Vielen Dank…

… an meine liebe Frau Nadine für das Schreiben des Vorwortes und des Epiloges sowie für das Überarbeiten des Buches…

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2017 Julian Haertl

weitere Mitwirkende: Nadine Haertl

Der Inhalt wurde sorgfältig recherchiert, bleibt aber

ohne Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit.

Nachdruck, auch nur auszugsweise, nur mit schriftlicher

Genehmigung der Autoren. Die Verwendung in ande

ren Medien oder in Seminaren, Vorträgen etc. ist

verboten.

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7431-2321-2

Inhaltsverzeichnis

Vorwort: Am Anfang war der Traum

von Nadine Haertl

Wenn mich als Kind jemand fragte, was ich denn später einmal werden wolle, kam meine Antwort prompt: „Ich möchte auf einem Bauernhof wohnen!" Dabei fingen meine Augen an zu glänzen, und es wurde mir ganz warm ums Herz bei dem Gedanken an all die Pferde, Ponies, Hunde, Kaninchen und Babykatzen, die in meiner damaligen Vorstellung die Hauptbevölkerung eines Bauernhofes ausmachten. Überhaupt schien sich bei mir von Anfang an alles nur um Tiere zu drehen: Sicher spielte ich ab und zu mit Puppen, aber mein liebstes Spiel war „Ich bin wohl ein kleines Tier, und Du hast mich im Wald gefunden?!" - Meine arme Mutter kann ein Lied davon singen... Laufen gelernt habe ich übrigens mithilfe unseres Mischlingsrüden Lupo, an dessen Nackenfell ich mich empor zog und dann nicht mehr los lies, während er geduldig mit mir im Haus herumging. Natürlich wollte ich, sobald meine Schritte sicherer und meine Gedanken klarer wurden, eine Katze haben. Mein Vater hatte dazu nur eines zu sagen: „Wenn hier eine Katze ins Haus kommt, dann ziehe ich aus!" Es ist wohl überflüssig zu erwähnen, dass mein Vater Katzen nicht sonderlich sympathisch fand. Also begnügte ich mich damit, die Katzen zu lieben, die ich während unserer Kurzurlaube zu Himmelfahrt auf verschiedenen Bauernhöfen kennenlernte - ebenso wie die jeweiligen Ponies und Kaninchen, Esel und Hunde. Die Zeit, die wir nicht auf Bauernhöfen verbrachten - also die restlichen 361 Tage des Jahres, träumte ich davon, nicht in der Stadt zu wohnen und vor allem davon, ein eigenes Pferd zu haben. Immerhin wohnte meine Oma in Dithmarschen auf dem Land. Dort roch es immer nach guter Landluft, überall standen Pferde auf saftigen grünen Wiesen, und Oma Eva versäumte auch keine Gelegenheit, mir auf verschiedenen Ponyhöfen der Umgebung das Reiten zu ermöglichen.

Während meiner Kindheit musste ich viel Mühe investieren, meine Eltern - vor allem meinen Vater - davon zu überzeugen, dass Haustiere pädagogisch wertvoll und für die Entwicklung kleiner, heranwachsender Mädchen quasi unverzichtbar waren. So hatte ich nacheinander diverse Meerschweinchen und Kaninchen, um die ich mich die meiste Zeit hingebungsvoll kümmerte. Natürlich ging ich auch regelmäßig zum Reiten, aber an ein eigenes Pferd war in unserem Garten in der Stadt natürlich nicht zu denken. Mein Vater tröstete mich regelmäßig mit dem Versprechen "Wenn ich im Lotto gewinne, dann kaufe ich Dir ein Pferd!" - Das machte mir Hoffnung, und ich wartete auf den Lottogewinn. Dass mein Vater überhaupt nicht Lotto spielte, erfuhr ich erst Jahre später.

