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© dieser Ausgabe: Sina Blackwood 2016
© Layout Sina Blackwood 2016
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Die Personen und Namen in diesem Buch sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit heute lebenden Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783743168398
Galantha warf sich im Schlaf immer wieder hin und her. Marc hatte mehrfach versucht, sie zu wecken – vergeblich. Sie murmelte unverständliche Worte in der Sprache ihres Volkes, die Marc nicht beherrschte. Erst als die Sonne aufging, beruhigte sich die Elfe wieder. Besorgt betrachtete Marc Galanthas Gesicht, welches noch immer die Ängste der vergangenen Stunden widerspiegelte. Was mochte nur geschehen sein? Noch nie hatte er seine Frau in einer derartigen Verfassung erlebt. Die Antwort auf seine Frage ließ nicht lange auf sich warten. Galantha setzte sich plötzlich auf und flüsterte: „Sie brauchen Hilfe oder alle werden sterben.“
„Wer braucht Hilfe?“, fragte Marc beunruhigt.
„Alle in meiner alten Heimat.“ Galantha schwang die Beine aus dem Bett. Nervös bewegte sie die bunt schillernden Flügel.
„Dann sollten wir sofort mit Stella und Thomas darüber sprechen.“ Marc wusste genau, dass er Galanthas Gespür für Gefahren vertrauen konnte. Im selben Moment klappte die Terrassentür. Im Flur prallte Marc fast mit seiner Tochter Stella zusammen, die panisch hereingestürzt kam. Sein bester Freund Thomas, der gleichzeitig Stellas Ehemann war, folgte ihr. Schließlich saßen alle vier, noch mit Schlafanzügen und Nachthemden bekleidet, im Kaminzimmer.
„Du hast es auch gespürt“, murmelte Galantha. „Ich habe mich also nicht getäuscht.“
Stella schüttelte den Kopf, dass die eichhörnchenrote Mähne nur so flog. Marc drückte seine Frau in die Polster der Wohnlandschaft. „So, nun erzählst du uns erst einmal der Reihe nach, was eigentlich los ist.“
Galantha atmete tief durch. „Es gibt Ärger mit den Zwergen.“
Thomas schaute sie ungläubig an. „Was jetzt schon? Es sind doch erst fünf Jahre um! Ich denke, wir haben sie für hundert Jahre unter die Erde geschickt?“
„Da sind sie auch noch“, erklärte die Elfe. „Nur haben sie einen Weg gefunden, das Wasser zu vergiften. Viele Lebewesen im Elfenland sind schon krank und siechen dahin, die Pflanzen sterben ab und die Seen sind verseucht. Pyron und Zephyra haben heute Nacht gerufen. Wir müssen ihnen helfen, bevor es zu spät ist.“
„Ich habe genau die gleichen Bilder gesehen wie Mutter“, sagte Stella traurig. „Es gibt gar keinen Zweifel.“
„Einzelheiten?“, fragte Thomas kurz.
Beide Frauen schüttelten die Köpfe. „Keine.“
„Jetzt ziehen wir uns erst einmal an“, schlug Marc vor. „Dann frühstücken wir und hinterher überlegen wir, wo die Zwerge so viel Gift aufgetrieben haben können, um ein ganzes Land zu gefährden.“
Eine halbe Stunde später saßen alle in Galanthas Küche. Schweigend aßen sie.
„Bergbau!“, rief Thomas plötzlich.
Marc sah seinen Freund anerkennend an. „Klingt logisch.“
„Ihr meint, sie verseuchen das Grundwasser mit dem Abwasser ihrer Erzschürfungen?“, vergewisserte sich Stella.
„Hmm“, brummte Thomas. „Genau das traue ich ihnen zu.“
„Aber was könnten wir dagegen tun?“, fragte Galantha verzagt.
„Ich wäre dafür, erst einmal im Elfenland Daten zu sammeln. Wer weiß, was tatsächlich dahinter steckt?“
„Schon gut. Es war dumm von mir“, murmelte Galantha.
Marc streichelte ihre Hand. „Kopf hoch! Wir beide gehen in einer Stunde durch das Portal, Thomas und Stella halten uns hier den Rücken frei. Wenn alles klappt, sind wir noch vor Mitternacht wieder zurück.“
Galantha fiel ihm dankbar um den Hals.
Zur versprochenen Stunde fanden sich alle in Marcs Arbeitszimmer ein. Marc öffnete die Schiebetür neben dem Fenster, hinter der er, für Fremde unerreichbar, den ovalen Spiegel mit dem kunstvollen Rahmen verborgen hielt. Auch heute zeigte die matte Fläche ihren wolkigen Schleier, der Marc einst hatte zum Fensterleder greifen lassen, worauf er ziemlich unfreiwillig in Galanthas Welt gelandet war. Stella und Thomas setzten sich in die beiden bequemen Sessel, um die Spiegelfläche immer im Auge zu haben. Galantha und Marc stiegen nacheinander durch den Rahmen, wie sie es schon so oft getan hatten. Die Schwärze des Alls umfing sie. Eine sanfte Gewalt schob sie, am Ende ihrer Reise, hinaus in die andere Welt. Mit wenigen Blicken erkannten sie, dass die Drachen ihre Grotte bereits verlassen hatten.
„Mist. Wie komme ich denn jetzt vom Berg herunter?“, murmelte Marc.
„Ruf sie doch. Vielleicht hören sie es ja“, schlug Galantha vor.
„Na klar! Aber nicht akustisch.“ Marc setzte sich auf den Boden, schloss die Augen und rief im Geiste nach Pyron.
Nach ein paar Minuten verdunkelte sich der Eingang der Höhle. Ein lautes Schnüffeln folgte. „Es riecht nach Menschen und Riesenelfen“, sagte die bekannte tiefe Stimme und schon tauchte der gehörnte Kopf des gigantischen Drachen auf. „Galantha, Marc, bin ich froh, euch zu sehen!“
„Schön, dass es dir gut geht.“ Die beiden Ankömmlinge atmeten erleichtert auf. „Wo ist Zephyra?“
„Sie ist unten am See. Wir haben einen kleinen Bach umgeleitet, der verseuchtes Wasser in den See getragen hat. Ach, da ist sie ja schon.“
Das leise Schleifen des Drachenpanzers an den steinernen Wänden verriet Zephyras Ankunft.
„Ihr habt den Ruf vernommen“, seufzte sie zufrieden, beim Anblick von Galantha und Marc. „Wir wissen hier bald nicht mehr weiter. Am besten schaut ihr euch das ganze Elend aus der Luft an.“
Schnell saß das Ehepaar Wendler auf Pyrons Rücken, der in Begleitung von Zephyra zum Rundflug aufbrach. Pyron brachte sie hoch ins Gebirge, wo die Katastrophe ihren Anfang nahm. „Diese beiden Quellen hier sind verseucht, während die, genau daneben, sauber ist“, erklärte der Drache. Er stieg noch höher auf. Den Betrachtern bot sich ein schreckliches Bild. An den Ufern der drei Gebirgsbäche, die zu kleinen Flüssen anschwollen, gab es kaum noch Leben. Tote Bäume und kahler Boden auf fast einhundert Metern Breite. Im Wasser schwammen weiße Schaumflocken.
