Abbildung in Johann Georg Schlehs »Hystorischer Relation«, 1616.
© 2020 Universitätsverlag Wagner Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck
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ISBN 978-3-7030-6550-7
Umschlag- und Buchgestaltung, Satz: Hana Hubálková/Universitätsverlag Wagner Umschlagbild: Ansichtskarte nach einem Relief von Georg Feurstein, das die »Weiberschlacht an der Roten Egg« darstellt (Foto: Vorarlberger Landesbibliothek)
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Mit der im Jahr 1847 erschienenen Arbeit »Früheste Kunde über den Bregenzerwald […]« legte der aus Hittisau stammende, in Wien wirkende Gelehrte Joseph Bergmann den Grundstein für eine quellenbezogene, den damals eben erst entwickelten wissenschaftlichen Grundlagen verpflichtete Erforschung der Talschaftsgeschichte. Seither sind zwar weitere Spezialstudien sowie zahlreiche ortskundliche Darstellungen – man nannte sie hierzulande zumeist »Heimatbücher« – erschienen. Angesichts der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung, die der Bregenzerwald stets besaß (immerhin lebte bis ins 19. Jahrhundert ein Viertel der Landesbevölkerung in seiner Gemarkung), verwundert es jedoch, dass eine zusammenfassende Darstellung der regionalen Geschichte bis heute fehlt.
»Wäldar ka nüd jedar sin – eine Geschichte des Bregenzerwalds« soll diesem Mangel abhelfen und einem breiten Leserkreis auf kompakte Weise näherbringen, wie die Talschaft zu dem wurde, was sie heute ist. Es geht darin um Land und Leute, um Geschichte und Gegenwart, um Identität und die Faktoren, die es zu ihrer Entstehung braucht, um das Spannungsfeld zwischen Mythen und Realität. Heraklits berühmte Feststellung, dass die einzige Konstante im Universum der Wandel sei, gilt auch für den überschaubaren Bregenzerwälder »Kosmos«. So ist auch hier immer wieder von den Strategien die Rede, die es brauchte, um mit veränderten Rahmenbedingungen zurecht-zukommen.
Dass das Buch in so ansprechender Aufmachung – die Gestaltung lag in den bestens bewährten Händen von Hana Hubálková – erscheinen konnte, ist der materiellen Unterstützung durch das Land Vorarlberg, Abteilung Wissenschaft und Weiterbildung, durch die Regionalplanungsgemeinschaft Bregenzerwald und die Bregenzerwald Tourismus GmbH zu verdanken. Eingedenk vieler fröhlicher, gelegentlich auch ernster Gespräche über das »Psychogramm einer Talschaft« widme ich es herzlich meinen Bregenzerwälder Freundinnen und Freunden.
Alois Niederstätter
Hinführung
Eingrenzungen
Zugänge
Der Blick von außen
EXKURS: Die sagenhafte »Weiberschlacht« an der »Roten Egg«
EXKURS: Mythos Tracht
Wie der »Wald« zu seinen »Wäldern« kam
EXKURS: Gab es die »seligen Geschwister« Diedo, Merbod und Ilga wirklich?
Herren, Knechte, »freie« Bauern – und eine »Wälderrepublik«?
Unter Grafen und Herzögen
Entscheidung über Tod und Leben: Gerichtswesen und Politik
Mythos »Wälderrepublik«
Frei und unfrei
Reich und Arm
Wirtschaftliche Vielfalt: Bauern, Handwerker, Unternehmer und Arbeitsmigranten
Agrarischer Wandel: Ackerbau und Viehzucht
»Vertikale Stufenwirtschaft«
Appenzeller Entwicklungshelfer und »Käseboom«
Arbeitsmigranten: Söldner, Handwerker, Baumeister, »Fremdler«, »Schwabenkinder«
»Bildungswanderer« und eine herausragende Künstlerin
Textilfabrikanten, Weber und Stickerinnen
Gasthäuser und Bäder
»Von Haus aus ist der Wälder religiös und kirchlich treu gesinnt«
Eine neue Zeit: Reformen und Widerstand
Die »Politisierung« des Bregenzerwalds
Traditionen und Brüche – vom 19. ins 20. Jahrhundert
Der Weg in die Moderne
Anhang
Verwendete bzw. weiterführende Literatur (Auswahl)
Bildnachweis
Die Nutzung verschiedener Höhenstufen für die Milchwirtschaft – hier die »Vorsäß«-Siedlung Schönenbach (Gemeinde Bezau) – ist ein wichtiges Merkmal der Bregenzerwälder Kulturlandschaft.
