D&O – Versicherung und Managerhaftung
Versicherungsschutz und Haftung der Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte
© 2021 Dr. Rocco Jula
Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN |
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Paperback: |
978-3-347-27444-0 |
Hardcover: |
978-3-347-27445-7 |
e-Book: |
978-3-347-27446-4 |
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Vorwort
Die D&O-Versicherung gehört heute zum Standard der Ausstattung von Geschäftsführern, Vorständen und Aufsichtsratsmitgliedern. Ohne diesen Versicherungsschutz besteht heute häufig keine Bereitschaft mehr zur Übernahme dieser haftungsträchtigen Ämter.
Der Ratgeber erläutert die D&O-Versicherung und das Haftungsrisiko der Manager. Es enthält zahlreiche Beispiele, Tipps und Gestaltungsempfehlungen. In der Praxis besteht bei einem (drohenden) Haftungsfall meist eine große Unsicherheit, ob der geltend gemachte Anspruch zu einer Haftung führt und ob er im Streitfall versichert ist. Dieses Handbuch unterstützt die Praxis bei der Einschätzung, kann indes die individuelle Beratung und Bewertung im Einzelfall nicht ersetzen.
Zielgruppe dieses Werks sind Geschäftsführer, Vorstände, Aufsichtsräte sowie ihre Gesellschaften. Das Buch richtet sich aber auch an externe Berater der Manager bzw. ihrer Gesellschaften, also z.B. an Rechtsanwälte und Steuerberater. Auch für Versicherungsvermittler und Mitarbeiter von Versicherungsunternehmen soll dieser Ratgeber als Beratungs- und Entscheidungsgrundlage dienen.
Der Autor ist Rechtsanwalt in Berlin. Er verfügt als Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Versicherungsrecht über eine jahrelange praktische Erfahrung im Umgang mit Schadens- und Haftungsfällen.
Kritik und Hinweise sind willkommen und können an jula@jula-partner.de gerichtet werden.
Berlin, den 17. März 2021 Dr. Rocco Jula www.jula-partner.de
Inhaltsübersicht
A. Einführung
B. Beispielsfälle
C. Ausgangssituation
D. Überblick über die Konstruktion der D&O-Versicherung
I. Deckungsbausteine in der Praxis
II. Deckungsumfang/erfasste Ansprüche
III. Direktanspruch gegen D&O-Versicherer
IV. Kosten- und Prozessrisiko der Gesellschaft
E. Versichertes Risiko/Versicherungsfall
I. Überblick
II. Anspruchserhebungsprinzip/Claims-Made-Prinzip
III. Bei Ausübung der versicherten Tätigkeit
IV. Verstoß gegen gesetzliche Haftpflichtbestimmungen
V. Vermögensschäden
VI. Zwischenfazit und Ausblick
F. Versicherter Personenkreis
G. Abschluss des D&O-Versicherungsvertrags
I. Zuständigkeit für den Abschluss der D&O-Versicherung
II. Auswahl des geeigneten Deckungskonzepts
III. Einschaltung eines Versicherungsmaklers
IV. Sorgfalt bei der Beantwortung der Antragsfragen
V. Ausreichende Deckungssumme
VI. Kosten der D&O-Versicherung und Steuern
VII. Regelungen im Anstellungsvertrag
VIII. Laufzeit/versicherter Zeitraum
H. Haftung der Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte
I. Überblick
II. Mehrere Geschäftsleiter -Gesamtverantwortung und Ressortprinzip
III. Innenhaftung
IV. Außenhaftung
I. Ausnahmen vom Versicherungsschutz/Einwendungen des Versicherers
I. Ausschlüsse
II. Gefahrerhöhungen
III. Arglistanfechtung und vorvertragliche Anzeigeobliegenheit
IV. Sonstige Obliegenheiten, insbesondere Aufklärungsobliegenheit
V. Leistungsfreiheit wegen Prämienzahlungsverzugs
J. Leistungen im Schadensfall