Als ich etwa 14 war, kauften sich unsere Nachbarn in der Nähe einen kleinen Resthof und dazu einen Esel namens Doris. In diesen Esel verliebte ich mich schon beim ersten Treffen. Ebenso in das verfallene Gehöft: Ohne Wohnhaus lag es dort, scheinbar seit Jahren unangetastet, wild zugewuchert von Giersch und Brennesseln, umrandet von hohen alten Bäumen. Es gab nur eine große offene Scheune, ein kleines Häuschen, das Doris als Offenstall diente, einen alten modrigen Schweinestall und eine winzige Hütte mit zweifelhafter Bestimmung. Ich liebte diesen Ort vom ersten Moment an: Die Abgelegenheit, die Ruhe, das Alte und Verwunschene, den Geruch - eine Mischung aus Gräsern, altem Holz, Heu und Stroh... All das zog mich in seinen Bann, und so verbrachte ich ab nun jede freie Minute in diesem kleinen Paradies mit der Eselin Doris. Die Besitzer hatten zum Glück nichts dagegen. In meiner Fantasie malte ich mir aus, dass ich den Hof später einmal kaufen würde. Ich hatte genaue Vorstellungen, wie ich den Schweinestall zum Wohnhaus ausbauen würde und wo die Pferde stehen würden. Ich sah alles ganz genau vor mir. Wenn mich ab jetzt jemand fragte, was ich denn später einmal werden wolle, so hatte sich meine Antwort gravierend geändert: "Ich will einen Resthof haben!"

Natürlich kam mir erst einmal das Leben in die Quere und erschwerte mir konsequent die Erfüllung meines Traumes, denn natürlich ging ich zur Schule und musste mich jahrelang auf mein Abitur vorbereiten. Nachmittags hatte ich angefangen, im örtlichen Tierheim zu arbeiten, denn mein Vater hatte sich tatsächlich auf eine Diskussion über meinen Wunsch nach einem eigenen Hund eingelassen, nachdem unser alter Lupo mit 16 Jahren in meinen Armen gestorben war. Wenn ich ein Jahr lang regelmäßig im Tierheim helfen würde, dann dürfte ich einen eigenen Hund haben. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob mein Vater tatsächlich nur meine Ausdauer auf die Probe stellen wollte, oder ob er darauf vertraute, dass ich schnell die Lust daran verlieren würde. Vielleicht wollte er auch einfach nur Zeit schinden. Oder aber er wollte mir beibringen, dass es sich lohnt, für seine Wünsche zu kämpfen, auch wenn es manchmal eine ganze Weile dauert, bis sie sich erfüllen. Ich jedenfalls fuhr fast jeden Tag mit dem Fahrrad ins Tierheim, ging mit verlassenen Hunden spazieren und streichelte traurige Katzen. Doris besuchte ich weiterhin regelmäßig und fing sogar an, sie zu reiten und mit ihr Kutsche zu fahren. Oder sie mit mir. Die Kreativität eines Esels ist etwas, was die wenigsten Menschen kennenlernen dürfen. Nachdem ich ein Jahr im Tierheim gearbeitet hatte, löste mein Vater sein Versprechen ein, und ich durfte einen eigenen Hund haben. Die Mühe hatte sich gelohnt!

