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© 2017 Vlado Josipovic

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 9783743186149

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Die Geschichten im vorliegenden Buch bieten einen Einblick in die serbische Geschichte und Kultur und sind meiner Ansicht nach sehr interessant, rührend und inspirierend. Viele der Erzählungen stammen aus dem Kreise meiner Familie, insbesondere meiner Mutter, und leiteten sich überwiegend aus tatsächlichen Geschehnissen ab. Unter anderem sind auch solche Geschichten dabei, die ich selber gedichtet und geschrieben habe.

Ich habe mich dazu entschlossen, die Erzählungen in deutscher Sprache zu verfassen, damit die Geschichten auch im deutschen Sprachraum weitergegeben werden können. Die hier aufgeführten Geschichten stellen nur einen Teil meines geschichtlichen Wissens dar. Ich beabsichtige, die Sammlung künftig weiter fortzuführen und auszuschmücken.

Vlado Josipovic
Dezember 2016

Der schlaue Saja als Kriegsverbrecher

Als Belgrad im Jahr 1941 vom dritten Reich zerbombt und auch der Balkan vom zweiten Weltkrieg ergriffen wurde, hat sich der dortige König Petar mit seiner Familie nach England abgesetzt, während seine Gefolgsleute in Jugoslawien zurückblieben, um im Namen der Monarchie gegen die kommunistische Vorherrschaft unter Leitung des Josip Broz Tito anzukämpfen. Einer der treuen Gefolgsleute des Königs war der General Saja aus dem Ort Tobut. Dieser kämpfte über viele Jahre hinweg in verschiedenen Schlachten und bereitete den Partisanen des Tito erhebliche Schwierigkeiten. Als nun der Zweite Weltkrieg im Mai des Jahres 1945 endete und Tito in Jugoslawien als Sieger emporging, kam es zu einer Zeit der sogenannten „Säuberungen“. Dabei sollten zunächst alle militärischen Führungskräfte, die gegen Tito gekämpft hatten, gefunden und bestraft werden. Auch Saja wurde zum Kriegsverbrecher oberster Kategorie benannt und intensiv gesucht. Fast alle Kriegsverbrecher wurden irgendwann gefunden, doch Saja war untergetaucht und konnte nirgends ausgemacht werden. Er war sehr intelligent und einfallsreich, weshalb er über viele Jahre hinweg nicht geschnappt werden konnte. Da er der festen Überzeugung war, dass ihn die Geheimpolizei Titos, die UDBA, niemals finden würde, begann er, sich über seine Verfolger lustig zu machen.

Im April 1948 hat Saja der UDBA angekündigt, dass er an einem bestimmten Tag um Punkt 12 Uhr auf der Hauptstraße mit einem Rad das Städtchen Lopare durchqueren würde. Die UDBA nahm diese Ankündigung zur Kenntnis und versammelte an dem benannten Tag Hundertschaften an schwer bewaffneten Polizisten überall entlang der Hauptstraße, um Saja festzunehmen, wenn er auf seinem Fahrrad das Städtchen durchfährt.

Der schlaue Saja hat sich typische Bauernkleidung angezogen, sich mit Ackerboden und Kuhmist vollgeschmiert und das Rad eines Karrens auf einen Stock aufgespießt. Das Rad über der Schulter tragend ging Saja genau zum angekündigten Zeitpunkt die Hauptstraße entlang, ohne dass ihn auch nur einer der Polizisten erkannte. Im Laufe des Tages schickte Saja dem Hauptquartier der UDBA ein Telegramm mit dem Wortlaut:

„Hallo ihr naiven Kommunisten Titos! Ich habe, genau wie von mir angekündigt, vor Euren Augen mit einem Rad Lopare durchquert und ihr habt mich nicht festnehmen können.“

Als einige Zeit vergangen war, entschlossen sich Titos Polizisten dazu, den Saja mit einer sehr hübschen Agentin zu überlisten. Die Agentin bot sich auf schmeichelhafte Art dem Saja an und sagte ihm, er sei der Mann ihres Lebens. Saja verliebte sich in die Agentin ohne zu ahnen, dass es sich um eine Falle handelte. Er verabredete sich mit der Agentin für ein Treffen einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt. Die Agentin teilte den Ort und die Zeit unverzüglich dem Polizeihauptquartier mit. Als Saja nun am vereinbarten Ort eintraf, wurde er gleich von den Polizisten umstellt und festgenommen. Da er als hochkarätiger Kriegsverbrecher eingestuft war, sollte er auf der Stelle auf besonders grausame Art und Weise hingerichtet werden.

