Umschlag: Markus Bieri
Illustrationen: Matthias Wehle
Ich möchte noch einen kurzen Gedankenanstoss geben zu einem Thema, das vorher nur wenig angesprochen wurde. Es geht um die Regeln, die ich in diesem Buch aufgestellt habe und die, wie Sie sicher bald bemerken werden, flexibel sind, auch wenn es sich manchmal nicht so anhört. Es hört sich deshalb nicht so an, weil ich der Meinung bin, dass man sich an ein neues System gewöhnen muss. Haben Sie bisher völlig anders gelernt, wird Ihr Gehirn einige Zeit brauchen, sich umzustellen.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass nur zwei Arten von Leuten auf das Pionier-Prinzip skeptisch reagieren oder ihm unterstellen, es funktioniere nicht. Zum einen sind es Leute, die es nicht probiert haben. Der mit Abstand grösste Teil der Kritiker hat es nicht versucht. Ich auf der anderen Seite probiere seit Jahren jeden einzelnen Ansatz, von dem ich höre oder lese aus, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass er funktioniert. Somit habe ich meinen Kritikern einiges voraus, zumal die wenigsten von ihnen gleich mehrere Sprachen fliessend beherrschen. Von dieser Gruppe kommt auch oft die Frage nach der wissenschaftlichen Nachweisbarkeit dieser Technik. Zwar hat die Gehirnforschung in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht aber es sieht jeweils so aus, als wüssten wir nur immer mehr darüber, wie viel wir noch nicht wissen. Oder wie es der Neurologe Lyall Watson ausdrückt:
Wäre das Gehirn so simpel, dass wir es verstehen könnten, wären wir so simpel, dass wir es nicht verstehen würden.
Deshalb rate ich Ihnen, nach dem Bauchgefühl zu gehen. Wenn die Technik besser funktioniert als das, was Sie vorher gemacht haben, dann ist es unwichtig, ob es wissenschaftlich erwiesen ist, dass dies der beste Weg ist, oder nicht.
Die andere, wesentlich kleinere Gruppe besteht aus Leuten, die den Ansatz zwar verfolgen, aber nur unvollständig. Wenn es bei jemandem nicht klappt, kann man das fast immer darauf zurückverführen, das ein oder mehrere Aspekte nicht oder nur unvollständig berücksichtigt wurde. Ein verbreitetes Problem ist zu wenig Passiv-Hören, oder zu früh mit den Karteikarten zu beginnen. Das grösste Problem ist aber, dass man seinem Gehirn die Zeit für die Umstellung nicht gewährt. Deshalb bitte ich Sie nochmals, halten Sie sich am Anfang (zwei bis drei Monate) strikt an das beschriebene Programm, auch wenn es nach Overkill aussehen mag.
Das heisst nicht, dass sich Ihr persönlicher Lernstil nicht herauskristallisieren darf. Ich plädiere lediglich dafür, dass Sie alles, was Sie machen, bewusst machen.
Wann immer Sie merken, dass sich Ihr persönliches Lernen von der hier beschriebenen Technik zu unterscheiden beginnt, halten Sie bitte kurz inne. Überlegen Sie sich, ob einzelne Schritte oder Aspekte dieser Schritte komprimiert wurden und wenn ja, weshalb. Suchen Sie aktiv nach einer Begründung, weshalb Sie vom eigentlichen Pionier-Prinzip abweichen. Dadurch wird für Sie selber klar, was Sie eigentlich machen. Sie sollten das übrigens auch tun, wenn Sie andere Bücher oder Berichte zum Thema lesen, oder wenn Sie als Lehrer vor einer Klasse stehen. Seien Sie sich immer bewusst, wie Ihre Zielsetzung ist und fragen Sie sich, ob Sie dieses Ziel mit Ihrem persönlichen Lernstil schneller erreichen, als wenn Sie stur diesem Buch folgen – oder eben nicht. Und wenn ja, dann weshalb. Wenn Sie merken, dass Sie auf Ihrem Weg schneller vorankommen, dann bleiben Sie bitte darauf. In diesem Falle wäre ich froh um einen kurzen Bericht, worin die Veränderung erfolgt, und inwieweit sich Ihr Lernen verbessert hat (Sie erreichen mich über meine Homepage www.toolkitacademy.com). Wenn Sie nicht schneller werden, überlegen Sie sich, weshalb.