„Aber das ist ja grauenvoll“, stöhnte Galantha.
Zephyra nickte. „Da sagst du wahre Worte.“
„Aber warum nur diese beiden Quellen, obwohl die andere direkt daneben ist?“, Marc drehte sich noch einmal um.
„Genau das ist die Frage.“ Pyron hob hilflos die Vorderklauen.
Eine Stunde später saßen sie in der Grotte zusammen und hielten Kriegsrat. Marc erzählte von Thomas’ Theorie, die sich mit dem deckte, was er soeben gesehen hatte. „Man müsste in eine der Quellen abtauchen und nachsehen“, murmelte Marc.
Pyron begann bitter zu lachen. „Na wie denn?“
Marc erhob sich. „Bring mich bitte zum See. Dort wird sich entscheiden, wie es weitergeht.“
Die beiden Drachen wechselten erstaunte Blicke mit Galantha. Pyron beeilte sich, Marcs Wunsch nachzukommen. An dem Uferabschnitt mit dem saubersten Wasser landete der Drache. Marc winkte die Nixen herbei.
„Marc und Galantha sind da! Nun wird alles gut!“, riefen die Wasserbewohner durcheinander, während sie auf den flachen Steinen Platz nahmen.
„Ich möchte euch nicht die Laune verderben, aber wir tappen noch ziemlich im Dunkel“, erwiderte Marc. Er beschrieb, was er im Gebirge gesehen hatte. Entsetzen zeichnete die Gesichter der Nixen. „Ich bin gekommen, weil ich eure Hilfe brauche. Jemand müsste der sauberen Quelle im Inneren des Berges folgen und ergründen, woher sie kommt und wie es dort überhaupt aussieht.“
Nervös kneteten die Nixen die Hände, mit niedergeschlagenen Augen hockten sie auf ihrem Felsen.
„Hat niemand den Mut, uns zu helfen?“, fragte Galantha traurig.
Die Nixe mit den großen roten Narben hob rasch den Kopf. „Doch, ich werde gehen. Sagt mir, was ich tun muss. Ich bin es euch schuldig.“ Dabei huschte ihr Blick über die Andenken des Bärenangriffs.
Galantha reichte ihr beide Hände. „Das werden wir dir nie vergessen. Komm, wir bringen dich zur Quelle. Niemand wird dich zwingen weiter zu gehen, als du es dir selbst zutraust.“
Marc nahm die Nixe in die Arme und startete mit Pyron. Galantha setzte sich auf Zephyra. Bald waren sie den Blicken der anderen entschwunden. Der Anblick des vergifteten Landes ließ die kleine Nixe erschauern.
„So wird es bald überall aussehen, wenn wir keine Lösung für das Problem finden“, sagte Marc betrübt.
„Ich will mein Bestes geben“, flüsterte die Nixe.
Die Drachen landeten neben den drei Quellen. Marc erklärte sehr genau, dass beinahe jedes noch so kleine Detail von Nutzen sein konnte.
„Wie ist eigentlich dein Name?“, fragte Galantha, bevor die Nixe in die Quelle abtauchte.
„Diandra.“
Die Elfe streichelte ihre Hand. „Riskiere nicht zu viel, Diandra. Wir werden hier auf dich warten. Viel Glück.“
Kein einziger Tropfen Wasser spritzte auf, als Diandra kopfüber in die Quelle sprang.
In völliger Dunkelheit schwamm sie vorsichtig gegen den Strom. Ohne Mühe gelang es ihr, sich zu orientieren. Das Wasser hatte den Fels im Laufe der Jahrtausende glatt geschliffen. Die Nixe schwamm schneller, als sich das Bett des unterirdischen Bächleins verbreiterte und ein See inmitten eines Domes aus funkelnden Kristallen wie aus dem Nichts auftauchte. Einige Tropfsteine schienen das himmelhohe Gewölbe zu stützen. Überwältigt hielt die Nixe inne. Sie lauschte. Das von der Decke tropfende Wasser erzeugte ein mehrfaches Echo. Diandra lächelte. Noch nie zuvor hatte sie so eine Pracht gesehen. Sie schwang sich aus dem Wasser, um ein wenig auszuruhen. Mit dem Rücken an die Wand gelehnt schaute sie die mehrfarbigen Kristalle an der Decke an. Plötzlich fuhr sie entsetzt zusammen. Fast an ihrem Ohr war ein schrilles Quietschen ertönt, das so ganz und gar nicht in diese Idylle passen wollte. Wie gebannt blieb sie hocken und lauschte mit geschlossenen Augen. Seltsame Geräusche drangen aus dem Stein hervor. Stimmen? Diandra zog sich mit den Händen an der Wand hoch, bis sie fast menschengleich auf der Flosse ihres kräftigen Fischschwanzes stand. Ein Lufthauch drang aus der Wand. Lautlos presste die Nixe ihr Gesicht an den Stein und versuchte, die Quelle des Hauches zu finden. Da! Ein Spalt! Groß genug, um mit einem Auge hindurchzusehen. Diandra prallte entsetzt zurück. Zwerge. Viele Zwerge. Und sie schütteten einen Damm auf, der das Wasser auf der anderen Seite der Wand zwang, entgegen seiner natürlichen Richtung zu fließen. Zitternd vor Angst, dass man sie hören könnte, robbte die Nixe zum See. Fast lautlos tauchte sie unter, um, wie gehetzt, zurückzuschwimmen. Ihr kam es vor, als wäre der Weg nun fast dreimal so lang, obwohl sie mit dem Strom schwamm. Endlich wurde es heller. Mit einem kräftigen Schlag ihrer Schwanzflosse katapultierte sich Diandra aus dem Schacht. Das feine Gehör der Drachen hatte die Nixe schon lange wahrgenommen. So gelang es Pyron, die kühne Schwimmerin aufzufangen, bevor sie auf die Steine prallte. Diandra zitterte am ganzen Körper. Marc hatte Mühe, sie zu beruhigen. Pyron entschied, dass man sie erst zum See zurückbringen und dort nach dem Erlebten befragen wolle. Diandra nickte dankbar. In ihrem See fühlte sie sich sicher. Dort begann sie auch sofort zu erzählen. Sehr ausführlich und genau beschrieb sie das Bett des Baches, die Strömungsverhältnisse und den Kristalldom mit dem See. Dann berichtete sie, was sie hinter der Wand, in einer anderen Grotte gesehen hatte. „Wenn der Damm hoch genug ist, dann läuft das Wasser aus ihren Minen durch die poröse Wand bis in die andere Quelle“, beendete sie aufgeregt ihren Bericht.
„Das ist wohl wahr. Mit müssen einen Weg finden, den Damm zu zerstören“, sagte Marc. „Wir werden sofort in unsere Welt gehen und morgen mit Thomas, Stella und hoffentlich guten Nachrichten zurückkommen. Diandra, du bist jedenfalls die mutigste Nixe, die ich kenne. Vielen Dank für deine riesengroße Hilfe.“
Die Drachen brachten ihre Freunde, ohne zu zögern, zum Portal. Marc ließ seine Finger über die wundervollen Schnitzereien am Rahmen des Spiegels gleiten. Die Einhörner, Elfen, Insekten und sogar die Bären und Wölfe schienen ihn sorgenvoll anzuschauen. „Wir werden einen Weg finden“, flüsterte er, als er mit Galantha in die milchige Fläche eintauchte.
