Ina May
Kriminalroman
Eine ausgelassene Party in einem Strandhaus auf Maui ... bis ein Schuss die Nacht zerreißt.
Fassungslos starrt Privatermittler Logan Bennett auf die Leiche der wunderschönen Patricia Borrow, die ihm wenige Stunden zuvor ein belastendes Geheimnis anvertrauen wollte. Alles deutet auf Selbstmord hin, doch Logan beginnt selbst nachzuforschen. Wie gelang es dem Täter, ungesehen zu entkommen? Bei seinen Ermittlungen stößt Logan auf einen längst vergessenen Geheimgang, der eine düstere Wahrheit birgt.
Dieser spannende Inselkrimi voll Südseeflair besticht mit faszinierenden Charakteren und überraschenden Wendungen.
Copyright © 2017 26|books, Auenwald
Christine Spindler
Bert-Brecht-Weg 13
71549 Auenwald
christine@26books.de
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Coverfoto: fotolia.de © Allen.G, © jan stopka
Covergestaltung: Christine Spindler
ISBN 978-3-945932-33-9
Copyright der Taschenbuchausgabe unter dem Titel „Die Rückkehr des Teufels“ ©2011, Spielberg Verlag
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form sind vorbehalten. Die Handlung und handelnden Personen, sowie deren Namen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden und/oder realen Personen ist rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Inhaltsverzeichnis
Wenn es Nacht wird auf Maui
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Nachwort
Der Biathlonkrimi von Ina May
Maui/Hawaii
Logan Bennett hob sein Glas Red Sunset an die Lippen.
Die Sonne darin sank und mischte sich mit dem blasseren Horizont. In diesem Fall Grenadinesirup, er schmeckte die leicht säuerliche Note. Am Himmel konnte man zeitgleich das Schauspiel im Original betrachten, der rote Ball tauchte gerade in ein Meer aus gelb-orange.
Die Flügeltüren des Strandhauses standen weit offen und der zum Ozean liegende Blumengarten verströmte einen angenehmen Duft in der leichten Brise. Der Begriff Strandhaus, wie sein Eigentümer salopp sagte, wäre einem allerdings zu dem riesigen Pavillon, der auf zwei Ebenen mit einer imposanten Säulenbalustrade im oberen Stockwerk und einer Kuppel aufwarten konnte, nicht eingefallen. Und der Blick konnte einem den Atem nehmen, ließ man es zu.
Es war ein einziger Widerspruch, dachte sich Bennett. Er schaute auf den Strand von Maalaea Bay mit seinem feinen hellen Sand und trug dabei Lackschuhe und Abendgarderobe.
Leise Musik lief im Hintergrund, als wäre man bemüht, möglichst gediegene Langeweile zu verbreiten. Das entspannende Geräusch der Wellen, die gegen das Ufer schlugen, wurde von der Jazzmusik geschluckt. Einen schönen Abend wie diesen könntest du wirklich anders verbringen, sagte er sich nicht zum ersten Mal. Dabei war es noch zu früh für solche Gedanken. Bennett konnte Langeweile nicht ausstehen, aber meist war das auch nicht sein Problem. Bei seiner Arbeit als Privatdetektiv begegneten ihm Monotonie und Spannungslosigkeit selten. Er hegte die Hoffnung, es würde sich noch etwas ereignen, das ihn die Entscheidung, diese Einladung angenommen zu haben, nicht am Ende eines langen Abends bereuen ließ. Natürlich hätte er der Aufforderung in dem Brief nicht folgen müssen, aber er war tatsächlich neugierig, warum ihn jemand ausgerechnet hier haben wollte. Noch sah er den Tod nicht, der bereits um eine Ecke spitzte.
Bennett befand sich auf einer der vielgerühmten Golden-Light-Partys von Justin Wentworth. Auf der Insel schien das Licht immer golden, doch Wentworth, ein Engländer, hatte vergessen zu erwähnen, dass seine Gäste das Motto nicht wörtlich zu nehmen brauchten. Einige der Herrschaften hatten es jedoch todesmutig auf ihre Garderobe bezogen.
Männer wie Wentworth könnte man im Vereinigten Königreich England einen Landlord nennen. Hawaii, die Inselkette im Pazifischen Ozean, war längst kein Königreich mehr, doch bei Gelegenheiten wie diesen konnte man dann und wann noch auf derartige Gedanken kommen. Macht und Geld nötigen einigen Menschen eben durchaus Respekt ab. Bennett gehörte nicht zu ihnen.
Logan Bennett, verflucht reich und dabei nicht einmal sonderlich glücklich, wanderte ein bisschen herum und stellte sein Glas samt dem vielfarbigen Inhalt irgendwo ab, wo das Hauspersonal es später mühelos wiederentdecken konnte.
Auf Hawaii trug man für gewöhnlich lockere Hemden, weil alles andere für diese Temperaturen nicht sonderlich geeignet war. Nach Anzügen musste man suchen, und Smokings fanden sich in den Ladengeschäften überhaupt nicht. Doch locker und leger hatte dieser Engländer nicht importiert. Wie dumm, sagte sich Bennett und hatte sich ausnahmsweise, um einmal der Konvention zu genügen, in einen Smoking gezwängt, obwohl man schon bei der geringsten Bewegung ins Schwitzen geriet.
Die Damen waren eindeutig im Vorteil, denn auf ihren Körpern durfte sich der Stoff zu einem Hauch verflüchtigen.
Statt des bunten Longdrinks hätte Bennett lieber ein simples kühles Bier getrunken, war sich aber nicht sicher, dass es das im Hause Wentworth gab. Zwischen Smokings und tiefdekolletierten Abendkleidern war an ein Bier wahrscheinlich nur zu denken.
Maui war ein County, aber kein Englisches. Also was sollte der ganze Unsinn? Bennett fuhr sich mit der Hand in den Nacken. „Gnadenlos“, murmelte er. Jemand winkte zur Begrüßung und Bennett erwiderte nickend den Gruß, obwohl ihm zu diesem Gesicht kein Name einfiel.
Eine Abendgesellschaft auf der nur das Besondere zählte. Aber der Gastgeber kannte sich damit aus, denn die Dame an seiner Seite war wirklich besonders. Patricia Borrow, blond, in einem langen dunkelblauen Seidenkleid, das ihre sensationellen Augen und jede ihrer verführerischen Kurven so absolut vollkommen zur Geltung brachte, dass es einem Mann bei gar nicht so genauem Hinsehen schon einen unangenehm feuchten Herrenslip bescheren konnte …
Bennett hatte genauer hingesehen.
Er versuchte, den Kloß in seinem Hals loszuwerden. Dieses Blond, dieses blau, ihre Augen und ihr federnder Gang weckten gut verwahrte Erinnerungen an seine verstorbene Frau Elena. Genau die Sorte Erinnerungen, der er heute Abend nach Möglichkeit nicht zu begegnen wünschte.
Sein Blick riss sich von der Dame in Blau los und wanderte hinüber zu Christina Schofield. Es war keine Überraschung, sie zu sehen, aber ein wenig seltsam konnte man es durchaus finden, wenn die ehemalige Angetraute von Justin Wentworth auf der Party ihres Exmannes auftauchte. Und ganz sicher fragten sich einige, wie man sich nach einer beendeten Beziehung und Ehe überhaupt noch ertragen konnte.
