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Paul Boldt

Junge Pferde! Junge Pferde!

Expressionistische Gedichte



Impressum

 

 

 

 

 

 

 

Junge Pferde! Junge Pferde!

 

Expressionistische Gedichte

 

 

 

 

 

Paul Boldt

 

 

 

 

Impressum

 

Copyright: Edition Rabenpresse im vss-verlag – Frankfurt am Main

 

2. Auflage

 

Jahr: 2021

 

 

Lektorat/ Korrektorat: Hermann Schladt

Covergestaltung: Armin Bappert

 

Verlagsportal: www.vss-verlag.de

Gedruckt in Deutschland

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie

 

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verfassers unzulässig.

Junge Pferde! Junge Pferde! Gedichte von Paul Boldt

 

1914 publizierte Paul Boldt seinen einzigen Gedichtband - „Junge Pferde! Junge Pferde!“ -, der große Beachtung fand.

Gerade mal 18 Monate nach seinem ersten publizierten Gedicht erscheint dieser eigenständiger Gedichtband.

Doch dieser Band ist Höhe- und Wendepunkt zugleich. Ab dieser Zeit – die auch den Beginn des Weltkrieges markiert – lässt die Frequenz der Veröffentlichungen von Boldt merklich nach, um 1918 ganz zu aufzuhören

 

Frühjahr

 

Die ganze Nacht durch kamen Wanderungen

Wie auf der Flucht, in sohlenloses Schreiten

Vermummt. Am Morgen bargen es die Weiten:

Nur Sturm schwimmt durch die dunklen Waldungen.

 

Als wäre allem Licht ein Tor gesprungen,

Will es sich in die Aderbäume breiten,

Darin die Pulse spülen, Säfte gleiten

Wie Frühjahrströme durch die Niederungen.

 

Mein gutes Glück, märzlich dahergetänzelt.

Mädchen, gut, dass du Weib bist! Diese Stunde

Verlangt das. Küsse mich! O unsere Munde

 

Haben noch niemals um ihr Glück scharwenzelt.

Du – du – dein Haar riecht wie der frühe Wind

Nach weißer Sonne – Sonne – Sonne – Wind.

Nächte über Finnland

 

Die Nadelwälder dunkeln fort im Osten,

Und aus den Seen taucht das Nachtgespenst

Den gelben Kopf, von Feuerrauch gekränzt,

Den Sterngeruch der neuen Nacht zu kosten.

 

Zu weißen Pilzen filzen Fichtenpfosten,

Und Ast an Ast in zartem Lichte glänzt,

– befrorne Linien – Filigran umgrenzt,

Zieht die Kontur aus reinen, reifen Frosten.

 

Bis auf das alte, runde, schwarze Eis

Des Grundes sind die Flüsse zugefroren.

In Schuttmoränen glänzt der glatte Gneis

 

Und in den leuchtenden, polierten Mooren.

Die Krähen schreien ewig: Tag – und Tat –

Nebel und Kälte fällt wie Sack und Saat.

 

Weichsel

 

Ein Thema: Weichsel; blutsüßes Erinnern!

Der Strom bei Kulm verwildert in dem Bett.

Ein Mädchen, läuft mein Segel aufs Parkett

Aus Wellen, glänzend, unabsehbar, zinnern.

 

In Obertertia. Julitage flammen,

Bis du den Leib in helle Wellen scharrst.

Die Otter floh; mein weißes Lachen barst

Zwischen den Weiden, wo die Strudel schwammen.

Russische Flöße in den Abend ragend.

Die fremden Weiber, die am Feuer sitzen,

Bewirten mich: Schnaps und gestohlener Speck.

 

Wir ankern und die Alten bleiben weg.

Die Völlerei. Aus grausamen Antlitzen

Blitzt unser Blick, ins Weiberlachen schlagend.

 

Nächtige Seefahrt

 

Die Winde sind von einem Möwen-Dutzend

Geschwänzt und schlagen durch die Luft, dumpf, pfeifend.

Und hart her rollend, seltsam vorwärts greifend,

Zerbraust das Meer, der Riffe Rücken putzend.

 

Es klatscht das Segel, patscht das Ruderblatt.

Die gleichen Wogen streifen, weichen vorn

Und fallen hinten, wo der Möwen Zorn

Sie schmäht, matt, hingemäht, ins glatte Schwad.