»Nach des Tages Mühen und Sorgen kommen hier die Dorfbewohner mit den gefüllten Butten zusammen, um den Segen des Stalles, die Milch, die hier gesennet wird, sich messen und aufschreiben zu lassen. Jeder kommt hieher als abhängiger Bauer, als Arbeiter und in seinen Werktagskleidern, wie er den Kuhstall verläßt; daher gilt denn auch immer der am meisten, der die anderen am besten unterhält. Früher war es gewöhnlich der beste Spaßmacher, jetzt, seit dem man etwas ernster worden, ist es der Zeitungsleser oder wer sonst Kunde zu bringen weiß von dem, was in der Welt geschieht.«
Franz Michael Felder, Gespräche des Lehrers Magerhuber mit seinem Vetter Michel
An regional begründetem Selbstbewusstsein mangelt es den Bewohnerinnen und Bewohnern des Bregenzerwalds, eben den Wälderinnen und Wäldern, die sich niemals Bregenzerwälderinnen bzw. -wälder nennen würden, in der Regel nicht. Ihr noch nicht gegendertes »Wäldar ka nüd jedar sin« (»Wälder kann nicht jeder sein«) toppt nur die Feststellung der Schwarzenberger, dass es »Männle, Wible« und – gleichsam als Krone der Schöpfung – eben sie gebe.
Dafür lassen sich mehrere Gründe ins Treffen führen: Bevor die Industrialisierung das Rheintal und den Walgau erfasste, lebte gut ein Viertel der Vorarlberger im Bregenzerwald. Das gab ihm wirtschaftliches und politisches Gewicht. Mit den vor allem in Schwaben, der Schweiz und im Elsass wirkenden Barockbaumeistern, der weltberühmten, aus Schwarzenberg stammenden Malerin Angelika Kauffmann (1741–1807), dem in Wien tätigen Gelehrten Joseph Bergmann (1796–1872) als erstem Erforscher der Geschichte seiner Heimat sowie dem Dichter und Sozialreformer Franz Michael Felder (1839–1869), den die Leipziger Zeitschrift »Europa« kurz vor seinem frühen Tod »eines der wunderbarsten Phänomene unserer Zeit« nannte, besaß und besitzt die Region wirkmächtige Propagandisten.
Der Dichter Franz Michael Felder mit seiner Frau Nanni, seiner Mutter und den Kindern Kaspar, Mikle und Jakob.
Von den 1820er-Jahren an erkundeten Dichter, Reiseschriftsteller und Volkskundler die Schönheit der Gegend, den Charakter der Bewohner, ihre Gewohnheiten und Gebräuche. Dabei fanden sie allerlei Bemerkenswertes, darunter die Vorstellung, der Bregenzerwald sei einstmals eine weitgehend autonome »Bauernrepublik« und damit eine Art Schweiz gewesen. Ihre viel gelesenen Berichte erschlossen die Talschaft dem Fremdenverkehr.