Regeln sind zum Brechen da. Ich breche seit Jahren systematisch alle Regeln des herkömmlichen Sprachenlernens, sei es beim selber Lernen oder im Unterricht. Ich untersuche, auch seit Jahren, jeden Hinweis, den mir alle möglichen Leute, Bücher und Methoden zum Thema Sprachenlernen anbieten und hin und wieder breche ich sogar die Regeln, die ich selber aufgestellt habe.
Ich weiss, dass sich die Methodik des Pionier-Prinzips verändern wird, dass Neues dazukommt, während sich Altes weiterentwickelt.
Verändern Sie also Ihr persönliches Programm. Passen Sie es an sich selber an und werden Sie zum Pionier. Aber machen Sie es erst, wenn Sie sich selber im Bezug aufs Sprachenlernen mit dem Pionier-Prinzip kennengelernt haben. Und seien Sie sich auch bewusst, dass Sie nur die Regeln brechen sollten, die Sie kennen und verstehen und auch nur dann, wenn Sie wissen weshalb.
Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen GER gibt Ihnen einen Überblick im Sprachzertifikat- und Sprachtestdschungel, denn er legt eine für Sprachschüler und Sprachlernende äusserst detaillierte Empfehlung vor.
Diese Empfehlung bezieht sich dabei sowohl auf den Spracherwerb, die Sprachanwendung, als auch die Sprachkompetenz, die mit Hilfe dieses Referenzrahmens bedarfsorientiert, transparent sowie vergleichbar gemacht wird.
Der Europäische Referenzrahmen ist eine tabellarische Übersicht über verschiedene sprachliche Leistungsniveaus sowie die hierzu korrespondierenden Sprachtests sowie Sprachzertifikate bzw. Sprachdiplome. Der GER wurde 2001 vom Europarat eingeführt, damit der Stand der Sprachkenntnisse in allen Sprachen vergleichbar wird.
Dabei unterteilt der GER sämtliche bekannten europäischen Sprachzertifikate und Sprachtests in insgesamt 6 Schwierigkeitsstufen. Nachfolgend finden Sie den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen mit seinen verschiedenen Niveaustufen:
Niveaustufe A – Elementare Sprachverwendung (A1 und A2)
Niveaustufe B – Selbständige Sprachverwendung (B1 und B2)
Niveaustufe C – Kompetente Sprachverwendung
(C1 fortgeschrittenes Kompetenzniveau)
(C2 nahezu muttersprachliche Sprachbeherrschung)
A 1 | Sie verstehen vertraute, alltägliche Ausdrücke und können ganz einfache Sätze verstehen und verwenden, die auf die Befriedigung konkreter Bedürfnisse ausgerichtet sind. Ebenfalls können Sie sich vorstellen, Sie können erzählen, wo Sie wohnen, was Ihre Hobbies sind – Sie können somit die elementaren Dinge in der jeweiligen Fremdsprache zum Ausdruck bringen. |
A 2 | Sie können an Gesprächen zu alltäglichen Themen teilnehmen, allgemeinsprachlich können Sie Sätze und häufig gebrauchte Ausdrücke verstehen, die mit Bereichen von ganz unmittelbarer Bedeutung zusammenhängen. Ebenso können Sie sich vor allem in routineüblichen Alltagssituationen verständigen. 1000 – 2000 Wörter |
B 1 | Generell können Sie mühelos und fehlerfrei alltäglichen Konversationen folgen sowie diesbezüglich Texte schreiben. Vom Verständnis her können Sie der Alltagssprache gut folgen, sofern keine verfälschenden Akzente verwendet werden. |