I. Wahlrecht des Versicherers
II. Gehaltsfortzahlung im Schadensfall
K. Weitere Deckungen
I. Versicherung des Selbstbehalts
II. Rechtschutzversicherungen
L. Weiterführende Literatur
M. Literaturverzeichnis
N. Abkürzungsverzeichnis
O. Stichwortregister
Inhaltsverzeichnis
A. Einführung
B. Beispielsfälle
C. Ausgangssituation
D. Überblick über die Konstruktion der D&O-Versicherung
I. Deckungsbausteine in der Praxis
1. Hauptdeckung (Side A)
2. Sog. Eigenschadensdeckung bei Freistellung (Side B)
3. Separate Policen für den Aufsichtsrat
4. Persönliche Policen der Organmitglieder
5. Sublimits und zusätzliche Deckungsbausteine
6. Rechtsschutzversicherungen
II. Deckungsumfang/erfasste Ansprüche
III. Direktanspruch gegen D&O-Versicherer
IV. Kosten- und Prozessrisiko der Gesellschaft
E. Versichertes Risiko/Versicherungsfall
I. Überblick
II. Anspruchserhebungsprinzip/Claims-Made-Prinzip
III. Bei Ausübung der versicherten Tätigkeit
IV. Verstoß gegen gesetzliche Haftpflichtbestimmungen
V. Vermögensschäden
VI. Zwischenfazit und Ausblick
F. Versicherter Personenkreis
G. Abschluss des D&O-Versicherungsvertrags
I. Zuständigkeit für den Abschluss der D&O-Versicherung
1. Bei der GmbH
a. Überblick
b. Vereinbarung mit dem Geschäftsführer zur D&O-Police
2. Bei der AG
II. Auswahl des geeigneten Deckungskonzepts
III. Einschaltung eines Versicherungsmaklers
IV. Sorgfalt bei der Beantwortung der Antragsfragen
V. Ausreichende Deckungssumme
VI. Kosten der D&O-Versicherung und Steuern
VII. Regelungen im Anstellungsvertrag
VIII. Laufzeit/versicherter Zeitraum
1. Laufzeit
2. Nachhaftung und Rückwärtsversicherung
3. Nachhaftung für ausgeschiedene Geschäftsführer
H. Haftung der Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte
I. Überblick
II. Mehrere Geschäftsleiter -Gesamtverantwortung und Ressortprinzip
III. Innenhaftung
1. Organhaftung des Geschäftsführers gemäß § 43 GmbHG
a. Einleitung
b. Pflichtverletzung des Geschäftsführers
c. Verschulden
d. Kausalität und Schaden
e. Beweislastverteilung
f. Mehrere Geschäftsführer
g. Verjährung
h. Entlastung des Geschäftsführers
i. Haftungsausschließende Weisungen und Zustimmung der Gesellschafterversammlung
j. Ausschlussfrist und haftungsabschwächende und haftungsausschließende Vereinbarungen
k. Beschluss der Gesellschafterversammlung
2. Organhaftung des Vorstands gemäß § 93 II AktG
3. Organhaftung des Aufsichtsrats gemäß § 116 AktG
a. Überblick
b. Fehlerhafte Überwachung
c. Fehler bei der Bestellung bzw. Auswahl der Vorstände bzw. beim Abschluss der Anstellungsverträge
d. Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht
e. Verstoß gegen sonstige Pflichten, z.B. die Treuepflicht oder § 114 AktG bei Beratungsverträgen
f. Durchsetzung des Anspruchs aus der Organhaftung
g. Beweislastverteilung
h. Verjährung
4. Haftung wegen Auszahlungen bei Insolvenzreife
a. Überblick/Vorschrift in § 15b InsO
b. Eintritt der Insolvenzreife
aa. Einleitung
bb. Zahlungsunfähigkeit
cc. Überschuldung
c. Haftung gemäß § 15b InsO
aa. Verbotene Auszahlungen
bb. Verschulden
cc. Rechtsfolge: Erstattung der Zahlungen
dd. Ausnahmen
5. Haftung im Konzern bzw. aus § 117 AktG
IV. Außenhaftung
1. Überblick und Garantenstellung
2. Haftung bei unerlaubten Handlungen
a. Überblick
b. Haftung aus der Generalklausel gemäß § 823 I BGB
c. Verstoß gegen Schutzgesetze
aa. Überblick
