Impressum
Titel
Kleine Helfer für die Altenpflege
Ich hau dir gleich eine!
111 Tipps zum Umgang mit herausforderndem Verhalten
von Menschen mit Demenz
Autorin
Stefanie Helsper
Lektorat
Corina Altmann
Titelbildmotive
© alison1414 – Shutterstock.com (Oma);
© Olga Kovalenko (Hintergrund Wand), © annagolant (Button),
© Elaelo (Hand), © KatyaKatya (Muster „Pinselstrich“), © raven (Sprechblase)
– alle stock.adobe.com
Illustrationen im Innenteil
Kapiteldeckblätter © Norbert Höveler
Tipp-Icon © Verlag an der Ruhr
E-Book-Herstellung und Auslieferung
readbox publishing, Dortmund, www.readbox.net
Verlag an der Ruhr Mülheim an der Ruhr www.verlagruhr.de |
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© Verlag an der Ruhr 2021
E-Book ISBN 978-3-8346-4754-2
Vorwort
Herausforderndes Verhalten – was ist das?
Stecknadeln im Gehirn – kognitive demenzielle Veränderungen
Herausforderndes Verhalten gegenüber sich selbst
Herausforderndes Verhalten gegenüber anderen
Veränderungen in der Wahrnehmung bei Menschen mit Demenz
Ich nehme ständig etwas wahr – überall Reize
Ich sehe anders
Ich höre anders
Ich rieche und schmecke anders
Ich fühle meinen Körper anders
Beschäftigung und Betätigung gegen die Langeweile
Ich bin unterfordert und mir ist langweilig
Ich möchte etwas tun
Ich weiß nicht, wie ich es tun soll
Bedürfnisse von Menschen mit Demenz
Ich brauche dasselbe wie du
Ich wünsche mir Normalität und Routine
Ich wünsche mir Authentizität
Ich wünsche mir Beziehungen
Ich brauche Ruhe
Erscheinungsformen psychischer Veränderungen
Ich bin kein Einzelfall
Ich bin tieftraurig – Depressionen
Ich sehe was, was du nicht siehst! – Wahn und Halluzinationen
Hilfe, ich fürchte mich! – Angst
Außerhalb der Etikette – enthemmtes Verhalten
Hau ab, du blöde Kuh! – Verbale Entgleisungen
Ich muss mich spüren – fremd- und selbstverletzendes Verhalten
Ich will nur mal anfassen – sexuelle Enthemmtheit
Veränderungen in der Kommunikation bei Menschen mit Demenz
Sprechen Sie „Dementisch“?
Ich kann nichts sagen! – Aphasien und Co.
Dem herausfordernden Verhalten mit Selbstfürsorge begegnen
Wie geht es Ihnen? – Den Blick auf sich selbst richten
Ich passe auf mich auf! – Achtsame Wege gehen
Ein paar Worte zum Schluss
Lautes Rufen, anhaltendes Klopfen, Schieben von Gegenständen, Umräumen, ständiges Laufen, ärgerliches Schimpfen, nicht enden wollendes Schreien, verletzendes Verhalten, Zerreißen von Kleidung, anhaltendes Weinen, Nesteln oder lautes Zähneknirschen können die ganze Palette herausfordernden Verhaltens von Menschen mit Demenz darstellen. Kennen Sie diese Verhaltensweisen aus Ihrem beruflichen Kontext oder als pflegende*r Angehörige*r1?
Haben Sie auch schon eine konfrontative Erfahrung gemacht, in der Sie sich durch das Verhalten von Menschen mit Demenz herausgefordert gefühlt haben? Waren Sie schon in einer Begegnung mit einem Menschen mit Demenz, in der Sie nicht mehr weiterwussten und das Verhalten des Gegenübers einfach nicht verstanden haben? Kamen Sie dabei an Ihre Grenzen? Fühlten Sie sich schon einmal in einer Situation bedroht?
Falls Sie eine dieser Fragen mit Ja beantworten konnten, halten Sie das richtige Buch in den Händen. Es möchte gerne Licht ins Dunkel bringen und hat sich zur Aufgabe gemacht, Ihnen 111 Tipps an die Hand zu geben, durch die der Umgang mit herausfordernden Menschen mit Demenz besser gelingen kann. Es möchte das Warum der Verhaltensweisen aufdecken und Sie auf eine Entdeckungsreise zum Mittelpunkt des Herzens der Menschen mit Demenz mitnehmen, damit Sie die Verhaltensweisen besser verstehen können.
Ich selbst habe in meiner Arbeit mit Menschen mit Demenz immer wieder die Erfahrung gemacht, dass ich an meine Grenzen kam – mit meinem Latein am Ende war, Verhaltensweisen von Menschen mit Demenz einfach nicht verstehen konnte. Mit meinem Fachwissen und meiner Erfahrung, gepaart mit der Bereitschaft, sich ganz und gar auf das Gegenüber einzustellen und den Versuch zu starten, „in dessen Schuhe zu schlüpfen und damit zu laufen“, habe ich mit der Zeit einen Weitblick entwickelt und konnte so die Verhaltensweisen verstehen und annehmen.
Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass dieses Buch mit den 111 Tipps für den Umgang mit herausforderndem Verhalten bei Menschen mit Demenz Ihnen ein besseres Verständnis, einen Weitblick, eine Sensibilität und eine Gelassenheit gibt oder Sie sich bestätigt fühlen, dass Sie bereits im Handling alles richtig gemacht haben und auf einem guten Weg sind.