B 2 | Ihre sprachlichen Fähigkeiten sind gut ausgebildet: Sie können nahezu mühelos sowie fehlerfrei alltäglichen Konversationen folgen sowie alltagsbezogene Texte verfassen. Auch komplexere Texte zu konkreten als auch eher abstrakten Themenbereichen können Sie vom Verständnis her folgen, sodass Sie sich auch mit Muttersprachlern durchaus verständigen können. 2000 – 4000 Wörter |
C 1 | Sie haben sehr ausgeprägte, tiefgehende Kenntnisse der jeweiligen Fremdsprache. Einheimische Literatur bereitet Ihnen keine Probleme, bei anspruchsvoller, längerer Literatur verstehen Sie auch die impliziten Zusammenhänge. Redewendungen sowie auch ausgefallenere Phrasen gehören ebenfalls zu Ihrem aktiven Wortschatz. |
C 2 | Sie sind nahezu perfekt in der jeweiligen Fremdsprache: Sie unterhalten sich mit Muttersprachlern auf nahezu gleichem Niveau, können fachlich komplexen Texten folgen und diese auch selbst verfassen. Diskussionen auch zu sehr speziellen Themen können Sie zumindest sprachlich nicht aus der Ruhe bringen. |
C 2 + | Sie verfügen über Sprachkenntnisse oberhalb der Kategorie C 2. Als Nicht-Muttersprachler können Sie auf diesem Niveau zum Beispiel in einem anderen Land an einer Schule als Lehrer arbeiten. |
Assimil | Ohne-Mühe-Reihe |
Battlehner, Philipp | Sprachendownload direkt ins Gehirn (Internet Short Book) |
Bien, Ulrich | Einfach. Alles. Merken. |
Birkenbihl,Vera F. | Sprachenlernen, leicht gemacht! |
Birkenbihl,Vera F. | Trotzdem Lernen |
Birkenbihl,Vera F. | Stroh im Kopf? |
Duden | Grammatik 5. – 10. Klasse |
Faller, Peter | Practical Situaional Thai (Englisch) |
Heygen, Günter | Your English is Under all Pig |
Kleinschroth, Robert | Sprachen lernen – Der Schlüssel zur richtigen Technik |
Kutlin, Paul | Internetreport Sprachen lernen (Internet Short Book) |
Leitner, Sebastian | So lernt man lernen (lernen lernen) |
Pöhm, Matthias | Vergessen Sie alles über Rhetorik |
Schmitt, Paul | Sprachenlernen wie und warum |
Staub, Gregor | Mega Memory |
Teichmann, Bernhard | Siehe S. 48, Abschnitt 3 |
Weber, Anders | Autogenes Training |
Weber, David | Pioneer-Vietnamese (Englisch) |
Herzlichen Dank an meine Familie und Freunde, die mir in vielen angeregten Diskussionen wiederholt neue Impulse gaben, mich hinterfragten und mich so immer wieder von neuem herausforderten.
Vielen Dank im Speziellen an meinen Vater Anders Weber für stundenlanges Lektorieren.
David Weber (geboren 1980 in der Schweiz) zeigte während der Schulzeit nur bedingt Talent für den Fremdspracherwerb. Nach seiner Lehre zum Möbelschreiner mit Berufsmaturität in Zürich reiste er mehrere Jahre in Ländern wie Neuseeland, Süd Korea, Russland und China und begann sich daran zu stören, dass sich das Erlernen der jeweiligen Sprachen als so zeitraubend entpuppte. Überzeugt davon, dass es auch einfacher gehen müsste, machte er sich daran, das Sprachenlernen an sich zu erforschen.
