Für Gabi und Eva.
A.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
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Faschinenmesser
3. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7392-7820-9
© 2015 by Wolfgang Peter-Michel
Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt
Wer Bajonette sammelt – insbesondere deutsche Exemplare des 19. und frühen 20. Jahrhunderts – kommt zwangsläufig an Faschinenmessern nicht vorbei. Denn bis weit ins 19. Jahrhundert hinein trugen die gemeinen Soldaten zu ihrem Gewehr das auf den Lauf aufzusteckende Tüllen- oder Dillenbajonett. Als Beiwaffe trugen sie dazu immer noch ein Haumesser, sowohl zum Kämpfen als auch als Schanzwerkzeug. Bei den Jägereinheiten wurde diese Kombination schon sehr früh durch den aufpflanzbaren Hirschfänger ersetzt, beispielsweise den HF 1810 zur Jägerbüchse. Erst um 1865 besann sich die Gewehrprüfungskommission, auch die Pioniereinheiten mit Faschinenmessern zu versorgen, die nicht nur als Beiwaffe dienten, sondern auch aufpflanzbar waren. Deshalb zog sie das letzte nicht aufpflanzbare Faschinenmesser, das Garde-PFM 1855, wieder ein. Deren Griffe wurden eingeschmolzen und Gefäße mit Aufpflanzvorrichtung aus dem Material gefertigt. Diese wurden dann mit den M 1855er-Klingen versehen und so das Pionier-Faschinenmesser M 1865 geschaffen.
Von diesem Zeitraum an interessieren sich deshalb auch Bajonettsammler für Faschinenmesser. Und von hier ist der Weg nicht mehr weit, auch die nicht aufpflanzbaren Exemplare zu sammeln. Wohl nicht zuletzt aus diesem Grund hat der Erfolg der ersten Auflage des vorliegenden Grundlagenwerkes über die deutschen Faschinenmesser die Erwartungen bei weitem übertroffen. Dieser zweiten überarbeiteten und erweiterten Auflage wurde noch einmal umfangreiches Material hinzugefügt und auch die zahlreichen Leserzuschriften berücksichtigt. Ein großer Dank an alle Beteiligten.
Besonderer Dank gilt außerdem Achim Erdmann, ohne dessen Mithilfe dieses Buch nicht zustande gekommen wäre. Ein Großteil der hier vorgestellten Faschinenmesser stammt aus seiner umfassenden Sammlung. Er unterstützte den Autor maßgeblich bei der Gliederung des komplexen Stoffes und half ihm während der Arbeit mit fachlichen Tipps und seinem immensen Fachwissen.
Dieter Heich und Rolf Selzer sei an dieser Stelle ebenfalls ganz herzlich gedankt.
Ein herzlicher Dank auch an Gabi und Eva sowie Christel und Kalli, Ute und Heinz , Heiner und Elke, Tanja, Frank und Luis, Tanja und Marco sowie Conny D., Sandra K., Doris K, Sabine K.und Christel P.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts begannen die europäischen Armeen, ihre Soldaten mit Faschinenmessern auszurüsten. Die so bezeichneten Blankwaffen ähneln den Infanteriesäbeln dieser Zeit, sind jedoch mehr als Werkzeug ausgelegt. Sie sollten dazu dienen, Äste und Reisig von Bäumen abzuschlagen, um diese beim Bau von Feldbefestigungen verwenden zu können. Zunächst erhielten hauptsächlich die Mineure und Sappeure, später Pioniere geheißen, die neue Seitenwaffe. Wenig später trugen sie auch Artilleristen und Infanteristen.
Für die massenhafte Verbreitung dieser Kombination aus Blankwaffe und Werkzeug gab es zwei Hauptgründe. Zum einen hatten die Schusswaffen, Handfeuerwaffen sowohl als auch Artillerie, eine derartige Präzision und Feuergeschwindigkeit erreicht, dass offene Feldschlachten in Linienformation immer verlustreicher für die Kontrahenten wurden. Auch brachten es die vorindustriellen Herstellungsmethoden im Manufakturbetrieb mit sich, dass Musketen und Kanonen kostengünstig in solchen Mengen produziert werden konnten, dass die Armeen mit einer Vielzahl davon in die Schlacht ziehen konnten.
Somit waren die verfeindeten Heere in ihrer Bewegungsfreiheit auf dem Schlachtfeld eingeschränkt und mussten sich Feldbefestigungen bauen. Diese wurden meist nur für die Dauer einer Schlacht oder eines Feldzuges angelegt. Die Genietruppen errichteten sie mit provisorischen Mitteln aus Erde und verstärkten sie mit Holzverkleidungen, Sandsäcken oder eben Faschinen oder Schanzkörben. Diese Entwicklung sollte zu Beginn des 20. Jahrhunderts, im Grabenkampf des Ersten Weltkriegs, ihren vorläufigen Höhepunkt finden. Da im 18. und 19. Jahrhundert die Schlachtformationen jedoch noch einige Bewegungsfreiheit besaßen, mussten die damaligen Pioniere ihre Feldbefestigungen in kürzester Zeit errichten und zum Teil auch verlegen können. Somit haftete den Bauten notgedrungen stets etwas Provisorisches an, obwohl sie natürlich dennoch auch längeren Artilleriebeschuss überstehen mussten.