Die Polizisten, die die Hinrichtung vollstrecken sollten, überlegten sich, den Saja zunächst einige Tage hungern zu lassen. Dann wollten sie ihm ein schmackhaftes Spanferkel samt Messer und Gabel servieren. Sie schworen sich, dass sie alles, was der Saja mit dem Spanferkel machen würde, auch mit dem Saja machen würden. Als sie Saja einige Zeit in einem dunklen Raum eingesperrt hatten hungern lassen, servierten sie ihm eines Tages das Spanferkel. Die Polizisten beobachteten den Saja durch ein kleines Loch in der Wand und waren der Überzeugung, dass Saja nicht wusste, dass er beobachtet wurde. Sie schauten genau zu und beobachteten, was der Saja, so hungrig wie er war, als erstes mit dem Ferkel machen würde. Saja wusste ganz genau, dass er beobachtet wurde und tat auch so, als ob er nicht beobachtet würde. Er nahm weder Messer noch Gabel in die Hand, sondern strecke den Zeigefinger seiner Hand aus, steckte ihn in den Hintern des Ferkels und drehte ihn hin und her. Dann zog er den Finger wieder heraus, steckte sich den Finger in den Mund und leckte ihn beim herausziehen ab. Ansonsten machte er nichts weiter mit dem Ferkel, sondern ließ es einfach liegen.

Seine Beobachter waren völlig überrascht und verwundert über eine derartige Taktik des Generals Saja. Sie regten sich sehr über ihren eigenen Schwur auf, dass sie mit Saja dasselbe machen würden, was er mit dem Spanferkel macht, und waren keinesfalls dazu bereit ihren Schwur einzuhalten. Völlig überwältigt und erniedrigt bleib ihnen nichts anderes übrig, als den Saja laufen zu lassen. So ließen sie ihn frei und suchten nie wieder nach ihm, sodass er sich mit dieser Methode seine Freiheit erwirkt hatte.

Der alte Nikola, die zwei Keiler und der Bär

In einem Ort namens Priboj lebte ein alter Mann namens Nikola auf einem kleinen Bauernhof, auf dem er sich besonders der Schweinezucht widmete. Im Herbst trieb Nikola seine Schweine tagsüber in einen großen Eichenwald, wo die Schweine sich an den frischen Eicheln sattessen konnten. Abends scheuchte er sie in ein großes Gehege an einem weiten Hang, um sie vor den vielen Wölfen zu schützen, die oft in der Gegend umherzogen. Unter den Schweinen gab es eine Unmenge an Frischlingen, deren Zahl alleine Nikola kannte. Jeden Morgen ging Nikola zum Gehege, um seine Schweine zu zählen. Er stellte jeden Tag auf Neue fest, dass einige Frischlinge spurlos verschwunden waren. Eines Tages entschloss sich Nikola dazu, dem Grund für das Verschwinden der kleinen Schweine nachzugehen. Er nahm eine Axt und einen Stock und machte sich auf den Weg in den Wald. Als er die ersten Bäume hinter sich gelassen hatte, hörte er ungewöhnliche Geräusche, die sich wie die Rufe wilder Keiler anhörten. Neugierig ging er in die Richtung, aus der die lauten Geräusche kamen. Als er sich vorsichtig näherte, sah er, wie zwei große Keiler dabei waren, die vielen Eicheln zu fressen, die auf dem Boden herumlagen. Während die beiden fraßen, kam ein Bär heran und warf einen großen Stein zwischen die Keiler. Die Keiler wurden sehr wütend, grunzten und blökten vor Wut und stürmten auf den Bär zu. Dieser rannte schnell zu dem Stumpf einer alten Buche, auf welchem ein riesiger kreisförmiger Pilz gewachsen war. Der Bär setzte sich auf den Pilz und beobachtete amüsiert die beiden wütenden Keiler, die vergeblich versuchten, ihn zu erreichen. Nikola beobachtete das Geschehen von einem Baum aus. Jedes Mal, wenn die beiden Keiler sich beruhigt hatten und wieder zurück zu den Eicheln liefen, stieg der Bär vom Pilz herab und suchte einen Gegenstand, den er dann wieder zwischen die beiden Keiler warf. Als der Bär sich ein drittes Mal auf die Suche nach einem Gegenstand machte, um die beiden Keiler zu ärgern, ging Nikola zum Baumstumpf und zerschlug den großen Pilz mit seiner Axt. Als der Bär den dritten Gegenstand zwischen die Keiler warf, wurden die beiden Keiler wieder sehr wütend und verfolgten den Bär, der erneut zu seinem Baumstumpf rannte, um sich auf seinen Pilz zu retten. Der Bär erschrak, als er feststellte, dass der Pilz nicht mehr da war. Er hatte keine Möglichkeit, sich vor den beiden Keilern in Sicherheit zu bringen und wurde von diesen getötet. Nikola beobachtete, was er angerichtet hatte, und bereute seine Tat. Er fragte sich noch lange Zeit, weshalb er den Pilz abgeschlagen hatte, und verstand, dass der Bär einfach nur spielen wollte.

Als Nikola am Abend wieder zu seinem Schweinegehege zurückkehrte, entschied er sich dazu, die Nacht zwischen seinen Schweinen zu verbringen, um herauszufinden, weshalb immer wieder Frischlinge verschwinden. Gegen Mitternacht sah er wie ein Rudel Wölfe dort ankam und der leitende Wolf sich mit dem Rücken zum Gehege hinsetze und seinen Schwanz durch die Latten des Zaunes in das Gehege hängen ließ. Als er anfing, mit seinem Schwanz hin und her zu wedeln, näherten