bb. § 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB (Betrug)
cc. § 823 II BGB i.V.m. § 264 StGB (Subventionsbetrug)
dd. § 823 II BGB i.V.m. § 264a StGB (Kapitalanlagebetrug)
ee. § 823 II BGB i.V.m. § 266 StGB (Untreue)
ff. § 823 II BGB i.V.m. § 266a StGB (Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeträgen)
gg. § 823 II BGB i.V.m. § 15a InsO
hh. § 823 II BGB i.V.m. einer sonstigen Strafnorm
3. Haftung für vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung (§ 826 BGB)
4. Haftung für Wettbewerbsverstöße und Verletzung von Immaterialgüterrechten
5. Sonstige Anspruchsgrundlagen, z.B. Haftung aus Vertrauen
6. Haftung für Steuerschulden
I. Ausnahmen vom Versicherungsschutz/Einwendungen des Versicherers
I. Ausschlüsse
1. Überblick
2. Ausschluss und Abwehrdeckung
3. Bindungswirkung des Haftpflichturteils und Ausschluss
4. Mehrere versicherte Personen und Ausschlusstatbestand
5. Vorsätzliche Schadensherbeiführung oder wissentliche Pflichtverletzung
a. Überblick
b. Definition des Vorsatzes
c. Vorsatz und Zusammenhang mit Pflichtverstoß und Schaden
d. Vorsätzliche und wissentliche Pflichtverletzung
e. Unbedingter und bedingter Vorsatz
f. Bedingungspraxis und Reichweite des Ausschlusses
g. Einzelheiten des Ausschlusses der wissentlichen Pflichtverletzung
h. Zusammenhang zwischen wissentlicher Pflichtverletzung und Schaden
i. Zusammentreffen wissentliche Pflichtverletzung mit sonstiger Pflichtverletzung
j. Beweislastverteilung
k. Vereinbarkeit mit dem AGB-Recht
6. Ausschluss von Geldbußen und Strafen
7. US-amerikanisches Recht bzw. angloamerikanischer Rechtskreis
8. Unzureichender Versicherungsschutz
9. Produkt- und Umwelthaftungsrisiken
10. Einschränkungen im Insolvenzfall der Gesellschaft
11. Beschränkung der Innenhaftung
12. Weitere Ausschlüsse
II. Gefahrerhöhungen
III. Arglistanfechtung und vorvertragliche Anzeigeobliegenheit
IV. Sonstige Obliegenheiten, insbesondere Aufklärungsobliegenheit
V. Leistungsfreiheit wegen Prämienzahlungsverzugs
J. Leistungen im Schadensfall
I. Wahlrecht des Versicherers
II. Gehaltsfortzahlung im Schadensfall
K. Weitere Deckungen
I. Versicherung des Selbstbehalts
II. Rechtschutzversicherungen
1. Überblick
2. Strafrechtsschutzversicherung
3. Anstellungsvertrags-Rechtsschutzversicherung
4. Vermögensschadens-Rechtsschutzversicherung
L. Weiterführende Literatur
M. Literaturverzeichnis
N. Abkürzungsverzeichnis
O. Stichwortregister
A. Einführung
Dieser Ratgeber unterstützt Geschäftsführer,1 Vorstände und Aufsichtsräte, ihre Gesellschaften sowie ihre Berater. Generell ist es möglich, die Mitglieder der Leitungs- oder Kontrollorgane, aber auch leitende Angestellte gegen die Haftungsrisiken aus ihrer Tätigkeit zu versichern. Die Policen, die die Versicherungswirtschaft hierfür bereithält, werden als D&O-Versicherungen bezeichnet. D&O steht für „Directors and Officers“, meint also die aufsichtsführenden und geschäftsführenden Organe. Bei einer D&O-Versicherung handelt es sich um eine sog. Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung. Versicherungsnehmerin ist dabei die GmbH, versicherte Person ist hingegen das Organmitglied. Mit Organmitglied wird der GmbH-Geschäftsführer, der Vorstand einer AG oder Genossenschaft oder das Aufsichtsratsmitglied bezeichnet. Vorstände und Geschäftsführer werden auch unter dem Begriff des Geschäftsleiters zusammengefasst.
