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Wenn das Gebäude in Flammen steht,

mache ich mich nicht an die Spitzbuben,

die das Hausgerät stehlen!

Ich lösche zuerst das Feuer.

Georges Jacques Danton

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2014Name des Autors/Rechteinhabers (Ronald Hartmann)

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7386-8446-9

Vorwort

Die Schatzsuche geht, wie versprochen, weiter. Viele offene Fragen blieben zum Abschluss des ersten Teils ungeklärt und werden natürlich auch Grundlage des zweiten Teils sein. Sie erinnern sich?

Die Wanderschaft des Handwerksburschen Georg Hartmann aus Franken hatte ihn im Jahre 1842 nach Hamburg geführt. Nach einigen Tagen, in denen er als Tagelöhner gearbeitet hatte, erlebte er den großen Hamburger Brand unmittelbar als Löschhelfer mit. Er verlor dabei seine Freunde und überlebte schwer verletzt. Bei dem Brand konnte er eine große Anzahl von Goldmünzen an sich bringen, die er in Bergedorf in der Nähe des Serrahn vergrub. Den Ort hatte Georg auf einer Schatzkarte festgehalten.

Diese Schatzkarte ging nach dem Tod Georgs in den Besitz der in Bergedorf ansässigen Familie Stein über.

Bei der Silvesterfeier des Jahres 1900 im „Colosseum“ in Bergedorf wurden drei zwielichtige Gestalten (Titus, Franz und Thomas von Gellern) auf den Schatz und auf die 16-jährige Tochter Dora Stein aufmerksam, als ihr Vater lautstark die Geschichte des Bergedorfer Schatzes am Tisch erzählte. Die Schatzkarte hatte sich über einige Generationen hinweg in ihrem Besitz befunden. Keiner wusste, wo genau der Schatz vergraben worden war. Nur die Hinweise der mündlichen Überlieferung der Vorfahren sowie zweier Goldmünzen zeugten von der Echtheit der Geschichte. Alle waren begeistert, ganz besonders Titus und Franz.

Am Weihnachtsfest des Jahres 1901 wurde die Familie Stein dann Opfer eines Raubüberfalls, der von zwei brutalen Halsabschneidern durchgeführt wurde. Thomas von Gellern, der zum Überfall genötigt worden war, hatte sich kurz vor dem Überfall der Polizei und Friedrich Stein offenbart, damit Titus und Franz eine Falle gestellt werden konnte.

Bei dem brutalen Überfall wurde die Schatzkarte jedoch nicht gefunden, weil Friedrich Stein diese versteckt hatte. Der einzige Hinweis, der während des Überfalls hinzukam, war ein Ausspruch Friedrich Steins:

„Nach der Karte könnt ihr lange suchen. Ihr werdet sie aber nie finden: Jules Verne wird schon dafür sorgen!“

Kurz darauf hatte Friedrich Stein einen harten Schlag auf den Kopf bekommen, sodass er bewusstlos zusammenbrach und seitdem an Amnesie litt. Er konnte sich weder an das Versteck noch an seinen Ausspruch erinnern.

Was hatte es mit Jules Verne auf sich?

Eine weitere offene Frage, die Sie vermutlich interessieren wird:

Was wurde aus Thomas von Gellern und Dora Stein?

Die wichtigste Frage bleibt allerdings: Wo war der Schatz?

War alles nur ein Hirngespinst, eine spannende Räubergeschichte oder ganz einfach nur „Tüünkram“?

Lassen Sie sich überraschen und gehen Sie mit auf Schatzsuche.

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel   Jules Verne

Aufmerksamen Lesern des ersten Teils der Schatzsuche war sicherlich aufgefallen, dass Thomas Stein eine größere Büchersammlung, auch zeitgenössischer Literatur, besaß. Da er durch die Geschichten seines Großvaters und Urgroßvaters sowieso gerne fantastische und spannende Geschichten hörte, die ihn teilweise in eine Fabelwelt entführten, war er natürlich auch den fantastischen Geschichten über „Kapitän Nemo“ oder „die Reise zum Mond“ oder „zum Mittelpunkt der Erde“ gegenüber sehr aufgeschlossen.