Als ich 16 war, hatte ich in der Zeitung eine Anzeige gelesen, in der jemand nicht weit von uns eine Reitbeteiligung suchte. So kam ich zu dem Hof, an dem ich etwas später auch mein erstes eigenes Pferd kennenlernte. Zuerst war ich aber zufrieden mit meinem Pflegepferd. Als dieses jedoch eines Tages verkauft werden sollte und mein Vater tatsächlich von sich aus in Verhandlung mit der Besitzerin ging, war ich mehr als erstaunt. Die Verhandlung scheiterte jedoch, da die Besitzerin sich nicht auf das Preisangebot meines Vaters einlassen wollte. Nahezu trotzig verkündete er mir daraufhin, dass wir uns dann eben unser eigenes Pferd kaufen würden! Ich traute meinen Ohren nicht. Und so fuhren mein Vater und ich an mehreren Wochenenden hintereinander auf Pferdeschau. Das Schicksal aber hatte mein zukünftiges Pferd bereits zu dem Stall gebracht, wo ich auch das Pflegepferd gehabt hatte. Es war keine Liebe auf den ersten Blick: Eine überaus fette Haflingerdame präsentierte sich mir mit zurückgelegten Ohren. Zum Abschied biss sie mir in den Rücken. Trotzdem war es für mich klar: Das ist mein Pferd. Mein Vater war nicht begeistert, er fand ein anderes Pferd, das wir angesehen hatten, viel besser. Trotzdem kaufte er mir diese unfreundliche Haflingerdame namens Mimmie! Nie werde ich den Tag vergessen. Ich saß am Küchentisch und weinte stundenlang vor Freude und Glück und Dankbarkeit - und ich es konnte es kaum fassen, dass ich nun ein eigenes Pferd hatte. Immer hatte mein Vater zu meinen Pferdewünschen nur eines gesagt: "Dann musst du später mal einen reichen Bauern heiraten!" Woraufhin ich sagte: "Ich will aber reiten und nicht melken!" Natürlich dachte ich dabei an Kühe. Nie würde ich Kühe melken! Ich wollte meinen Resthof und meine Pferde hinter dem Haus. Wie sich das genau umsetzen ließ, war mir nicht klar. Darüber machte ich mir auch, wenn überhaupt, selten Gedanken. Ich gab kleinen Kindern Reitunterricht, um die Stallmiete und den Unterhalt für meine Mimmie zu bestreiten.

Das Abitur rückte näher. Die Frage, was ich denn (nicht später, sondern jetzt!) werden wolle, ertönte inzwischen immer häufiger. Meine Antwort mit dem Resthof konnte nicht mehr gelten, das war mir klar. Was ich aber werden wollte, das wusste ich nicht. Ich wusste ungefähr, wer ich war und was ich wollte, aber mit dem werden wollen tat ich mich schwer. Ich hatte wohl einige vage Ideen, Tierärztin zum Beispiel, aber mein Notendurchschnitt ließ erahnen, dass es Probleme mit dem betreffenden Studium geben könnte. Schließlich waren meine Nachmittage ausgefüllt damit, dass ich mich um meinen Hund und mein Pferd kümmerte, Freunde traf und Reitunterricht gab. Wann hätte ich da noch lernen sollen, um die Schulnoten zu verbessern? Die Prioritäten waren klar: Mein Leben drehte sich um die Tiere. Doktorin würde ich wohl nicht werden.

Da mir der Reitunterricht mit den Kindern viel Spaß machte und ich feststellte, wie positiv der Umgang mit Pferden sich auf meine kleinen Schüler auswirkte, beschloss ich, nach dem Abitur eine Ausbildung zur Hippotherapeutin zu machen. Das erschien mir plausibel. Und so suchte ich nach einem Praktikumsplatz, um nach dem Abi diesbezüglich Erfahrungen zu sammeln. Das Schicksal meinte es gut mit mir, und ich fand einen Praktikumsplatz auf einem der Reiterhöfe in Dithmarschen, auf den mich viele Jahre zuvor meine Oma Eva zum Reiten gebracht hatte. Meine Stute Mimmie würde mich begleiten. Natürlich wusste ich es damals noch nicht, aber die Zeit auf diesem Hof, würde mein Leben verändern und mich meinem Traum vom eigenen Hof Schritt für Schritt näher bringen. Denn hier lernte ich Julian kennen.

Julian machte zu dieser Zeit gerade....