In Deutschland wird die D&O-Versicherung seit 1986 angeboten. Zunächst haben nur zwei Tochtergesellschaften US-amerikanischer Versicherungsunternehmen das Produkt in Deutschland vertrieben. Mitte der 90er-Jahre kam es zu einem Einstieg deutscher Versicherungsgesellschaften und zu einer deutlichen Ausweitung des Geschäfts, wobei auch zahlreiche weitere ausländische Versicherer in den deutschen Markt eintraten. Heute ist die D&O-Versicherung bei den meisten Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Häufig fordern Manager, bevor sie das Amt übernehmen, den Abschluss einer D&O-Versicherung. Auch sind immer weniger Personen bereit, Aufsichtsratsmandate zu übernehmen, wenn nicht ein entsprechender Versicherungsschutz besteht.
Gleichwohl zeigt die Praxis, dass die D&O-Versicherung nur einen unzureichenden Versicherungsschutz gewährleistet, weil viele Schäden nicht abgedeckt sind. Dieser Ratgeber soll die Beteiligten über die Funktionsweise der in Deutschland verbreiteten Versicherungspolicen informieren und ihnen zuverlässig Auskunft über die Reichweite des jeweiligen Versicherungsschutzes geben. Es werden die Haftungstatbestände anhand von zahlreichen Beispielen dargestellt und jeweils korrespondierend der Versicherungsschutz erläutert. Hierbei werden nützliche Tipps und Empfehlungen gegeben.
1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern die männliche Form verwendet. Sie gilt gleichermaßen für alle Geschlechter.
B. Beispielsfälle
Zur Einstimmung werden zunächst einige Haftungsfälle vorgestellt, bei denen es um Ansprüche geht, die im Versicherungsumfang der D&O-Versicherung enthalten sein können.
„Die versäumte Option“
Eine Aktiengesellschaft, die ein Computer-Systemhaus betreibt, das IT-Dienstleistungen aller Art für Firmenkundschaft anbietet, ist in einem Bürokomplex ansässig, wobei der Mietvertrag in Kürze ausläuft. Es gibt jedoch eine Option der AG zur Verlängerung des Mietvertrags, wonach dieser für weitere fünf Jahre zu einem vereinbarten Preis von 12 Euro den Quadratmeter fortgesetzt werden kann. Das zuständige Vorstandsmitglied der AG versäumt es jedoch, die Option zu ziehen. Als dies auffällt und man an den Vermieter herantritt, ist dieser zwar zur Fortsetzung des Mietverhältnisses bereit, möchte nun aber eine um 5 Euro höhere Miete pro Quadratmeter. Dies ergibt bei der gemieteten Fläche von 2.000 m2 immerhin einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 10.000 Euro pro Monat. Bezogen auf die fünf Jahre der weiteren Laufzeit müsste die AG daher 600.000 Euro zusätzlich an Miete netto entrichten.
Der Aufsichtsrat der AG beschließt, das Vorstandsmitglied wegen der versäumten Geltendmachung der Option gemäß § 93 AktG in die Haftung zu nehmen. Der Fall wird dem D&O-Versicherer vorgelegt. Dieser prüft die Angelegenheit und regt zunächst an, sich mit dem Vermieter abschließend zu einigen. Schließlich stünde der Schaden noch nicht abschließend fest, ggf. könne man ein günstigeres Ausweichquartier beziehen. Nach Verhandlungen mit dem Vermieter ist dieser schließlich bereit, da die AG mit dem Auszug droht und ein Nachfolgemieter zu der Wunschmiete des Vermieters schwer zu gewinnen sein wird, sich mit einer Mieterhöhung von 2,50 Euro den Quadratmeter zufrieden zu geben. Damit muss die AG insgesamt 300.000 € mehr Miete in fünf Jahren entrichten als bei Ausübung der Option. Daher einigen sich die AG und der Vorstand auf einen sofort fälligen Vergleichsbetrag in Höhe von 250.000 Euro zum Ausgleich des Haftungsanspruchs. Dieser Vergleich wurde vor dem Abschluss mit dem D&O-Versicherer abgestimmt. Der D&O-Versicherer stellt das Vorstandsmitglied von seiner Haftung gegenüber der AG frei und übernimmt die Zahlung des Betrags von 250.000 Euro.