Heute steht der Bregenzerwald für einen ungewöhnlichen Mix, der freilich auch Spannungsfelder eröffnet: Er ist eine prosperierende Handwerksregion mit urbanen Merkmalen, die eine Vorreiterrolle in der modernen Baukunst, vor allem im Holzbau, spielt. Was die zahlreichen Touristen – der Bregenzerwald verbucht mehr als 800.000 Nächtigungen im Sommer und eine knappe Million im Winter – als »Landschaft« oder »Natur« schätzen, dient gleichermaßen als Vorarlbergs bedeutendster, immer intensiver und keineswegs nur nach ökologischen Grundsätzen genutzter landwirtschaftlicher Produktionsraum mit etwa 1.000 Betrieben. Eingriffe wie der Ausbau von Liftanlagen für den Wintersport rufen außer den Naturschützern auch jene auf den Plan, die den Gästen »Unberührtheit« in einer »Genussregion« bieten möchten. Selbst »Hochkultur« kann mit bäuerlichen Interessen kollidieren, so in Schwarzenberg, wo vor einigen Jahren das international bedeutende Musikfestival »Schubertiade« und der traditionelle Alpabtrieb unvereinbar schienen.
Alte und neue Architektur sind im Bregenzerwald kein Gegensatz.
Für die Wirtschaft der Talschaft spielt der Tourismus eine große Rolle – Ansichtskarte aus dem Jahr 1956.
Differenzen wurden auch sichtbar, nachdem die Regionalplanungsgemeinschaft Bregenzerwald vor etwa zwei Jahrzehnten den Plan gefasst hatte, die Aufnahme der Talschaft in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes zu betreiben. Begründet wurde das Ansuchen in erster Linie mit der traditionellen »Drei-Stufen-Wirtschaft«, einem System der abwechselnden Nutzung verschiedener Produktionszonen von den Tallagen bis ins Hochgebirge zur Heuernte bzw. als Viehweide. Sie mache den Bregenzerwald zu »einer der herausragenden Kulturlandschaften Österreichs und der Alpen überhaupt« (Hans Peter Jeschke).
Zum Abschluss des Verfahrens kam es nicht. 2008 entschieden die Betreiber, das Projekt nicht weiter zu verfolgen, weil sich, so die offizielle Begründung, die Aufnahmepolitik der UNESCO geändert habe. In der »Neuen Zürcher Zeitung« hieß es am 30. August 2008 dazu freilich, dass die zum Augenschein angereisten Experten vom Argument der Bregenzerwälder nicht überzeugt gewesen seien und das Komitee daraufhin beschlossen habe, das Begehren auf die lange Bank zu schieben. Außerdem sei es zu Spaltungstendenzen innerhalb der Bevölkerung gekommen; vor allem im hinteren Bregenzerwald habe man die strengen Auf lagen der UNESCO und deren Auswirkungen unter anderem auf den Ausbau der Schigebiete gefürchtet. Es mochte ein kleines, allerdings unvergleichlich weniger werbewirksames Trostpflaster gewesen sein, dass es die »Drei-Stufen-Wirtschaft« 2010 in das »Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes in Österreich« (Kategorie »Bräuche, Wissen, Handwerkstechniken«) brachte.
Es sind aber gerade solche Spannungsfelder, die den Blick auf den Bregenzerwald als eine höchst komplexe Kulturlandschaft interessant machen. Manches davon erklärt sich aus langer geschichtlicher Tradition, anderes aus deren Gegenteil, aus der Notwendigkeit, sich immer wieder neuen Gegebenheiten anzupassen. Der Bregenzerwald ist ein treffliches Beispiel, dass Beharrungsvermögen und Flexibilität, einstmalige topographische Abgeschiedenheit und Weltoffenheit keineswegs Gegensätze sein müssen.
Als renommiertes Festival lockt die »Schubertiade« Musikfreunde aus der ganzen Welt nach Schwarzenberg.
Während sich andere Talschaften Vorarlbergs wie das Montafon, der Walgau oder die beiden Walsertäler unschwer eingrenzen lassen, decken sich die Gebiete, die die Geographie, die Geschichte oder die Sprachwissenschaft jeweils als »ihren« Bregenzerwald definieren, nicht.
Am nächsten liegend wäre es, ihn als das Einzugsgebiet der Bregenzerach zu bestimmen. Das gelingt aber nur annähernd, weil mehrere ihrer Zuflüsse – Rotach, Weißach, Leckenbach, Bolgenach, Rubach – im benachbarten Allgäu, also in Bayern, entspringen. Sogar die Quelle der Bregenzerach liegt im Gebiet der Gemeinde Lech, die weder historisch noch politisch jemals zum Bregenzerwald zählte.