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....eine Ausbildung zum Tischler und arbeitete auf einer Baustelle auf einem Pferde- und Urlaubs-Bauernhof, als mir dort die hübsche blonde Praktikantin mit ihrem ebenso blonden Pferd auffiel. Es fiel mir schwer, meinen Blick von ihr zu lassen. Und als ich das erste Mal mit Nadine redete, stotterte ich mir irgendeinen Kram zusammen. Es war sonnenklar: Ich war über beide Ohren verliebt, und das beste war, dass ich das Gefühl hatte, dass sie auch ein gewisses Glitzern in den Augen hatte, wenn wir miteinander sprachen. Unser erstes richtiges Gespräch drehte sich darum, dass wir beide Gewitter liebten. Es war ein schwülwarmer Septembertag und wir spekulierten, ob es heute wohl noch gewittern würde. Seit Tagen war ein Gewitter fällig, denn die Luft fühlte sich so dick an, dass man sie in Scheiben hätte schneiden können. Und wie zur Bestätigung unseres Kennenlernens, gab es abends ein starkes Gewitter. Das war wie ein Zeichen! Obwohl wir beide ein Handy hatten, schrieb ich ihr einen altmodischen Liebesbrief. Manche Dinge kommen eben nicht aus der Mode, und sie antwortete prompt. Kurz darauf hatte ich Geburtstag und lud sie natürlich ein. Als sie an diesem Abend zu mir kam, wusste ich, dass wir irgendwann heiraten würden. Wir zogen bald darauf zusammen. Nadine war nach ihrem Abitur noch in der Berufsfindungsphase. Die Tischlerlehre war meine zweite Ausbildung, die erste zum Maler und Lackierer in einer Autowerkstatt hatte ich nach anderthalb Jahren abgebrochen. Mir waren wohl die Lackdämpfe zu Kopf gestiegen. Außerdem hatte ich damals nur Parties im Kopf, und ließ die Zukunft hippiemäßig langsam auf mich zukommen. Eigentlich machte ich - und später auch Nadine - nur eine Ausbildung, weil es nun einmal von uns verlangt wurde. Die Gesellschaft und unsere Erziehung gaben uns, wie allen anderen, unseren Weg vor. Jeder muss eben einer geregelten Arbeit nachkommen, um dann jeden Tag früh aufzustehen, zur Arbeit zu hetzen und abends völlig fertig zu Hause vor dem Fernseher dem nächsten Arbeitstag entgegen zu dämmern. Irgendwie war das noch nie unsere Welt, aber solange wir nicht zufällig zu einem Haufen Geld kämen, müssten wir wohl oder übel in dieses Spiel einsteigen. Nadine hatte die Idee mit der Ausbildung zur Hippotherapeutin verworfen und wollte stattdessen gerne für die Zeitung schreiben. Nach ihrem Praktikum und nachdem sie eine Zeit lang als freie Mitarbeiterin für eine Dithmarscher Tageszeitung geschrieben hatte, bekam sie einen Volontariats-Platz bei einer Sylter Wochenzeitung. Für uns hieß das: Umziehen von Dithmarschen nach Nordfriesland. Ich wollte solange die restlichen anderthalb Jahre Lehrzeit jeden Tag zwischenfahren. Eine Wohnung war schnell gefunden, und Nadines Pferd konnte dort für wenig Geld auf der Koppel neben dem Haus stehen. Bevor wir einziehen konnten, mussten wir erst einmal gründlich renovieren, weil vorher dort offensichtlich Messies gewohnt hatten. Anders konnten wir uns nicht erklären, wieso etwa hundert Müllsäcke mit Hausmüll auf dem Dachboden gelagert waren. Es stank auch dementsprechend, aber zwei Wochen und ein paar hundert Euro später war die Wohnung einzugsbereit.