Ihre Stefanie Helsper
1Der Verlag an der Ruhr legt großen Wert auf eine geschlechtergerechte und inklusive Sprache. Daher nutzen wir bevorzugt das Gendersternchen, um sowohl männliche und weibliche als auch nichtbinäre Geschlechtsidentitäten einzuschließen. Alternativ verwenden wir neutrale Formulierungen.
HERAUSFORDERNDES
VERHALTEN
– WAS IST DAS?
Was heißt „Kognition“? Das Wort steht für alle Denk- und Gedächtnisleistungen unseres Gehirns. Die Kognition beinhaltet alle Funktionen des logischen und abstrakten Denkens, alle Gedächtnisleistungen und Merkfähigkeiten, das Beherrschen des Sprechens, des Planens und Strukturierens, der Orientierung und des Lernens.
Das Krankheitsbild Demenz steht für mehrere kognitive Veränderungen. Die meisten demenziellen Veränderungen sind eine Kombination aus Störungen und Fähigkeitsverlusten. Der Krankheitsverlauf lässt sich in drei Stadien einteilen:
Leichtes Stadium:
Störungen im Kurzzeitgedächtnis |
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Informationsverlust |
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Schwierigkeiten, Gesprächen zu folgen |
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Wortfindungsstörungen |
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erste Schwierigkeiten bei der räumlichen und zeitlichen Orientierung |
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erste Schwierigkeiten mit komplizierteren Anforderungen |
Mittelgradiges Stadium:
Langzeitgedächtnisstörung |
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zeitlicher und räumlicher Orientierungsverlust | |
deutliche Wahrnehmungsveränderungen |
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Unterstützung bei der Alltagsbewältigung; eine selbstständige Lebensführung ist nicht mehr möglich |
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Veränderungen im Verhalten und in der Persönlichkeit | |
gestörtes Zeitgefühl und Veränderung des Tag-Nacht-Rhythmus |
Schweres Stadium:
Sprachverlust |
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Abnahme der Mobilität |
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Kontrakturen |
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Inkontinenz |
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Kauen, Schlucken und Atmen werden immer mühsamer |
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Anfälligkeit für Infektionskrankheiten |
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Tod |
An dieser Stelle ist es jedoch sehr wichtig, zu erwähnen, dass jede Demenz individuell anders verläuft und jeder Mensch mit Demenz andere oder anders ausgeprägte Symptome zeigt.
Tipp 1: Jeder Mensch mit Demenz ist individuell anders. Wenn Sie einen Menschen mit Demenz kennen, kennen Sie einen Menschen mit Demenz.
Die bekannteste Demenzform ist die Alzheimer-Demenz. Erste medizinische Erkenntnisse über diese Erkrankung gewann Dr. Alois Alzheimer2 schon im Jahre 1901, vor mehr als 100 Jahren, an seiner Patientin Auguste Deter in der „Anstalt für Irre und Epileptische“ in Frankfurt am Main. Auguste Deter war zu dieser Zeit 51 Jahre alt und zeigte starke Verwirrungssymptome, die man bisher nur von hochaltrigen Menschen kannte. Dr. Alzheimer wurde auf sie aufmerksam und widmete ihr viel ärztliche Forschung. Nach ihrem Tod 1906 obduzierte er das Gehirn von Auguste Deter und stellte fest, dass ihre Hirnrinde geschrumpft war. Zusätzlich fand er Eiweißablagerungen in und zwischen den Nervenzellen.
1910 wurde die Erkrankung in einem Lehrbuch erstmalig mit dem Namen „Alzheimersche Krankheit“ beschrieben. Danach geriet sie in Vergessenheit. Erst seit den 1960er-Jahren wird der Erforschung der Alzheimerkrankheit wieder mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Mittlerweile arbeiten weltweit Tausende Wissenschaftler*innen daran, die komplexe Krankheit zu erforschen. Heilen kann man die Krankheit des Vergessens bisher noch nicht.
Tipp 2: Erkennen Sie an, dass eine demenzielle Erkrankung nicht heilbar ist.
Es hört sich schrecklich und defizitär an, aber aufgrund der Abbauprozesse im Gehirn ist eine Heilung nicht möglich. Es ist der bessere Weg, mit der Krankheit Frieden zu schließen und zu akzeptieren, dass sich die kognitiven Veränderungen, wie der Verlust der Merkfähigkeit, der Orientierung oder der Sprache, nicht mehr verbessern können.
Jedoch ist es möglich, dass eine Demenz moderater verlaufen kann. Das bedeutet, dass der Abbauprozess langsamer verläuft und die Erkrankung immer wieder mal eine Pause einlegt. Kommen Sie mit auf diese Reise zu den kognitiven Prozessen des Gehirns!
Wir bleiben beim Krankheitsbild Alzheimer. Stellen Sie sich vor, die Alzheimererkrankung steht sinnbildlich für eine Stecknadel, die immer und immer wieder in die Gehirnmasse, besonders in die Hirnrinde, einsticht und Löcher hinterlässt. Diese Löcher sind für die kognitiven Veränderungen zuständig. Je mehr Löcher in das Gehirn gepikt werden, umso mehr demenzielle Symptome, insbesondere kognitive Veränderungen, zeigt der Mensch.