Die Zuneigung zwischen ihnen war echt, schloss Bennett. Den fragilen Anschein einer Verlassenen machte Christina nicht. Ob sie ihren Mann noch immer liebte, war allein ihr kleines Geheimnis.
Das zuckersüße Lächeln, das ihn gerade streifte, erwiderte Bennett nur insofern, dass er den Zucker wegließ. Mary-Ann soundso … er konnte sich ihren Künstlernamen einfach nicht merken. Ein Supermodel mit wahnsinnig langen Beinen. Sie wollte auffallen und tat es, aber nicht, wie sie es sich vorstellte. Sie packte gern Fremdwörter in ihre Sätze, was nicht weiter schlimm wäre, wenn sie sich dafür die passenden aussuchen würde.
Das Leben, das Schicksal oder beides verfügte meist über einen bestechenden Sinn für Humor, denn auch Stanton Nathan gab sich an diesem Abend die Ehre.
Der Präsident des Golfclubs auf der Insel, der für neue Mitglieder, wenn sie denn weiblich waren, gern seinen flachen Annäherungsschlag an die Fahne demonstrierte. Das Schicksal würde sicher auch nichts dabei finden, dass es Bennett bislang nicht gelungen war, seine Sympathien gleichmäßig zu verteilen. Das war beileibe nichts Neues, es gelang ihm nämlich nie.
Indira und Xenoe Kylman, beide mehr als nur einen Blick wert, sahen mit einem knappen Nicken in seine Richtung. Bennett war einige Male in ihrer Galerie in Wailea gewesen, und religiöse Kunst war so ungefähr das allerletzte, woran man bei diesen beiden dachte. Eher an Draculas verführerische Gespielinnen.
Allgemein war man der Ansicht, die Schwestern würden sich ausgesprochen geheimnisvoll geben, wahrscheinlich Teil einer cleveren Verkaufsstrategie. Heller Teint, blitzende hellblaue Augen, dazu schwarzes, glänzendes Haar.
Der Catering-Service bemühte sich unterdessen um einen reibungslosen Ablauf. Hawaiianische Spezialitäten suchte man allerdings in diesem reichhaltigen Speisenangebot vergeblich.
Im Augenblick wurden verschiedene Sorten Mousse in Weinkelchen gereicht.
„Ah, Bennett, haben Sie schon diese göttliche Passionsfruchtmousse probiert?“, wurde er gefragt.
„Vielleicht lasse ich mir damit noch ein wenig Zeit“, gab Bennett zurück. Wie spät war es? Was ihn daran erinnerte, dass die Zeit heute wirklich mit Herumtrödeln beschäftigt sein musste.
„Nein? Sollten Sie.“ Lionel Forbes klopfte Bennett ermunternd auf die Schulter und verfolgte das Tablett mit den Köstlichkeiten, als könne er sich nicht entscheiden, was er sich im Anschluss an die Passionsfrucht außerdem noch schmecken lassen würde.
An so manchem Abend hatte auch Bennett eine Vorliebe für Süßes, nur hatte das rein gar nichts mit etwas Essbarem zu tun.
Passion, das passte allerdings, denn Lionel Forbes war Verleger eines Frauenmagazins, aber selbst immer noch ohne Frau. Kein Wunder, wenn er ständig nur sein leibliches Wohl im Blick hatte. Lionel war ein zutiefst sympathischer Mann. Er sah nicht gerade umwerfend aus, aber er hatte Ausstrahlung. Das fehlte Don Summer gänzlich, und der schlenderte gerade lässig an Bennett vorbei.
Summer war ein unangenehmer Charakter mit einem unangenehmen Auftreten. Bennett kam zum Glück nicht allzu oft mit dem Schauspieler in Berührung. In seiner Gegenwart hatte man immer das komische Gefühl, Statist in einem Film zu sein.
* * *
Logan Bennett beschloss, eine kleine Runde zu drehen und sich ein bisschen zu unterhalten. Er kannte längst nicht jeden der geladenen Gäste, was er allerdings auch nicht allzu bedrückend fand. Viele der Leute kamen übers Wochenende auf die Insel oder blieben nur das Frühjahr und den Sommer über. Obwohl auf Maui konstante Temperaturen herrschen und es somit nicht wirklich einen Sommer gibt.
Malcolm Gentry, der sich sonst ähnlich rar machte wie Bennett, saß auf einer Steinbank im Garten und sondierte mit einem süffisanten Grinsen Lage und Leute. „Ha, nicht zu fassen!“, entschlüpfte es ihm und es klang, als wüsste er etwas, wovon sonst niemand eine Ahnung hatte.
Malcolm, ein Allgemeinmediziner, hatte sich auf Maui seinen Alterswohnsitz eingerichtet und betreute nurmehr Privatpatienten. Er wollte nicht einfach so das Handtuch werfen, wie er sich ausdrückte. Dieser Kämpfer hatte noch all seine Sinne beisammen.
Die Lockwoods waren in Bennetts und Malcolms Blickfeld aufgetaucht und der Doc wollte offenbar nicht für sich behalten, dass er den armen Frederick nicht gerade um seine resolute Angetraute beneidete, die ihm immer einen Schritt vorauseilte.
„Die Königin besteht darauf, dass er Polo spielt, dabei hat er einen Sitz, als würden Horden von Hämorrhoiden seinen Hintern bevölkern. Ach was, schlimmer!“ Was Malcolm damit sagen wollte, war so einfach wie deprimierend. Delila Lockwood hatte das Geld und Frederick, in mehr als einer Hinsicht der „Arme“, das Nachsehen.
„Es kann amüsant sein, das Geschehen um sich herum ein wenig zu beobachten“, offenbarte Malcolm Gentry und sah dabei aus wie ein Junge, der einen Streich ausheckte. „Sie machen den Eindruck eines Suchenden, Bennett. Was ist es? Wem oder was sind Sie auf der Spur?“, erkundigte er sich. Er war ein guter Beobachter, das gestand ihm Bennett zu.
„Ich hätte gern ein Bier, aber ich fürchte, diese Spur ist nicht mal lauwarm.“
„Da könnten Sie recht haben“, pflichtete ihm Malcolm bei und wünschte ihm Glück.
Glück war so eine Sache. Bennett glaubte tatsächlich daran, schaffte es aber trotzdem immer wieder, sich bei dessen unverhofftem Auftauchen gebührend zu wundern. Er erhob sich, nickte dem Doc kurz zu und verschwand über den Rasen. Vielleicht würde er es mal in der Küche versuchen.
Don Summer näherte sich gerade Justin Wentworths blonder Lady im blauen Seidenkleid. Begeistert wirkte sie nicht und höfliche Konversation mit dem Schauspieler zu pflegen war ohnehin …
„Zeitverschwendung“, meinte Bennett giftig. Dann sah er etwas, das ihm später wieder einfallen sollte - nur eine Kleinigkeit, doch irgendwie kam sie Bennett bedeutsam vor.
„Bennett, Darling“, klang es jetzt nahe an seinem Ohr und zuerst dachte er, jemand würde gleich seine zwar angebrachte, aber nicht sonderlich freundliche Äußerung kommentieren.