 

Dann steift der Wind. Er gibt die Brise doppelt

Und schmeißt die hellen Wasserhaufen steiler,

Wie ein Pikeur die Meute noch gekoppelt

 

Voll Gier loslässt; allein der starke Keiler

Stockt, steht, stößt einmal in die Runde

Entblößter Zahnreihn und zerfetzt die Hunde.

 

Friedrichstraßendirnen

 

Sie liegen immer in den Nebengassen,

Wie Fischerschuten gleich und gleich getakelt,

Vom Blick befühlt und kennerisch bemakelt,

Indes sie sich wie Schwäne schwimmen lassen.

 

Im Strom der Menge, auf des Fisches Route.

Ein Glatzkopf äugt, ein Rotaug’ spürt Tortur,

Da schießt ein Grünling vor, hängt an der Schnur

Und schnellt an Deck einer bemalten Schute,

Gespannt von Wollust wie ein Projektil!

Die reißen sie aus ihm wie Eingeweide,

Gleich groben Küchenfrauen ohne viel

 

Von Sentiment. Dann rüsten sie schon wieder

Den neuen Fang. Sie schnallen sich in Seide

Und steigen ernst mit ihrem Lächeln nieder.

 

Mittags

 

Jetzt ruht der Tag am Himmel wie ein Krake,

Des blasses Maul die Wälder überschwemmt.

Laubbäume zittern in dem Sonnenhemd,

Als ob der Park von hellen Flammen blake.

 

Die schwere Mühle rudert strahlumwellt

In glattem Takt, dass sie den Abend hebe;

Noch hält der leuchtende Kristall die Schwebe,

Der Azur aus dem leichten Lichte fällt.

 

Orangewolken mit zitterndem Bauch,

Die nachts den Flächenblitz gebären sollen.

Libellen flügeln, Falter, und verschollen

Summen die Bienen in dem Bohnenstrauch.

 

In deinen Adern glüht des Heliotrops

Arom, gekühlt von süßerem Jasmin,

Und durch die Nerven klingen Phantasien,

Bizarre Phantasien Felicien Rops’.

 

 

Im Walde schlägt der Keiler durstgequält

Die hellen Zähne in das Holz der Kiefer.

Die tote Schonung raucht wie heißer Schiefer,

In dem der Nacht erstickter Atem schwält.

 

 

Nacht für Nacht

 

Wie helle Raupen kriechen die Chausseen

Aus Wäldern über Berge in die Tale.

Gestrandet liegen Wolken, groß wie Wale,

Still in der Abendröte blanken Seen.

 

Der Tag versiegt. Bis ihn die Frühen speisen,

Quillt schwarze Nacht aus allen Himmelsbronnen.

Die Sterne scheinen, kleine, ferne Sonnen.

Der Teich im Hofe glänzt wie dunkles Eisen.

 

Der Mond steht, wie ein Junge in der Pfütze,

Hell über jedem Garten. Und wie Gaze

Schimmert der Wald, des Berges blaue Mütze.

 

Aus einer Kleinstadt ragt des Kirchturms Vase

Verschnörkelt aus der Giebeldächer Nippes. –

Schlaf hält die Menschen fest, steif, wie in Gips.

 

 

Rinder

 

Verblichnes Grün der Weide deckt

Das Weiß und Schwarz der Herde.

Silhouetten, da und dort gesteckt,

Die Köpfe auf der Erde.

 

Die Wiese atmete nicht mehr,

Knirrte der Rinder Schlund;

Das Julilicht spritzte umher,

Die Wolken zogen, und

 

Unten geht ein fleischern Meer

Im grünen Klee spazieren.

Vom Hund umbellt. Zurück. Carrière,

Humpeln von alten Tieren.

 

Im Grase lagert sich das Blöken.

Dumm scharrt des Stieres Huf.

Die Kälber jagen an den Pflöcken –

Melkmägde schallen voller Ruf.

 

 

Nordwind im Sommer

 

Vom Meere duftend fliegt der Wind ins Land.

Die dunklen Parke flattern in der Brise.

Kleehügel blühen vor dem Duft der Wiese;

Der Himmel steht, sich selber unbekannt,

 

Ein weißer Fischer in den Roggenmeeren,

Wo Taubenflug aufspritzt, ein Wasserstrahl,

Wo Wolkenschatten rinnen in das Tal,

Fliegende Fische sind – die Roggenähren.

 

Der Weißklee schmeißt den Junitag zur Seite,

Und manchmal fliegen Reiher um den stummen,

Fischlosen See, auf dem die Bienen summen,

Und nehmen zögernd ihren Flug ins Weite.

 

Ich galoppiere vor dem Sonnenschein,