Inhalt

  1. Titel
  2. Zu diesem Buch
  3. Widmung
  4. 1
  5. 2
  6. 3
  7. 4
  8. 5
  9. 6
  10. 7
  11. 8
  12. 9
  13. 10
  14. 11
  15. 12
  16. 13
  17. 14
  18. 15
  19. 16
  20. 17
  21. 18
  22. Epilog
  23. Danksagung
  24. Die Autorin
  25. Die Romane von Katie MacAlister bei LYX
  26. Impressum

KATIE MACALISTER

JEDER KUSS EIN VOLLTREFFER

Aus dem Amerikanischen übersetzt
von Theda Krohm-Linke

Zu diesem Buch

Alden Ainslie ist auf der Flucht … vor seiner von Schwangerschaftshormonen geplagten Schwägerin, die ihn um jeden Preis verkuppeln will. Dabei ist Alden verflucht schüchtern und ziemlich schlecht darin, Mädels an Land zu ziehen. Umso glücklicher ist er, als er sich zu seinem neu erworbenen Tudor-Herrenhaus Bestwood Hall in Cornwall aufmachen kann. Dort hat er sich für den Sommer einen strikten Renovierungsplan vorgenommen. Doch noch bevor er ankommt, scheint alles schiefzugehen, was nur schiefgehen kann: Die alte, aber umso standhaftere Untermieterin seines Anwesens weigert sich vehement, auszuziehen und hat obendrein auch noch eine mittelalterliche Schwertschaukampfgruppe auf sein Grundstück eingeladen, die für einige Wochen dort kampieren soll. Doch was Alden tatsächlich aus der Fassung bringt, ist nicht sein ruinierter Zeitplan, sondern Mercy Starling. Die temperamentvolle Art der jungen Schaustellerin bringt sein Herz zum Rasen. Während er Mercy langsam näherkommt, gibt es immer wieder Anschläge auf Alden. Offenbar will ihn jemand von Bestwood Hall fernhalten. Aber Aufgeben ist für Alden keine Option – das gilt für dieses Anwesen und auch für Mercy …

Teri Robinson ist eine wundervolle Frau, die Tiere rettet,
ihre Familie liebt und Sinn für Humor hat. Ich schätze ihr
Lama-Zartgefühl, ihr Macher-Talent und ihre Liebe
zu Schnurrbärten. Deshalb widme ich ihr dieses Buch.

1

»Wenn es irgendetwas gibt, was schlimmer ist als eine Schwägerin, die in den Klauen von Schwangerschaftshormonen steckt«, sagte Emanuel Alden Ainslie zu seinem Bruder, »dann ist es eine Schwägerin, die zusätzlich noch fest entschlossen ist, jeden verfügbaren Mann im Umkreis von fünf Kilometern zu verheiraten.«

»Mach dich nicht lächerlich«, schnaubte Elliott Ainslie, achter Baron Ainslie. Lächelnd beobachtete er Alice, die auf der neu erbauten Steinterrasse saß und mit der verwitweten Baronin plauderte.

Alden war ein wenig eifersüchtig auf die Zuneigung hinter diesem Lächeln, obwohl er das natürlich nie zugeben würde. Vor allem jetzt nicht, wo Alice es zu ihrem neuen Hobby erklärt hatte, Leute zu verkuppeln.

»Sie versucht noch lange nicht, jeden ungebundenen Mann zu verkuppeln«, fuhr Elliott fort. »Nur euch. Sie sagte, wenn ich mich recht erinnere, dass es doch sinnlos wäre, dass Mum und Dad zehn Kinder adoptiert haben, wenn sie – Alice – für ihre zahlreichen Schwäger nicht Frauen finden könnte, damit sie genauso glücklich werden wie Gunner und ich.«

