ÜBER DAS BUCH

Klaus Irmscher hat in seiner langjährigen Kariere als Musiker viele Lieder geschrieben. Besonders großen Anklang fanden seine erfrischenden Vertonungen beliebter Geschichten um den Schalk Till Eulenspiegel. Doch das reichte nicht. Klaus Irmscher bescherte Eulenspiegel ein zweites Leben – im Hier und Jetzt – wo er so frech wie eh und je die Ignoranz seiner Mitmenschen aufs Korn nimmt.

Dieses Buch vereint nun erstmals alle Lieder des Musikers Klaus Irmscher über Till Eulenspiegel.

INHALTSVERZEICHNIS

Grußwort von Bürgermeister Wiegels

zum Eulenspiegel-Liederbuch von Klaus Irmscher

herausgegeben 2016

Liebe Leserinnen und Leser,

mit dem vorliegenden Liederbuch halten Sie eine Sammlung von Liedtexten in Händen, die der Möllner Liedermacher Klaus Irmscher gemeinsam mit Katharina Gerlach aus seinen Liedern zusammengestellt hat.

Sie finden alte und neue Themen, Texte auf Plattdeutsch und Hochdeutsch, heitere und ernste Lieder in dieser Sammlung. Allen gemeinsam ist der Bezug zu Eulenspiegels Stadt in Schleswig-Holstein – zu Mölln und zum Kreis Herzogtum-Lauenburg. Mit spitzer Feder und spitzer Zunge nimmt Klaus Irmscher in guter Eulenspiegel-Manier die Mitmenschen und ihre Eigenarten aufs Korn, gern auch Funktionsträger in Politik und Verwaltung, um sie in seinen Liedern dem Spott seiner Zuhörer auszusetzen. Alltägliche Erlebnisse werden ebenso in den Liedern verarbeitet wie Nachrichten aus der regionalen Presse – vieles wird man beim Lesen der Texte wieder erinnern, vor allem als Möllner BürgerIn.

Ich wünsche dieser Liedersammlung ebensolchen Erfolg, wie Klaus Irmscher ihn bei seinen Auftritten in Mölln und Umgebung seit Jahren hat und freue mich, dass er die Eulenspiegel-Tradition Möllns auf diese Weise am Leben erhält und fortführt.

Jan Wiegels

Bürgermeister

Mölln, im Juni 2015

Vorwort

Im Jahr des Herrn zweitausendundsieben vernahm ich - als Möllner Minnesänger - den Ruf, der Bote von Hermann Bote zu sein. Selbiger hatte um das Jahr fünfzehnhundert die Geschichte des Till Eulenspiegel aufgeschrieben. So hub ich nun an, auserwählte Eulenspiegel-Historien in Reim und Strophe zu bringen und sie mit wohlgesetzten Weisen zu versehen; und im Januar des Jahres zweitausendundacht, da bracht’ ich sie im Alten Rathause zu Mölln der geneigten Hörerschaft dar. Bald hieß man mich, meine Eulenspiegellieder abermals in Mölln zu singen. Also dünkte es mir wohlgetan, neue Eulenspiegel-Historien zu suchen. Ich fand sie heut, in unserer Zeit, überall dorten, wo Dummheit, Geiz und Gier uns treibet. Im Jahr des Herrn zweitausendundzehn brachte ich eine tönende Silberscheibe heraus mit dem Titel “Genarrt, geäfft, geEulenspiegelt”. Auf selbiger sind acht Gesänge nach den alten Historien sowie sieben nach heutigen Geschehnissen versammlet.

So dank ich nun all jenen, die mein Tun als Bote von Hermann Bote beförderten und begleiteten. Ich danke meiner damaligen Gefährtin Renate Brandt, die mir beim Schleifen meiner Gedanken, meiner Worte und Weisen half; ebenso dank’ ich Gernot Exter von der Möllner Eulenspiegelgilde und Michael Packheiser vom Möllner Museum, die mir den Weg zur Uraufführung im Möllner Museum ebneten. Weiter dank’ ich Hella und Peter Thomas aus dem Westerwalde für die Anregung zum Liede “Das Brot von gestern”; Susanne Dieudonné und Uwe Rasmussen dank’ ich für ihre Hilfe, meine Weisen in Noten zu setzen. Herrn Bürgermeister Wiegels dank ich herzlich für sein Grußwort. Auch dank’ ich jenem rastlosen Benzinkutscher, welcher mich einmal von hinten anhupte, als es vorne gerade nicht weiterging. Sein Hupen ließ mich finden, was Eulenspiegel tat, als ihm Gleiches widerfahren war. Und mein ganz besonderer Dank gilt Katharina Gerlach, die meine Texte, wenn sie neu waren, stets als erste las und kommentierte und mir mit Rat und Tat beim Verfassen dieses Buches zur Seite stand.

