Copyright Stefan Schurr – Winterbach 2019 (2. unveränderte Auflage)
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Aus Gründen der besseren Übersicht erfolgt im Text keine explizite Differenzierung zwischen der weiblichen und männlichen Form.
Herstellung und Verlag:
Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN-13: 978-3-8423-1061-2
Welche Voraussetzungen benötigt man eigentlich um möglichst schnell Rad zu fahren?
Der entscheidende Faktor ist natürlich die physische Leistungsfähigkeit des Fahrers. Ohne seine entsprechenden konditionellen Voraussetzungen sind alle weiteren Gesichtspunkte ohne größeren Belang.
Und trotzdem: um richtig schnell zu sein bedarf es etwas mehr: Denn bei gleicher physischer Leistungsfähigkeit wird immer der Athlet gewinnen, der die vielfältigen Möglichkeiten, die sich neben dem Training bieten, optimal ein- und letztendlich auch in eine hohe Geschwindigkeit umsetzen kann! In diesem Buch wollen wir uns diesen Möglichkeiten widmen. Es geht um optimale Sitzposition, Material und Taktik! Denn dann können auch die hart erarbeiteten konditionellen Fähigkeiten voll zum Tragen kommen.
Im Radsport ist da natürlich ein Kriterium von herausragender Bedeutung: die optimale Sitzposition. Sie ist Grundlage für eine effiziente Kraftentfaltung, einen geringen Luftwiderstand sowie entspanntes und lockeres Fahren. Im ersten Teil des Buches werden wir uns mit diesem Thema ausführlich auseinandersetzen und die Sitzposition für die doch teilweise recht unterschiedlichen Anforderungen von Rennradfahrern, Zeitfahrern und Triathleten etwas genauer betrachten.
Im zweiten Teil geht es um einen weiteren wichtigen Aspekt, dem Material. Auch hier können viele verschiedene Kriterien eine wichtige Rolle spielen. Vor allem die Aerodynamik und das Gewicht sind Gesichtspunkte, die sich bei unterschiedlichen Streckenprofilen ganz wesentlich auf die Performance auswirken können. Aber nicht nur die! Auch der Rollwiderstand der Reifen sowie Reibungswiderstände in den beweglichen Teilen des Fahrrades sollten einer genaueren Betrachtung unterzogen werden. Analysiert man die unterschiedlichen Einflussfaktoren genauer, so ergeben sich manchmal erstaunliche Ergebnisse, die sich nicht immer mit den allgemein vorherrschenden Meinungsbildern decken.
Vielleicht überdenkt der eine oder andere seine neu geplante Materialinvestition noch einmal und legt sein Geld anderswo doch besser an?
Der dritten Teil widmet sich den Möglichkeiten um Sitzposition und Materialauswahl mit Hilfe von einfachen und praktikablen Test zu optimieren. In erster Linie geht es dabei um die Verbesserung der Aerodynamik. Profis gehen dafür gerne mal in den Windkanal oder messen auf der Radrennbahn mittels Leistungsmessgeräten die Auswirkungen von leichten Positionsveränderungen auf Effizienz und Aerodynamik. Dem Amateur und leistungsorientierten Breitensportler ist diese Möglichkeit meist verwehrt. Trotzdem kann man auch mit einfacheren Mitteln gute Testergebnisse erzielen und Rückschlüsse auf Optimierungspotenziale ziehen.
Im Rennen spielt noch ein weiterer Faktor eine große Rolle für das Endergebnis: die Taktik. Im vierten Teil geht es um die Frage wie man seine Kräfte ökonomisch und effizient nutzen kann. Dabei sind Streckenlänge und -profil wichtige Einflussgrößen für die Renngestaltung. Und was uns in diesem Zusammenhang auch noch interessiert, ist der sogenannte runde Tritt, oder eigentlich besser gesagt der biomechanisch optimale Tritt, der neben der Frequenz auch noch von weiteren Kriterien abhängig ist. Mehr dazu im vierten Teil.
Für den Fahrradfahrer bildet eine korrekte und angepasste Sitzposition die Grundlage für eine effiziente Kraftentfaltung, einen geringen Luftwiderstand sowie entspanntes und lockeres Fahren.
Aber was bedeutet „korrekte“ Sitzposition? Wie sieht sie aus? Gibt es eine einfache Möglichkeit um seine optimale Position auf dem Fahrrad zu finden?