„Das Fake Angebot“
Malte Martin (M) arbeitet seit 20 Jahren als Ingenieur der Verfahrenstechnik in einer GmbH, die Süßwarenfabriken betreibt. Nun wird er Mitglied der Geschäftsführung und zuständig für die Produktion. Es sollen künftig im Hause die Kakaobohnen auch geröstet und gemahlen werden, weshalb entsprechende Maschinen angeschafft werden sollen. M holt mehrere Angebote ein. Eines ist deutlich günstiger, verlangt aber zur Sicherung des Angebots eine Anzahlung von 30.000 Euro. M veranlasst die Anzahlung. Daraufhin passiert jedoch nichts, es erfolgt keine Reaktion. Das Angebot erweist sich als Fake-Angebot. Der Internetauftritt, über den M das Angebot angefordert hatte, war von einem taiwanesischen Anbieter komplett kopiert worden. Der Name des Anbieters, der sich als EU-Importeur des Herstellers ausgegeben hat, sowie die E-Mail-Anschrift wurden verfälscht, so dass die Anfrage bei dem Betrüger auflief. Die Rückforderung der Anzahlung bleibt erfolglos. Eine Strafanzeige führt zu keinem Ergebnis hinsichtlich des Verbleibs der Anzahlung. Das Konto gehörte einer Person, die aus Unwissenheit ihre Daten zur Verfügung gestellt hat. Von diesem Konto wurde die Anzahlung noch am Tage ihres Eingangs ins Ausland weitergeleitet.
Die GmbH verzichtet wegen der 20-jährigen Tätigkeit auf eine Kündigung ihres Geschäftsführers, sie begehrt aber von M Schadensersatz wegen der erfolgten Anzahlung in Höhe von 30.000 Euro. Bereits eine Handelsregisterabfrage bzw. die Einholung einer Auskunft bei einer Auskunftei hätte ergeben, dass das Unternehmen, das die Offerte unterbreitet hat, gar nicht existiert. Mindestens diese Informationen hätte M vor dem Vertragsschluss nach Auffassung der Gesellschafterversammlung einholen müssen. M übersendet den Beschluss der Gesellschafterversammlung, der seine Inanspruchnahme vorsieht, dem D&O-Versicherer. Dieser reguliert nach eingehender Prüfung den Schaden durch Zahlung an die GmbH. Der D&O-Versicherer geht zwar davon aus, dass das Verhalten des M grob fahrlässig gewesen ist. Grobe Fahrlässigkeit wird jedoch in der D&O-Versicherung wie auch in jeder anderen geläufigen Haftpflichtversicherung mitversichert.
„Angebot über alle Phasen“
Malte Martin (M) aus dem vorgenannten Beispiel ist weiter für die GmbH tätig. Ein Jahr später soll ein neues Produktionsgebäude auf einem hinter dem Betrieb der GmbH gelegenen, ihr gehörenden Grundstück errichtet werden. M ist federführend für die Errichtung des neuen Gebäudes zuständig. Er lässt sich zunächst ein Angebot eines Architekten vorlegen. Dieses Angebot sollte sich eigentlich nach der Vorstellung von M und der im Vorfeld eingebundenen Gesellschafterversammlung nur auf die Leistungsphasen bis zur Genehmigungsplanung, also bis zu der Erteilung der Baugenehmigung erstrecken, es umfasst jedoch alle Leistungsphasen über die Ausführungsplanung bis zur Objektüberwachung und Objektbetreuung durch den Architekten. Dies hat M übersehen. Er war der Ansicht, die Phasen könne man optional dazu wählen, hat aber nicht überblickt, dass diese schon fest vereinbart gewesen sind. Die GmbH kämpft mit Umsatzausfällen, so dass die Betriebserweiterung jetzt doch nicht durchgeführt werden soll. Die Baugenehmigung liegt bereits vor. Der Architekt möchte seine Arbeit mit den weiteren Leistungsphasen fortsetzen. Da das Vorhaben absehbar nicht mehr realisiert werden soll, kündigt die GmbH den Architektenvertrag. Der Architekt berechnet hierfür eine Entschädigung in Höhe von 500.000 Euro. Die GmbH weigert sich zu zahlen, wird aber in einem anschließenden Gerichtsprozess hierzu verurteilt. Nach Ausgleich des Urteilsbetrags zuzüglich Kosten möchte die GmbH M wegen ihres gesamten Schadens, der durch Kosten und Zinsen auf 600.000 Euro angewachsen ist, in Rückgriff nehmen.