Alden blickte von seinem ältesten Bruder Elliott zum zweitältesten, Gunner. Die drei Männer waren auf die Spitze des restaurierten Turms gestiegen, um zu überprüfen, ob alle Reparaturarbeiten nach Elliotts Erwartungen ausgeführt worden waren. »Den Teil, wo Alice Lorina für dich gefunden hat, muss ich verpasst haben, Gun. War sie nicht wegen der Dreharbeiten für die archäologische Fernsehsendung letztes Jahr hier?«

»Ja, das stimmt«, antwortete Gunner und lächelte, als seine Frau, mit der er seit einem halben Jahr verheiratet war, zu den beiden anderen Damen auf die Terrasse trat, um mit ihnen Limonade zu trinken, beträchtliche Mengen Mohnkuchen zu essen – auf den Alice aktuell gerade Heißhunger hatte – und Pläne für alles Mögliche zu machen. »Alice streckt die Wahrheit ein bisschen, indem sie behauptet, unser Zusammentreffen sei ebenfalls ihr Triumph, aber Lorina kennt sie schon seit Jahren, deshalb macht es uns nichts aus, wenn sie uns zu ihren Kuppelerfolgen hinzuzählt.«

Alden blickte auf die drei Frauen auf der Terrasse. Obwohl Alice schon seit mehr als einem Jahr Schlossherrin war, war er ihr bisher erst ein halbes Dutzend Mal begegnet. Sie war sehr nett, wie Gunners Frau auch, aber in der letzten Zeit … Er seufzte. »Es wäre mir wirklich lieber, wenn sie mich in Ruhe lassen würde.«

»Wer? Alice?« Elliott richtete seine Aufmerksamkeit auf seinen Bruder. »Ich dachte, du magst sie.«

Alden spürte den warnenden Unterton in Elliotts Stimme. »Natürlich mag ich sie. Sie ist lustig, und Sinn für Humor finde ich bei Frauen gut. Aber … es ist … du kennst mich doch. Ich fühle mich in der Nähe von Frauen nicht so wohl.«

»Du bist schüchtern, das ist alles«, sagte Gunner und blickte auf sein Handy. »Das kannst du überwinden, wenn du dir ein bisschen Mühe gibst. Versuch es mal mit Speed-Dating. Das zwingt dich dazu, viele Frauen auf einmal kennenzulernen. Da wirst du schon aus reinem Selbsterhaltungstrieb extrovertiert.«

Alden verzog das Gesicht. Etwas Schlimmeres als Speed-Dating konnte er sich kaum vorstellen, abgesehen vielleicht von einem globalen Atomkrieg, und selbst da würde er sich noch fragen, ob die Begegnung mit einem Haufen fremder Frauen nicht doch schlimmer war. »Kann sich Alice nicht einen unserer anderen Brüder vornehmen? Da gibt es doch sicher auch welche, die keine Freundin haben.«

»Das wird sie bestimmt irgendwann auch tun, aber im Moment besteht sie darauf, dass du langsam eine feste Beziehung eingehen solltest.«

»Du bist über dreißig, Alden«, sagte Gunner und nickte. »Jünger wirst du auch nicht mehr.«

»Genau. Und vor allem ist Alice schwanger«, sagte Elliott, als ob das nicht schon alle wüssten. »Sie hat … Launen. Und wenn eine dieser Launen darin besteht, eine Frau für den nächsten Bruder zu finden, dann müssen wir sie dabei unterstützen.«

»Josiah ist älter als ich«, protestierte Alden. »Sie sollte sich auf ihn konzentrieren und mich in Ruhe lassen.«

»Er ist nur ein paar Tage älter als du, und da er im Moment außer Landes ist, fand Alice eben, dass es an der Zeit ist, dich wahnsinnig glücklich zu machen.«

Erneut verzog Alden das Gesicht. »Aber ich will nicht wahnsinnig glücklich sein! Ich will in Ruhe gelassen werden.«