In der Menschenwelt warteten Stella und Thomas sehnsüchtig auf Nachricht. Schnell verschloss Marc wieder die Tür, hinter der er den Spiegel versteckt hielt, dann folgte er den anderen ins Kaminzimmer.
„Thomas, du musst hellseherische Fähigkeiten haben“, begann Marc. „Die Zwerge leiten wirklich ihre Abwässer vom Bergbau in die Quellen. Diandra ist einer unverseuchten Quelle gefolgt und hat sie auf frischer Tat ertappt, wie sie im Inneren des Berges einen Damm bauen, der das Wasser umleitet.“
„Wer ist Diandra?“, fragten Thomas und Stella gleichzeitig.
„Deine Blutspenderin“, sagte Marc lachend, auf Thomas’ Abenteuer mit der Nixe anspielend.
„Der kleine Tollpatsch?“
Marc nickte. „Von Tollpatsch kann keine Rede mehr sein. Ich hätte nie gedacht, dass eine der ewig verspielten Nixen solch einen Mut aufbringen und eine derart gute Arbeit leisten kann. Die anderen haben alle gekniffen.“
„Hast du schon einen Plan?“ Stella schaute Marc fragend an.
„Ja und nein. Wir müssen den Damm zerstören, ich habe nur keine Ahnung wie.“
„Aurëus hätte sicher Rat gewusst“, murmelte Thomas.
„Sicher, aber Aurëus ist verschwunden. Wir müssen schon selber weitersehen“, entgegnete Marc. „Galantha und Stella müssen überlegen, wer im Elfenland noch mit einem Fingerschnippen zaubern kann, vor allem sollte die Person wasserfest sein.“
„Wie viel Zeit haben wir?“
„Ich gebe euch genau eine Stunde“, schmunzelte Marc.
Die Elfen legten die Handflächen aneinander, schlossen die Augen und drangen in die tiefsten Tiefen ihres Gedächtnisses vor. Galanthas Gesicht nahmen einen lauschenden Zug an. Sie öffnete die Augen. „Ich habe die Lösung, nur der Weg dahin fehlt.“
„Wie??“ Marc schaute seine Frau verständnislos an.
„Nereus ist die Lösung. Wir müssen ihn nur irgendwie überzeugen, mit der kleinen Nixe in die Grotte zu gehen.“
„Der Nereus?“, fragte Marc, der sich an verschiedene griechische Sagen erinnerte.
Galantha nickte. „Genau der. Der Herr über Nixen, Wassermänner und Seeschlangen in der Elfenwelt. Er, sein Muschelhorn und der Dreizack, können jeder Art Wasser alles befehlen, auch, einen Damm zu sprengen.“
„Genial.“
„Eben. Los, auf in den Kampf!“ Galantha fasste nach Marcs Hand. „Na kommt schon!“
Ein paar Augenblicke später standen sie vor den völlig überraschten Drachen, die erst am folgenden Tag mit der Ankunft ihrer Freunde gerechnet hatten. Auf dem Weg zum See erklärte Galantha, wen sie, um Hilfe zu bitten, gedachte.
„Wenn das mal funktioniert, den alten Nereus hab ich schon seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen“, seufzte Pyron.
„Wir werden ihn beschwören“, lachte Galantha, von so was habe ich schon immer geträumt.
Diandra hatte die Freunde schon von weitem erspäht. Ihr Gesang lockte auch die anderen Wasserbewohner herbei. „Es wird mir eine Ehre sein, den Herrscher zu führen“, strahlte die Nixe.
„Dann lasst uns beginnen.“ Galantha wies jedem den richtigen Platz zu. Am Ende standen alle im Wasser, hielten sich im Kreis an den Händen, immer eine Nixe oder ein Wassermann, abwechselnd mit einem der anderen Lebewesen. Diandra hatte ihre Hände voller Stolz Zephyra und Pyron gereicht. Galantha begann mit einem Singsang glockenheller Töne, die sich bald zu einer zarten Melodie verwoben. Diandra fiel in den Gesang ein. Angelockt von diesem Lied, fanden sich die Einhörner am Ufer ein, bald folgten ihnen die Elfen. Alle lauschten. Es war zuerst nur ein schwaches Leuchten in der Tiefe, dem ein goldenes Strahlen folgte. In einer Säule aus gleißendem Licht erschien Nereus. In der Rechten trug er den Dreizack, in der Linken sein Horn. „Wer wagt es, meine Ruhe zu stören?“, fragte er eher neugierig, als ungehalten.
Der Gesang verstummte.
„Ich, Galantha, die Feuerelfe.“
„Ich, Diandra, die Nixe“, antworteten die beiden zugleich.
Nereus betrachtete erstaunt die ungewöhnliche Gemeinschaft. „Wenn ich mich nicht irre, dann sind unter euch auch Drachen und Menschen. Es muss wahrhaft schwerwiegend sein, was euch treibt.“
„Bitte hilf uns, diese Welt zu retten“, flehte Galantha.
„Warum sollte ich das tun?“
„Weil auch du Teil dieser Welt bist“, entgegnete Diandra leise. „Möchtest du, dass es einmal heißt, wir mussten die Menschen bitten, weil unser Herrscher zu schwach war.“
Nereus begann dröhnend zu lachen. „Nicht übel, die kleine Ansprache. Genau ins Schwarze. Ich habe von euch allen und euren Taten gehört. Es wäre tatsächlich beschämend, wenn eine kleine Nixe in den Berg ginge und ich bliebe hier.“ Er legte Diandra eine Hand auf den Scheitel. Die Nixe schloss die Augen. Als sie sie ein paar Sekunden später wieder öffnete, sprach Nereus: „Nun habe ich durch ihre Augen gesehen, ich weiß, worum es geht. Bringt mich zur Quelle und gebt mir einen tüchtigen Helfer an die Seite.“
„Dir zu helfen, ist einzig und allein meine Aufgabe“, erklärte Diandra mit fester Stimme.
„Du könntest verletzt werden oder gar sterben“, erklärte Nereus.
„Ich habe schon einmal den Tod gesehen und ich fürchte ihn nicht mehr. Alle hier sind meine Zeugen.“ Diandra wandte sich Zephyra zu, der sie ihre Arme entgegenstreckte.
Nereus stieß sich mit seinem Dreizack ab, um sich so auf Pyrons Rücken zu schwingen. Wenn ihn das, was er unterwegs sah, entsetzte, so ließ er es sich nicht anmerken. Nur seine Fäuste ballten sich fester um Dreizack und Horn. An den Quellen angekommen wandte sich Nereus an die Drachen. „Ihr solltet den Berg sofort verlassen. Kehrt zu euren Freunden zurück.“ Dann legte er Diandra wortlos eine Hand auf die schmale Schulter. Die Nixe tauchte in die Quelle ab, wohin ihr der Herrscher folgte. Die Drachen flogen eilig davon.