David Weber machte eine Zweitausbildung zum Lehrer für Englisch als Zweit- und Fremdsprache (TEFL/TESOL). Seit 2006 pendelt er zwischen Vietnam und der Schweiz und arbeitet als Schreiner, Lehrer für Englisch und Vietnamesisch als Fremdsprache und als Übersetzer. Zudem schrieb er einen Sprachlehrgang auf Englisch für Vietnamesisch als Fremdsprache: Pioneer-Vietnamese.
Glaubt man einem guten Freund von mir, so habe ich absolut kein Talent für Fremdsprachen. «Ich habe drei Jahre neben David im Französisch gesessen», verkündete er einmal, als ich auf mein offensichtliches Talent für Fremdsprachen angesprochen wurde, «und glaubt mir, dieser Typ konnte in Paris nicht einmal einen Kaffee bestellen.»
Mein früherer Mitschüler hat recht. Zu Anfang der Berufsmittelschule war ich im Französisch auf einem guten Anfängerniveau. Aber Französisch-Unterricht hatte ich schon seit der fünften Klasse gehabt. Zusammen mit dem zehnten Schuljahr waren das sechs Jahre Französisch. Nach weiteren drei Jahren Berufsmittelschule konnte ich mich schlecht und recht in der Sprache unterhalten, lernte aber flüssiges Sprechen erst Jahre später, nachdem ich die Sprache mit meinen eigenen Methoden aufgearbeitet hatte.
Ich werde oft gefragt, wie ich es geschafft habe, mehrere Sprachen fliessend zu sprechen und weshalb es scheint, ich würde eine neue mühelos aufnehmen.
Dieser Frage folgt normalerweise die Annahme, dass ich ausserordentlich talentiert sein müsse, wenn es um Fremdsprachen geht. Ich habe diese Fragen lange Zeit nicht beantwortet. Nicht, weil es ein Geheimnis wäre, sondern nur deshalb, weil an meinem Lernen ein ganzes Programm angeknüpft ist und es viel zu lange dauern würde, dieses in einer kurzen Antwort darzulegen. Dazu kommt, dass sich das Gespräch jeweils schnell anderen Dingen zuwendet, sobald jeder seine zwei Tipps zum Sprachenlernen abgegeben hat. Mir war das recht, denn lange Zeit wusste ich selber nicht so genau, was ich tat.
Ich war ein Reisender, seit ich mich erinnern kann. Zuerst im Wohnmobil meiner Eltern, später, als Teenager per Interrail quer durch Europa. Ich war fasziniert von anderen Kulturen und fremden Sprachen. Nach Abschluss einer Lehre zum Möbelschreiner mit Berufsmaturität bin ich jahrelang durch Länder wie Neuseeland, Thailand und Südkorea gereist. Nach einer langen Reise per Zug, zu Fuss und per Velo durch Russland, die Mongolei und China kam ich in Vietnam an, wo ich noch immer wohne. Ich unterrichte Englisch und Vietnamesisch als Fremdsprache und mache Übersetzungen.
Wohin es mich auch verschlug, versuchte ich immer wenigstens ein bisschen von der Sprache zu lernen. Und weil sich das so schwierig gestaltete, begann ich bald über das Lernen an sich nachzudenken. Daraus ergab sich ein Mosaik aus Hirnforschung, Lernpsychologie, praktischen Methoden und Lernmodellen gepaart mit der kompletten Absenz derselben in Schulbüchern und Lehrplänen. Vor allem zum Thema Fremdspracherwerb schien es niemanden zu geben, der mir hätte Auskunft geben können. Einmal abgesehen von Büchern mit einigen gut gemeinten Tipps und Tricks, von denen ich die meisten beim Lernen selber schon anwandte.
