Die Kurfürstenklinik 40 – Auszeichnung für Schwester Bea

Die Kurfürstenklinik –40–

Auszeichnung für Schwester Bea

Auf sie kann sich der Chefarzt verlassen

Roman von Nina Kayser-Darius

Impressum:

Epub-Version © 2016 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: http://www.keltermedia.de

E-mail: info@kelter.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74091-489-9

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Unsere Bea ist verliebt«, stellte Julia Martensen fest. »Sie strahlt so – das kann überhaupt keinen anderen Grund haben.« Julia war Internistin und arbeitete zur Zeit in der Notaufnahme der Kurfürsten-Klinik in Berlin-Charlottenburg. In der Regel war sie auf der Inneren Station, doch sie bestand darauf, regelmäßige Ausflüge zur Notfallmedizin zu machen, um ›geistig beweglich zu bleiben‹.

»Ihr Strahlen ist mir auch schon aufgefallen«, erwiderte der Unfallchirurg Adrian Winter, der als jüngster Chefarzt der Klinik die Notaufnahme leitete. »Wie schön für Bea – das freut mich wirklich.«

Bea Hagen war eine niedliche, manchmal auch freche sechzehnjährige Lernschwester – bei allen gern gesehen, trotz ihrer manchmal allzu impulsiven Art.

»Ich wäre auch gern verliebt«, murrte der Assistenzarzt Bernd Schäfer. »Aber ich bin ja leider keine sechzehn mehr – in dem Alter war das noch einfacher.«

Die drei Ärzte tranken vor Dienstbeginn einen Kaffee miteinander. Das taten sie häufig, bevor sie sich den ersten Patienten zuwandten. Julia und Adrian wechselten nach Bernds Bemerkung einen vielsagenden Blick. Dieser Blick hieß: Bernd und die Frauen – unser Dauerthema!

Bernd Schäfer war ein leidenschaftlicher Esser, was man ihm auch ansah. Zwischendurch trainierte er immer mal wieder verbissen, um ein paar Pfunde zu verlieren, aber er hielt nie lange durch. In ihm hatte sich unglücklicherweise die Überzeugung festgesetzt, nur sein Übergewicht trage die Schuld an seinem mangelnden Erfolg bei Frauen. Das verdarb ihm, zumindest zeitweise, den Genuß am Essen – aber es steigerte seine Chancen bei Frauen dennoch nicht. Eine Art Teufelskreis also.

»Und dann noch dieser überaus attraktive Kollege, der neuerdings bei uns arbeitet«, murrte er weiter. »Warum haben sie den nicht auf eine andere Station geschickt? Muß er denn ausgerechnet in die Notaufnahme kommen, wo ein hart arbeitender Assistenzarzt es ohnehin schon schwer genug hat?«

Die beiden anderen lachten, und schließlich stimmte Bernd mit ein. Er hatte zum Glück einen ausgeprägten Sinn für Humor, und meistens konnte er sich auch über sich selbst lustig machen. Mit Adrian und Julia verband ihn ein freundschaftliches Verhältnis – die drei waren ein ausgezeichnet aufeinander eingespieltes Team.

»Sei froh, daß unser Verwaltungsdirektor uns den Kollegen Volker Kronberg geschickt hat!« wies Adrian ihn zurecht. »Ohne ihn hätten wir in den letzten beiden Wochen den Laden hier schließen können.«

Bernd nickte, denn Adrian sagte die Wahrheit. Der Unfallchirurg Volker Kronberg, der für einige Monate das Team der Notaufnahme verstärkte, war genau zur richtigen Zeit gekommen – nie zuvor hatten sie so viele Patienten behandeln müssen. Selbst mit dem neuen Arzt waren sie mehr als einmal allesamt am Ende ihrer Kräfte gewesen.

»Du hast Recht, aber er hätte nicht unbedingt so gut aussehen müssen«, sagte Bernd. »Ein unscheinbarer, dürrer, blasser Arzt mit dicker Brille wäre mir lieber gewesen als dieser…« Er konnte das richtige Wort nicht finden.

»Adonis?« sprang Julia hilfreich ein.

»Von mir aus«, brummte Bernd. »Und nett ist er zu allem Überfluß auch noch. Ich hasse solche Menschen – sie vermitteln mir das Gefühl, noch unvollkommener zu sein, als ich ohnehin schon bin.«

Julia legte tröstend einen Arm um ihn und gab ihm einen Kuß auf die Wange. »Armer Bernd«, sagte sie mitleidig, doch ihre Augen glitzerten vor Spottlust.