Nereus bewunderte die Beobachtungsgabe seiner kleinen Führerin. Ihre Erinnerungen waren so präzise gewesen, dass er sich auch allein zurechtgefunden hätte. Diandra drosselte das Tempo. „Die märchenhafte Grotte liegt genau vor uns“, flüsterte sie kaum hörbar. Lautlos schwamm sie auf das Ufer zu, welches sie vorsichtig erklomm. Schnell hatte sie den Spalt im Gestein gefunden. Nereus schob sie sanft beiseite, um hindurch zu schauen. Zwar sah er keine Zwerge, aber deren Werkzeuge und den halb fertigen Damm. „Wir haben Glück, sie sind zur Ruhe gegangen“, raunte er der Nixe ins Ohr. „Bleibe stets hinter mir, dann wird dir kein Leid geschehen.“
Diandra nickte. Kraftvoll stieß der Herr der Nixen seinen Dreizack in die Wand. Eine heftige Explosion fetzte den Felsen einfach auseinander. Zugleich setzte Nereus sein Horn an die Lippen. Das an- und abschwellende machtvolle Geräusch gellte in den Ohren der entsetzten Nixe. Nereus wand sich durch die Trümmer, noch einmal setzte er seinen Dreizack ein. Der Damm zerbarst. Im gleichen Moment rollten gigantische Wogen gegen die Reste des Bauwerks an, um sie mitzureißen und in den sich auftuenden tiefen Schacht zu schleudern. Selbst aus dem stillen See der Grotte peitschten die entfesselten Wassermassen gegen das unselige Bauwerk. In ohnmächtigen Zorn erlebten die eilig zusammengelaufenen Zwerge ihre Niederlage, die aus heiterem Himmel über sie hereingebrochen war. Wilde Flüche ausstoßend rannten sie durcheinander. Die Wasser des Nereus hatten ihnen sogar die Werkzeuge geraubt. Ein Grollen erfüllte die Gänge im Berg. Ängstlich drückte sich Diandra an Nereus. „Keine Sorge, gleich ist es vorbei“, beruhigte er die Zitternde. Er erhob seine furchtbare Waffe, um deren Zacken sich jetzt bläuliche Blitze schlängelten. Er reckte den Arm in die Höhe. Sofort verließen die Blitze den Ort ihrer Entstehung, fuhren in die Decke, in der sich klaffende Spalten zeigten. Dann brach sie auf mehreren hundert Metern mit donnerndem Getöse ein. Nereus stand wie ein Fels in der Brandung.
Eine Stunde später rief sein Horn an den Quellen die Drachen herbei. Im Triumphzug kehrten sie zurück zum See. Alle feierten den mächtigen Herrscher. Nereus winkte lachend ab. Er beugte sich zu Diandra hinunter. „Und?“
„Wunschlos glücklich“, strahlte die Nixe.
„Bist du sicher?“
„Ganz sicher.“
„Gut. Dann suche ich das Geschenk für dich aus.“ Er umarmte sie fest und war er plötzlich, von einem Moment zu nächsten, weg, als wäre er nie da gewesen.
Diandra jauchzte in heller Freude. Nereus hatte mit dieser Berührung die Narben und Verstümmelungen des Bärenangriffs für immer von ihrem Körper verschwinden lassen.
„Ich glaube, das muss gefeiert werden“, schmunzelte Pyron. So dachten wohl auch die anderen Bewohner dieses wundervollen Fleckchens, denn von überall her strömten Elfen, Einhörner und Wasserbewohner zusammen. Diandra strahlte mit der Sonne um die Wette. Galantha zog einen zierlichen Silberring vom Finger, reichte ihn ihr mit den Worten: „Er soll dir gehören. Denn du bist die mutigste Nixe im ganzen Elfenland.“
„In ein paar Wochen werden sich die Pflanzen bestimmt wieder erholt haben. Bis dahin seid bitte noch vorsichtig, wo ihr Wasser trinkt“, riet Marc den Einhörnern. „Im Gebirge könnte es noch lange Zeit dauern, ehe wieder üppiges Grün die Ufer ziert.“
„Was werdet ihr jetzt tun?“, fragte Diandra die großen Elfen und die Menschen.
Galantha lächelte. „Wir kehren nach Hause zurück. Das Portal im Spiegel wartet schon. Wenn ihr uns braucht, dann ruft nach uns. Ihr wisst doch, dass wir euch niemals hängen lassen.“
Die nächsten Monate verbrachten Marc, Thomas und die Elfen damit, intensiv nach Aurëus zu forschen. Jedes Varieté, in den entlegensten Winkeln der Erde, spähten sie aus, immer in der Hoffnung, ihn zu finden. Der Zauberer war und blieb verschwunden. Selbst Pyron wiegte bedächtig den Kopf. „Das gefällt mir nicht. Das gefällt mir ganz und gar nicht. Seit er euch seinen Spiegel geschickt hat, ist er nicht einmal mehr in unserer Welt aufgetaucht.“
„Wo kann er sein?“, murmelte Galantha besorgt. „Er ist nie so lange fortgeblieben.“
Marc grübelte mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Wann ist die nächste Zusammenkunft der magischen Wesen im Wandelnden Turm“, fragte er schließlich.
Galantha schloss kurz die Augen. „Im kommenden Frühjahr“, antwortete sie. „Ich bin ganz sicher, dass dann genau tausend Jahre herum sind.“
„Wir sollten uns ebenfalls dorthin begeben und nach Aurëus fragen, falls er sich nicht vorher bei uns meldet.“ Marc schaute Thomas aufmunternd an.
„Meinst du wirklich? Die werden uns sicher nicht einmal zuhören.“
Marc zuckte mit den Schultern. „Das ist mir egal, wir sind es ihm schuldig. Jedenfalls haben wir dann wirklich alles versucht, um ihn zu finden, falls er in Schwierigkeiten steckt.“
Auch Marcs Vater ließ das Verschwinden des Zauberers keine Ruhe. „Er machte, als er ging, nicht den Eindruck, als wolle er ewig in einer anderen Dimension bleiben.“
„Wir fanden es ja auch nicht weiter beunruhigend, dass er uns den Spiegel überantwortete. Nicht mal, als sich seine Briefe und Schlüssel in Staub verwandelten“, erzählte Thomas. „Wenn er nur wenigstens einen Hinweis hinterlassen hätte, wo er hingegangen ist.“
„Vielleicht war es ja ein Ort, den er für völlig ungefährlich hielt?“, mutmaßte Stella. „Möglicherweise war er auch schön öfter da, ohne dass es Probleme gab.“
„Ob man ihn irgendwo gefangen hält?“ Galantha zog die Stirn in Falten.
Die drei Männer schauten sie verblüfft an. „Dann müssten es aber Wesen sein, die über viel größere Kräfte verfügen, als er.“
„Oder über eine Magie, der er sich nicht entziehen kann“, murmelte Alfons.
Marc hob mit einem Ruck den Kopf. „Du denkst an Circe oder die Sirenen?“
Alfons Wendler nickte stumm.