Die Antwort auf diese Fragen ist schwierig: Denn je nach Anforderungsprofil (Zeitfahren, Berganfahren, Kriterium, Marathon,...) können sich Sitzpositionen auf dem Fahrrad teilweise deutlich voneinander unterscheiden. Dass jeder einzelne Sportler individuelle anatomische Merkmale mit sich bringt, erschwert eine Anpassung zusätzlich! Es gibt keine standardisierte Sitzposition, es muss für jeden Athleten und je nach Anforderungsprofil das Optimum, beziehungsweise der beste Kompromiss, gefunden werden!
Die hier aufgeführten Ratschläge dienen daher als Orientierung und geben Richtlinien auf deren Grundlage man seine Positionsbestimmung vornehmen kann. Diese wird dann schrittweise den individuellen Anforderungen angepasst.
Wenn wir unsere Sitzposition auf dem Rennrad ermitteln wollen, dann sollten wir uns erst einmal überlegen worauf es dabei im Wesentlichen ankommt. Denn die optimale Sitzposition auf dem Rennrad muss mehreren Gesichtspunkten genügen.
Der Fahrer sollte möglichst...
...entspannt und ermüdungsfrei
...effizient
...schnell
...mit seinem Fahrrad fahren können.
Die ersten beiden Punkte beziehen sich vor allem auf muskuläre und biomechanische Voraussetzungen, der letzte Punkt auch auf resultierende aerodynamische Konsequenzen.
Diese unterschiedlichen, teilweise sehr gegensätzlichen, Kriterien machen eine individuelle Anpassung so schwierig. Gerade die Anforderungen „optimale Aerodynamik“ und „entspannte Haltung“ schließen sich gegenseitig nahezu aus und verlangen nach einem annehmbaren Kompromiss. Die resultierende effektivste Sitzposition ist nicht immer unbedingt die bequemste. Zur Verbesserung seiner gewohnten Position muss man daher auch am Körper arbeiten und nicht nur das Radmaterial optimieren wollen. Eine stabile Rumpfmuskulatur und funktionelle Beweglichkeit in den Gelenken ermöglicht normalerweise eine wesentlich effizientere und aerodynamischere Sitzposition. Auch der Umstand, dass Fahrradfahrer teilweise mehrere Stunden in ihrer Haltung verharren müssen, kann die Prioritäten weg von der Aerodynamik in Richtung Komfort verschieben. Wie geht man also am besten vor?
Die grundlegende Bestimmung der Sitzposition läuft nach einem allgemeinen Schema ab1:
Schauen wir uns zunächst die relevanten Körpermasse an. Die wichtigsten Parameter sind:
Aus den Daten, die sich aus der Vermessung des Fahrers ergeben, läßt sich eine erste grobe Bestimmung der Sitzposition vornehmen. Die Ermittlung mit Maßband, Lot und rechnerischer Methode kombiniert die auf dem Markt gebräuchlichsten Verfahren und ermöglicht eine gute Standortbestimmung. Diese bildet dann für weitere Optimierungen eine hervorragende Basis:
Sitzhöhe = 0,885 x Innenbeinlänge +/- 10mm
Die Differenz von +/- 10mm ergibt sich daraus, dass sich einerseits Pedale mitunter deutlich in ihrer Bauhöhe unterscheiden und andererseits auch unterschiedliche Kurbellängen eingesetzt werden. Dies muss natürlich auch in der Sitzhöhe berücksichtigt werden. Was außerdem hinzukommt sind die individuellen Vorlieben des Fahrers, der eine fühlt sich mit höherem, der andere mit etwas tiefer eingestelltem Sattel wohler. Mehr dazu im nächsten Kapitel bei der Optimierung der Sitzposition. Der maximale Winkel im Kniegelenk sollte bei der Trittbewegung etwa 152 bis 155 Grad betragen3.
Sitzlänge = N x (Rumpflänge + Armlänge) - (0,59 x Sattellänge)
Körpergröße | Überhöhung |
150 – 160 cm | 2 – 5 cm |
160 – 170 cm | 3 – 7 cm |
170 – 180 cm | 5 – 8 cm |
180 – 190 cm | 6 – 10 cm |
190 – 200 cm | 7 – 12 cm |