So wünsch ich Euch nun ein vergnüglich Lesen!

Eulenspiegelhauptstadt Mölln

im Jahr des Herrn zweitausendundsechzehn

Klaus Irmscher - der Bote von Hermann Bote

TEIL EINS

Der dreifach Getaufte

Leute, lauschet dem Berichte,

gebet acht, ich fange an:

Ich erzähl’ euch die Geschichte

von ein’m wohlberühmten Mann.

Viele Städte ziert sein Bildnis,

und man liest von seinem Tun

auch noch in der fernsten Wildnis,

ihr sollt’s selber hören nun:

Im Jahr des Herren Dreizehnhundert,

solches kam der Welt zu Ohr’n,

ward in Kneitlingen bei Braunschweig

ein Bauernsohn gebor’n.

Er kam früh in mißlich Lage

durch die Patin, die zu viel gesauft,

und an einem einz’gen Tage

ward dreimal er getauft

Till Eulenspiegel heißt er,

und manch ein wack’rer Meister,

vielleicht nicht ganz begeistert

gedachte lange sein

Till Eulenspiegel hieß er,

und manch ein milder Priester

bekreuzigt sich, dann gießt er

sich auf Till ’nen Meßwein ein.

Als die Mutter wohl erholet war

von den Mühen der Geburt,

bracht den Knaben man zur Taufe gar,

ging hernach zum Biere furt.

Auf dem Heimweg - eine Patin,

zu viel Bier trank sie im Krug,

glitt vom Steg und lag im Bache,

als das Kind am Arm sie trug

Herausgefischt ein schlammig nasser

Till - man bracht’ ihn heim geschwind.

In ein’m Kessel voll warmem Wasser

wusch man rein das teure Kind.

Dreifach ward er so getaufet:

In der Kirch, im Bache und daheim.

Wie Tills Leben weiterlaufet,

dazu lauschet nun gar manchem Reim

 

Seid mir willkommen, ihr Leute, die ihr dieses Buch aufgeschlagen habet. Also leset ihr nun von Till Eulenspiegel. Hermann Bote, Zollschreiber zu Braunschweig, hat seine Geschichte Anno fünfzehnhundert aufgeschrieben. Und im Jahr des Herrn zweitausendundsieben begann ich, ausgewählte Historien daraus in Reime und Weisen umzusetzen. So spreche ich nun zu euch aus diesem Buche als der Bote von Hermann Bote.

Till verlebte seine ersten Kinderjahre im Dorfe Kneitlingen nahe Braunschweig. Er wuchs heran, ward lustig und gesellig und lernte bald, Beachtung sich zu verschaffen.

Doch wenn die Nachbarn sich beklagen

ob des Knaben frech Betragen,

da halt der Vater die Augen offen -

sollt man hoffen!

Hinter Vaters Rücken

Als Eulenspiegel sechs Jahr’ alt war

- die Nachbarn schimpften sehr,

beklagten sich beim Vater, welch ein Schalk sein Sohn wohl wär.

Der Vater frug: „Von welch Ungefug erzähl’n die Leute mir?“

Sprach Till: „Ich tue keinem was - beweisen will ich’s dir.

So laß uns reiten durch das Dorf - ich setz mich hinter dich,

ich sag’ kein einz’ges Wort - und doch: Sie klagen über mich.“

Sie ritten fort, Till sprach kein Wort

- und bei des Pferdes Marsch

zeigt’ hinter Vaters Rücken er dem Dorf sein’n blanken Arsch.

Da huben sie zu schimpfen an: „Ein Schalk! ’s ist unerhört!“

„Da hörst du’s“, sprach er,

„wüßt’ ich, was die Leut’ nun wieder stört!“

Der Vater sprach: „Welch Ungemach

- nun will ich’s aber sehn.“

Er setzte Till vor sich auf’s Pferd

- ’ne Runde noch zu dreh’n.

Till streckte nun die Zunge raus

- Grimassen schnitt er keck.

Der Vater blickte g’radeaus

- wohl über Till hinweg.

„Da seht den Balg,

den frechen Schalk!“

Man schimpft’ ohn’ Unterlaß.

Der Vater sprach: „Er saß doch still und tat gar keinem was!“

Der Vater blickte g’radeaus und nicht zum Sohne hin,

und der trieb seinen Schabernack

- g’rad wie’s ihm kam in’n Sinn.