Thomas schlug die Hände vors Gesicht. „Bitte, nur das nicht! Wie sollen wir ihn denn von da wieder wegkriegen? Ich habe keine Lust, wie Odysseus, jahrelang irgendwo herumgereicht zu werden.“
Stella überlegte. „Das klingt ganz nach der anderen Seite des Meeres. Pyron und Zephyra haben doch von solchen Wesen erzählt.“
„Ja drum …“, stöhnte Thomas. „Wenn du willst, kannst du die Geschichte nachlesen. Inzwischen bin ich sogar sicher, dass sie wahr ist.“
Ziemlich mutlos saßen die fünf noch eine ganze Weile beisammen. Galantha seufzte: „Na gut, ich beschäftige mich ab sofort mit den Geschichten, die man in Griechenland aufgeschrieben hat. Kann ja sein, dass mir irgendetwas darin auffällt, was mir bekannt vorkommt.“
„Ich besorge die Originalübersetzungen“, versprach Alfons. „Den größten Teil habe ich als Nachdrucke in meiner privaten Sammlung. Am liebsten würde ich euch im nächsten Jahr begleiten.“
Marc schaute ihn nicht einmal überrascht an. „Und was sagt Mutter dazu?“
„Dort liegt das Problem“, murmelte Alfons traurig. „Ich kann sie nicht mit allem ganz allein lassen.“
Marc legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter.
Das Telefon klingelte. Galantha nahm ab. „Hallo Mario, schön dich zu hören.“ Sie lauschte eine Weile. „Schade. Hab vielen Dank. Grüße Tina. Ciao.“
„Und?“ Stella brannte vor Neugier.
„Wieder nichts. In Las Vegas hat eine neue Zauberschau begonnen. Soll nicht schlecht sein, aber eben nicht Aurëus’ Niveau haben.“
„Kennt ihr Highlander?“, fragte Alfons unvermittelt.
„Ja natürlich“, entgegnete Thomas. „Ist doch Kult. Wer kennt den nicht?“
Marc wiegte den Kopf. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wirklich jemand Jagd auf Unsterbliche macht. Dann hätte sich dieser Jemand bestimmt schon unschön bei uns gemeldet.“
„Auch wieder wahr.“ Alfons zog ein finsteres Gesicht. „Ich kann mir so wie so ganz und gar nicht vorstellen, dass Aurëus Feinde haben soll.“
„Nach menschlichem Maßstab?“ Galantha schaute durch ihn hindurch in weite Ferne.
Alfons hob bedauernd die Hände. „Kann schon sein, dass er in grauer Vorzeit mal jemandem auf die Zehen getreten ist.“
„Worüber habt ihr eigentlich gesprochen, bevor ihr Brüderschaft getrunken habt?“, wollte Marc wissen.
„Von Gilgamesch.“ Alfons hatte die Augen geschlossen. „Ich habe ihm von der gigantischen Grabanlage inmitten des Flusses erzählt, die man heute für eine Legende hält. Dabei bräuchte man doch nur den Fluss umleiten …“ Er winkte ab. „Aurëus scheint Sumerer zu sein, dort aus der Gegend zu stammen oder sich zumindest längere Zeit in Uruk aufgehalten zu haben. Er hat mich im Verlauf eines Gespräches flüchtig Eabani genannt.“
„Vielleicht ist das nicht ganz abwegig. Immerhin ist es sogar Mutter aufgefallen, wie du ihn mit Wissen verblüfft hast, welches ihm unbekannt war“, griff Marc diesen Gedanken auf.
„Von der Sache wird mir auch nicht wohler“, ließ sich Thomas hören. „Ging es bei Enkidu nicht um eine schöne Frau, die ihn seiner Welt entfremden sollte? Und Ischtar selbst ist auch nicht ganz ohne. Oder verwechsle ich da was?“
„Nein, nein. Du bist voll im Bilde“, bestätigte Alfons. „Vor schönen Frauen sollte man sich immer hüten.“
„Na Danke!“ Stella drehte sich demonstrativ um.
Thomas schloss sie von hinten in die Arme. „Das ist eine unumstößliche Tatsache. Ich kann doch, seit ich dich das erste Mal gesehen habe, auch an nichts anderes mehr denken. Und du wolltest, hätte sich das Problem Milena nicht allein gelöst, sogar mit Elfenkraft nachhelfen. Schon vergessen?“
Stella kuschelte sich, um Verzeihung heischend, in Thomas’ Arme und schüttelte wortlos den Kopf. Galantha, Marc und Alfons wechselten amüsierte Blicke.
„Ich weiß ja, mir fehlt auf dem Gebiet wirklich die Erfahrung“, sagte Stella leise. „Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass Leute die gewohnt sind, sich alles zu nehmen was sie möchten und immer alles zu bekommen, wonach ihnen der Sinn steht, äußerst bösartig reagieren können, wenn plötzlich jemand nein zu ihnen sagt.“ Sie hob den Kopf, lächelte hintergründig. „Egal, wer ihn festhält, Mutter und ich werden unsere Kräfte bündeln und jeden in die Flucht schlagen. Ihr habt beide noch lange keine Vorstellung davon, was wirklich in uns steckt.“
„Wie???“ Marc schaute Frau und Tochter verblüfft an.
„Vergiss nicht, sie ist die Zauberin vom Berg“, schmunzelte Galantha, auf Stella deutend.
„Und sie ist die Feuerelfe“, wies Stella die Männer noch einmal darauf hin. „Vater sollte auch niemals seinen verschenkten Wunsch vergessen. Ihr dürft ihn durchaus wörtlich nehmen.“
„Ich wünsche mir, dass dein Zauber ab sofort immer genau das macht, was er soll“, erklärte Marc auf Thomas’ fragenden Blick. „Genau so waren damals meine Worte gewesen.“
„Pyron war ein guter Lehrer – für uns beide.“ Galantha lächelte dankbar.
Thomas kratzte sich an der Stirn. „Wenn ich daran denke, wie Stella den großen Drachen geheilt hat oder wie du den letzten Kampf entschieden hast, dann glaube ich euch Wort für Wort.“
Marc schaute seinen Vater plötzlich mit unnatürlich weit aufgerissenen Augen an.
„Was ist denn mit dir passiert?“
„Du, ich habe da so einen Verdacht – könnte Aurëus nicht zufällig Utanapischti sein? Das würde eine ganze Menge erklären.“
„Also vermutest du, er könnte sich mit Ischtar angelegt haben? Die hat doch Enkidu auch den Rest gegeben, als Gilgamesch sie zurückwies.“ Thomas wirkte etwas verunsichert.
Marc hob die Schultern. „Wer weiß, was wirklich hinter Aurëus’ Verschwinden steckt. Vielleicht verkleistern wir uns mit unseren Vermutungen auch nur den Blick für die wirklich wichtigen Details.“ Er verstummte, sah Galantha an und schien zu überlegen. „Sie könnte ein paar Informationen für uns haben, von denen sie selber nicht einmal weiß, dass sie in deren Besitz ist.“
„Welche?“, fragten alle zusammen.