Dafür erdachten die militärischen Handwerker Bautechniken, für die sie große Mengen Reisig, Äste, Zweige, gespaltene Kanteln und anderes Grünholz benötigten. Sie fertigten daraus Bündel (Faschinen), Schanzkörbe, Gitterwerk und Geflecht, mit dem sie ihre Erdbauwerke vor dem zu raschen Verfall schützten.
Neben der Weiterentwicklung der Feuerwaffen unterstützte auch der gesellschaftliche Wandel, der gegen Ende des 18. Jahrhunderts einsetzte, die Verbreitung der Faschinenmesser. Denn die französischen Revolutionsheere, die unter der kundigen Führung Napoleons den alten Mächten Europas das Fürchten lehrten, führten neue Taktiken in die althergebrachten Schlachtordnungen ein.
Wegen der geringen Zielgenauigkeit der Musketen waren im 18. Jahrhundert lange, zweigliedrige Aufstellungen (Linienformationen) üblich gewesen, aus denen fast alle Soldaten gleichzeitig schießen konnten. Diese setzten aber sehr gute Disziplin und Ausbildung der Männer voraus. Im französischen Revolutionsheer dienten aber in erster Linie Freiwillige und Wehrpflichtige und kaum länger dienende Berufssoldaten. Mit diesen war die aufwendige Linientaktik nicht umsetzbar.
Also setzten die Franzosen tief gestaffelte Kolonnen ein, in denen die hinteren Reihen die vordere immer wieder auffüllten und so ein durchgehendes Musketenfeuer ermöglichten. Die erreichbare Feuerkraft war zwar geringer als bei der Linearformation, der Zusammenhalt und die Kräftekonzentration im Nahkampf jedoch erheblich besser. Napoleon setzte daher alles auf eine umfassende artilleristische Vorbereitung mit anschließendem Bajonettkampf. Einen ausgedehnten Feuerkampf der Infanterie machte seine Taktik unnötig. Nach ihren großen Niederlagen gegen Napoleon übernahmen Preußen, Österreich und Russland weitgehend sein Modell und kamen von der Linientaktik ab. Auch deshalb gewannen Feldbefestigungen und damit Faschinenmesser in diesem Zeitraum an Bedeutung.
König Friedrich Wilhelm II von Preußen führte 1787 per Erlass ein Faschinenmesser für seine Füsilierbataillone ein.1 Er folgte damit dem Vorbild der französischen Armee, die bereits 1771 ihre Artilleriesoldaten mit einer solchen Blankwaffe ausgerüstet hatte. Der preußische Entwurf besitzt eine einschneidige Klinge, die primär für den Hieb ausgelegt ist. Sie ist mit ihren rund 48 cm Länge um etwa 12 bis 15 cm kürzer als die des Infanteriesäbels. Das massive Messinggefäß weist einen quer gerillten Griffteil und eine gerade vierkantige Parierstange auf. Die durch den Griff verlaufende Spitzangel der Klinge ist darauf mit einem rund-ovalen Knopf vernietet.
Die Parierstange weist als charakteristisches Merkmal quartseitig einen Daumenring auf. Die ihm zugedachte Funktion ist fraglich, wahrscheinlich sollte er beim Hieb mit nasser oder im Extremfall blutverschmierter Hand verhindern, dass die Waffe nach vorn aus der Hand des Soldaten glitt. In der Praxis dürfte er beim Arbeiten recht bald zu Blasen oder verrenkten Daumen geführt haben. Darüber hinaus lag er beim Führen der Waffe am Koppel körperseitig an und dürfte sich dabei ebenfalls störend bemerkbar gemacht haben.
Dies hat zur Folge, dass Stücke mit intaktem Daumenring heute eine ausgesprochene Seltenheit darstellen. Viele Soldaten haben sich nämlich des störenden Rings im Feldgebrauch durch einen Schlag beispielsweise mit einem Stein entledigt. In anderen Fällen wird er beim Arbeiten oder im Kampf von selbst abgebrochen sein.
Bei derart „modifizierten“ Waffen ist an der quartseitigen Griffhälfte noch eine schmale längliche Mulde zu erkennen, in der der Ring verlief. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Ring dann vielfach auf dienstliche Anordnung von den Zeugmeistereien entfernt. In diesen Fällen ist die Mulde oft mit Messing-Hartlot verfüllt und nur durch genaue Untersuchung zu erkennen.
Die Scheide des preußischen Faschinenmessers M 1787 besteht aus schwarzem Leder, das zweilagig mit einer quartseitigen Mittelnaht zusammengefügt wurde. Ortblech und Mundband sind verdeckt eingesetzt, von ersterem ragt am Ort der Scheide eine Messingkugel hervor, an letzterem ist der Tragehaken befestigt, der das Leder einige Zentimeter unterhalb der Mundöffnung durchdringt.
1 Vgl. Müller 1991, S. 122
Das erste preußische Faschinenmesser war zunächst unter der Bezeichnung „M 1787“ eingeführt worden. In dieser Form, sei es mit vorhandenem Daumenring oder auch nur Spuren davon, führten die preußischen Füsiliere es mehrere Jahrzehnte lang.