Geologisch-topographisch erweist sich das Gebiet als höchst uneinheitlich. Wer es vom Rheintal zum Arlberg durchreist, gelangt von den sanften Molassehügeln im Nordwesten zu den schon schrofferen Kreidekalkerhebungen vor Au, passiert die bis zur Enge oberhalb von Schoppernau reichenden Flyschformationen, um schließlich das aus Triaskalken gebildete Hochgebirge zu erreichen.
Blick von Westen über den Pfänder oberhalb von Bregenz in den Bregenzerwald mit seinen unterschiedlichen geologischen Formationen, historische Luftaufnahme.
Der winterliche Hinterwald von der Alpe Baumgarten (Gemeinde Bezau) aus.
Deutlich kleiner als die heute landläufige Vorstellung vom Umfang des Bregenzerwalds ist der Befund der Historikerzunft. Sie beschränkt ihn auf den vom 14. bis ins beginnende 19. Jahrhundert bestehenden, mit bedeutenden Sonderrechten ausgestatteten Gerichtssprengel dieses Namens, der nicht etwa zu Bregenz, sondern zur Herrschaft Feldkirch gehörte. Er umfasste Egg, Schwarzenberg, Andelsbuch, Bezau, Bizau, Reuthe, Mellau, Au, Schnepfau sowie als Exklave Krumbach und Unterlangenegg. Selbstverständlich verwendeten die älteren Landesbeschreibungen den Begriff »Bregenzerwald« ausschließlich in diesem Sinn. Seine Entstehung verdankt dieser Sprengel einer im Jahr 1338 von den damaligen Landesherren, den Grafen von Montfort, vollzogenen Besitzteilung.
Dass die Urkunden und der Volksmund diesen Bezirk auch den »hinteren« Bregenzerwald – kurz: »Hinterwald« – nennen, lässt die Existenz eines entsprechenden Gegenstücks erwarten. Einen »Vorderwald« gab es allerdings nur inoffiziell. Man meinte damit das nördlich der Subersach gelegene Gebiet der Ortschaften Lingenau, Hittisau und Sibratsgfäll. Sie waren verwaltungsmäßig als »Gericht« Lingenau der Herrschaft Bregenz zugewiesen. Die gleichfalls bis ins frühe 19. Jahrhundert bestehenden »Gerichte« Alberschwende und Sulzberg (mit Doren und Riefensberg) wurden bis in die jüngere Vergangenheit überhaupt nicht zum Bregenzerwald gezählt. Die moderne Einteilung trägt dem Rechnung, indem für dieses Gebiet nicht das »Wälder« Bezirksgericht Bezau zuständig ist, sondern jenes in Bregenz.
Die historischen Verwaltungssprengel Vorarlbergs. Karte von 1783.
Der heutige Bregenzerwald und seine Gemeinden:
An der Grenze zum Rheintal: das Bödele (Gemeinde Schwarzenberg) oberhalb von Dornbirn, 1953.