Er wandte sich langsam der Stimme zu. „Emilia“, sagte er erleichtert.
„Ihr Kummerbund ist hinreißend düster, ungefähr so wie Ihre Miene.“ Eine betagte ältere Dame hatte ihn angesprochen und ließ einen Finger beginnend an seinem Hemdkragen über seinen Arm streifen. Es wirkte, als wollte sie ihm zu verstehen geben, dass er nicht allein sei. Bennett trug einen weißen Smoking mit schwarzem Kummerbund und schwarzer Fliege. Er machte einen Diener und deutete einen Handkuss an. Emilia van Heuysen war eine Frau, die man schon allein deshalb nicht übersehen konnte, weil ihr Gesicht ganz offensichtlich an einem Tag modelliert worden war, an dem ein übel gelaunter Schöpfer auf das Tonabbild zu wenig Sorgfalt verwendet hatte. Sie war beileibe keine Schönheit, mit ihren engstehenden Augen und dem winzigen Mund, der irgendwo zwischen der langen Nase mit dem Höcker und dem Doppelkinn zu verschwinden schien. Der nach hinten gerutschte Haaransatz verzieh keine Stirnfalten. Sie war eine Frau weitab vom Begriff ansehnlich, aber die einzige, die Bennett kannte, die ihm mit einer Größe von 1,85 Metern ins Ohr flüstern konnte. Dafür beeindruckten ihr wacher Verstand und ihre einnehmende Art. Emilia war angenehm zurückhaltend, was Klatsch und Tratsch anging, obwohl Bennett bei seinen Nachforschungen so manches Mal auf ein wenig davon angewiesen war.
„Der ist so schwarz wie meine Seele, meine Liebe. Fragen Sie mich jetzt, was dort alles vor sich hin staubt?“, erkundigte er sich lächelnd.
„Ich dachte viel eher daran, Sie zu fragen, womit Patricia Ihr Interesse geweckt hat? Sie meiden ansonsten Partys wie diese ... zu meinem größten Bedauern.“ Emilia van Heuysens Blick wanderte zuerst kurz zu Patricia Borrow hinüber, ehe sie ihn mit ein wenig hochgezogenen Brauen ansah. Sie schien ein kleines bisschen weiter sehen zu können. Er hatte das eigenartige Gefühl, dass sie vielleicht gerade seine Gedanken erriet.
Dort spukte noch immer dieser kleine Brief herum. Bennett wäre vielleicht nicht hier, wenn er nicht gewesen wäre. Vielleicht ... denn womöglich wäre er aus Neugier trotzdem gekommen. Einem Mann stand Neugier nur nicht sonderlich gut zu Gesicht. Er würde Emilia die Wahrheit sagen, beschloss er. Allerdings würde es eine gekürzte Version der Wahrheit sein.
„Die Lady hat es mir ein klein wenig angetan, wie ich bekennen muss, Emilia!“ Damit war er mit Sicherheit hier und heute Abend nicht allein.
„Und ungefähr einem halben Dutzend anderer Männer“, bestätigte Emilia. „Obwohl ich nicht der Ansicht bin, dass auch nur einer ernsthafte Chancen haben dürfte.“ Sie fasste kurz nach seinem Arm. „Kennen Sie dieses Gefühl von Wärme, das einen einhüllt und zum Träumen verleitet? Und alle Welt spricht von Liebe. Ich frage mich, wovon zum Teufel die da reden. Aber vielleicht haben sie ja Patricia und Justin für sich entdeckt.“
„Und vielleicht ist genau das der Grund für den Kummerbund.“ Er wollte eigentlich scherzhaft klingen, aber es misslang gründlich.
„Tut mir leid“, sagte Emilia. „Erinnerungen können sehr schmerzlich sein. Weiden Sie sich noch ein wenig an diesem Anblick, ich würde meinen, dass Miss Borrow die Aufmerksamkeit der Herren nicht sonderlich zu genießen scheint. Sie sieht ein bisschen traurig aus.“
Und damit, fand Bennett, hatte die ältere Dame recht. Irgendwie lag heute Abend eine leise, melancholische Stimmung in der Luft. Außerdem hatte sich Emilia ganz sicher bereits mit Patricia unterhalten, alles andere wäre unfein gewesen, denn sie war die Lebensgefährtin des Gastgebers.
„Passen Sie auf sich auf, Logan Bennett. Sie sind einer von den honigsüßen.“
Bennett lachte. Er wusste, die ältere Dame meinte es todernst. Er küsste Emilias Wange und sie entschwand winkend. Sie würden sich sicher noch begegnen, später, morgen, in einer Woche. Auf Maui konnte man sich gar nicht aus dem Weg gehen. Auch wenn die Reichen gerne unter sich blieben. In ihren Strandhäusern, ihren Appartements.
Logan Bennett hatte immer schon gefunden, dass man sich an keinem Ort der Welt so einsam fühlt wie auf einer dieser Partys, die nur dazu da waren sich zu zeigen, mit etwas zu protzen und nebenbei ein paar Kontakte zu knüpfen.
Die Feste der Einheimischen waren um so vieles warmherziger. Hier draußen, umgeben von Oberflächlichkeit, konnte man auch an Unterkühlung sterben, darum war die Idee, Abendgarderobe zu tragen, vielleicht keine so schlechte. Er zupfte an seiner Fliege. Das Ding konnte unmöglich enger geworden sein.
Patricia Borrow. Wieder pendelte sich der Kompass seiner Gedanken auf sie ein, und als Nächstes fand sie auch Bennetts Blick.
Da war jemand der Ansicht, er müsste sich diese Frau näher anschauen. Um welche Entdeckung zu machen?, fragte er sich.
Ein Auftrag musste ihm nicht behagen, und es war kein Auftrag. Nur ein kleiner Schubs in diese Richtung. Das mit dem Auftrag würde sich vielleicht noch ergeben, denn er argwöhnte, die Person wäre heute auch auf dieser Party zu finden. Das keinesfalls billige Briefpapier deutete es an, aber Bennett hatte keine Lust, jeden zu mustern und nach verräterischen Blicken Ausschau zu halten.
Irgendwo lachte jemand ausgelassen. Er sollte sich endlich wenigstens ein bisschen auf die Stimmung einlassen. Sich umzuhören war sowieso ein Leichtes.
Als Logan Bennett nach dem Betriebswirtschaftstudium in Stanford und seiner Karriere bei der U.S. Navy die Leitung von Bennett Industries, dem Familienunternehmen, übernommen hatte, wurde ihm schnell klar, dass er diese Rolle nicht ernsthaft ausfüllen konnte.
Und als er sich dafür entschied, ein kleines Büro für private Ermittlungen aufzumachen, hatte ihn alle Welt, zumindest die seine, dafür belächelt. Ein Mann mit seinem Status, dem Einfluss, seinem Vermögen und seinen Verbindungen sollte sich nicht auf diese niedere Art und Weise in die Leben anderer Menschen verstricken lassen, hatte man ihm mehr als einmal gesagt.