»Und was willst du machen?«, fragte Gunner ihn, als die drei Männer langsam die steinerne Wendeltreppe herunterstiegen. »Wieder zur Universität gehen? Du hast doch schon mehr akademische Grade als wir anderen alle zusammen.«

»Mir gefällt es eben, Neues zu lernen«, erwiderte Alden eigensinnig. »Es ist doch nichts Falsches daran, neugierig zu sein und mehr über das Leben erfahren zu wollen.«

»Ist es doch, wenn du damit das bereits überstrapazierte Familieneinkommen verbrauchst«, sagte Elliott mit fester Stimme. »Wir haben schon darüber geredet, Alden – ich kann dich einfach nicht mehr unterstützen.«

»Deshalb will ich ja Bestwood Hall verkaufen. Daran werde ich ein Vermögen verdienen.«

»Bestwood«, sagte Gunner und verdrehte die Augen. »Dieses Ungetüm. Was hat dich bloß bewogen, dein letztes Geld in ein verfallenes altes Haus irgendwo in der Pampa zu investieren?«

»Und wie kommst du überhaupt darauf, dass du es mit Profit verkaufen kannst?«, fragte Elliott, der praktischere der Brüder, als sie in den Sonnenschein des Frühsommertages traten. »Außer dir hat es schon damals keiner kaufen wollen. Warum glaubst du, es erhöht den Wert, wenn du ein bisschen Farbe investierst?«

»Der Notar hat gesagt, Lady Sybilla hat mir das Haus verkauft, weil ihr mein Name gefiel«, erwiderte Alden würdevoll. »Ich bin sicher, dass es einige Interessenten gab. Ich weiß es sogar – der Makler, der sich um den Verkauf gekümmert hat, hat mich gefragt, ob ich bereit sei, das Haus wieder zu verkaufen. Und das war knapp eine Woche, nachdem ich es gekauft hatte. Ihr seht also, meine lieben Brüder, ich bin nicht der Narr, für den ihr mich haltet.«

»Ach ja?« Elliott blieb stehen und legte den Kopf schief. »Wie hoch war das Angebot?«

»Nun … was das angeht …« Alden hüstelte.

»Wie ich mir schon dachte. Weniger als du dafür bezahlt hast?«, fragte Elliott.

»Vielleicht.« Alden versuchte, seinem Bruder einen hochmütigen Blick zuzuwerfen, aber leider waren sie genau in diesem Moment auf der Terrasse angekommen, und sowohl Elliott als auch Gunner hatten all ihre Aufmerksamkeit ihren jeweiligen Frauen zugewandt.

Wieder einmal verspürte Alden einen leichten eifersüchtigen Stich. Nein, nicht Eifersucht, dachte er, als er an den Tisch trat und ein Glas Limonade entgegennahm. Neid. Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, wenn Alice eine Frau für ihn fände. Vielleicht wäre dieser höllische Albtraum, jemand Neuen kennenzulernen, gar nicht so schrecklich, wenn Alice alles für ihn vorbereiten würde. Vielleicht …

»Alden!«, sagte Alice fröhlich und schob ihm einen weißen Metallstuhl zu. »Genau dich wollte ich sehen. Ich habe dir doch versprochen, eine Frau für dich zu finden, und es ist mir tatsächlich gelungen.«

Vielleicht hatte er seinen Verstand verloren.

Bei dem Gedanken daran, dass eine Frau von ihm Romantik erwarten könnte, stieg Panik in ihm auf. Er müsste ihr den Hof machen. Zum Teufel, allein schon beim Gedanken an ein Dinner mit einer Frau wurden seine Handflächen feucht. Hastig trank er die Limonade aus, stellte das Glas auf den Tisch und sagte: »Ich habe keine Zeit zu plaudern. Ich muss mich beeilen. Ich muss morgen früh in Bestwood sein und muss noch packen.«

»Aber, du hast ja noch gar nicht gehört, was für eine Frau ich für dich gefunden habe«, sagte Alice stirnrunzelnd.

