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Copyright © 2015 Ingbert Dawen
Herstellung:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-7386-6038-8
Es war schon immer mein Wunsch, fremden Menschen als Entwicklungshelfer zu dienen. Durch eine Bewerbung bei Cap Anamur, gelangte ich schließlich in das entlegene Buschkrankenhaus in Lwala.
Meine ersten Wochen in dieser fremden Kultur waren schwer für mich. Sehr schwer! Ich dachte oft daran, das Projekt abzubrechen, aber die Dankbarkeit und die Anerkennung der Menschen vor Ort spornten mich jeden Tag aufs neue an und so wurden die sechs Monate zu einem einzigen Abenteuer und die Monate wurden zu der schönsten Zeit in meinem ganzen Leben.
Ich habe Spuren in Lwala hinterlassen, aber noch tiefere Spuren hat Lwala in mir hinterlassen.
Dieses Buch berichtet über meine Erlebnisse und Abenteuer, aber auch von den vielen Menschen, die ich dort schätzen und zu lieben gelernt habe.
Kampala ist die Hauptstadt Ugandas und für mich die erste Station in meiner neuen Heimat. Die Luft riecht nach Afrika. Es ist eine Mischung aus Kanal, Qualm und den Geruch der roten Erde, die es hier fast überall gibt. Dieser Geruch ist einzigartig für Afrika!
Die Nächte sind schwül und warm und voller Geräusche, denn diese Stadt schläft nie!
Heute waren einkaufen. Was hier etwas seltsam erscheint ist, dass man vor der dem betreten eines Supermarktes durchsucht wird (alle). Ebenfalls stehen vor den meisten Supermärkten bewaffnete Sicherheitsbeamte. Überhaupt sind hier an allen Straßenecken Waffen zu sehen.
Heute haben wir verschiedene Besorgungen in der Hauptstadt gemacht. Auf den Straßen ist immer Stau und es werden verschiedene Dinge von Straßenhändlern Angeboten: Ferngläser, Schuhe, Klopapier und vieles mehr.
An den Ampeln und Straßenkreuzungen, wo der Verkehr zum erliegen kommt, stehen junge Frauen und Mädchen mit Babys auf den Armen und betteln die Autofahrer direkt an. Meine Mitarbeiterin Tasneem erzählt mir, dass die jungen Mädchen sich die Kinder oft nur ausleihen, um somit mehr Mitleid zu erregen und somit an mehr Geld zu kommen. Wir treffen heute auch auf Katrin, unsere neue Ärztin. Diese ist jetzt seit zwei Wochen in Uganda. Sie erzählt uns von einem Erlebnis, welches Sie heute unterwegs hatte. Auf dem Weg zu uns, passierten Sie eine Stelle, an der ein Dieb eine Ziege geschlachtet hatte. Zu seinem Pech wurde der Dieb gefasst, gefesselt und anschließend wurde ihm die Kehle durch geschnitten. Katrin sah den Unglücklichen neben der toten Ziege am Straßenrand liegen. Da die Bevölkerung hier wie Pech und Schwefel zusammen hält, ist die Polizei meistens machtlos. Ein Menschenleben zählt hier oft nicht mehr, als das einer Ziege. Krass!
Auf meiner Fahrt von Kampala bis Lwala benötigen acht Stunden für 350 km, ich dachte mir, es gibt nichts schlimmeres, als die Straßen und der Straßenverkehr in Afrika, aber es gibt noch was Schlimmeres und das ist der Straßenverkehr in Afrika bei Nacht! Straßenbeleuchtung gibt es keine! Beleuchtung der Fahrzeuge meistens Fehlanzeige. Die Fahrräder schwarz und ohne Licht und die Menschen, die drauf sitzen, sowieso und zu allem Übel sieht man die Schlaglöcher nachts noch schlechter, als am Tag!
Heute hatte ich mein erstes Tief, denn kein Tag hat hier weniger als 10 Arbeitsstunden. Heute waren es sogar 13.
Ich frage mich dann oft, warum Scheiß!? Wirf doch einfach alles hin und flieg wieder nach hause. Aber dann schaust du in ein lachendes Kindergesicht und alle Strapazen und Bedenken sind verflogen und du machst weiter, weil du weiter machen musst und weil da keiner ist, der es sonst macht, wenn nicht du.
