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© 2013 (Erstauflage), Claus Bernet

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http://himmlischesjerusalem.wordpress.com

Berlin, 30.1.2017 (7. Aufl.)

Herstellung und Verlag:

Bod - Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-8482-9621-7

Glasfenster: Tore zum Himmel

Arbeiten aus Glas zählen zu den schönsten Kunstwerken überhaupt, die das Himmlische Jerusalem zeigen. Das liegt wohl daran, dass die Künstler mit diesem Material mehr Möglichkeiten und Freiheiten besitzen als bei Stein- oder Textilarbeiten und natürlich an dem Licht, das Glaswerke in einer Helligkeit präsentiert, die gut zum Thema des Neuen Jerusalem passen. Unzählige Kathedralen, Kirchen und Klöster besitzen Werke mit dem Himmlischen Jerusalem, vor allem in Deutschland, aber auch Frankreich (Clermont-Ferrand! Languidic!) und Großbritannien (Salisbury! Sheffield! Alne!).

Neben Maria und dem Gekreuzigten zählt Jerusalem sicher zu den beliebtesten christlichen Motiven überhaupt. Und trotzdem fehlt bis heute eine wissenschaftliche Arbeit zum Himmlischen Jerusalem aus Glas! Diese Sammlung möchte erst einmal eine kleine Auswahl von besonders schönen oder wertvollen Arbeiten aus ganz Europa vorführen und würdigen. Im Gegensatz zu vielen anderen Kunstwerken haben Glasfenster in Kirchen zusätzlich den Vorteil, dass sie meist öffentlich ohne viel Aufwand besichtigt werden können.

Aus der Antike ist keine Darstellung mit dem Thema Jerusalem in Glas überliefert. Mittelalterliche Darstellungen des Himmlischen Jerusalem in Glas waren nicht gerade häufig, so dass die Kathedrale zu York diesbezüglich einen besonderen Glücksfall darstellt. Im Zuge der Marienverehrung wuchs dann das Interesse an einer Jerusalemsdarstellung als Stadttor oder als Civitas Dei ab dem 16. Jahrhundert merklich an. Eine überaus große Zahl von Künstlern hat schließlich im 20. Jahrhundert das Himmlische Jerusalem in Glas dargestellt, darunter qualitative Arbeiten von Heinz Borchers, Wilhelm Buschulte, Adolf Saile – mit vielen dieser Künstler war ich in den letzten Jahrzehnten im Austausch, um etwas mehr über die Herstellung und Intention der Fenster zu erfahren.

Es gibt heute in ganz Westeuropa so gut wie keine Stadt, in der sich nicht doch ein Himmlisches Jerusalem in Glas finden lässt. Nach dem Zweiten Weltkrieg bot die Apokalypse verständlicher Weise ein Interpretationsangebot für das eigene Leid, und später folgten unterschiedliche Konjunkturen angekündigter Endzeiten und Weltuntergänge. Kunst spiegelt eben stets ihre Zeitstimmung, und das Erfreuliche am Thema ist, dass das Neue Jerusalem ein überaus positiver, schöner und glücklicher Endpunkt ist, der keinerlei Schrecken, sondern Hoffnung und Zuversicht ausstrahlt. Tausende von Kirchenfenstern auf der ganzen Welt belegen dies.

Bild 1

Bild 1: Die Kathedrale zu York (das York Minster) ist geradezu überzogen mit Glasfenstern der verschiedensten Motive. Im Hauptschiff wurde durch John Thornton aus Coventry 1408 das Great East Window fertiggestellt. Es gilt heute als größtes gotisches Glasfenster der Welt, welches heute noch unbeschadet erhalten ist. Im Zentrum sitzt Gott oder Christus (Identität nicht abschließend geklärt) auf einem goldenen Thron, während ein Engel mit einem Stab die heilige Stadt ausmisst. Sie ist weißfarben gehalten, da sie aus Kristall bestehen soll. Weitere Engel musizieren im Hintergrund. Um die Stadt sind unten traurige Gestalten gruppiert, die in der Hölle oder dem Fegefeuer schmoren, darunter auch jüdische Gelehrte und Rabbiner.

John Toy: A guide and index to the windows of York Minster, York 1985.

Thomas French: York Minster: The great east window, Oxford 1995.

Bild 2

Bild 2: Eines der ältesten erhaltenen Fenster mit einer Darstellung des Neuen Jerusalem stammt von etwa 1493 und findet sich in der anglikanischen Gemeindekirche St Michael and All Angels’ Church zu Thornhill in West Yorkshire. Ausgeführt wurde es von einer Yorker Werkstätte. Das Ostfenster besteht aus fünf Schmalfenstern und einem Flechtwerk aus Oberlichtern. Es befindet sich in der Savile-Kapelle einer Adelsfamilie, die dem Chor nördlich hinzugefügt wurde. Überwiegend hat man weißes Glas oder eine feinhaltige Silberlegierung verwendet, die dem Fenster einen luziden Charakter verschafft. Zu Fuß des Fensters stehen die Toten auf, die von den Trompeten der Engel zum Letzten Gericht geweckt werden. Dieser steht auf einer ornamentierten Mauerkante des Neuen Jerusalem.

David Dungworth: St. Michael's and All Angels' Church, Thornhill, Dewsbury, West Yorkshire, Portsmouth 2011.

Bild 3

Bild 3: Im 16. Jahrhundert wurde das Neue Jerusalem im Rahmen der Marienlitanei dargestellt, nämlich in Form der zweitürmigen Himmelspforte (links oben) und der burgartigen Stadtanlage Civitas Dei (unten). Das Beispiel stammt aus der Pfarrkirche Montfort l’Amaury in Yvelines aus dem Jahre 1574.

Laurence de Finance: Montfort-l'Amaury. Les verrières de l'église paroissiale Saint-Pierre, Paris 1994.

Bild 4

Bild 5

Bild 4: Auch für ein Glasfenster wurde einmal die Jerusalems-Version von Marten de Vos (1532-1603) herangezogen. Linard Gontier (1565-1642) kopierte sie 1623 für eines der Fenster in der Katechismuskapelle der Kathedrale Saint Pierre et Saint Paul in Troyes. Sie befindet sich als Civitas Dei mit drei prächtigen Renaissancetoren im Vordergrund direkt unter der Marienstatue, während die Pforte (Bild 5) als offenes Stadttor gesetzt wurde. Durch die Schräge gelingt es, eine ungewohnte Perspektive zu gewinnen, die für dieses Sujet einmalig sein dürfte.

Sylvie Balcon, Jacques Philippot: La cathédrale Saint-Pierre-et-Saint-Paul de Troyes, Paris 2001.

Bild 6

Bild 6: Ein Meisterwerk der englischen Glaskunst findet man in St Michael and All Angels in Lyndhurst, Hampshire. Designt wurde das Ostfenster mit drei Toren über dem Lebensfluss der Himmelsstadt 1862 von Edward Burne-Jones (1833-1898), die Fensterherstellung 1863 ausgeführt von William Morris (1834-1896).

Frank R Cooksley: The Parish Church of St. Michael and All Angels, Lyndhurst, Lyndhurst, um 1965.