„Bei meinem ersten Besuch in der Elfenwelt sagte Galantha über Aurëus: Er lebt irgendwo zwischen den Dimensionen, kommt und geht, wann und wie es ihm gefällt. Das ist schon seit Anbeginn der Zeit so. Und von Vater zu ihrem wahren Alter befragt: Ich habe schon existiert, als die römischen Cäsaren die halbe Menschenwelt beherrschten. Würde mich wundern, wenn in vielleicht 4000 Jahren keine besonderen Ereignisse für Gesprächsstoff gesorgt hätten. Zephyra machte doch auch große Augen, als sie uns plötzlich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand. Bis dahin hatte sie uns für eine Legende gehalten und unsere Taten waren da nachweislich erst wenige Monate her. Weil Zeit im Elfenland keine Bedeutung hat, könnten auch die anderen, eigentlich denkwürdigen Ereignisse, sofort den Status einer Legende erhalten haben.“
Alfons nickte begeistert. „Genialer Gedankengang.“
„Stimmt.“ Thomas tippte Marc auf die Schulter.
„Das bestärkt mich wiederum in der Annahme, dass er tatsächlich Utanapischti ist oder war oder wie auch immer, denn seit der Sintflut rechneten wohl nicht nur die Menschen die Zeit wieder neu. Dies könnte man durchaus als Anbeginn der Zeit gelten lassen“, erklärte Marc mit tiefer Zufriedenheit in der Stimme. „Utanapischti war ein alter Mann, als er unsterblich wurde. Aurëus ist auch nicht gerade jung – für unsere Begriffe. Identität wäre also durchaus im Bereich des Möglichen.“
Thomas schaute Marc amüsiert von der Seite an. „So ganz sicher, scheinst du dir aber trotzdem nicht zu sein.“
„Tja, wer weiß das schon bei einem Zauberer“, schmunzelte Marc, worauf alle in Gelächter ausbrachen. Aurëus’ Lieblingssatz hatten sie noch gut im Ohr. Stella seufzte.
„Uns fehlt er auch“, versuchte Thomas, sie ein wenig zu trösten.
Marc nickte. „Wir werden ihn finden, egal wie lange wir suchen müssen.“
Alfons schaute ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an.
„Ich weiß, was du uns sagen willst“, sagte Marc mit spitzbübischem Grinsen. „Keine Sorge, mit ein wenig Elfenzauber wird kein Mensch merken, dass unsere beiden Häuser für längere Zeit unbewohnt sind.“
„Was wird mit euren Jobs?“, murmelte Vater Wendler.
Thomas winkte ab. „Peter wird meine Firma am Laufen halten. Vergiss nicht, es ist auch für ihn überlebenswichtig.“
„Und ich werde schlichtweg kündigen“, erklärte Marc. „Falls wir überhaupt zu Lebzeiten unserer jetzigen Mitmenschen wiederkommen, wird sich schon was Neues finden.“
„Für die laufenden Zahlungen für Grund und Boden und allem was darauf ist, reicht mein Einkommen.“ Thomas schaute Alfons fest an. „Wir werden alles so regeln, dass unsere Geheimnisse auch weiterhin welche bleiben.“
„Was wird mit dem Spiegel?“
„Der bleibt, wo er ist, und tut, was er schon immer getan hat, nämlich ungebetene Betrachter in eine andere Dimension befördern, so sie ihm zu nahe kommen.“ Marc erhielt von Galantha einen zustimmenden Blick. „Solltest du ihn nutzen müssen, aus welchem Grund auch immer, dann versuche im Geiste Kontakt mit Pyron aufzunehmen. So kannst du ziemlich sicher sein, das Tor in seiner Grotte öffnet sich für dich.“
Alfons verzog das Gesicht. „Ich hoffe inständig, Aurëus taucht in den nächsten Wochen wieder auf.“
„Wir auch.“ Galantha hob hilflos die Hände. „Die Drachen werden uns jedenfalls sofort informieren, wenn ihn irgendjemand irgendwo gesehen oder irgendetwas über ihn erfahren hat.“
Alfons schickte ein paar Tage später ein Päckchen, in dem sich mehrere der versprochenen Bücher befanden. Galantha machte sich seufzend an die Arbeit, die vielen Texte zu sichten und in ihrem Gedächtnis nach Parallelen zu kramen. Hin und wieder hielt sie inne, las Passagen wieder und wieder, ohne eine brauchbare Rückkopplung zu erhalten. Am Ende legte sie die Lektüre zurück in den Karton. „Ich weiß zwar nun, wie man am besten den Cerberus fangen kann, oder wie man eine Gorgo unschädlich macht, aber wo man einen verschwundenen Zauberer suchen soll, entzieht sich weiterhin meiner Kenntnis. Lasst uns lieber überlegen, welche Dinge wir auf unsere Expedition mitnehmen sollten.“
„Pro Nase ein Taschenmesser und ein kleines Universalwerkzeug“, entgegnete Marc sofort. „Tagsüber wird uns euer Zauber hilfreich sein.“
„Gute Entscheidung“, murmelte Thomas. „Ich hatte schon die Befürchtung, mit schwerem Marschgepäck aufbrechen zu müssen.“
Marc lachte. „War schon klar. Eine Sache nehme ich noch zusätzlich mit: Für die Elfenkönigin ein Kleinod aus Tinas Kollektion. Erstens, weil ich mich noch für die Hochzeitsüberraschungen durch Drachenbesuch bedanken möchte und zweitens, weil kleine Geschenke die Freundschaft erhalten, wenn ihr versteht, was ich meine. Vielleicht brauchen wir ja, trotz aller Zauberkraft und Findigkeit, einmal ernsthafte Hilfe.“
Die Elfen nickten begeistert. Schmuck, besonders aus der Hand eines so berühmten Mannes, schmeichelte wohl jeder Frau. Da bildete ihre Königin mit Sicherheit keine Ausnahme. Tina übertraf sich wieder einmal selbst. Sie fertigte ein ganzes Schmuckset, bestehend aus einem Collier, Ohrringen und Armkettchen, welches Elfen, Drachen, Einhörner und wundervolle Blüten zierten. Auf dem nachtblauen Samt des Etuis schimmerte das Silber geheimnisvoll. Marc beglich die Rechnung und versprach der Meisterin, Grüße an die Empfängerin zu bestellen.
„Kommt alle gesund wieder“, bat Tina beim Abschied.
„Wir werden uns die größte Mühe geben“, antwortete Marc mit einem Augenzwinkern. Keiner der Freunde der beiden ungewöhnlichen Paare ahnte etwas, von der vor Jahren schon erlangten Unsterblichkeit der Männer. Über diesen Punkt hatten sie sich stets ausgeschwiegen, um nicht irgendwelche Aufmerksamkeiten zu erregen, die schon ihrer Frauen wegen, ganz und gar nicht gut gewesen wären. Nicht einmal Tina, Mario und Luigi hatten sie eingeweiht. Martha und Alfons wären die Letzten gewesen, die ihren Sohn, die Enkelin und deren Partner verraten hätten und so war das Geheimnis auch eines geblieben.
In den folgenden Wochen bemühte sich Marc, den Anschein zu erwecken, er wolle an langjährigen Ausgrabungen irgendwo in der Wüste im alten Zweistromland teilnehmen, um seine Kündigung glaubhaft zu machen. Schweren Herzens ließ ihn die Leitung der Universität schließlich ziehen, in der Hoffnung, er würde eines Tages mit reichlich Forschungsmaterial zu ihnen zurückkehren.
Den letzten Abend in der Menschenwelt verbrachten alle in Luigis Pizzeria.