Bei uns ist zur Zeit Regenzeit und wir haben teils sehr heftige, sinnflutartige Regenfälle.
Ich stelle mir dann die Menschen mit Ihren kleinen Kindern in Ihren Lehmhütten vor. Ich denke dann an die drei kleinen Schweinchen, die sich ein Häuschen gebaut haben. Eins ist aus Stein, in dem sitzen wir. Das zweite ist aus Holz, in dem sitzen die Doktoren und das dritte ist aus Stroh. In dem sitzen die Arbeiter und Bewohner. Jeder kennt die Geschichte, aber hier ist es mehr als eine Geschichte, hier ist es Realität und ein täglicher Kampf ums Überleben.
Ich habe mein erstes Wort auf Kumam gelernt. Dieses Wort höre ich oft am Tag und das Wort heißt „apoya„ (Danke). Fremde Menschen rufen mir dieses Wort oder ein einfaches well done (gut gemacht) nach.
Es spornt mich an, denn diese Worte geben mir ein gutes Gefühl und das Bewusstsein, das Richtige zu tun.
Ich habe eben erfahren, dass gestern Abend, als das der Strom durch das große Unwetter bei uns war, eine Frau in der Notaufnahme gestorben ist, weil der Notstromgenerator keinen Sprit mehr hatte, um den nötigen Strom zu produzieren. Ich kann es kaum glauben! Fünf Liter Sprit können hier ein Leben retten! Echt verrückt!
Die Leute, die hier unter meiner Anweisung arbeiten, sind überraschend gut. Sie sind zwar nicht so schnell, wie bei uns, aber man muss wissen, dass ein Hilfsarbeiter umgerechnet nur zwei Euro am Tag verdient und eine Fachkraft fünf. Außer Ihrem Tagelohn bekommen die Arbeiter zwei bis drei Mahlzeiten am Tag. Die Arbeiter, die von Außerhalb kommen erhalten außerdem noch eine Unterkunft von uns gestellt. Das hört sich jetzt für unsere Verhältnisse recht wenig an, aber dort zählen ein sicheres Einkommen und Verpflegung sehr viel und so stehen jeden Morgen Arbeiter vor unserem Tor, die um Arbeit bitten, die ich aber leider abweisen muss, da wir schon an unsere Kapazitäten gestoßen sind.
Oft habe ich den Eindruck, dass wir hier auf einem verlorenen Posten Kämpfen. Katrin unsere Ärztin, Tasneem unsere Krankenschwester und ich gehen bis zum äußersten. Wir arbeiten jeden Tag 11–12 Stunden und trotzdem gibt es immer noch so viel zu tun.
Ich habe hundert Baustellen gleichzeitig und nehme in fünf Wochen zehn Kilo ab!
Das Krankenhaus in dem Katrin arbeitet ist in einem desolaten Zustand und ist vergleichbar mit einem Kuhstall bei uns.
Es ist so überfüllt, dass die Patienten teilweise auf dem Flur, oder sogar draußen schlafen müssen. Katrin ist unsere Kinderärztin und unterstützt das lokale Ärzteteam bei den anstehenden Geburten. Tasneem ist zuständig für die Administration und managt alles bis ins Detail.
Wir sind ein starkes Team, aber wir sind auch nur Menschen.
Das einzige, was uns alle anspornt ist die sichtbare Dankbarkeit die uns entgegen kommt und das wir wissen, dass wir den Menschen hier Hoffnung geben.
Wir können die Menschen hier nicht ihrem Schicksal überlassen, denn wenn wir hier abziehen wird alles kollabieren und zusammen brechen.
Unsere Unterbringung hier ist sehr spartanisch und das Essen sowieso. Unser Haus besteht aus einem Gemeinschaftsraum und einer kleiner Küche. Jeder von uns besitzt sein kleines Zimmer mit einem Stuhl, einem Tisch und einem Bett. Des weiteren haben ein kleines Bad, mit einem alten WC und einer Dusche mit Regenwasser. Fernsehen, oder Radio gibt es nicht und unser Trinkwasser beziehen wir aus einem Brunnen, welches uns jeden Tag von unserem Wasserträger Charles gebracht wird. Auch wenn es uns sehr einfach vorkommt, so bedeutet es für die Bewohner hier doch den puren Luxus!
Unser Gebäude ist von einem hohen Zaun umgeben und es ist nur dieser Zaun, der den Unterschied macht.