Der Anspruch der GmbH gegen den Geschäftsführer aus der sog. Innenhaftung besteht gemäß § 43 II GmbHG. Der Geschäftsführer hat pflichtwidrig und fahrlässig gehandelt, als er das Angebot über alle Leistungsphasen unterschrieben hat. Dadurch ist der GmbH der vorgenannte Schaden entstanden. Hierfür genösse M auch Versicherungsschutz in der D&O-Versicherung. Der D&O-Versicherer müsste hier den Geschäftsführer von dessen Haftung freistellen und den Schaden gegenüber der GmbH ausgleichen.
„Unterbrechung mit Folgen“
Die GmbH hält trotz des zweiten Haftungsfalls weiter an M fest. Auch der D&O-Versicherer gewährt weiterhin Versicherungsschutz, wobei allerdings die Prämien wegen der Schadenquote für die Zukunft kräftig erhöht wurden. Erneut zieht ein Jahr ins Land und es ereignet sich bei Bitumenschweißarbeiten auf dem Dach der bisherigen Produktionshalle ein schwerer Brand. Die Produktionshalle brennt bis auf die Grundmauern ab. Auch die Produktionsanlagen sind völlig zerstört. Die GmbH gerät dadurch schwer in die Krise. Sie kann allerdings über ihren zweiten Standort einen Teil des Produktionsausfalls auffangen und damit die Insolvenz vermeiden. Der Wiederaufbau gestaltet sich allerdings recht langwierig, zumal auch Bodensanierungen vorzunehmen sind. Nach fast drei Jahren steht das neue Fabrikgebäude. Die GmbH hat über den Feuer-Versicherer den Neuwert der Produktionshalle sowie einen neuwertigen Maschinenpark erhalten. Allerdings wurde bisher der Unterbrechungsschaden, d.h. der entgehende Gewinn und die fortlaufenden Kosten, noch nicht reguliert. Der Unterbrechungsversicherer, bei dem eine Haftzeit von 24 Monaten vereinbart ist, hat gleich zu Beginn seine Verantwortlichkeit abgelehnt, da er der Ansicht ist, dass Schutzvorkehrungen bei der Durchführung der Schweißarbeiten nicht eingehalten worden sind und daher der Schadensfall grob fahrlässig herbeigeführt wurde. M hat für die GmbH diese Ansprüche nicht weiterverfolgt.
Nach mehr als drei Jahren konsultiert er nunmehr einen Rechtsanwalt und legt diesem die Unterlagen vor. Der Rechtsanwalt meint, dass bei grober Fahrlässigkeit nur eine Kürzung in Betracht käme und der Betriebsunterbrechungsversicherer wenigstens anteilig zahlen müsse; außerdem könne man sich auch über die grobe Fahrlässigkeit streiten. Er gehe davon aus, dass nur einfache Fahrlässigkeit vorliege und daher vollständig reguliert werden müsse. Zwischenzeitlich ist allerdings die Verjährungsfrist von drei Jahren verstrichen, so dass sich der Unterbrechungsversicherer weiterhin auf vollständige Leistungsfreiheit beruft. Eine anschließende Klage gegen den Unterbrechungsversicherer wird daher schon wegen der Verjährung abgewiesen. Bei vollständiger Regulierung hätte die GmbH 12 Mio. Euro erhalten. Wäre nur anteilig wegen einer Kürzung von z.B. 50% aufgrund der Bejahung der groben Fahrlässigkeit reguliert worden, wäre dies ein Betrag von 6 Mio. Euro gewesen.