Schon möglich, musste Bennett zugeben, dass er etwas leisten wollte, das nicht jeder zu leisten in der Lage war. Und genau das beinhaltete sein Angebot. Über das Warum hatten sich Freunde und Feinde seinerzeit die Münder zerrissen. Doch die dazugehörige Frage, ob er es wegen Elena tat, hatte er bislang für sich selbst unbeantwortet gelassen. Seine Frau war tot, und egal, was auch immer er tat, es würde sie nicht zurückbringen. Hier und jetzt forschte da eine Person nach einem Grund, weshalb sich eine junge, ausgesprochen hübsche Europäerin mit einem Mann im gesetzten Alter eines Justin Wentworth zu begnügen gedachte. Der Brief war anonym verfasst worden, obwohl es keines Aufwands bedurfte, herauszufinden, wer der Schreiber oder die Schreiberin war. Bennett tippte auf Letzteres.
Wentworth hatte Patricia auf einem Flug von New York nach Maui kennen gelernt, wie es hieß. Sie machte von Zeit zu Zeit Restaurierungen für die Kylman-Galerie in Wailea.
Da Wentworth seit Jahren geschieden war und allein lebte, war das keine große Sache, möchte man meinen. Die Leute machten sie nur dazu. Viele von denen, die heute hier waren und sich mit den Köstlichkeiten vollstopften, erzählten sich hinter vorgehaltener Hand, was für ein Esel der Mann war, der sich von einem jungen Ding derart bezirzen ließ.
Die andere Hälfte schwärmte selbst für die junge Circe, und nicht wenige würden ein paar Finger geben, um zu sehen, was Patricia heute unter ihrem Abendkleid trug.
Bennett hielt sich prinzipiell nur an seine eigenen Eindrücke.
Meinungen interessierten ihn nicht. Privatermittler mussten sich ohnehin ständig mit irgendwelchen Eifersuchts- und Betrugsgeschichten herumschlagen, aber auf diesem Feld betätigte sich Bennett ausgesprochen ungern.
Die meisten seiner Aufträge hatten sicherlich mit Betrug zu tun, und seinen Partner zu betrügen galt vor dem Gesetz nicht als kriminell. Firmen engagierten ihn, um zu erfahren, wie es um die innere Struktur bestellt war, oder um herauszufinden, wer Interna gewinnbringend an die Konkurrenz verkaufte, oder wem es gelungen war, Geld abzuzweigen.
Was ist der Unterschied?, durfte er sich fragen. Geschnüffelt wurde hier wie dort. Doch der eindringliche Ton des Briefes hatte ihn neugierig gemacht. Neugier, da war sie wieder, aber weil er sowieso eine Einladung in der Tasche hatte, durfte er nebenbei neugierig sein.
„Mr Bennett, wie schön, dass Sie die Zeit gefunden haben.“
Normalerweise war eine solche Begrüßung kaum der Rede wert, wenn nicht sogar Standard, doch Patricia Borrow hielt seine Hand ein wenig länger fest, als unbedingt erforderlich, und sah mit ihren umwerfenden Augen direkt in seine. Die Welt um ihn herum verschwamm ein klein wenig.
Er fing sich wieder. „Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, als wäre das die Wahrheit“, erwiderte Bennett schlicht.
„Und zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass jemandem an der Wahrheit gelegen ist“, gab sie zurück. Ein zartes Lächeln, das auch die Augen erfasste, erschien auf ihrem schönen Gesicht.
„Ich würde mich gerne ein bisschen unterhalten. Was meinen Sie, gehen Sie das Risiko ein?“
Sie stand jetzt so dicht bei ihm, dass er einen Hauch ihres Parfums riechen konnte. Wie gerne hätte er seine Hände in ihrem Haar vergraben, wie gerne ... er erstickte den Gedanken im Keim.
„Es riskieren, sich zu verbrennen?“, fragte er stattdessen. Es verlangte ihn wirklich nach einem schönen, kühlen Bier, sein Mund war so trocken wie ein durchgebratenes Steak.
„Das würde bedeuten, Sie haben Feuer gefangen.“ Ihr Lächeln war verschwunden und damit auch ein wenig die Lockerheit, wenn es sie denn überhaupt gegeben hatte. War das grade ein Flirt? Und sollte es das sein, wo würde es hinführen?
„Schauen Sie sich um, wer hat das nicht?“, erwiderte er.
„Das möchte ich gar nicht. Kommen Sie, Mr Bennett. Ich habe Lust auf ein Bier.“
„Da sprechen Sie mir aus tiefster Seele, und sagen Sie bitte nicht Mr Bennett. Ich bin Logan.“
„Patricia“, bot sie ihrerseits vor. „Aber ich nehme an, jemand, der Feuer gefangen hat, weiß das bereits.“
Sie machte einer der Angestellten ein Zeichen und kurz darauf brachte ein adrett aussehendes Mädchen in einer gestärkten, weißen Schürze zwei Gläser und zwei Flaschen samt Öffner auf einem Tablett.
Patricia nahm es entgegen und führte Bennett kurzerhand hinauf in den ersten Stock. Sie liefen einen breiten Gang entlang, der einen glauben machte, man könnte im Kreis laufen, dann übergab sie ihm das Tablett, schloss eine der Türen auf, steckte den Schlüssel auf der Innenseite zurück ins Schloss und bat ihn herein.
Er konnte sehen, dass sie den Schlüssel nicht wieder herumdrehte.
Sie zündete zuerst ein paar der in großen Glasbehältern bereitstehenden Kerzen an, öffnete anschließend die Biere und schenkte ihnen ein; es war ein heimisches Pils, wie Bennett erkannte. Eine satte Schaumkrone erhob sich langsam aus den Gläsern.
„Meine ganz persönlichen Räumlichkeiten.“ Sie breitete die Arme aus, wie um zu bekräftigen: das bin ich.
Bennett sah sich im Zimmer um. Man konnte es nur schwerlich ein Zimmer nennen. Der Raum war in verschiedenen Creme-, Blau- und Goldtönen gehalten, das Mobiliar war unübersehbar geschmackvoll und teuer. Das breite Bett nahm einigen Platz für sich in Anspruch, und darauf blieb Bennetts Blick einen Wimpernschlag länger hängen, bevor er sich wieder seiner Begleitung zuwandte. Sie musste es bemerkt haben.
Das Atmen fiel ihm schwer. Diese Frau übte einen Zauber auf ihn aus, der ihn vergessen ließ, dass sie zu dem Mann gehörte, in dessen Haus er sich gerade aufhielt. Er zwang sich dazu, sich weiter umzusehen. An einer Wand hing ein großer, verzierter Spiegel, seitlich davon stand ein zierlicher Sekretär an einer Wand, davor ein passender Stuhl. Gegenüber stand eine Spiegelkommode mit allem darauf, was Frauen für ihre Toilette benötigen.
Die Vorhänge schienen federleicht und breiteten sich über den Rand des Parkettbodens aus. Die Türen zur Terrasse hatten hohe Flügel und gestanden dem Raum keinerlei Enge zu. Tagsüber fluteten sicher Wärme und purer Sonnenschein durch sie herein.
„Sehr englisch“, bemerkte er. Sie nickte. Bennett konnte ihr Bild im Spiegel der Schminkkommode sehen.
