewissen seiner Mitarbeiter völlig frei im weiten Feld des »Kindeswohls« und wird nicht einmal durch eine übergeordnete Fachaufsicht kontrolliert bzw. in Schranken gewiesen«. Das schrieb Franz Romer 2008, es beschreibt auch noch 2021 die familienrichterliche Realität in A und Oh.
9. Verlierersymptomatik: Verlierer outen ihre wachsende Angst vor einer Niederlage mit zunehmender Lautstärke und abnehmendem inhaltlichen Niveau ihrer Beschimpfungen, Argumentationen, Drohungen und Missgriffe. Sie steigern den Ausdruck ihrer destruktiven Aggression, in der Hoffnung, als gefährlich zu gelten, um doch noch den Sieg an sich zu reißen. Sie schinden den Eindruck von Überlegenheit und der wirkt auf Ängstliche einschüchternd.
10. Subjektivität: In dieser Liste darf die Erkenntnis aus der Antike nicht fehlen: Der Mensch ist das Maß aller Dinge. Deswegen müssen Bewertungsmaßstäbe ethisch geeicht sein. Bewertungen eines Individuums spiegeln Reife oder Unreife seiner Persönlichkeit. Mehr nicht. Fremde Klugheit lässt sich nur mit eigener Klugheit erkennen. Unwissende können Schäbigkeit für Klugheit halten. Der wissende wie der unwissende Mensch verkörpern ihre jeweiligen Maßstäbe so, wie sie zu ihren Weltbildern passen.
11. Glaube: Unwissenheit verleitet dazu, Wissenslücken mit etwas Geglaubtem zu füllen. Mit Geglaubtem wird fehlendes Wissen in den eigenen Augen unsichtbar gemacht. Ungewissheit und Hin-und Her-Gerissen-Sein, also Ambiguität, ist schwer zu ertragen. Scheinbarer Ausweg aus dieser Klemme ist der Glaube an eigene Unfehlbarkeit und die Selbstsuggestion des Alleswissers.
Bekannt ist die katholische Tradition, Zweifel eines Gläubigen an einem Dogma zu sanktionieren. Bekannt ist auch, dass jahrelang Kirchenrepräsentanten den ehrlichen Aussagen sexuell missbrauchter Kinder nicht glauben wollten, da sie sich selbst mit der »Mutter« Kirche identifizieren und somit selbst beschmutzen würden. Machtüberlegenheit verführt also, sich anzumaßen, fremde Glaubwürdigkeit allein in Abhängigkeit daraus entstehender eigener Vor- oder Nachteile zu beurteilen.
Es gibt Kriterien zu fairer Beurteilung von Glaubwürdigkeit! Auch für Unglauben stehen Erklärungen zur Verfügung. Weshalb werden diese Kriterien und Erklärungsgründe nicht zur Untersuchung angewandt, um ungerechtfertigte Reaktionen gegenüber einem – an offiziellen Vorgaben – Zweifelnden und einem zu Unrecht der Wahrheit Ausweichendem herangezogen? Glauben, egal welcher Art, darf bei Gericht kein anderer Rang zugestanden werden als dem einer Meinung. Die Erziehung Leas muss frei sein von Zwang, etwas Bestimmtes glauben zu müssen. Diesen Zwang nennt man Indoktrination. Sie ist grundgesetzlich verboten. Zudem ist zu beachten: Lea gebührt Respekt vor ihrer subjektiven Glaubwürdigkeit. Wenn sie sich vor dem Einschlafen vor dem Allein-gelassen-Werden fürchtet, ist das aus ihrer Sicht gerechtfertigt und hat einen sinnvollen Grund, der sich aus der Art der Beziehungsgestaltung der Pflegeeltern zu Lea ergibt. Das Mädchen ist in diesem Fall weder krank noch schwach, sondern sie findet auf beängstigende Erkenntnisse keine andere Reaktionsmöglichkeit.
12. Seilschaftshandeln: Mit einem »Fangnetz« aus Seilschafts-Mitgliedern lassen sich ersehnte, aber legal unerreichbare »Gegenstände« leichter aneignen als mit der Einzelunternehmung. Der Begriff Seilschaft wurde – dank Digitalisierung – durch »Netzwerk« ersetzt. Damit wird stärker verdeutlicht, worum es geht: etwas gemeinschaftlich einfangen und verfügbar zu halten.
Seilschaftsmitglieder sind identifiziert mit den angeblich gemeinschaftlich vertretenen Werten, ohne dass genau geprüft wird, ob alle Einzelhandlungen der Seilschaftsmitglieder den propagierten Werten auch tatsächlich dienen. Die Identifikation mit der Seilschaftsideologie kann so weit gehen, dass eine in einer seilschaftsfremden Gruppe geäußerte seilschaftsabträgliche Meinung als persönlicher Angriff empfunden wird, und zwar körperlich schmerzhaft, wie das bei Beschämungen der Fall sein kann. Diese Empfindung der Entwertung wird genutzt als Recht auf »Notwehr«, die umgehend und zwar unbedenklich-destruktiv ausgeführt wird.
Seilschaftsmitglieder werden meist nicht gewahr, in welchem Geflecht und mit welcher Wirkung sie welche Funktion erfüllen. Gefolgschaftswillige Seilschaftsangehörige zeichnen sich durch unzureichende Orientierung über das eigene Tun, Denkfaulheit und Kritiklosigkeit aus. Diese drei Faktoren präzisieren den Begriff >Routine<.
Seilschaftsteilnehmer profitieren von zwei Vorteilen: 1. Man muss nicht merken und nicht wissen, was man tut. 2. Man profitiert von Verantwortungsaufteilung. Je zahlreicher die Schultern sind, auf denen Verantwortung verteilt ist, desto geringer wird bei Versagen und Misslingen der Seilschaftsaktion der eigene Schuldanteil empfunden. Beide Vorteile bescheren ein dauerhaft reines Gewissen und verführen zum Wunsch nach Seilschaftsintegration. Je zahlreicher die Mitglieder einer Seilschaft, desto leichter vertreten sie ihre Ansichten als »dem Allgemeininteresse dienend«. Damit gelten diese als anderen Ansichten überlegen, also vorrangig gültig. Eine Seilschaft befindet sich in einer Blase aus Selbstgewissheit ohne Selbstgewahrsam. Seilschaftszugehörigkeit hat einen Nachteil, man erkennt nicht mehr den Zeitpunkt, an dem das Seilschaftshandeln nicht mehr zielführend sondern bereits kontraproduktiv ist.