Die Gesellschafterversammlung beschließt, den Geschäftsführer, der den Anspruch zu spät verfolgt hat, in die Haftung zu nehmen. Der D&O-Versicherer weist darauf hin, dass die Versicherungssumme nur 5 Mio. Euro betrage, mehr werde ohnehin nicht geleistet. Nach zähen Verhandlungen mit dem Versicherer einigt man sich schließlich auf Zahlung eines Betrags in Höhe der Deckungssumme von 5 Mio. Euro. Künftig ist allerdings der D&O-Versicherer nicht mehr bereit, den Vertrag fortzuführen, er kündigt diesen anlässlich des Schadensfalls.
Die Versicherungsbedingungen enthielten nicht, wie dies etwa bei den Musterbedingungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) der Fall ist, einen Ausschluss des Versicherers bei unzureichendem Versicherungsschutz. Solche Ausschlüsse kann der Versicherer vereinbaren. Dadurch wird erreicht, dass Defizite bei versicherungsrechtlichen Ansprüchen nicht durch die D&O-Versicherung ausgeglichen werden.
„Das sonnige Gemüt“
Eine AG betreibt Bauträgergeschäfte. Im dreiköpfigen Aufsichtsrat sitzt ein Professor für Schiffbau, dessen Name auch als Aushängeschild für die AG benutzt wird. Der Professor kümmert sich indes um nichts, er nimmt an den Aufsichtsratssitzungen nicht teil und lässt sich auch sonst nicht informieren. Die AG vereinnahmt über einen Zeitraum von 15 Monaten Anzahlungen von Kunden, die die beiden Vorstandsmitglieder zweckwidrig verwenden, im großen Stil sogar eigenmächtig entnehmen. Der Vorstand beantragt, nachdem er sich „seine Taschen vollgesteckt hat“, die Einleitung des Insolvenzverfahrens und taucht ab. Das Insolvenzverfahren wird eröffnet, der Vorstand und die Gelder bleiben verschwunden.
Der Insolvenzverwalter meint, der Aufsichtsrat hätte nach spätestens sechs Monaten bereits anhand der Zahlen des Rechnungswesens merken müssen, dass Gelder abfließen. Von den drei Aufsichtsratsmitgliedern ist nur noch der Professor greifbar. Diesen will nun der Insolvenzverwalter in die Haftung nehmen, weil er meint, dass dann, wenn dieser rechtzeitig eingegriffen hätte, 2 Mio. Euro nicht mehr unberechtigt entnommen worden wären. Der Fall wird dem D&O-Versicherer gemeldet, der offen lässt, ob ggf. eine Leistungsfreiheit wegen wissentlicher Pflichtverletzung besteht. Sie käme – so der Versicherer - in Betracht, wenn am Ende eine rechtskräftige Verurteilung deshalb erfolge, weil der Aufsichtsrat jegliche Überwachungstätigkeit unterlassen habe. Einstweilen gewährt der D&O-Versicherer aber erst einmal Abwehrdeckung. Im Prozess ergeht am Ende ein Urteil, in dem die Klage gegen den Professor abgewiesen wird. Das Gericht ist zu der Überzeugung gekommen, dass die Entnahmen so geschickt in der Buchhaltung kaschiert wurden, dass der Aufsichtsrat dies bis zur Insolvenzantragstellung nicht hätte merken müssen. Da die Insolvenzmasse unzulänglich ist, werden die Anwaltskosten auf Seiten des Professors nicht erstattet, so dass das verklagte Aufsichtsratsmitglied dankbar dafür ist, dass der D&O-Versicherer diese Kosten übernommen hat.