Bevor der geplante Überfall in seinem Haus von Titus und Franz ausgeübt wurde, nahm er die Schatzkarte und den Brief aus der Schatulle im Wohnzimmerschrank und griff sich ein Buch aus dem Bücherregal.

http://de.wikipedia.org/wiki/Jules_Verne#mediaviewer/Datei:JulesVerneReiseIn80Tagen.png

Dieses Buch, das er bereits einige Male gelesen, nein: verschlungen hatte, schlug Friedrich Stein auf, blätterte zur Seite → und legte die Schatzkarte zwischen die Seiten → und →. Er drehte sich um und vergewisserte sich, dass ihn keiner beobachtet hatte und ging zu seinem Sekretär. Er nahm den Behälter mit Holzleim heraus und einen Pinsel. Friedrich setzte sich an seinen Schreibtisch und begann, fein säuberlich die Ränder der Seiten → und → jeweils mit einer dünnen Schicht von Holzleim zu bestreichen. Es durfte kein Tropfen Leim aus den Seiten herausquellen, da es ansonsten schnell aufgefallen wäre.

Nachdem er die Seiten fest zusammengedrückt hatte und mehrmals das Buch auf- und –unter Druck – auch wieder zugemacht hatte, war er mit seiner Arbeit zufrieden. Im Buch konnte nur jemand einen Fehler erkennen, wenn er dieses las und dabei bemerkte, dass ein Teil der Geschichte fehlte. Dass zwischen den beiden Seiten die Schatzkarte und der Brief Krützmanns fein säuberlich lag, war kaum spürbar. Die Seite → wählte er als Gedankenstütze, weil Dora gerade 18 geworden war, und die Seite →, weil das Jahr 1901 gerade zu Ende ging.

So konnte die Schatzkarte auf keinen Fall in die Hände der beiden Halunken geraten, die Friedrich von Gellern erpressten und die auch vor einem Mord nicht zurückschreckten. Nur die beiden Goldmünzen ließ Friedrich Stein in der Schatulle zurück und er war sich sicher, wie immer der Überfall auch laufen würde, den Halunken ein Schnippchen geschlagen zu haben.

Leider kam es dann ja doch anders. Durch den harten Schlag auf den Hinterkopf verlor Thomas Stein sein Gedächtnis und er war nicht mehr derselbe, der er früher gewesen war. Da er sich niemandem offenbart hatte, konnte auch keiner etwas über den Verbleib der Karte sagen. Die Schatzkarte blieb verschwunden.

Mit der Zeit verblasste dann auch langsam die Erinnerung an die Geschichte des Schatzes. Nur einen ließ die ganze Sache nicht zur Ruhe kommen. Nein, nicht Thomas von Gellern. Dieser arbeitete an seiner Beziehung zu Dora und war besonders bemüht, Friedrich Stein zu unterstützen. Er gewann das Vertrauen der Familie Stein zurück und Friedrich war mit den Jahren froh, einen solchen Schwiegersohn bekommen zu haben. Thomas von Gellern hatte auf Anraten der Ärzte den Überfall auch nie wieder angesprochen, da die Gefahr bestand, dass sich dies negativ auf die Gesundung Friedrich Steins auswirken könnte.

Für eine Person hatte die gesamte Geschichte allerdings ein Nachspiel – Titus!

Nicht nur, dass er mit einem zerschmetterten Knie für die nächsten zehn Jahre im Gefängnis saß, nein, in seinen schlaflosen Nächten holten ihn die Ereignisse um den Einbruch am Heiligabend immer wieder ein, und er hatte immer wieder nur den Namen „Jules Verne“ im Kopf. Thomas von Gellern hatte ihn und Franz verraten – dessen war er sich absolut sicher. Aber wer war dieser Jules Verne? Diesen Kerl musste er ausfindig machen. Das war natürlich nicht einfach, wenn man im Gefängnis saß. Doch zehn Jahre vergehen, Hass aber vergeht nicht.

Wichtig war nur, die zehn Jahre hier im Gefängnis zu überleben – der Rest würde sich dann finden.

2. Kapitel   Titus’ Entlassung

Über diverse Mittelsmänner und Knastfreunde des „Central-Gefängnisses Fuhlsbüttel“ hatte Titus herausgefunden, dass Thomas von Gellern und Dora nicht mehr in Bergedorf ansässig waren. Ebenso war Friedrich Stein im letzten Jahr überraschend verstorben. Viele mutmaßten, dass der plötzliche Tod mit dem damaligen Überfall zu tun gehabt haben könnte, bei dem Friedrich von Titus einen harten Schlag auf dem Kopf bekommen hatte und daraufhin unter Gedächtnisverlust litt, aber einen Zusammenhang konnte man Titus nicht nachweisen. Cecille Stein war auch nicht mehr auffindbar und war wohl mit ihrer Tochter und Thomas von Gellern unbekannt verzogen.