Also machte ich mich daran, mich selber im Fremdspracherwerb zu unterrichten. Ich beobachtete mich beim Lernen, verglich meine Resultate und Einsichten mit den gängigen lerntheoretischen Modellen und las alles, was ich zum Thema finden konnte. Ich begann alles, was ich für gegeben ansah, zu hinterfragen. Ich beobachtete meine Schüler und Lehrerkollegen, ich untersuchte Schulbücher und Lehrmaterialien und probierte jeden Ansatz in der Praxis aus. Auf diese Weise entwickelte sich nach und nach eine Methode, mit der jeder, unabhängig von Alter oder Talent, in kurzer Zeit jede erdenkliche Fremdsprache erlernen kann.
Das war übrigens nicht mein Ziel. Da ich eine faule Person bin, war mein Ziel, einen Weg zu finden, der mir persönlich helfen sollte, jede beliebige Sprache mit so wenig Aufwand wie möglich zu lernen. Ich wollte ein volles Programm. Nicht nur eine Anhäufung gut gemeinter Tipps, sondern ein Programm, über das ich mit jeder Sprache fertigwerden konnte. Dass dabei ein Programm herauskam, mit dem jeder schneller lernen kann, war zwar nicht meine Absicht aber es war das Resultat meiner Arbeit. Und so machte ich mich daran, das Buch zu schreiben, von dem ich mir gewünscht hätte, ich hätte es gelesen, als ich mich daran machte, intensiv Fremdsprachen zu erlernen.
Dies ist keine wissenschaftliche Abhandlung. Es ist auch nicht das letzte Buch in einer Reihe von pseudowissenschaftlichen Schriften über eine neue und wissenschaftlich unterlegte Lernmethode. Es ist eher als Werkzeugkasten zu verstehen. Ein Versuch, die Werkzeuge, welche uns die Natur und Schulbücher mitgegeben haben, bestmöglich zu nutzen. Es ist ein praktischer Ansatz.
Aber wie solide ist das Pionier-Prinzip wissenschaftlich gesehen?
Ich glaube, dass der erste Beruf, den wir erlernen, unsere Sichtweisen im weiteren Verlauf des Lebens bestimmen. Ich begann meine Schreinerlehre mit 16 Jahren. Ich wurde ein Handwerker, ein Praktiker, der sich für Werkzeuge und ihre Anwendung begeistert und es ist der Schreiner in mir, welcher diese Frage beantwortet.
Natürlich interessiere ich mich für Gehirnforschung und ihre Auswirkung auf das Lernen. Aber man sollte diese Resultate immer in der praktischen Anwendung testen. Mit meinen Methoden haben meine Schüler und ich durchs Band weg einiges schneller gelernt als mit den Methoden, denen sich die meisten Schulen und Kurse bedienen. Ich glaube, dass das Pionier-Prinzip einer wissenschaftlichen Untersuchung standhalten würde, aber ich glaube auch, dass die Frage an sich überflüssig ist. Denn wenn Sie mit diesem Programm besser und schneller lernen können als mit anderen Ansätzen, dann ist es gleichgültig, was die theoretische Lernpsychologie dazu zu sagen weiss.
Ein weiterer Punkt ist wichtig. Wenn man an Kurse, Schulen und Fremdspracherwerb denkt, dann behandelt man normalerweise zwei verschiedene Dinge als eines: Lernen und Üben. In den meisten Klassen, wie auch theoretischen Werken, redet man von Lernen, wenn man eigentlich Üben meint. Der Unterschied ist klein, aber wichtig.
Lernen heisst: | Neues Vokabular und unbekannte grammatikalische Strukturen aufnehmen. |
Üben heisst: | Vokabular und grammatikalische Strukturen anwenden, nachdem sie gelernt wurden. |
Dieses Buch geht zum Teil auf das Thema Üben ein, aber es beschreibt primär einen Ansatz zum Lernen. Es geht darum, so viele Wörter und Strukturen anzuhäufen, dass das spätere Üben von einer guten Basis aus geschehen kann. Der Übergang vom Lernen zum Üben ist natürlich fliessend, wie Sie im dritten Teil dieses Buches feststellen werden, aber das Hauptgewicht liegt definitiv beim Lernen.