»Ja, ja, mach dich nur lustig über mich. Ich wette mit dir, schon jetzt ist mehr als die Hälfte der Frauen hier in Herrn Dr. Kronberg verliebt – und für mich bleibt wieder einmal nicht eine einzige davon übrig!«

Der Mann, von dem die Rede war, tauchte genau in diesem Augenblick mit ernstem Gesicht vor dem Aufenthaltsraum auf. Volker Kronberg sah tatsächlich sehr gut aus: Groß, blond und blauäugig, wie er war, hätte er ohne weiteres als ›typischer Skandinavier‹ durchgehen können. Er war schlank und gut trainiert, und bei seinem Anblick schien Bernd förmlich in sich zusammenzusacken.

»Wir bekommen in ein paar Minuten drei Schwerverletzte«, sagte Volker Kronberg. »Es geht also gleich richtig los.«

Sofort stellten die drei anderen ihre Kaffeebecher ab und folgten ihm.

»Autounfall?« fragte Adrian knapp.

Sein neuer Kollege nickte und gab die wenigen Informationen weiter, die er besaß. Dann bereiteten sie gemeinsam mit Schwester Walli und Schwester Bea drei Notfallkabinen für die Aufnahme der Verletzten vor.

Die Zeit für private Gespräche war vorüber – die Arbeit hatte begonnen.

*

Caroline Janssen stand am Fenster des Hotels King’s Palace und starrte auf die Straße. In wenigen Augenblicken würde sie dieses Zimmer verlassen müssen – wieder einmal ein Abschied, auf den das quälende Warten auf einen Anruf folgen würde: ›Caro, ich bin in zwei Wochen wieder in Berlin. Können wir uns sehen?‹

Sie hörte Schritte hinter sich, drehte sich jedoch nicht um. Im nächsten Augenblick umschlangen sie zwei Arme, sie spürte Lippen an ihrem Ohr, und eine zärtliche Stimme sagte: »Kann es sein, daß du immer schöner wirst?«

Nun drehte sie sich doch um und schmiegte sich in die Arme des Mannes. »Ach, Rainer«, sagte sie leise, »ich will nicht, daß du jetzt fährst. Jedesmal fällt es mir schwerer, mich von dir zu verabschieden. Wann wirst du mit deiner Frau reden?«

Seine Lippen suchten und fanden die ihren, und er küßte sie lange und leidenschaftlich. Dabei streichelte er zärtlich ihren Rücken, und wie immer vergaß sie, was sie zuletzt gesagt hatte und genoß diese wundervollen Augenblicke in seinen Armen.

Erst als sie sich voneinander lösten, wurde ihr ihre Situation schlagartig wieder bewußt. Es gab so wenige von diesen Momenten der Zärtlichkeit und Leidenschaft, viel zu wenige! Aber Rainer hatte nun einmal eine sehr sensible Frau, der er es schonend beibringen mußte, daß er sich demnächst von ihr scheiden lassen würde.

»Mußt du denn wirklich schon gehen?« fragte sie.

Zu ihrer großen Überraschung zögerte er. »Vielleicht kann ich noch einen Tag anhängen«, sagte er und sah sie mit einem verlangenden Blick an. »Ich werde ein paar Telefonate führen. Wenn es leicht machbar ist, bleibe ich noch bis morgen, Caro.«

»Oh, Rainer, das wäre ja ganz wunderbar!« Sie fiel ihm so stürmisch um den Hals, daß er beinahe das Gleichgewicht verloren hätte.

»Langsam, langsam, Caro!« lachte er. »Warte doch erst einmal, ob es wirklich klappt.«

»Wenn du etwas willst, dann schaffst du das auch«, erwiderte sie und begann ihr Kleid langsam aufzuknöpfen.

Er griff zum Telefon und wählte rasch. Während der folgenden Gespräche ließ er sie nicht eine Sekunde aus den Augen. Als sie nur noch Slip und BH trug, legte er den Hörer auf und sagte mit belegter Stimme: »Ich kann bleiben.«

Im nächsten Moment lag sie auch schon wieder in seinen Armen.

*

»Verflixt noch mal«, sagte Stefanie Wagner. »Er will eine Nacht länger bleiben? Aber das geht nicht – wir haben die Suite schon anderweitig vergeben, das wissen Sie doch!«

Herr Hellmer, ein relativ neuer Rezeptionist, den sie ausgezeichnet fand, hatte sie angerufen und ihr mitgeteilt, daß ein Stammgast des Hotels King’s Palace, Dr. Rainer Corendey, seinen Aufenthalt unvermutet um einen Tag verlängert hatte.