Der Tag der Entlassung kam näher und Titus konnte es nicht erwarten, dass die Gefängnistore sich hinter ihm wieder schlossen. Die zehnjährige Haftstrafe war nicht einfach zu bewältigen gewesen, da prügelnde Wärter und gewaltbereite Mithäftlinge an der Tagesordnung waren. Durch seine häufigen Haftstrafen hatte er sich allerdings auch ein kleines Netzwerk innerhalb des Gefängnisses aufgebaut, auf das er sich nach seinem erneuten Haftantritt verlassen konnte. Einige der übelsten Insassen des Gefängnisses hatten mit ihm gemeinsame Sache gemacht und er hatte schnell ein größeres Ansehen innerhalb des Zuchthauses.

Dieses Ansehen musste buchstäblich erkämpft werden, und es gab im ersten Jahr seiner Haftzeit auch einige unaufgeklärte Todesfälle im Central-Gefängnis. Ob und inwiefern Titus etwas damit zu tun gehabt hatte, konnte nicht bewiesen werden, aber seine Macht hinter den Gitterstäben wuchs. Seine Stellung im Gefängnis musste finanziert werden, und so hatte er schnell dafür gesorgt, dass er Zugriff auf seine gestohlenen und erschwindelten Gelder hatte, die er bei einem Bekannten in Lübeck hinterlegt hatte.

Gleich nach seiner Verhaftung hatte er sich über einen der Wärter, der natürlich die Hand aufhielt, mit dem Lübecker in Verbindung gesetzt und bat um regelmäßige Zuteilung von Geldbeträgen. Diese Beträge wurden zum Schmieren der „Kerkermeister“ und zum Bezahlen von „Freundschaften“ benötigt. Ohne Geld hätte er diese zehn Jahre nicht überlebt.

„Titus Mayer, Sie haben Ihre Haftstrafe verbüßt und werden mit dem heutigen Tag aus dem Central-Gefängnis entlassen. Kommen Sie mit!“, sagte der Wächter. „Los, bewegen Sie sich!“

Titus biss auf die Zähne. Es machte keinen Sinn, sich am letzten Tag noch zu etwas hinreißen zu lassen, und so presste er noch ein „Jawoll, Herr Wachtmeister“ hervor.

Bei der Ausgabe erhielt er seine Schuhe, seinen Mantel, Pullover und seine Hose, mit einem Loch in Höhe des Knies, zurück. Wieder musste er an den missglückten Überfall auf die Familie Stein denken, bei dem seine Kniescheibe zerschossen worden war. Er zog sich seine Klamotten an und musste feststellen, dass alles viel zu weit war. Als Erstes musste er sich also eine neue Garderobe besorgen, die vermutlich sein letztes Geld verschlingen werden würde. Danach würde er sich umgehend nach Lübeck begeben und abklären, wie hoch seine hinterlegte Barschaft noch war.

Nachdem sich die Gefängnistore hinter ihm geschlossen hatten, begab er sich umgehend in die Innenstadt. Er musste feststellen, dass sich in den vergangenen Jahren viel getan hatte. Es gab jetzt eine Untergrundbahn und seit dem 05.12.1906 auch einen neuen Hauptbahnhof.

(Rödingsmarkt)

In der Bahn wurde er bereits merkwürdig von der Seite angesehen. Er stieg am Rödingsmarkt aus und suchte nach einem Herrenausstatter. Fündig wurde er schließlich im Kaufhaus Schurig. Nachdem er sich neu eingekleidet auf den Weg zum neuem Hauptbahnhof machte, fiel sein Blick zufällig auf die Auslage einer Buchhandlung, in der plakativ die neuesten Kassenschlager ausgestellt wurden.

JULES VERNE – Die Reise zum Mittelpunkt der Erde

Titus’ Hände begannen zu zittern. Was für ein Idiot bin ich bloß gewesen. Jules Verne war keine Person im herkömmlichen Sinn gewesen, sondern ein Schreiberling, ein Schriftsteller. Titus öffnete die Tür der Buchhandlung und betrat den Laden.