Er stellte sich vor, wie die Bürste durch ihr seidiges Haar strich, sah sie Lippenstift auftragen, sah ihren Körper umhüllt nur von einem durchsichtigen Etwas ... geträumte Gedanken.
Das Kerzenlicht warf lange Schatten.
„Gehen wir auf die Terrasse. Wir sind zu spät, den magischen Blick hat leider die Dämmerung geschluckt“, sagte sie. Sensationell, hätte er ihr sagen können, er war Zeuge des herrlichen Sonnenuntergangs gewesen.
„Ihr Bier. Möchten Sie sonst noch etwas, Logan?“
Er hätte liebend gern mit „Unbedingt“ geantwortet, doch er sagte nur: „Danke!“
Sie gab ihm sein Glas, nahm ihres vom Tablett und ließ die andere Hand sanft in seine gleiten.
Was geschah hier?
„Patricia, ich bin nicht sicher, ob das klug ist. Auch wenn man mir so einiges nachsagt. Ich möchte nicht ... nein, das stimmt nicht, ich möchte sehr wohl. Sie sind eine faszinierende Frau.“ Er ließ alles andere ungesagt.
Sie beließ ihre Hand dennoch in der seinen, wandte ihm ihr Gesicht zu und überraschte ihn mit einem Kuss, so zart, schmetterlingsgleich, dass eine Reaktion, irgendeine Reaktion, noch dazu mit dem Glas in der Hand, ziemlich unmöglich war, oder aber eine echte Herausforderung.
Er nahm sie nicht an.
„Und ich muss mit dir reden, Logan.“ Patricia glaubte zurecht, dass ein Kuss die Situation veränderte, vertrauter machte. Eine förmliche Anrede wäre lediglich eine Barriere gewesen und es gab schon genug, was einem im Wege stand.
„Ich wollte dich um etwas bitten. Du lauerst nicht wie die Anderen dort unten auf … ich weiß selbst nicht so recht worauf, aber es kommt mir vor, als würden sie jeden meiner Schritte verfolgen. Ich werde vielleicht deine Hilfe brauchen. Es gibt da ein Rätsel, das ich nicht auflösen kann. Und könnte ich es, gefiele mir bestimmt die Antwort nicht.“
Ein Rätsel war nur so ausgeklügelt wie sein Erfinder erfinderisch. Und Bennett mochte Rätsel. Nur behagte ihm Patricias ängstlicher Unterton nicht. Er spürte die Berührung ihres Mundes so intensiv, als wäre es nicht nur ein flüchtiger Kuss gewesen, nicht nur eine bloße Versicherung von gefasster Zuneigung.
Er war Patricia Borrow schon vorher einige Male begegnet. Es gab alle naselang irgendwo eine Party oder diverse andere Veranstaltungen, doch bisher hätte er nicht sagen können, dass sie ihn bei einer dieser Begegnungen überhaupt zur Kenntnis genommen hätte.
Bennett und Patricia stellten ihre Gläser auf den kleinen Tisch und setzten sich einander gegenüber. Diesmal fanden ihre Hände auf dem kühlen Marmor zueinander.
Sie bemerkten keine Sekunde, dass es da jemanden gab, der ihnen nachgegangen war, jemand, der für kurze Zeit die Lampen im Gang ausgeschaltet und die Tür gerade so weit geöffnet hatte, dass es von draußen keinen Lichtschein gab. Dieser jemand bemühte sich gerade, jedes Wort zu hören, das dort draußen gesprochen wurde.
Logan Bennett sah sie an und wartete. Patricia gehörte zu den Frauen, die man ewig anschauen konnte, ohne jemals genug gesehen zu haben. Aber mit derlei Gedanken sollte er wirklich vorsichtiger sein.
„Da hast du ausgerechnet mich ausgesucht, dabei fürchte ich, dass gleich der Boden unter meinen Füßen zu schmelzen beginnt.“ Er schenkte ihr sein einnehmendstes Lächeln. - „Emilia van Heuysen bemerkte vorher, wie traurig du heute Abend aussiehst. Nach dem Kuss teile ich ihre Ansicht.“
„Es ist so viel passiert und ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Ich habe mich haltlos in Justin verliebt“, bekannte sie. „Ich kam mit ihm hierher und es ist wunderschön, Maui ist wunderschön, aber ob es der ideale Platz ist, um sich seiner Gefühle sicher zu sein? Es gibt schlimme Fehler, die man begehen kann und so vieles im Leben ist bloßer Schein“, sagte sie und ihre Mundwinkel senkten sich.
Bennett begann nicht erst jetzt, sich unbehaglich zu fühlen. Er sollte sie fragen, was es war, das sie ihm unbedingt sagen musste, denn aus ihren Andeutungen konnte selbst er kaum Brauchbares herausfiltern.
„Ich habe einige Zeit in New York gearbeitet. Ich restauriere alte Gemälde, vielleicht sagt dir Henry Clay Frick etwas?“ Patricia klang unsicher, schwenkte vom tatsächlichen Leben auf sicheres Terrain - ihren Job.
Bennett war sich nicht klar, ob sie darauf eine Antwort brauchte oder wollte. „Ein Großindustrieller und Kunstsammler aus Pittsburgh; mein Vater war zwar immer der Ansicht, dass solche Leute die restliche Welt auf diese Art vieler Schönheiten berauben, aber er selbst zeigte sich auch nicht gerade abgeneigt, wenn es darum ging, Bilder oder Statuen zu kaufen - obwohl Frick und mein Vater von Kunst und Künstlern ganz unterschiedliche Auffassungen hatten.“
„Frick hatte einen wirklich erlesenen Geschmack“, erklärte sie beinahe schwärmerisch.
„Eben“, sagte Bennett.
„Fricks Wohnhaus wurde 1935 in ein Museum umgebaut. Ich hatte die Ehre, einen Rembrandt zu restaurieren. Es war ein Selbstbildnis und an dieses Bild erinnert mich die ganze Situation. Sein kritischer, beobachtender Blick, das stille Missfallen, in dem man auch versteckten Zorn sehen könnte. Ich habe Angst, Logan ... Angst, vor den Augen, hinter denen keine Seele wohnt, Angst vor dir, weil du das Falsche glauben könntest, Angst vor meiner Entscheidung. Du hast recht, der Boden scheint ein klein wenig zu schmelzen und der Kuss ... er war ehrlich!“
„Ich weiß.“ Bennetts Gedanken jagten einander und fanden trotz allem den gemeinsamen Nenner nicht. Was wollte sie ihm sagen? Es klang so absolut verschlüsselt, dass er sich keinen Reim darauf machen konnte. Und schon zum x-ten Mal kam ihm der Brief in den Sinn. Zeit, in der Richtung einmal nachzuhaken, fand er. Das Bildnis, von dem sie gesprochen hatte, zeigte Rembrandt als orientalischen Fürsten und Bennett versuchte gerade, es in seine Erinnerung zurückzuholen. „Meine Sicht auf die Dinge wäre eine andere, auf mich machte der Rembrandt auf dem Gemälde immer einen eher zögerlich-unsicheren Eindruck. Du meinst, alle dort unten begutachten und bewerten dich. Auf die eine oder andere Art tun sie das auch“, bestätigte Bennett. „Sie wissen noch nicht so recht, ob sie sich auf dich einlassen sollen, oder ob du morgen bereits wieder fort sein wirst - nur eine Episode.“
„Fragst du, ob ich bleibe? Logan, ich weiß es nicht, möglich, dass ich wirklich nur eine Episode sein werde.“
Das war ein Stück Privates, mit dem Bennett nicht gerechnet hatte. „Auf Partys wie diesen kommen nicht ausschließlich Freunde zusammen. Ich würde es eher jede Menge Bekannte nennen, doch wer was ist, weißt du besser zu beurteilen. Ich bin nicht so eng mit Justin.“ Und das war er tatsächlich nicht. Überhaupt nicht.