»Später«, rief er ihr über die Schulter zu und stürzte zur nächstgelegenen Tür.

»Ich schicke sie nach Bestwood Hall, damit sie dich kennenlernt«, rief Alice ihm nach. »Sie würde wahrscheinlich gerne helfen …«

Die Tür zur Bibliothek schlug hinter ihm zu, und den Rest ihres Kommentars hörte er zum Glück nicht mehr. Alden eilte die Treppe zu dem kleinen Zimmer im hinteren Teil des Schlosses hinauf, das traditionell seines war, wenn er sich hier aufhielt.

»Blöd, blöd, blöd«, sagte er laut und warf hastig Kleidungsstücke in zwei Koffer. »Du bist ein erwachsener Mann. Es ist einfach dumm, dass der Gedanke daran, Frauen kennenlernen zu müssen, dich in solche Panik versetzt. Gunner hat recht – du musst dich zusammenreißen, in eine Bar gehen und einfach mit irgendeiner Frau ein Gespräch anfangen.«

Ein Schaudern überlief ihn bei dem Gedanken. Er ging durchs Zimmer, warf Bücher, Familienfotos und seine Sammlung antiker astronomischer Geräte in seine zwei Koffer, während er sich selbst die ganze Zeit über erzählte, was für ein Idiot er war. Der Vortrag nützte wenig – dazu hatte er ihn sich schon zu oft gehalten –, aber er war in seiner Vertrautheit seltsam tröstend. Als er sein Gepäck in den Mini Cooper lud, den er von einem früheren Zimmergenossen auf der Universität gekauft hatte, raste sein Herz nicht mehr, und auch seine Hände waren wieder ruhig.

»Du fährst doch nicht jetzt schon, oder?«, fragte Elliott ein paar Minuten später, als Alden zu ihm in das Zimmer kam, das Elliott als Büro diente. Er saß an einem Laptop und schrieb zweifellos an seinem neuesten Roman. »Ich dachte, du wolltest morgen früh aufbrechen. Du hast doch sicher noch Zeit, um zum Essen zu bleiben.«

»Es ist besser, wenn ich jetzt schon fahre. Ich brauche fast acht Stunden bis nach Bestwood, und wenn ich in der Nacht ankomme, kann ich morgen gleich mit der Renovierung beginnen.«

Elliott erhob sich und kam um seinen Schreibtisch herum. Er umarmte seinen Bruder. »Du musst mit dieser Frau nicht ausgehen.«

»Mit welcher Frau?« Erneut schoss Panik durch Alden. Du lieber Himmel, hatte Alice die Frau etwa nach Ainslie Castle geholt, während er gepackt hatte?

»Es ist eine alte College-Freundin von Alice, und sie fand, sie sei perfekt für dich. Ich weiß, dass du im Moment absolut keine Lust hast, dich mit Frauen zu treffen, aber ich wäre dir sehr verbunden, wenn du höflich zu ihr wärst, falls sie dir unter die Augen kommt.«

Alden verzog das Gesicht. »Das hat mir gerade noch gefehlt. Eine Frau, die herumhängt und erwartet, dass ich sie unterhalte, wenn ich einen Berg von Arbeit vor mir habe. Könnte Alice nicht …«

»Nein. Glaub mir, es ist das Beste so. Wenn du sie nicht magst – und so sehr ich Alice auch liebe, ich muss zugeben, dass sie als Kupplerin nicht unbedingt die Beste ist –, dann sagst du der Frau eben einfach, dass du zu tun hast. Zeig ihr einfach nur das Haus – das ist alles, um was ich dich bitte. Das kannst du doch für uns tun, oder?«

»Ja, vermutlich«, erwiderte Alden. Ihm war klar, dass er ungnädig klang. »Ich habe ja nichts gegen deine Frau. Es ist nur …«