„Moin, Sie haben im Schaufenster Bücher eines gewissen Jules Verne stehen. Können Sie mir etwas zu diesem Schriftsteller sagen? Wo kommt er her? Welche Bücher hat er bisher geschrieben?“

„Also, Jules Verne ist einer der gefragtesten Autoren, lebt in Frankreich und hat schon viele Bücher geschrieben. Ich gebe Ihnen gerne eine Liste seiner Werke“, bot der geschäftstüchtige Buchhändler Titus an.

„Gerne, und packen Sie mir das Buch gleich mit ein. Welches Buch von Jules Verne ist vor zehn Jahren beliebt gewesen?“

„Da gibt es einige. Schauen Sie am besten in die Liste, in denen die Buchtitel jeweils mit dem Veröffentlichungsjahr mit aufgeführt sind. Wenn Sie ein Buch suchen, können Sie es so eingrenzen.“

Oh ja, und wie ich ein Buch suche, dachte Titus. Er erinnerte sich an die große Bücherwand im Arbeitszimmer von Friedrich Stein und an dessen letzten Ausspruch:

„Die Karte werdet ihr nie finden. Jules Verne wird schon dafür sorgen.“

Ihm wurde schlagartig alles klar. Die Karte, die nicht mehr in der Schatulle gewesen war, war in einem der Jules-Verne-Bücher versteckt worden. Titus bezahlte das Buch, erhielt die Liste und bedankte sich beim Buchhändler.

Sein nächster Weg war der zum Hauptbahnhof, wo er von seinem letzten Geld eine Karte nach Lübeck löste. Am späten Abend erreichte er die Hansestadt Lübeck und begab sich umgehend zu seinem Bekanntem Jan-Hendrik Berrildsen, dem Bewahrer und Bewacher seiner letzten Geldreserven. Berrildsen war im Geldverleih tätig und hatte Titus versprochen, nach seiner Inhaftierung sein Geld anzulegen und zu verzinsen, natürlich gegen eine Bearbeitungsgebühr.

Kurz vor Mitternacht erreichte er die Wohnung von Berrildsen und klingelte. Nach einiger Zeit hörte Titus Geräusche und leises Fluchen hinter der Tür, der Schlüssel drehte sich im Schloss und die Tür öffnete sich. Berrildsen starrte Titus entgeistert an.

„Titus, du? Wo kommst du denn um diese Zeit her? Seit wann bist du denn raus? Warum hast du denn nicht gesagt, dass du rauskommst? Komm erst einmal rein.“

„N’abend Jan. Kann ich heute bei dir übernachten? Ich habe kein Geld mehr und brauche erst einmal ein Bett und morgen mein Geld.“

„Klar, Titus, und mit deinem Geld werden wir morgen mal sehen.“

„Nicht mal sehen, ich brauche mein Geld – morgen!“

„Titus, lass uns das morgen besprechen. Schlaf erst einmal ‘ne Runde, und dann schauen wir morgen früh weiter. Einverstanden?“

„Na gut“, knurrte Titus. „Hast du noch was zu essen und zu trinken?“

„Schau mal hinten in der Speisekammer, dort müsste noch Schinken, Brot und auch Bier sein. Du kannst hier auf der Chaiselounge schlafen. Eine Decke bringe ich dir noch.“

Nachdem Berrildsen sich wieder schlafen gelegt hatte und Titus seinen Hunger und Durst befriedigt hatte, legte sich Titus ebenfalls hin. In seinem Kopf drehte sich alles um Jules Verne, die Schatzkarte von Thomas von Gellern und sein Geld. Irgendwann schlief Titus aber doch ein und wurde früh morgens von Berrildsen geweckt.

„Moin Titus, mach dich frisch und lass uns dann frühstücken. Danach haben wir einiges zu besprechen.“

„Besprechen? Ich will mein Geld“, grunzte Titus.

Er machte sich schnell frisch und setzte sich zu Berrildsen an den Frühstückstisch.

„Titus, du weißt, dass ich als Geldverleiher arbeite und somit auch mit deinem Geld arbeite. Nur so kann ich dir einen guten Zinssatz bieten und dein Geld verwalten“, erklärte Berrildsen.

„Wann kann ich mein Geld bekommen?“, fragte Titus.

Seine Gesichtsfarbe tendierte langsam Richtung rot.