Wir wohnten nun seit sechs Wochen dort. Unter uns waren noch zwei kleinere Wohnungen in dem Haus untergebracht. Mit dem einen Mieter hatten wir uns sogar ein wenig angefreundet. Allerdings war ich mit meiner Fahrerei zur Lehrstelle und der Lehrstelle selber äußerst unzufrieden. Mir war es wichtiger, dass Nadine gut zur Arbeit kam, da ich meine Ausbildung sowieso nur widerwillig machte. Ich wollte nicht für den Rest meines Lebens an lauten und gefährlichen Maschinen stehen, Fenster, Türen und Treppen bauen, um eines Tages mit krummen Rücken und nur noch acht Fingern aufzuwachen. Außerdem war es mir wirklich wichtiger, dass Nadine ihre Ausbildung zur Journalistin durchziehen konnte. Sie hatte eindeutig das größere Potenzial, allein schon wegen ihres Abiturs. Dann kam der 11. September 2003, ein Datum, von dem wohl jeder weiß, was er damals gemacht hat. Ich hatte mich an dem Tag vormittags von der Arbeit wieder einmal abgemeldet, obwohl mir nichts fehlte. Ich hatte einfach keine Lust mehr dazu, und nun auch noch die drei Stunden Fahrerei dazu. Also entschied ich mich dazu, in Husum nach einem neuen Teppich für unser Schlafzimmer zu gucken. Ich hörte wieder einmal Deutschland Radio auf der Fahrt, als eine Nachricht kam, dass ein Sportflugzeug in die Twintowers geflogen sei. Kurze Zeit später war die Rede von einem Passagier-Flugzeug. Ich dachte mir nur, "was für ein schlimmes Unglück", aber sonst an nichts weiter. Ich ging in den Laden und kaufte einen Teppichrest, denn mehr brauchten wir für das kleine Schlafzimmer nicht. Als ich dann auf der Fahrt nach Hause von einem zweiten Flugzeug und einem weiteren hörte, das in das Verteidigungsministerium geflogen sei, bekam ich sofort einen gewaltigen Schrecken. Kaum zu Hause angekommen, machte ich den Fernseher an und bis in die Nacht auch nicht wieder aus. Keiner wusste genau, was passiert war und schon gar nicht, was nun passieren würde. Ich machte mir große Sorgen. Man konnte deutlich spüren, dass alle Menschen verunsichert waren, und keiner wusste was nun als nächstes kommen würde. Kurze Zeit später wurde der Irak angegriffen. Viele erinnern sich wahrscheinlich auch daran. Auch wir saßen vor dem Fernseher und sahen uns den TV-gerechten Krieg an. Uns wurde gezeigt, wie präzise gesteuerte Raketen und Geschosse abgefeuert wurden, die angeblich natürlich nur Regierungs- und Militärgebäude trafen. Damals haben wir das nicht so durchschaut, obwohl es schon bekannt war, dass es in erster Linie wohl um die Kontrolle des Öls ging. Mittlerweile wurde bekannt, dass in diesem völlig ungerechtfertigten Krieg panzerbrechende Munition eingesetzt wurde. Diese Munition ist mit radioaktiven Stoffen versetzt gewesen, und so leiden heute tausende von Menschen an den Auswirkungen dieser Uran-Munition. Der Wüstenwind verteilt es überall hin, und noch heute werden Menschen und Kinder von diesem strahlenden Vermächtnis krank. Auch viele US-Soldaten wurden krank, bei ihnen nannte man das ganze "Golfkriegsyndrom". Viel mehr Menschen sind erwiesenermaßen an den späteren Auswirkungen gestorben, als im eigentlichem Krieg. Aber das wird erstaunlich gut unter den Teppich gekehrt. Nun sind wir ein Überwachungsstaat geworden, Panik und Angst gehören bei vielen Menschen leider zum Alltag. Ich glaubte langsam daran, dass es irgendwie gewollt sein muss, dass die Medien ständig Angst verbreiteten. Man kann es sich aber sicher bis zu einem gewissen Grad aussuchen, in wie weit man davon betroffen ist. Auf jeden Fall war all das für uns ausschlaggebend. Es hatte uns einen Schrecken eingejagt, und wir wollten gerne einen Hof kaufen, auf dem wir möglichst autark sein könnten.