Elliott umarmte ihn noch einmal, dann schlug er ihm auf die Schulter und begleitete ihn zur hinteren Einfahrt. »Ich weiß. Es ist nicht einfach für dich. Du brauchst dich auch gar nicht so zu bemühen, ein faszinierender Gesprächspartner zu sein.«

Alden lachte. »Ich wäre schon zufrieden, wenn ich mit ihr reden könnte, ohne dass ich einen Knoten in der Zunge bekomme.«

»Du bist ein kluger Mann. Und du hast den Charme der Ainslies, wenn du willst. Hör auf, so viel über andere nachzudenken, und sei einfach du selbst.«

»Ich werde es versuchen, El«, sagte Alden ein wenig mutlos. »Aber es fällt mir einfach nicht so leicht wie euch anderen.«

»Betrachte es als Spiel«, sagte Elliott und blieb an der Autotür stehen. »Und, Alden?«

Alden öffnete die Fahrertür und warf einen kleinen Rucksack hinein. »Ja?«

Elliott lächelte. »Gerate nicht in Schwierigkeiten, hörst du? Ich habe mit dem Buch zu tun, und in ein paar Monaten kommt das Baby. Ich habe wirklich keine Lust, dich wie Gunner retten zu müssen.«

»Ich habe absolut nicht die Absicht, mich in den Kellergewölben von Bestwood Hall einzusperren«, erwiderte Alden würdevoll.

»Dann tu es auch nicht.«

Alden winkte, als er das Auto anließ, und fuhr so rasant, dass der Kies aufspritzte, die Einfahrt hinunter, seinem neuen Leben entgegen. Und obwohl die Bedrohung durch Alices Freundin wie eine dunkle Wolke über seinem Kopf hing, freute er sich auf das, was vor ihm lag.

»Bestwood«, sagte er laut und genoss den Klang des Wortes. »Bestwood Hall. Ein richtiges Schloss! Hallo, wie geht es Ihnen? Das hier? Ja, das ist Bestwood Hall. Es gehört mir. Ich bin der Herr von Bestwood Hall. Hey, das klingt wie ein viktorianisches Schauerdrama: Das Geheimnis von Bestwood Hall. Das Gespenst von Bestwood Hall.«

Er amüsierte sich eine Zeit lang damit, Titel zu erfinden, dann schweiften seine Gedanken zu der Arbeit, die vor ihm lag. Das Haus zu kaufen war nicht schwierig gewesen – er hatte über Toby, einen seiner früheren Zimmergenossen auf der Universität, davon gehört. Toby war Notar geworden und hatte mit komplexen Testamenten und Besitzverhältnissen zu tun.

»Du suchst doch ein Haus, oder?«, hatte Toby vor drei Monaten gesagt, als Alden pleite war und sich schwarz bei einem skrupellosen Bauunternehmer verdingen musste. »Etwas, das du restaurieren und mit Gewinn wieder verkaufen kannst, oder?«

»Ja«, sagte Alden hoffnungsvoll. »Aber ich habe nicht viel Kapital. Einer meiner biologischen Verwandten hat mir eine kleine Summe in einem vorsintflutlichen Trust hinterlassen, und mein Bruder Elliott hat die Trustverwalter überredet, die Summe freizugeben, wenn ich Grundbesitz erwerbe.«

»Dein biologischer Ver … oh ja, du bist ja adoptiert. Ich habe ganz vergessen, dass deine Familie …«

»Multikulturell ist«, ergänzte Alden hilfreich. »Das ist der politisch korrekte Ausdruck dafür, dass meine Eltern Kinder aus allen möglichen Ländern adoptiert haben. Ein paar meiner Brüder kommen aus Afrika, einige aus dem früheren Ostblock und der Rest von überallher. Meine biologische Familie stammt aus Schottland, und Mum hat wegen mir Kontakt mit ihnen gehalten, bis ich alt genug war, um zu entscheiden, ob ich sie kennenlernen wollte oder nicht.«

»Und?«, fragte Toby neugierig.