C. Ausgangssituation
Die vorgenannten Beispiele zeigen, dass die Tätigkeit des GmbH-Geschäftsführers oder des Vorstands einer AG erheblichen Haftungsrisiken unterliegt. Dies gilt ebenso für die Aufsichtsratstätigkeit, auch wenn hier weit weniger Haftungsfälle in der Praxis auftreten.
Im Ergebnis sind die Leitungsmitglieder (Geschäftsführer/Vorstände) und Aufsichtsratsmitglieder dem Risiko der persönlichen Haftung sowohl gegenüber der Gesellschaft als gegenüber Dritten ausgesetzt. Hier kann eine D&O-Versicherung helfen, diese Risiken abzusichern. Hierbei besteht die D&O-Versicherung im Verbund mit weiteren Versicherungslösungen. So dient die Betriebshaftpflichtversicherung der Absicherung von Personen- und Sachschäden, wobei sich in der Praxis auch Vermögensschäden einschließen lassen. Die D&O-Versicherung betrifft vom Organmitglied verursachte Vermögensschäden. Rechtsschutzversicherungen können statt der D&O-Versicherung oder zusätzlich zu dieser Kostenrisiken absichern.
Die Manager müssen zudem strafrechtliche Verfolgung befürchten, wenn sie im Rahmen ihrer Amtstätigkeit Straftaten begehen, wie z. B. eine fahrlässige Körperverletzung bei dem Inverkehrbringen fehlerhafter Produkte. Die strafrechtlichen Risken werden nicht vom Kernbereich der D&O-Versicherung umfasst. Die D&O-Versicherung deckt nur die Haftpflichtrisiken ab. In der Praxis wird jedoch häufig die D&O-Versicherung um eine Strafrechtsschutzversicherung erweitert, entweder als Baustein oder durch eine eigenständige Police.
Ferner trifft jedes Leitungsmitglied das sog. Abberufungs- und Kündigungsrisiko, nämlich dass es ggf. unberechtigt mit sofortiger Wirkung gekündigt, abberufen und ggf. freigestellt wird, so dass es ohne Gehalt dasteht. Auch diese Risken sind nicht von der D&O-Versicherung abgedeckt. Der Manager kann aber - um dem entgegenzuwirken - für sich privat eine sog. Anstellungsvertrags-Rechtsschutzversicherung abschließen. Es gibt auch Deckungskonzepte, die Gehaltsforderungen des Geschäftsführers einschließen, die durch Aufrechnung wegfallen.
Die Beteiligten müssen sich vergegenwärtigen, dass der Haftungssituation typischerweise ein komplexer Sachverhalt zu Grunde liegt und es häufig keine klare Regulierungslage gibt, weshalb in der Praxis meist auch nicht zeitnah mit Leistungen seitens des Versicherers gerechnet werden kann. Aus Sicht der versicherten Personen sowie der Gesellschaften, die die Versicherungsverträge abgeschlossen haben, erschließt sich diese Situation jedoch meist erst nach intensiver Auseinandersetzung mit derselben. Die Erwartungshaltung der Beteiligten, der Versicherer möge seine Eintrittspflicht anerkennen und zügig regulieren, wird meist nicht erfüllt. Der Versicherer fordert vielmehr eine Vielzahl von Unterlagen an, bei komplizierten Fällen holt er ggf. rechtliche gutachterliche Stellungnahmen ein. Die Vorstellung der Parteien, dass Versäumnisse des Managers zwingend zu Schadensersatzansprüchen führen müssen, ist oft rechtlich unzutreffend oder nicht durchsetzbar. Gelegentlich scheitert es auch schon an der detaillierten Darlegung des Schadens. Die versicherten Personen sowie die Gläubiger, vor allem aber die Gesellschaften, die häufig selbst durch ihre Leitungs- und Organmitglieder geschädigt wurden, erwarten eine schnelle Regulierung. Der Versicherer hingegen agiert zunächst immer zurückhaltend und wirkt auf eine Abwehr der Ansprüche hin, wenn er nicht zuvor bereits die Auffassung vertritt, der geltend gemachte Schaden sei gar nicht in der D&O-Versicherung versichert, zum Beispiel weil ein Ausschluss eingreift.