„Ich vermute, man sieht nur, was man sehen will. Eine, die sich Justin Wentworth geangelt hat. Ihr Motiv: Geld natürlich“, meinte Patricia. „Vielleicht bin ich ja auch nicht so eng mit Justin. Ich bin nur ich selbst.“
Sie will mich das absichtlich nicht verstehen lassen, hatte Bennett das Gefühl. „Wir sollten wirklich einen Schluck trinken, sonst wird das schöne Pils schal. Worauf?“ Bennett nahm sein Glas und wartete.
„Auf ein ereignisreiches Hindernisrennen, und darauf, dass die letzte Hürde nicht allzu hoch ausfällt!“ Ein eigenartiger Glanz spielte in ihren Augen. Es war ihr ganz persönlicher Toast. Sie trank und setzte das Glas wieder ab.
Ihre Finger fanden erneut die seinen, verschränkten sich ineinander; ihr Lächeln hätte einem die Welt bedeuten können. Aber Bennett wusste, dass er dieses Spiel unmöglich gewinnen konnte.
„Dabei ist sie eine reiche Europäerin mit Stammbaum“, sagte Patricia und knüpfte damit an die letzte Bemerkung an. „Ich dachte nur nicht, dass man so unfein ist, das bei jeder sich bietenden Gelegenheit in die Prärie hinaus zu posaunen.“
„Man ist tatsächlich so unfein“, sagte Bennett.
„Gehört es wirklich zum guten Ton, sich derart anzubiedern? Ich möchte doch nur, was allen anderen auch zusteht - ein bisschen Akzeptanz.“
„Ich muss der Europäerin sicher nicht sagen, dass eine Menge Geld nicht gleich reich, und Abstammung nicht gleich Stammbaum ist.“
„Nein, musst du nicht. Im alten Europa herrscht ohnehin die Meinung vor, nur wer seine Vorfahren bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen kann, hat wirklich einen Stammbaum. Das heißt, wenn der Name der Richtige ist. Justin pocht auf die Familienbande und die Linie des Blutes - vor allem darauf.“ Es klang bitter.
„Es ist nicht nur Justin. Wir reichen Kerle sind ein Haufen elitärer Snobs und auch noch stolz darauf. Und ich glaube, es war Albert Einstein, der sagte, wenn wir es nicht endlich schaffen, aus uns in diesem Jahrhundert bessere Menschen zu machen, dann hätten wir es nicht anders verdient, dann soll uns alle der Teufel holen.“ Wen oder was verteidigte er hier?, fragte sich Bennett.
„Gegen den Teufel habe ich mich gewappnet, und mancher würde sagen, der Teufel lebt in New York. Außerdem hörte ich, Logan Bennett, der private Ermittler grübelt über die Probleme anderer Leute. Bist du böse, wenn ich dabei an Magnum denken muss?“
„Magnum“, wiederholte er ungläubig. „Die Serie aus den 80ern? Und für die Grübelei wird man immerhin gut bezahlt“, räumte er ein.
„Der Privatdetektiv, ja. Aber Thomas Magnum musste sich dringend etwas verdienen, über Mr Bennett erzählt man sich dagegen, dass er stinkreich ist, und ihm das Geld anderer Leute nicht das Geringste bedeutet. Ich habe mich mit Emilia van Heuysen unterhalten, sie ist eine wirklich liebenswerte Dame. Sie hält große Stücke auf dich und sie sagte: ‚Ich würde diesem Mann jeder Zeit meine Unschuld anvertrauen, ich fürchte nur, er würde das Angebot prompt ausschlagen.'“
Bennett lachte. „Die gute Emilia.“
Stimmen und die Geräusche der Party drangen vereinzelt zu ihnen herauf. Beiden war bewusst, dass sie die Unterhaltung irgendwann beenden und wieder hinuntergehen mussten.
„Mr Bennett ist tatsächlich stinkreich, Madam, aber Geld ist nicht alles im Leben - wie einfach, das zu sagen, wenn alle Konten satt und prall sind. Erzählst Du mir jetzt etwas über deine Zeit in New York? Von deinen Teufeln.“
Er wollte unbedingt mehr erfahren und das nicht nur, weil es da eine Person gab, die glaubte, ein Brief würde ihn veranlassen etwas zu unternehmen. Wie auch immer, er sollte sich die Frage stellen, ob er gerade nicht ausgerechnet darauf reagierte?
„Das sollte ich wirklich. Weil es vielleicht noch eine Rolle spielen wird.“
„Patricia …“ Bennett wollte sie fragen, worum es ihr ging und wozu diese Verschlüsselungen nötig waren.
„Nicht jetzt, Logan. Bitte, hör mir nur zu. Einer dieser Teufel begegnete mir im Central Park mit einer Skimaske über dem Gesicht. Er verletzte mich mit einem Messer schwer, ich lag einen Monat in einer Klinik, danach kam die psychologische Betreuung. Daraufhin habe ich mir eine Pistole besorgt; einen Deringer. Im 19. Jahrhundert hieß es von dieser Waffe, sie passe sogar in das Strumpfband einer Dame.“ Patricia war anzumerken, wie schwer es ihr fiel, Bennett den Überfall und die Folgen anzuvertrauen. Hatte sie Angst, es würde wieder passieren? Warum erwähnte sie den Deringer?
„Ich kenne diese Waffen, aber man muss nahe an jemanden heran kommen, um ihn damit ernsthaft zu verletzten.“ Oder zu töten, fügte er stumm hinzu. Mit einem Deringer wurde im April 1865 Abraham Lincoln im Ford's Theater in den Kopf geschossen.
„Manches Mal träume ich noch davon.“ Patricia dachte dabei natürlich nicht an Abraham Lincoln. Sie trank von ihrem Bier und Bennett konnte sehen, dass ihre Hand leicht zitterte.
„Wozu brauchst du den Deringer? Wozu brauchst du ihn hier? Auf Maui ist es selbst nachts längst nicht so finster wie in den Straßen von New York.“
„Es sind nicht die Straßen, es sind meine Gedanken.“
Sie hatte es angeschnitten, vorher. - Privatermittler grübeln über die Probleme anderer Leute. Gerade würde er aber verdammt gern mehr hören als nur ein paar kleine Ausschnitte aus einem Ganzen.