»Ich hätte sie gerne kennengelernt, wenn sie nicht alle vorher gestorben wären.« Alden zuckte mit den Schultern. »Also habe ich sie leider nicht kennengelernt, aber das hat einen entfernten Cousin nicht davon abgehalten, mir einen kleinen Trust zu hinterlassen-«

»Ich hasse solche Trusts«, erklärte Toby bitter. »Sie enthalten solche Klauseln, dass du im Grunde nichts damit anfangen kannst. Erst letzte Woche hat unser Seniorpartner mir einen grässlichen Fall zugeschoben, der nicht nur eine, sondern sogar zwei Umwandlungen beinhaltet … aber ich schweife vom Thema ab.«

»Hast du denn ein Haus, das ich mir ansehen kann?«, fragte Alden, wobei er wider besseres Wissen hoffte, dass der Besitz seinen Mitteln entsprach – sowohl finanziell als auch im Hinblick auf die Renovierung. »Wo ist es? Und vor allem, wie viel kostet es?«

»Es ist ein altes Haus – Tudor, glaube ich –, aber ich weiß nicht, ob du es überhaupt haben willst. Es ist so gut wie unbewohnbar. Der alte Mann, dem es gehörte, war nicht nur ein Geizkragen, sondern auch ein Eremit. Er hat achtzig Jahre lang dort gelebt, zusammen mit seiner Frau und ein paar verknöcherten Dienstboten, und er hat einen Berg Schulden hinterlassen, die seine Witwe in ihrem Leben nicht mehr bezahlen kann. Eine Bank am Ort hat das Haus letztes Jahr aufgrund der Schulden übernommen, und ich habe gerade von einem alten Freund bei dieser Bank gehört, dass sie einen Käufer suchen.«

»Aber es gibt bestimmt eine Menge Leute, die sich für einen historischen Besitz interessieren«, wandte Alden ein. Ihm gefiel die Vorstellung, ein Tudor-Haus zu restaurieren. Geschichte faszinierte ihn.

»Normalerweise würde ich dir zustimmen. Aber laut Tom Scott, meinem Freund bei der Bank, versuchen sie, den Verkauf möglichst diskret abzuwickeln, um Lady Sybilla nicht zu beunruhigen.«

»Das kommt mir ein bisschen seltsam vor. Eine Bank, die sich um jemanden sorgt, der sein Haus verloren hat?«

»Ah, du musst bedenken, dass es dort alte Familienbeziehungen gibt. Deshalb besteht die Bank darauf, die Angelegenheit so diskret wie möglich zu behandeln, nehme ich an. Statt also das Haus auf den Markt zu werfen und den höchsten Preis zu erzielen, suchen sie lieber nach jemandem, der ihren Bedingungen zustimmt, um die Öffentlichkeit zu vermeiden, die ein offizieller Verkauf nach sich ziehen würde.«

»Die Bankmanager müssen die alte Dame wirklich gern haben«, sagte Alden nachdenklich und fragte sich, ob er wohl darauf hoffen könne, dass sein magerer Trust für den Kauf eines historischen Hauses mit Land ausreichen würde.

»Nun, der Verkauf geht mit bestimmten Bedingungen einher«, sagte Toby.

Alden nickte, obwohl sein Freund ihn nicht sehen konnte. »Daran hatte ich keinen Zweifel. Irgendeine Einschränkung vermutlich.«

»Ja, aber nichts Schreckliches. Tom hat es mir erzählt … ich habe es mir aufgeschrieben, falls du interessiert sein solltest … Ah, hier ist es ja. Der Käufer muss Lady Sybilla Wohnrecht im Torhaus auf Lebenszeit gewähren. Und das Haus darf nicht abgerissen und neu gebaut werden, sondern muss dem Stil der Zeit gemäß restauriert werden. Alles harmlose Einschränkungen, würde ich sagen.«

»Und wie viel wollen sie für das Haus haben?«

Aldens Augen weiteten sich, als Toby ihm die Summe nannte. Wenn er das Haus kaufte, würden nicht nur sein gesamter Trust, sondern auch seine sämtlichen Ersparnisse der letzten achtzehn Jahre aufgebraucht werden. Dann blieben ihm keine Mittel mehr, um Leute für die Restaurierungsarbeiten einzustellen, was bedeutete, dass er alles selber machen musste.