Jetzt erwiderte Herr Hellmer unglücklich: »Was hätte ich denn machen sollen, Frau Wagner? Er ist einer unserer besten Kunden, ich kann ihm doch nicht sagen, er muß für eine Nacht umziehen – in ein kleineres Zimmer! Das hätte er uns nie verziehen. Sie kennen ihn doch, seine Ansprüche sind groß.«

»Ja, ich weiß«, murmelte Stefanie abwesend. Sie war bereits dabei, dieses unerwartete Problem in Gedanken zu lösen. Schließlich tat sie zu neunzig Prozent nichts anderes als das: Sie löste Probleme, das war ihr Job.

Sie war die Assistentin des Hoteldirektors – aber eigentlich war sie viel mehr. Die Angestellten sahen in ihr die eigentliche Chefin, denn sie war es, die die Arbeit tat, auch die unangenehme, während sich ihr Chef Andreas Wingensiefen zwar gern um ausländische oder auch deutsche Gäste kümmerte, sofern diese berühmt, reich oder beides waren. Prominente wurden in der Regel für die Tagespresse fotografiert, manchmal vor dem Portal oder in der Lobby des Hotels, was kostenlose Werbung war, manchmal auch an der Seite des Direktors, was dessen Eitelkeit schmeichelte. Jedenfalls konnte man davon ausgehen, daß Direktor Wingensiefen immer dann gern Direktor war, wenn es öffentlich bemerkt wurde. Interne Schwierigkeiten überließ er dagegen nur zu gern seiner Assistentin.

Stefanie war das durchaus recht. Sie arbeitete gern unabhängig und ihr Chef ließ sie in Ruhe, das war für sie die Hauptsache. »Ich kümmere mich darum«, versprach sie nun. »Dr. Corendey kann in seiner Suite bleiben, wir werden bei unseren neuen Gästen eine kleine Umdisposition vornehmen – bringen Sie den Herrn aus Texas in der Fürsten-Suite unter, ohne sie zu berechnen. Die Fürsten-Suite steht doch leer zur Zeit, oder nicht?«

»Ja, aber…«, begann der Rezeptionist.

»Ich werde dem Gast sagen, daß es ein Entgegenkommen des Hauses ist, weil er das erste Mal bei uns wohnt – wenn er das nächste Mal kommt, muß er mehr bezahlen, wenn er in die Fürstensuite will. Ich verkaufe es dem Direktor als Werbemaßnahme.«

»Danke«, sagte er erleichtert, wohl wissend, daß sie die Prügel einstecken würde, falls der Chef damit nicht einverstanden war. »Das rettet mich, Frau Wagner.«

»Ich weiß – aber schließlich ist es meine Aufgabe, Sie zu retten, oder etwa nicht?«

Sie lachten beide.

»Sie wissen, daß Herr Dr. Corendey meistens Damenbesuch hat, wenn er bei uns übernachtet, Frau Wagner – oder?«

»Nein, das ist mir neu«, antwortete Stefanie wahrheitsgemäß. »Wer ist denn die Dame?«

»Keine Professionelle, falls Sie das meinen. Es ist eine Fotografin, die er, glaube ich, hier im Hause kennengelernt hat.«

»Oh, wie romantisch«, meinte Stefanie aufrichtig erfreut. »Solche Geschichten sind die schönsten.«

»Na ja, so romantisch ist es nun auch wieder nicht. Herr Dr. Corendey ist verheiratet, seine Frau ruft ihn regelmäßig hier an.«

»Das ist mir auch neu«, gestand Stefanie, die sich am Klatsch niemals beteiligte. »Aber es geht uns ja auch nichts an, nicht wahr?«

»Eigentlich doch«, widersprach Herr Hellmer, den Stefanie bereits als überaus korrekten Menschen kennengelernt hatte. »Er müßte eigentlich für zwei Personen bezahlen, Frau Wagner, aber das tut er nicht.«

Sie seufzte. Dieses Problem gab es ständig, und sie wunderte sich immer wieder darüber, wie wenig großzügig oft gerade gut verdienende Menschen waren.

»Vergessen Sie’s«, riet sie. »Wir werden ihn nicht in Verlegenheit bringen dadurch, daß wir ihn bloßstellen. Dann sind wir ihn als Gast los und haben nichts gewonnen. Er ist, wie wir beide wissen, nicht der Einzige, der sich so verhält.«

Sie verabschiedete sich und legte auf. Sofort fing sie an zu überlegen, wie sie Andreas Wingensiefen die Sache mit der zu preiswert vermieteten Fürsten-Suite vermitteln konnte, denn eine andere Lösung für das Problem gab es tatsächlich nicht. Es war keine andere Suite mehr frei. Sie mußte es schaffen, es so aussehen zu lassen, als sei der Direktor selbst auf diese Lösung des Problems gekommen, dann waren ihre Chancen am besten.