Teil I: Vorurteile abbauen
Der erste Teil des Buches soll helfen, Vorurteile gegenüber dem Fremdspracherwerb abzubauen. Er zeigt auf, wie sich schulischer Unterricht gestaltet und warum so viele Menschen Schwierigkeiten damit haben. Ein Abriss der relevanten Entwicklungen der Lernpsychologie der letzten hundert Jahre ist ein Thema und wie sich diese Erkenntnisse auf den Fremdspracherwerb auswirken.
Teil II: Selber lernen macht schlau
Der zweite Teil beschäftigt sich mit den grundlegenden Techniken. Ich stelle hier auch die verschiedenen Lernmaterialien mit ihren Vor- und Nachteilen vor. Ein Anfänger kann hier bereits einsteigen. Aber auch Fortgeschrittenen oder Personen, die eine einst gelernte Sprache auffrischen wollen, lege ich diesen Teil ans Herz. Er befasst sich nicht nur mit der grundlegenden Technik, sondern auch mit den Vorgängen, die beim Lernen im Gehirn stattfinden. Er beschreibt, wie alles zusammenhängt und weshalb weiterführende Techniken für Fortgeschrittene nach denselben Mustern funktionieren.
Teil III: Eile mit Weile
Der dritte Teil ist eine Hilfe für Leute, die einen Kurs besuchen, in der Schule eine Fremdsprache lernen müssen oder schon weiter fortgeschritten sind. Er zeigt, wie man aus weniger guten Materialien trotzdem das Maximum herausholen kann, wie man sich als Schüler auf die nächsten Lektionen vorbereiten sollte und wie man Lehrmittel selber herstellen kann. Es gibt Beiträge zum Video-Learning, Bücher lesen und Nachrichten sehen in der Zielsprache.
Teil IV: Crash-Kurs
Der vierte und letzte Teil ist eine Kurzanleitung für Anfänger, 30 Minuten täglich, 6 Mal wöchentlich über einen Zeitraum von drei Monaten. Ich habe mich lange mit Lernmethoden auseinander gesetzt und viele Bücher zum Thema gelesen. Wobei es konkret zum Sprachenlernen eine verhältnismässig kleine Auswahl gibt. Was mich störte war, dass ich nirgends eine klare Anleitung mit Zeitangaben, vorgeschlagener Wortanzahl, Wiederholungen und so weiter finden konnte. Das will ich in diesem Teil nachholen. Natürlich muss jeder
Lernende sein eigenes Tempo und die eigenen Vorlieben finden, doch das geschieht nach einer Weile ganz von selbst. Aber da aller Anfang schwer ist, soll dieser Teil ein Anstoss sein, der für den Anfang einen Rahmen setzt.
Ich verstehe diesen Kurs als eine Schablone, in der Sie sich, strikt nach Vorgaben, mit den Lernmethoden auseinandersetzen können. Strikt nach Vorgaben deshalb, weil einige der beschriebenen Techniken eine Angewöhnungszeit brauchen und man sich auf spezielle Effekte konditionieren sollte. Während dieser Zeit werden Sie merken, was für Sie persönlich am besten funktioniert und diese Teile werden Sie hinterher ausbauen können, wodurch Ihr eigener, ganz persönlicher Lernstil entsteht.
Daraus ergibt sich auch der Name der Methode: das Pionier-Prinzip. Ich wünsche, dass Sie selber zum Pionier werden und Ihre eigene Methode für sich selber herausfiltern können.
«Ich habe kein Talent zum Sprachenlernen», ist die mit Abstand häufigste Ausrede, weshalb viele keine Fremdsprache erwerben. Sie klingt logisch. Schon in der Schule gab es Mitschüler mit Talent für Mathe, Sport oder Geometrie und solche, die nicht talentiert waren.