„Auf Partys trifft man jede Menge Leute, man unterhält sich, aber man redet nicht miteinander. Ich muss ernsthaft mit jemandem reden, Logan“, sagte Patricia. „Bitte.“
Doch was Logan Bennett am meisten beunruhigte, war das flehende „Bitte“ am Ende des Satzes. Sie hatte auch zuvor schon um etwas gebeten. Allmählich wurde ihm richtig mulmig. Hier und jetzt würden sie nicht reden können, jedenfalls nicht über das, was sie so bedrückte. „Sag mir wann und wo, und ich werde dort sein.“
„Die Keawalai Kirche, Mittwoch, 14.00 Uhr.“
„Willst du mir nicht wenigstens einen Hinweis geben, was dir solche Sorgen macht? Ansonsten sehe ich mich gezwungen, bis Mittwoch den Atem anzuhalten, und heute ist erst Samstag.“ Bennett stimmte dem Verfasser des Briefes allmählich zu - es gab etwas, das im Hintergrund lauerte. Nur der Schreiber, er oder sie, dachte damit bestimmt in eine völlig andere Richtung.
Bennett hatte etwas übrig für Geheimnisse, aber nur, solange er auch in der Position war, sie aufzudecken. Bei Patricia Borrow hatte er rein gar nichts in der Hand und sie gab ihm auch nichts, womit er etwas hätte anfangen können.
„Das zumindest schulde ich dir“, sagte sie zögerlich „Was, wenn die Versuchung Christi wieder aufgetaucht wäre?“
„Womit wir wieder beim Teufel sind, hab ich Recht?“, meinte Bennett. Verdammt!
„Zu so manchem bedarf es nicht einmal des Teufels. Also, Mittwoch.“ Sie drückte seine Hand.
„Mittwoch“, bestätigte er, und dann ... „Du könntest mich noch einmal küssen.“ Das war keine Variante, eine Situation zu entspannen, so viel war ihm klar.
Sie strich mit ihrer Hand über seine Wange, die Bewegung war unendlich vorsichtig. Dann drückte sie zwei Finger an ihre Lippen, um den Kuss an seine weiter zu geben.
„Ich danke dir, Logan Bennett.“
Bennett war heiß geworden unter seinem Smoking.
Er schaffte es ohne einen Blick zurück den Treppenabsatz als Erster zu erreichen. Es war ein Abschied gewesen, zumindest für diesen Augenblick - und Bennett würde noch oft daran erinnert werden.
Es sollte das letzte Mal sein, dass er in Patricias Augen gesehen und darin sein Spiegelbild erkannt hatte.
* * *
Im Garten waren jede Menge Stühle aufgebaut worden, sie standen mit den Rückenlehnen zueinander. Dieses Arrangement gehörte zu einem Spiel, das sich die Reise nach Jerusalem nannte. Alkohol war bereits reichlich geflossen, die Zeit hatte ihren Beitrag geleistet und der Sinn für Gediegenheit sich irgendwann im Laufe des Abends in Luft aufgelöst.
Dutzende Lampions erhellten den Rasen rundherum, sie passten hervorragend zu der bunt gemischten Gesellschaft.
Die große Standuhr in der Halle schlug gerade Mitternacht. Die Musik wurde dem Spiel angepasst, die Leute liefen um die Stuhlreihen herum und mussten, sobald der Song unterbrochen wurde, zusehen, einen Platz auf einem der Stühle zu ergattern. Natürlich gab es bei jeder Runde einen Stuhl weniger und wer am Ende übrig blieb, gewann eine Magnumflasche Champagner.
Bennett fand es einen wirklich scharfsinnigen Hauptgewinn.
Ninny Cayton versuchte, Don Summer so nahe wie möglich zu sein, und Delila Lockwood packte ihren Ehemann am Ärmel, um ihn schnellstmöglich von diesem dummen, kindischen Spiel wegzubekommen. „Frederick, bitte!“, nörgelte sie mit gefährlich gefletschten Zähnen.
Bennett sah sich das Spektakel aus sicherem Abstand an. Er hatte keine Lust sich anzuschließen.
Patricia wurde gerade von einer der Kylman Schwestern an der Hand gefasst und mit in die lachende Runde gezogen. Bennett konnte ihren Gesichtsausdruck nicht sehen. Das zuvor erwähnte Hindernisrennen kam ihm in den Sinn, dann wandte sie den Kopf und ihr Blick fand seinen. Er konnte in ihrer Miene lesen, dass es ihr genauso ging.
Die Herrschaften nahmen Aufstellung, der Rundlauf konnte beginnen. Während mit allerhand Kraftausdrücken um sich geworfen wurde und einige Damen sich heillos in ihrer Abendgarderobe verhedderten, tauchte Justin Wentworth plötzlich an Bennetts Seite auf. Älter als Logan Bennett, aber aus Bennetts Sicht ein attraktiver Mann, mit leicht ergrauten Schläfen und einigen helleren Strähnen, kaum auszumachen im blonden Haar. Selbstsicher, ein großer, schlanker Typ, der sich fit hielt.
Junge Frauen bewirkten eine solche Verwandlung, nur dass Wentworth` Erscheinungsbild sich nicht verändert hatte, seit Bennett ihn vor Jahren kennengelernt hatte. Der Mann hatte keine Verwandlung nötig.
„Logan, ich habe Sie den ganzen Abend noch nicht zu Gesicht bekommen“, sagte er.
„Ich Sie auch nicht, Justin.“ Das ergab ein Patt. Bennett mochte Wentworth, dennoch fühlte er sich nicht genötigt wegen des Zusammenseins mit Patricia ein schlechtes Gewissen zu haben.
Justin Wentworth erkundigte sich, ganz der Gastgeber: „Gar keine Lust, sich ins Getümmel zu stürzen?“ Er deutete lachend auf das Geschiebe und Gezerre vor ihnen auf dem Rasen.
„Nein danke, ich fürchte, ich bin gnadenlos im Rückstand - einen Red Sunset und ein Bier. Ihre wunderbare Lady war so freundlich, eines für mich aus Ihrer privaten Kühlung zu stibitzen.“ Bennett beschloss, zumindest in dieser Hinsicht offen zu sein.
„Meine wunderbare Lady ... ja, das ist sie!“ Sein Lächeln hätte jedem verraten, wie ernst es dem Mann war. Bennett wollte es nicht wissen.
„Wie laufen die Geschäfte?“, erkundigte sich Wentworth. „Es fällt mir schwer, in Ihnen einen Schnüffler zu sehen.“
„Danke, ich kann nicht klagen, die Auftragslage ist ganz gut.“ Das war zu dämlich, er hätte auch etwas anderes sagen können, zum Beispiel dass Patricia sich offenbar etwas von der Seele reden wollte und sich darum mit ihm verabredet hatte. Das wäre nur genauso dämlich gewesen.
„Ich komme über die Runden“, erklärte Bennett, was Wentworth ein wissendes Lachen entlockte.
„Logan, denken Sie nicht hin und wieder daran, ein bisschen Gefühl zu investieren? Und damit meine ich nicht die Arbeit.“
Hoppla, jetzt drohte Glatteis. Bennett sah auf sein Schuhwerk und befand es für nicht gerade passend, um sich damit aufs Eis zu wagen.
„Ich setze stets auf Gefühl“, antwortete er. Selten schien es ihm so treffend.