»Das ist schrecklich viel Geld«, sagte er schließlich.

»Zu viel für dich?«

»Nein.« Er überlegte einen Moment lang. »Gibt es … das klingt jetzt krass, aber darf ich das Haus verkaufen, wenn es erst einmal mir gehört?«

»Ja«, sagte Toby langsam. Das Rascheln von Papieren war zu hören. »Es gibt keine Einschränkungen in dieser Hinsicht. Lady Sybilla hat natürlich Wohnrecht auf Lebenszeit im Torhaus, aber ansonsten sehe ich keinen Grund, es nicht wieder zu verkaufen. Hast du denn vor, es schnell wieder zu verkaufen?«

»Nein, nicht sofort natürlich. Ich dachte, ich renoviere das Haus, erneuere Rohre und Leitungen, und dann verkaufe ich es wieder.«

»Ah. So machen es die Amerikaner gerne. Sehr klug, muss ich sagen. Allerdings musst du dabei natürlich berücksichtigen, dass Lady Sybilla auf dem Besitz lebt.«

»Ja, na ja, ich will ja nicht herzlos oder krass klingen, aber es wird schon ein oder zwei Jahre dauern, das Haus zu renovieren, wenn ich alles alleine machen muss, und bis dahin …«

»Bis dahin wird Lady Sybilla nicht mehr unter den Lebenden weilen«, beendete Toby den Satz für ihn. »Ein äußerst berechtigter Punkt, Alden. Äußerst berechtigt. Also, ich kann keinen Grund sehen, warum jemand etwas dagegen haben sollte, dass du das Haus verkaufst, wenn sie erst einmal nicht mehr ist.«

Und so war es gekommen, dass die Bank ihn eingeladen hatte, Haus und Grundstück zu besichtigen, und nachdem diese Besichtigung erfolgt war – ohne, dass er auf Lady Sybilla getroffen war, die anscheinend nachmittags immer ruhte –, wurde sein Angebot angenommen.

»Und heute gehört alles mir«, sagte er, als er nach Westen fuhr. Die Sonne sank, und der Himmel war von einem samtigen Dunkelblau. »Ich bin Hausbesitzer. Schloss-Eigentümer. Ich bin Alden Ainslie von Bestwood Hall … Zumindest jetzt. Wo ich stehen werde, wenn ich das Haus erst einmal renoviert habe, weiß ich nicht. Schließlich könnte dies der Beginn einer brandneuen Karriere sein. Es gibt Leute, die mit dieser Art von Arbeit Millionen verdienen – und ich vielleicht auch. Man muss schließlich nur alles ein bisschen schöner machen und es dann gewinnbringend verkaufen. Ja, das wird gut werden. Das wird sogar sehr gut werden.«

Sein Optimismus hielt drei Stunden an, dann gab sein Getriebe den Geist auf, und er strandete in einer Kleinstadt. Er hinterließ eine Nachricht in der Anwaltskanzlei, wo er die Schlüssel für Bestwood Hall abholen sollte, und richtete sich für die Nacht in einem heruntergekommenen kleinen Hotel gegenüber der Autowerkstatt ein.

»Kein besonders verheißungsvoller Start«, sagte er sich, als er das durchgelegene Bett inspizierte. »Aber das ist nicht schlimm. Von jetzt an kann es nur noch besser werden.«

Manchmal erstaunte es ihn selbst, wie wenig Voraussicht er besaß.