Soweit mir bekannt ist, geht man im Fremdspracherwerb meistens von Talent aus. Wenige Autoren vertreten die Meinung, dass das Talent eine untergeordnete Rolle spielt. Die meisten dieser Autoren sind Personen, die gleich mehrere Sprachen fliessend beherrschen. Ich persönlich glaube, dass es gar kein Talent für Sprachen gibt oder braucht.
Unglaubliche Behauptung, ich weiss. Aber überlegen wir uns doch einmal, wie viele Menschen auf der Welt eine Sprache sprechen. Abgesehen von Stummen und Mönchen mit Schweigegelübden eigentlich alle. Und weder bei den Stummen noch bei den Mönchen ist es eine Frage des Talents. Auch Leute mit niedrigem IQ können sprechen. Oder Menschen mit geistigen Behinderungen, Lernschwächen oder Gedächtnisverlust.
Kinder, welche sich normal entwickeln, erreichen mit 18 Monaten die 50-Wort-Marke, sprechen einfache Sätze mit zwei Jahren und haben ab fünf Jahren wenig Probleme mit der Verständigung. Überall, auf der ganzen Welt. Auch in Ländern mit schwierigen Sprachen.
Wir haben alle schon einmal eine Sprache gelernt. Oft behauptet man zwar, dass die Muttersprache nicht zählt, aber niemand kann leugnen, sie gelernt zu haben. Natürlich mag das soziale Umfeld eine Rolle spielen, wenn es darum geht, wie weit man es mit der Sprache bringt, aber das Talent sie zu lernen, hatten wir alle.
Denkt man an Kinder, die aus anderen Ländern adoptiert wurden oder immigriert sind, kann man den Unterschied zum einheimischen Akzent bald nicht mehr feststellen. Wäre ich als Kind von Iranern adoptiert worden, spräche ich heute perfektes Farsi und zwar ohne schweizerdeutschen Akzent. Im menschlichen Gehirn ist keine bestimmte Sprache eingebaut. Was genetisch veranlagt ist, ist die Fähigkeit zu lernen und das Sprechen-Werkzeug, also die Stimmbänder, Zunge und alle anderen Sprechorgane. Das ist aber auch schon alles. Trotzdem klingt meine anfängliche Behauptung, es gäbe überhaupt gar kein Talent zum Fremdspracherwerb, unglaubwürdig. Deshalb versuche ich einen anthropologischen Ansatz. Nun bin ich weder Anthropologe noch Biologe noch Soziologe, aber ich gebe mein Bestes.
Der Schlüssel für das Überleben der menschlichen Rasse liegt in der Fähigkeit zu lernen. Wir haben keine Krallen oder Fänge, wir können nicht fliegen, superschnell rennen können wir auch nicht und die Säbelzahntiger der Steinzeit liessen sich nicht von schlechtem Atem vertreiben. Also suchten die frühen Menschen Schutz in der Gruppe. Und wie jedes Lebewesen, das in Rudeln, Meuten, Herden, Schulen oder Familien lebt, mussten wir uns miteinander verständigen. Hunde verständigen sich über Körpersprache, Bienen drücken sich in geheimnisvollen Tanzmustern aus, Ameisen versprühen Geruchspheromone, Menschen sprechen. Der Wille, sich mit anderen zu verständigen ist angeboren, also ein Instinkt und ein Instinkt ist ein Werkzeug, das einem die Natur zum Überleben mitgibt.
Angenommen, ein junger Wolf kann sich nicht mit seinem Rudel verständigen. Im spielerischen Herumbalgen mit den Geschwistern bietet der Schwächere die Kehle an. Unser Wolf kann die Körpersprache nicht interpretieren. Er beisst zu. So richtig fest. Unser Wolf ist gefährlich für den Fortbestand des Rudels. Er wird verstossen und auf sich selber gestellt, wird er bald sterben.