Auch sprachlich lassen sich Vorder- und Hinterwälder leicht unterscheiden: Im vorderen Bregenzerwald ist der Allgäuer Einfluss sehr deutlich. Charakteristische Merkmale sind etwa die sogenannte »Entrundung« des Vokals »ü« zu einem »i« (also etwa »Hiisr« statt »Hüüsr« für »Häuser«, »Lit« statt »Lüt« für Leute) sowie auch von »ö« zu »e« (»Kepf« statt »Köpf« für »Köpfe«). Typisch für den Vorderwald ist es außerdem, Wörter wie »breit«, »heiser« oder »Laib« mit einem »oi«-Laut auszusprechen. Als »allgäuischste« Gemeinde der Region gilt Riefensberg. Die Hinterwälder Dialekte erkennt man unter anderem am offenen »o« in »broot« (»breit«) oder »Sool« (»Seil«), an der Diphthongierung von »a« beispielsweise in »Aubet« (»Abend«), »Haur« (»Haar«), »Schauf« (»Schaf«), »Saulz« (»Salz«) oder an der Entwicklung von »e« zu »i« in »Hinne« (»Henne«), »winda« (»wenden«). |
Das alte historische Korsett hat der Bregenzerwald längst gesprengt, den Sulzberg ebenso vereinnahmt wie die Siedlungen Damüls und Warth, deren Bewohner, wie es heißt, im Spätmittelalter als »Walser« aus dem Schweizer Wallis zugewandert seien. Zuletzt expandierte er sogar bis an den Rand des Rheintals, indem sich die Gemeinden Buch und Langen bei Bregenz der 1970 ins Leben gerufenen Regionalplanungsgemeinschaft (kurz: Regio) Bregenzerwald anschlossen. Dass der Bregenzerwald damit die einzige »wachsende« Talschaft Vorarlbergs ist, mag für die Attraktivität des »Wäldertums« stehen.
Dem nach außen zur Schau gestellten Selbstverständnis – man kann durchaus von einer »Talschaftsideologie« sprechen – steht im Innern ein gleichermaßen kräftig entwickelter Partikularismus gegenüber. Dass etwa Großdorf – als Fraktion der Gemeinde Egg – eine eigene Freiwillige Feuerwehr, einen eigenen Kameradschaftsbund sowie eine eigene Viehzuchtgenossenschaft besitzt, ist einer von vielen augenfälligen Belegen für die Fähigkeit der »Wälder«, diese beiden Positionen miteinander zu verbinden.
Egg und Großdorf, Flugaufnahme 1983.
1841 vermerkte der Geograph Johann Georg Staffler: »Als eine Alpengegend hatte der Bregenzerwald vor ungefähr 50 Jahren noch keine fahrbare Straße, und seine Verbindung mit den Nachbarbezirken mußte mühesam auf Saumwegen unterhalten werden«. Der wichtigste Zugang aus dem Rheintal führte von Schwarzach aus über Linzenberg sowie Farnach nach Alberschwende und weiter über die Lorena nach Schwarzenberg. Von Dornbirn aus gelangten Fußgänger, Reiter und Saumtiere über Winsau nach Alberschwende sowie über die Lose – das heutige Bödele – nach Schwarzenberg. 1546 scheinen die »sömer [Säumer], die die straß über die Losen« benutzten, erstmals urkundlich auf. Im ausgehenden 18. Jahrhundert entstand eine Verbindung von Bregenz aus über Fluh, Langen und Doren bis nach Krumbach.
Säumer mit ihren Tragtieren im ausgehenden 19. Jahrhundert.
Erst 1836 wurde der Bau einer für den Fuhrverkehr geeigneten »Kommerzialstraße« von Schwarzach durch das Schwarzachtobel nach Alberschwende in Angriff genommen. Geplant hatte sie Alois Negrelli (1799–1858, 1850 nobilitiert als »Ritter von Moldelbe«), der »geistige Vater« des Suezkanals. Die Weiterführung von Alberschwende nach Egg erfolgte 1844/45 sowie in den folgenden Jahren über Egg-Tuppen und Bersbuch nach Bezau. Gleichfalls nach Negrellis Plänen wurde 1833 zur Verbesserung der Route ins Allgäu die Gschwendtobelstraße mit der noch bestehenden Gschwendtobelbrücke zwischen Lingenau und Großdorf erbaut. 1886 eröffnete man die Fahrstraße von Dornbirn-Haselstauden über den Achrain nach Alberschwende. Wer nicht zu Fuß gehen wollte, dem stand von der Mitte des 19. Jahrhunderts an eine in der Regel alle zwei Tage zwischen Bregenz und Bezau verkehrende Postkutsche zur Verfügung. Sie benötigte für diese Strecke etwa sechs Stunden.
Die Gschwendtobelbrücke über die Subersach zwischen Lingenau und Großdorf entstand nach einem Plan von Alois Negrelli, dem »geistigen Vater des Suezkanals«.