2

Bevor es aber so weit war, dass wir ein passendes Eigenheim für uns fanden, mussten wir noch einige Abenteuer bestehen. Wir hatten damals zwei Hunde, einer davon war ein Rüde namens Robby, ein schwarzer Schäferhund, der uns seit den ersten Tagen unser Beziehung begleitete, und den wir mit dem Alter von einem Jahr aus dem Tierheim gerettet hatten. Er war ein wirklich furchteinflößender Hund. Das sagten uns zumindest viele unserer Freunde und Verwandten immer wieder, aber für uns war er ein sehr netter freundlicher Hund. Nur andere Hunde konnte er auf den Tod nicht ausstehen, und ich musste ihn mehrere Male in den Schwitzkasten nehmen, um andere Hunde vor dem sicheren Tod zu retten. Unsere Hündin Ronja war das genaue Gegenteil. Sie war ein etwas kleinerer Schäferhundmischling, lammfromm und hörte immer aufs Wort. Ronja hatten wir allerdings auch schon als Welpen bekommen. Sie war uns damals von den Verkäufern in einem dunklen Kellerverschlag präsentiert worden, und wir hatten uns gefragt, wie man Welpen nur so halten kann. In völliger Dunkelheit, auf kleinster Fläche und im eigenen Dreck. Ronja war ein entzückendes Hundemädchen und lebte sich sehr schnell bei uns ein. Sogar Robby schloss sie sofort in sein Herz und beschützte sie vor jedem und allem.

Kurz darauf zog unter uns eine seltsame Frau ein - mit langen gelockten schwarzen Haaren, von denen trotz ihres Alters erstaunlich wenige grau waren. Sie war sehr hager, geradezu abgemagert, und redete irgendwie komisch mit schwerer, schleppender Zunge. Sie musste wohl um die fünfzig Jahre alt gewesen sein, und ich konnte mich meines ersten Eindruckes einfach nicht erwehren. Ich rief Nadine bei der Arbeit an und platzte heraus: „Unter uns ist gerade eine Hexe eingezogen!“ Es dauerte nur ein paar Tage, da mussten wir sie schon bitten, gegen ein Uhr Nachts die Musik leiser zu stellen. Aber sie machte sich einen richtigen Spaß daraus und holte uns fast jede Nacht aus dem Schlaf. Nadine musste ja früh aufstehen, um nach Sylt zur Zeitung zu fahren und fand das alles andere als lustig. Sie bat mich, doch mal mit unserer Nachbarin zu reden. Am nächsten Tag hörte ich die Nachbarin im gemeinsamen Flur und sprach sie an: „Margot, ich möchte dich bitten, uns nachts nicht mehr mit lauter Musik aus dem Bett zu holen!“ Sie antwortete: „Ich kann da nichts für, das sind die." Nun war ich erstmal sprachlos. Ich fragte vorsichtig: "Wer denn?“ Sie bat mich herein, und wir setzten uns an den Küchentisch. Nun erzählte sie mir vom CIA. Ich war völlig perplex, denn sie war sich sicher, der amerikanische Geheimdienst hätte ihr einen Mikrochip in den Kopf eingepflanzt und würde sie nun damit foltern und überwachen. Sie meinte das durchaus ernst. Ich sah mich etwas in ihrer Küche um, und mir fielen doch so einige leere Weinflaschen ins Auge. Ich versuchte zu erschnuppern, ob sie vielleicht betrunken war, aber sie hatte offenbar (noch) nichts getrunken. Ich zeigte mich so verständnisvoll wie möglich, und versuchte nicht, ihr etwas auszureden. Als abends Nadine nach Hause kam, erzählte ich ihr brühwarm die ganze Geschichte, sie konnte es auch nicht glauben, aber uns wurde klar, dass die Frau nicht ganz zurechnungsfähig war und mehr als nur ein Problem hatte.