Der Vater sprach: „Man klagt mir - ach

- nur grundlos voll die Ohr’n,

du bist in einer unglücksel’gen Stunde wohl gebor’n“

 

Zwischen den Gesängen sei gesaget:

Tills Vater war landloser Bauer, und dunkle Quellen munkeln, er habe beim Raubritter im Solde gestanden. Bald zog nun die Familie um ins Magdeburgische Land, nach Hohendorf an der Saale, dem Heimatdorfe von Tills Mutter. Kurz nach dem Umzuge starb Tills Vater. Eulenspiegel wuchs heran.

Da Till nun sechzehn Jahre zählet,

wurd’s Zeit, dass ein’n Beruf er wählet.

Ei nun, der Bursch, recht aufgeweckt,

er zeigte bald, was in ihm steckt.

Jedoch - die Mutter hat’s erschreckt…

Der Seiltanz

In Hohendorf an der Saale

lebt’ Till in arger Not.

Er war grad’ sechzehn Jahre,

der Vater war schon tot.

Die Mutter sprach: „So lerne

ein Handwerk! Dich beeil’!“

Doch Till, der lief nur gerne

und gut wohl auf dem Seil.

Wohl auf des Daches Boden

hatt’ Till ein Seil gespannt.

Dort übt’ er viele Wochen,

bis ihn die Mutter fand.

Sie hieb nach ihm, schrie Zeter,

auf’s Dach tät er entfliehn

und tät vier Wochen später

ein neues Seil wohl ziehn.

Zum Dach hinaus von Mutters Haus,

das an der Saale stand,

hat er das Seil zum Nachbarhaus

wohl über’n Fluß gespannt.

Das halbe Dorf, es strömt heran

zu schau’n, was folget nun.

Dacht’ Till: „Was ich am besten kann,

das will ich füglich tun.“

Till wandert auf dem Seile,

man bestaunet sein Geschick.

Die Mutter zornig eilet

zum Dach und trennt den Strick,

und Till fällt in die Saale,

ein Spottgebrüll erschallt.

„Dass ich es heim euch zahle,“

denkt Till, „ihr Leut’, auf bald!“

Am nächsten Tage spannte Till ein Tau von einem ander’n

Haus und rief: „Ihr Leute, herbei und höret zu!“

Dann begann auf dem Seile er zu wandern,

rief: „Gebt mir für ein Kunststück eure linken Schuh’!“

Sie reichten ihm die Schuhe, er band sie auf auf ein’n Strick,

zerschnitt den Strick und warf die Schuhe auf die Leut’ zurück.

Sie haschten nach den Schuhen, sie hieben und sie stritten:

„Der Schuh ist mein!“ „Nein, mein!“

„Halt’s Maul, du frecher Dieb!“

Derweil ist Till fein still vom Seil herabgeglitten

und sauste nach Haus, wo er vier Wochen drinnen blieb

und Schuhe flickte, die man aus Helmstedt zu ihm bracht’

„Schaut her, er wird gescheit!“ hat die Mutter sich gedacht.

„Schaut her, er wird gescheit!“ hat die Mutter sich gedacht.

 

Zwischen den Gesängen sei gesaget:

Glaubet ihr, Till wäre nun gescheit geworden? Ei, weit gefehlet! Ihr fraget euch: Wie lange mag es ihn noch in der Mutter Haus gehalten haben? Das nächste Lied wird es euch erzählen.

Im Bienenkorb ins Leben

Die Mutter klagt, dass Till sich gar

nicht um ein Handwerk kehret

Sein einz’ger Drang der Seiltanz war,

doch der war ihm verwehret.

Sie litten eine arge Not,

und da’s kaum gab zu essen,

erschwindelt er ein’n Sack voll Brot,

zu Staßfurt ist’s gewesen.

Grad achtzehn Jahr’ alt zu der Zeit

tät Till mit Muttern laufen

zu einem Dorf, drei Stunden weit,

zur Kirchweih, sich besaufen.

Er tät nach einem Schlafplatz sehn,

wo keiner ihn würd’ stören,

sah Bienenkörb’ im Hofe stehn

und kroch in einen leeren.

Die Mutter sah kein’n Till und dacht,

er wär nach Haus entwichen.

Till schlief im Korb bis Mitternacht,

zwei Diebe kam’n geschlichen.

Der eine raunt dem andern still:

„Der schwerste Korb, der lohnt sich!“

Sie schulterten den Korb mit Till

und dachten ’s wäre Honig.

Till hörte, wie sie planten,

zu verhökern ihre Waren.

Stockdunkel war’s, er zog im Nu

den Vord’ren an den Haaren.

Der fluchte laut dem Hintermann,

was dieser sich wohl dachte,

der bellt empört den Vord’ren an,

Till leis’ im Korbe lachte.