Noch heute ist Alberschwende das Tor zum Bregenzerwald.
Der Hochtannbergpass wurde erst 1954 von Schröcken aus mit einer Autostraße erschlossen.
An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert machten der rasch an Bedeutung gewinnende Fremdenverkehr und das Einsetzen der Motorisierung einen weiteren Ausbau des Straßennetzes erforderlich. Die Maßnahmen betrafen vor allem die Verbindungen von Au nach Damüls, von Bregenz über Langen zur Staatsgrenze, von Lingenau über Hittisau und Sibratsgfäll zur Staatsgrenze sowie von Bezau nach Schröcken. Erst 1954 wurde von dort aus der Hochtannbergpass mit einer Straße erschlossen.
Schon im Jahr 1870 waren die Gemeindevertretungen der Bregenzerwälder Ortschaften übereingekommen, die Planung einer Bahntrasse von Bregenz nach Bezau in Auftrag zu geben. Sie sollte die Talschaft wirtschaftlich besser erschließen sowie an das überregionale Eisenbahnnetz und an die Bodenseeschifffahrt anbinden.
Allein bis zum Ansuchen an das Handelsministerium, die technischen Vorarbeiten in Angriff nehmen zu dürfen, vergingen aber noch 21 Jahre. Der Vorarlberger Landtag stimmte dem Vorhaben im Januar 1894 zu, obwohl zahlreiche Gemeinden vor allem im Süden des Landes, die Nachteile für ihre Region befürchteten, dagegen Einspruch erhoben hatten. 1899 genehmigte das Ministerium den Bau einer Schmalspurbahn (Spurweite 760 Millimeter) durch das Tal der Bregenzerach mit einer Streckenlänge von etwa 35 Kilometern, mit 18 Bahnhöfen und Haltstellen, 28 Brücken und drei Tunnels.
Rechte Seite: Mit der Eröffnung der Bregenzerwaldbahn im Jahr 1902 brach eine neue Zeit an.
Von da an ging alles sehr schnell: Nur drei Jahre nach der Konzessionierung hatten überwiegend italienischsprachige Arbeiter trotz des schwierigen Geländes das Werk vollendet. Am 15. September 1902 konnte die »Bregenzerwaldbahn« – so der offizielle Name, der Volksmund sprach sogleich vom »Wälderbähnle« – in Dienst gestellt werden. »Und Zuokumpft rumplot mit Gwault daher«, dichtete Gebhard Wölf le aus diesem Anlass.
Seit 1989 verkehrt das »Wälderbähnle« zwischen Andelsbuch-Bersbuch und Bezau als Museumsbahn.
Als Privatbahn gegründet, ging sie 1932 in das Eigentum des Bundes über. Aufgrund negativer Betriebsbilanzen wurde bereits 1936 ihre Einstellung erwogen. Zur stetig wachsenden Konkurrenz durch den Straßenverkehr und der ungünstigen Lage der Stationen im Achtal teils fernab der Siedlungen kam, dass die schwierigen geologischen Verhältnisse und die häufigen Hochwässer der Bregenzerach den Erhalt der Strecke sehr aufwändig machten. 1983 besiegelten Hangrutschungen und Unterspülungen das Schicksal des »Wälderbähnles«. Seit 1989 verkehrt auf der etwa sechs Kilometer langen Strecke zwischen Bezau und Andelsbuch-Bersbuch eine Museumsbahn.
Was einst für die wirtschaftliche Entwicklung der Talschaft von großer Bedeutung war, wird heute zunehmend auch als Belastung empfunden. So passieren derzeit jeden Werktag zwischen 12.400 und 14.200 Kraftfahrzeuge allein die Ortschaft Alberschwende. Besonders dramatisch ist die Situation infolge des Ausbaus der Schigebiete an Winterwochenenden, nicht selten bilden sich auf der Bregenzerwaldstraße – der L 200 – Staus von Alberschwende bis Mellau.