„Wie lange macht ihr eigentlich Abenteuerurlaub bei den Drachen?“, fragte Mario beiläufig.
„So drei, vier Wochen“, antwortete Marc. „Mal sehen, wie lange uns Zephyra und Pyron ertragen.“
„Vielleicht ist ja Aurëus inzwischen dort aufgetaucht …“, sinnierte Tina.
Thomas hob die Schultern. „Wir werden auf alle Fälle die Ohren offen halten.“
„Na dann viel Spaß und gute Erholung.“
Luigi drückte Marc beim Abschied einen großen Beutel Schinken in die Hand. „Grüßt die Drachen von mir.“
„Wir werden es nicht vergessen.“ Die vier winkten ihren Freunden noch einmal zu, ehe sie ins Taxi stiegen.
„Es scheint keiner was gemerkt zu haben“, stellte Galantha zufrieden fest.
„Vater und Thomas hatten aber auch auf jeden Topf den passenden Deckel“, schmunzelte Stella.
„Hoffen wir, dass es kein Abschied für immer war“, schlug Marc vor. „Immerhin wissen wir nicht, wohin es uns auf der Suche verschlagen wird und ob wir zu Lebzeiten unserer Freunde wieder zurückkommen werden.
Galantha wandte sich Marc zu: „Erstaunlich ist, wie gut deine Eltern mit der Sache umgehen.“
„Vater beschäftigt sich sein Leben lang mit Elfensagen und den Zeitphänomenen, die beim Kontakt mit der anderen Welt auftreten können. Mutter fällt es schwerer, nach außen heile Welt zu spielen, wenn sie innerlich eigentlich weinen möchte. Ich hoffe sehr, sie noch einmal sehen und in die Arme schließen zu können.“
„Ja, ich auch“, murmelten die Elfen gleichzeitig.
Thomas nickte stumm. Martha und Alfons hatten ihn, dessen Eltern tödlich verunglückten, kaum, dass er volljährig geworden war, immer wie einen Sohn behandelt. Er konnte sich gut vorstellen, wie sich die alten Wendlers fühlen mussten, wenn gleich beide Söhne mit unbekannter Wiederkehr verschwanden.
Irgendwann, kurz vor dem Morgengrauen, als die Männer fest schliefen, huschten Galantha und Stella durch die beiden miteinander verbundenen Grundstücke. Sie murmelten leise Worte in der Elfensprache, machten hin und wieder geheimnisvolle Zeichen mit den Händen in der Luft, die daraufhin leicht zu flimmern begann, als ob sie sich stark erhitzt hätte. Ab und zu rieselten lautlos schimmernde Wolken winziger Partikelchen zu Boden, sich fein und flächendeckend verteilend. Schließlich nickten sich Mutter und Tochter zufrieden zu, verschwanden wieder in den Betten, um noch ein Weilchen zu schlafen, als wären sie nie fort gewesen.
Stella und Thomas luden sich kurzerhand bei Galantha und Marc zum Frühstück ein, weil es gemeinsam bekanntlich besser schmeckt. Dass sich die Elfen abgesprochen hatten, die Männer vom Thema was wird wohl hier werden, wenn wir weg sind abzuhalten, brauchten diese nicht zu wissen. Scheinbar sorglos naschten die Elfen Honig, freuten sich über die wärmenden Strahlen der, immer noch raren, Märzsonne, während Thomas und Marc eifrig den frischen Brötchen und dem starken Kaffee zusprachen.
Eine Stunde später trafen sich alle im Grundstück der Wendlers. Thomas passierte die Verandatür, blieb einen Sekundenbruchteil stehen, runzelte die Stirn, dann folgte er den Elfen. Mark stutzte ebenfalls.
„Was war das?“, murmelte er beunruhigt.
Stella tauschte einen schnellen Blick mit Galantha. „Was?“
„Das fühlte sich an, wie der Unterdruck in einer Luftschleuse“, erklärte Marc, noch einmal zurückschauend. Überrascht zuckte er zusammen, packte Thomas’ Arm. Die Stelle, an der soeben noch dessen Haus und die beiden Gärten zu sehen gewesen waren, flimmerte, und schon berührten sich die Nachbargrundstücke, als hätte es die vielen hundert Quadratmeter dazwischen nie gegeben. Mit schreckgeweiteten Augen schaute er Frau und Tochter an.
„Zufrieden?“, fragte Stella mit amüsiertem Lächeln.
Marc fuhr mit der Hand über die Augen. Das Bild blieb das gleiche: Keine Spur mehr zu sehen, von dem, was ihnen gehörte. „Wo sind sie hin?“, flüsterte er völlig aufgelöst.
Galantha lachte fröhlich. „Noch genau dort, wo sie immer waren, nur optisch für Menschen nicht mehr vorhanden. Schau durch die gespreizten Finger deiner linken Hand.“
Kopfschüttelnd folgte Marc ihrer Aufforderung. Tatsächlich! So konnte er Haus und Garten sehen. Thomas probierte den Trick ebenfalls mit Erfolg aus. „Faszinierend!“, hauchte er.
Marc dachte einen Augenblick nach. „Was passiert, wenn Vater den Spiegel braucht?“
„Er wird ihn finden, glaube mir“, beruhigte ihn Stella. „Ich habe ihm gestern Nacht, bevor wir unseren kleinen Zauber ausgesprochen haben, noch eine Mail geschickt.“
„Das nenne ich geballte Ladung Elfenkraft“, grinste Thomas breit. Er zog Stella in seine Arme. „Mädels, ihr seid die Größten!“
Galantha schmiegte sich an Marc. „Ihr wisst doch, wir lassen für euch gern Unmögliches wahr werden.“
„Ja, wir wissen und schätzen es“, entgegnete Marc. „Doch nun kommt, machen wir uns auf die Suche nach Aurëus.“
Sich an den Händen haltend stiegen die vier nacheinander in die schimmernde Fläche des Spiegelportals. Inzwischen gelang es ihnen recht gut, den rasenden Fall mittels ihrer Gedanken in ein sanftes Schweben zu verwandeln. Auf der anderen Seite wurden sie natürlich, wie immer, mit Schwung hinaus katapultiert. Die Drachen, die die telepathischen Rufe ihrer Freunde vernommen hatten, standen schon bereit, um sie herzlich willkommen zu heißen.
Zephyra rieb ihre Wange vorsichtig an Thomas’ Schulter. „Ist das schön, dass ihr uns wieder einmal besuchen kommt.“
Pyron entfachte schnell ein kleines Feuer, um die anheimelnde Atmosphäre zu schaffen, die die vier so liebten. In seinen glänzendgrünen Augen tanzten die kleinen Fünkchen, die immer erschienen, wenn er besonders gut gelaunt war. Der Anblick des riesigen Schinkenpaketes, von Luigi, verstärkte diesen Zustand noch und die vielen Streicheleinheiten der Elfen ließen ihn wohlig, wie einen übergroßen Kater, schnurren.
„Schaut euch diesen Genießer an!“, kicherte Zephyra. Dabei genoss sie das Kraulen zwischen den Hörnern, welches die beiden Männer mit Ausdauer zelebrierten, genau so sehr.
„Gibt es Neuigkeiten?“, fragte Galantha schließlich.