„Ja, ich sehe schon …“, begann Wentworth, wurde jedoch unterbrochen. Die Musik hatte nicht aufgehört, der Spaß an der Sache verflüchtigte sich nur gerade. Das imaginäre Reiseziel schien niemanden mehr zu interessieren, stattdessen standen alle herum und gafften.
Don Summer zerrte an Patricia. Der Mann war angetrunken, was nicht nur die schleppende Sprache verriet. „Du hast mich doch angemacht, Schätzchen, ein bisschen spielen. Dann komm her, hier hast du was zum Spielen!“ Er riss den Reißverschluss seiner Smokinghose auf, packte grob ihre Hand, schob sie in den offenen Hosenschlitz und legte sie sich zwischen seine Beine.
Bennett wurde speiübel. Er schaute auf Wentworth. Was war mit Justin los, weshalb unternahm er nichts? Er konnte doch nicht einfach nur zuschauen und sie allein lassen.
Patricia ließ es zu, dass Summer ihre Hand drehte und an Ort und Stelle angekommen, drückte sie kraftvoll zu. Er johlte auf, sein Gesicht war vom heftigen Schmerz verzerrt. Don Summer sank auf dem Rasen zusammen. „Miststück“, krächzte er.
Patricia erwiderte eisig: „Das Vergnügen war ganz meinerseits, Mr Summer.“ Sie wandte sich ab, dabei strich sie erfüllt von Ekel über ihre Handinnenflächen und wischte sie am Kleid ab. Bennett wollte nicht wissen, was sie abgewischt hatte. Er schluckte schwer und biss sich auf die Innenseite der Wange, um nicht zu schreien. Nicht deine Party, erinnerte er sich. Nicht deine Frau. Am liebsten hätte er Summer gepackt und … er hatte eine Hand zur Faust geballt. Nicht dein Gast, ermahnte er sich.
Patricia straffte sich und ging zurück ins Haus, äußerlich ganz Herrin der Lage. Bennett sah Justin an, der endlich aus seiner Lethargie zu erwachen schien und über den Rasen auf Don Summer zustürzte. Summer war leichenblass geworden und wohl auf einen Schlag wieder ernüchtert.
Wentworth, bemüht ruhig zu bleiben, schob Summer die Arme unter die Achseln und hob ihn auf einen der verbliebenen Stühle. Er legte einen Finger unter Summers Kinn, so dass dieser ihn ansehen musste. „Sie sind hier nicht länger erwünscht. Und sehen Sie bitte davon ab, mir die Arztrechnung wegen ihres kleinen Problems zu schicken, da ich nicht gedenke, auch nur einen Cent an ein Arschloch wie Sie zu verschwenden.“
Dafür wurde er von seinen Gästen beklatscht, die nicht zu wissen schienen, wie man reagieren sollte. So standen sie einfach da und patschten in einem wilden Rhythmus die Handflächen aufeinander.
Ninny Caytons Miene war absolut starr, und einen Augenblick dachte Bennett daran, dass Liebe tatsächlich blind machen konnte. Ihr fiel nicht einmal ein unpassendes Fremdwort für das Malheur ein. Du bist gemein, wusste er.
Bennett erinnerte sich, dass Summer, dessen markantes Gesicht man auf gewisse Art attraktiv nennen konnte, als Schauspieler irgendwann ziemlich erfolgreich gewesen war, doch Erfolge waren in der Regel flüchtig, man konnte sie nicht festhalten. Vor Jahren spielte er die Hauptrolle in einer Serie, die zwar immer noch im Fernsehen lief, sich aber nicht mehr allzu großer Beliebtheit erfreute.
Man erzählte sich seit längerem, dass er zu viel trank und seine Schulden ihn langsam aber sicher auffraßen. Er tauchte aber nichtsdestotrotz auf sämtlichen Gästelisten auf. Und bis zum heutigen Abend war er ein unauffälliger Partygast gewesen. In Zukunft würde niemand, der etwas auf sich hielt, Summer mehr zu irgendetwas einladen.
Obwohl, vielleicht war auch das Gegenteil der Fall. Ein Eklat dieser Größenordnung, was für eine Geschichte! Die Story ließ jedenfalls genügend Spielraum für wilde Spekulationen.
Bennett sah es in den Gesichtern der Umstehenden. Ein Kaleidoskop der Gefühle. Neugier, Spott, Schadenfreude.
Mitleid allerdings war da nicht unbedingt zu entdecken. Noch nicht einmal Ninny Cayton brachte dieses Kunststück fertig.
„Lassen Sie sich bitte nicht stören. Sie entschuldigen mich?“, wandte sich Wentworth an seine Gäste. Er gab den Angestellten Anweisung, Summer schnellstmöglich zu entfernen.
Bennett zollte ihm für seine kühle Reaktion Respekt, verstehen allerdings konnte er sie nicht. Er hätte diesem Kerl gern sämtliche Zähne eingeschlagen. Vor allem aber hätte Bennett in diesem Moment viel darum gegeben, zu wissen, wie es Patricia ging. Ein Wunsch, dem er nicht nachgeben durfte.
Justin war anderer Ansicht, wie er ihn vorher hatte wissen lassen. Doch als er Bennett auf seine Investition von Gefühlen ansprach, hatte er nicht ahnen können, dass der, wenn überhaupt, Patricia im Blick hatte, sonst würde sich sogar Justins Zurückhaltung des heutigen Abends in Luft aufgelöst haben.
Justin Wentworth ging an Bennett vorbei, um nach Patricia zu sehen. Sorge zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Bennett konnte sich vorstellen, was sie jetzt empfand. Nach ihrem Gespräch konnte er das tatsächlich. Es musste ihr so vorkommen, als hätten sich all ihre Ängste in diesen wenigen Minuten bewahrheitet - dass für Don Summer jeder Schritt eine Pein war, dürfte für sie nicht wirklich ein Trost sein.
Justin hatte vollkommen recht, der Typ war ein Arschloch und da mochte die Kinderstube noch so gut sein, dafür gab es keine andere Bezeichnung.
Malcolm Gentry kam über den Rasen auf Bennett zu. „Die arme Kleine. Wir könnten uns zusammentun und dem Kerl eins überbraten. Was halten Sie davon?“
„Ich bin dabei ... wenn er nach diesem Zugriff überhaupt noch so etwas wie ein Kerl sein kann“, sagte Bennett.
Gentry schmunzelte. „Wie ein Mann hat der für mich ohnehin noch nie ausgesehen!“, meinte er naserümpfend. „Ach, tut mir leid. Es war bislang ein richtig erfrischender Abend - bis auf die Temperatur meine ich.“
„Na, ihr Beiden, was brütet ihr aus? Die Errettung der Jungfrau?“ Christina Schofield gesellte sich, eine dicke Zigarre schmauchend, zu den Männern.
Bennett musterte die Dame mit ihrer Zigarre und fand das Bild nicht allzu stimmig. Christina trug eine lange, gesträhnte Bob-Frisur in Platinblond, dazu dezentes Make-up, und einen Hosenanzug in reinstem Weiß, der ihre schlanke Figur wunderbar zur Geltung brachte. Die ehemalige Frau an der Seite von Justin Wentworth wirkte jugendlich, ohne es wahrscheinlich zu beabsichtigen.