Es ist oft nur ein Zaun, der den Unterschied in unser aller Leben macht! Zwischen arm und reich, Freiheit und Zwang, sozialer Absicherung und Verwahrlosung.
Es gibt viele dieser „großen Zäune„, die wir alle kennen. Da sind zum Beispiel:
Mexiko – USA
Tahiti – Dominikanische Republik
Spanische Enklaven in Afrika
Aber wir brauchen gar nicht so weit zu gehen. Das beste Beispiel hatten wir direkt vor unserer Haustür BRD – DDR.
Die Macht dieser „ Zäune „ wird mir hier auf dieser kleinen Wiese, mitten im Herzen von Afrika erst so recht bewusst!
Wir wissen alle, dass es diese „Zäune„ gibt, aber sie interessieren uns nur sehr wenig, denn sie sind weit weg, wir haben unsere eigenen „Probleme„ und was am wichtigsten ist, wir leben auf der „angenehmen Seite „ des Zauns.
Das es diese „Zäune„ gibt, ist mir noch nie so sehr bewusst geworden wie hier, weil ich hier jeden Tag direkt damit konfrontiert werde. Aber es gibt nicht nur die großen „Zäune„ dieser Welt! Es gibt noch tausend kleinere und das sind oft die schlimmsten, denn hier ist die Not am größten und diese geraten sehr leicht in Vergessenheit!
Es sind die echten Zäune um die Flüchtlingslager und um die Townships überall auf der Welt! Darfour, Syrien, Libyen, Lateinamerika, Philippinien, Afghanistan, ganze Regionen in Afrika!
Über diese „Zäune der Welt„ hinweg, haben viele von uns ihre eigenen „Zäune„ in Ihren Herzen und Köpfen errichtet.
Es gibt „Zäune„ für Andersgläubige, Farbige, Behinderte, Arbeitslose, Obdachlose, ……
Bevor wir es nicht schaffen, diese Zäune in unseren Köpfen und Herzen einzureißen, werden wir es nie schaffen, einen der kleinen oder gar einen der großen Zäune dieser Welt einzureißen!
Heute hatte ich nach 18 arbeitsreichen Tagen meinen ersten freien und schönen Tag. Ich konnte einen unserer Arbeiter, Pastor Samba dazu überreden, dass wir zum Fischen gehen. Er kam zwar zwei Stunden später als vereinbart, aber das ist in Afrika nur ein klein wenig zu spät.
Angelo ein weiterer Arbeiter von uns wollte auch gleich mit und so sind wir dann zu dritt los gezogen.
Die Fahrt ging eine halbe Stunde quer durch tiefstes Buschland und dann endlich kamen wir bei Pastor Sambas Clan an. Seine halbe Familie war um ein paar Strohhütten versammelt und wir wurden begeistert begrüßt und empfangen. Anschließend wurden wir von einer Schar Kindern umringt, die alle den großen Muzungu, den Weißen, sehen wollten.
Zum Glück hatte ich meine „Zauberjacke„ dabei in deren Taschen ich immer kleine Spielzeuge für die Kinder versteckt habe. Als ein kleiner Junge auf mich zukam, holte ich einen bunten Luftballon aus meiner Tasche und begann diesen aufzublasen.
Der kleine Junge ist darauf hin schreiend weg gerannt, weil er so was noch nicht gesehen hat und Angst hatte. Darüber hat dann das ganze Dorf gelacht! Ich aber kam mir irgendwie wie ein Außerirdischer vor!
Anschließend sind wir dann los gezogen zum Fischen. Der „big lake„, von dem Pastor Samba erzählt hat, stellte sich nur als ein kleiner Tümpel raus, aber egal! Ich wollte ja die „big fishs„ fangen, von denen Pastor Samba soviel erzählt hat!
Meine Ausrüstung war natürlich der Hammer! So was gibt es hier nicht! Was wir dann gefangen haben, waren nicht die biiiig fiiiiishs, sondern ein paar kleine Fische, zu vergleichen mit den Barschen bei uns zu hause, aber der Spaßfaktor war garantiert, denn ich habe Pastor Samba, Angelo und ein paar der Kinder mit meinen Ruten angeln lassen.
Könnt ihr euch vorstellen, wie es aussieht, wenn einer einen Fisch fängt, der noch nie eine Angel in der Hand hatte!?