Pyron nickte. „Jawohl, sogar recht interessante. Seit vier Tagen ist der Wandelnde Turm bewohnt.“
„Wirklich?“ Marc hob überrascht den Kopf. „Dann sind wir ja genau zum richtigen Zeitpunkt eingetroffen. Galantha hat perfekt nachgerechnet.“
Zephyra machte große Augen.
Stella kicherte. „Das lernt man in der Menschenwelt. Hier hätte sie ganz einfach eines Tages festgestellt, dass wieder magische Gäste da sind. Aber hinter dem Tor, wo das Leben so kurz ist, rechnen alle, damit sie wiederkehrende Termine nicht verpassen, denn es könnte ja die einzige Chance sein, an diesem Ereignis teilzuhaben.“
„Ich erinnere mich“, murmelte Zephyra. „Deshalb war Thomas damals so traurig, als es um Drachennachwuchs ging.“
„Ihr wollt zu den Magiern?“, vergewisserte sich Pyron.
„Genau das haben wir vor“, erzählte Marc. „Könnte doch sein, eines dieser Wesen weiß etwas über Aurëus’ Aufenthaltsort.“
„Wenn das mal gut geht“, flüsterte Zephyra besorgt.
Thomas lachte. „Marc und ich können zwar nicht zaubern, aber unsere Frauen bringen es vortrefflich. Auf die eine oder andere Weise werden wir uns schon Gehör verschaffen.“
Pyron seufzte. „Es wäre sinnlos, euch davon abhalten zu wollen. Euren Dickschädeln haben wir ja doch nichts entgegenzusetzen. Fliegen wir hin. Lieber jetzt als später. Steigt auf.“
„Weißt du etwas, was wir nicht wissen?“ Stella schaute Pyron forschend an.
„Ist nur so ein Gefühl“, gab der Riese zurück, als er sich mit rauschenden Schwingen vom Plateau vor der Höhle in die Lüfte erhob.
Zephyra begleitete die kleine Schar. Sie glitten über den Nixensee, die Sumpflandschaft, um schließlich einem breiten Fluss Richtung Norden zu folgen.
Galantha wandte sich zu Stella um. „Genau hier habe ich Vater das erste Mal gesehen.“
„Auch der Turm steht exakt an der gleichen Stelle, wie damals, als ich hierher verschlagen wurde. Na, wenn das kein gutes Zeichen ist!“, freute sich Marc.
Pyron landete im Gras vor der Tür, während Zephyra beobachtend die Zinnen umkreiste. Das Bauwerk sah genau so verlassen aus wie immer. Die sechs Freunde ließen sich nicht täuschen. Überdeutlich fühlten sie die vielen fremden Energien. Marc hob die Faust, um zu klopfen. Mit einem amüsierten Grinsen schob ihn Pyron beiseite. „Lass mich das machen.“ Er wummerte mit seiner Klaue drei Mal gegen die dicken Holzbohlen. Knarrend öffnete sich der Eingang. Neugierig spähten alle in das Dunkel, welches notdürftig von den Fackeln an den Wänden erhellt wurde.
„Viel Glück“, wünschte Pyron. „Ich werde mit Zephyra auf den Zinnen warten.“
„Ich gehe voran“, forderte Galantha energisch, als Marc den Turm betreten wollte. „Stella bildet die Nachhut.“
„Sei vorsichtig“, bat Marc, als er ihr mit Thomas die schmale Wendeltreppe hinauf folgte, während seine Tochter die kleine Schar von hinten absicherte.
Aus den Mauersteinen drang ein Tuscheln und Wispern zu ihnen.
„Ich fühle mich beobachtet“, flüsterte Thomas Marc ins Ohr.
Der deutete wortlos an die Wand. Neben ihnen huschte ein rötliches Leuchten die Steine entlang, welches sich als Augenpaar entpuppte, wenn man sehr genau hinschaute. Galantha ließ sich davon nicht beeindrucken. Stufe um Stufe näherte sie sich der ersten Tür, vor der sich nun das fast unsichtbare Wesen postierte und sie gleichsam versperrte.
„Führe uns bitte zu den Versammelten“, nahm die Elfe das Wort.
„Nein, ich führe nur meinesgleichen.“ Das Leuchten verstärkte sich.
„Ein Flammenkobold“, kicherte Galantha mit zufriedenem Gesicht. „Wetten, du wirst uns gleich alle vier führen?“
„Wetten?“, echote der Kobold, der sich sofort etwas deutlicher zeigte, so dass das gierige Funkeln in seinen Augen kaum zu übersehen war. „Was ist dein Einsatz?“
Die Elfe blinzelte Marc zu. „Ich setze meinen Silberschmuck.“
„Es gilt! Es gilt!“ Das Wesen verwandelte sich in ein wild flackerndes Flämmchen. Eine Sekunde später wich es mit einem Jammerlaut zurück. Galantha stand als glühendheiße Lohe vor ihm, seine züngelnden Feuerchen löschend, indem sie den ganzen Sauerstoff an sich riss, um immer heller und heißer zu lodern. Der Gnom fiel vor ihr auf die Knie, hob flehend den Blick, worauf Galantha ihre Machtdemonstration beendete. Sie streckte die Hand aus. Sofort rappelte sich der Kobold auf, öffnete dienstbeflissen die Tür und wieselte vor ihnen er. „Da lang“, erklärte er, in den Spiegel neben dem Fenster hüpfend.
„Rasch!“, rief Galantha den anderen zu. „Ehe er das Portal von innen schließen kann!“
Sich an den Händen haltend eilten sie dem Flammenmännlein hinterher. Ein starker Sog riss sie von den Füßen. Beinahe waagerecht rasten sie durch einen Tunnel aus grellem Licht.
„Festhalten!“, schrie Stella und fasste nach Galanthas freier Hand. „Rechts!“
Die Männer hatten die Gabelung im Tunnel nicht einmal bemerkt, so schnell ging alles vonstatten. Mit einem ploppenden Geräusch katapultierte es alle aus dem Spiegeltor am Ende des Weges. Die Elfen bewahrten ihre Männer vor dem Fall. Noch etwas benommen öffnete Marc die Augen. Sie standen inmitten eines kreisrunden Saales, umringt von seltsamen Fremden, die sie neugierig anstarrten.
„Menschen“, brummte jemand mit tiefster Verachtung.
„Sei still!“, forderte eine glockenhelle Stimme.
„Macht Platz für die Königin!“, rief ein anderer, worauf sich der Ring aus Leibern an einer Stelle öffnete.
Gemessenen Schrittes näherte sich ein beinahe durchsichtig zartes Wesen, welches Galantha und Stella in Größe und Aussehen verblüffend ähnelte, nur das lange wallende Haar glänzte silbern. Die schillernden Flügel bewegten sich leicht. Ohne Zweifel musste das die geheimnisvolle Königin der Elfen sein. Die Neuankömmlinge knieten nieder, auch ohne, dass man sie dazu aufgefordert hätte. Ein Zug des Erkennens huschte über das Gesicht der wundervollen Elfe.
„Erhebt euch“, sagte sie lächelnd, jeden der vier in die Augen blickend. „Ich freue mich, euch zu sehen.“