Über das Buch

Wunderbar anschaulich, kompetent und anhand der neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft schildert Marianne Koch, wie unsere Körperabwehr funktioniert, was der Unterschied zwischen angeborenem und erworbenem Immunsystem ist, welche Rolle der Darm spielt und warum wir mit ausgewogener Ernährung, ausreichend Bewegung und genügend Schlaf das System selbst stärken können.

Welche Vitamine und Mineralien sind für unsere Abwehrkräfte wichtig? Was schwächt sie, worauf sollten wir verzichten? Prägnant beantwortet Marianne Koch diese und weitere Fragen, stellt die Bedeutung von Impfungen dar und geht auf Allergien und Autoimmunerkrankungen wie Diabetes oder chronische Polyarthritis ein. Sie beschreibt, warum man das System manchmal schwächen muss, welche neuen Behandlungsweisen und Medikamente es gegen Krebs gibt und welchen erstaunlichen Einfluss unsere Psyche hat. So hat die Psychoneuroimmunologie etwa herausgefunden, wie wir mit unserem Denken unsere Selbstheilungskräfte mobilisieren können.

Über Marianne Koch

Dr. med. Marianne Koch gab ihre Filmkarriere (Bundesfilmpreis) für die Tätigkeit als Ärztin auf. Heute arbeitet sie als Buchautorin und Medizinjournalistin, auf Bayern 2 läuft ihre wöchentliche Rundfunksendung ›Das Gesundheitsgespräch‹. Für ihr Engagement und ihren Erfolg in der medialen Vermittlung von Gesundheitsthemen wurde Marianne Koch mehrfach ausgezeichnet, u.a. wurde ihr im Mai 2019 die Paracelsus-Medaille verliehen, die höchste Auszeichnung der Bundesärztekammer. Marianne Koch setzt Tag für Tag um, was sie propagiert, und ist der beste Beweis, wie viel wir selbst für unsere Gesundheit tun können.

Wichtiger Hinweis:

Die diesem Buch zugrunde liegenden medizinischen Forschungsergebnisse und die Empfehlungen wurden mit größter Sorgfalt erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann jedoch nicht übernommen werden. Ebenso ist eine Haftung der Autorin bzw. des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden ausgeschlossen. Da sich die Medizin ständig weiterentwickelt, können zukünftige neue Erkenntnisse nicht ausgeschlossen werden. Die hier genannten Ratschläge sollen kein Ersatz für fachkundige Beratung sein. Die richtige Diagnose und Therapie von Erkrankungen müssen immer Sache des behandelnden Arztes bleiben.

IN DER LUFT, im Boden, an jeder Türklinke, auf jedem Küchentisch, in jedem Butterbrot treiben sich Zigtausende von Lebewesen herum, die meisten ungefährlich, viele aber durchaus imstande, uns zu schaden. Es müssen keine Grippe- oder Coronaviren sein oder bestimmte Bakterien wie Streptokokken oder Staphylokokken, die uns krank machen; es genügen oft scheinbar harmlose Keime, die sich unseres Körpers bemächtigen, wenn, ja wenn da nicht diese fantastische Abwehr bereitstünde, die uns schützt: unser Immunsystem.

Nehmen wir einmal an, wir hätten kein Organ, keine Zellen, die uns ständig verteidigen: Ein normales Leben – auch nur für kurze Zeit – wäre unmöglich. Bei einer seltenen genetischen Krankheit, der sogenannten Schweren Kombinierten Immunschwäche, kommen betroffene Babys ohne Schutz gegen Krankheitserreger auf die Welt. Sie sind dann bei jedem Kontakt zur Außenwelt den dort immer herumschwirrenden Keimen gegenüber hilflos. Wenn man sie nicht in eine sterile Umgebung – zum Beispiel in spezielle Plastikzelte – bringt, überleben diese Kinder nicht einmal das erste Jahr. Bisher versuchte man, ihnen Immun-Stammzellen eines gesunden Spenders zu übertragen, mit unsicherem Erfolg. Erst seit Kurzem ist es möglich, ihr fehlerhaftes Knochenmark genetisch zu korrigieren, sodass sie doch Immunzellen bilden und dadurch Hoffnung auf ein normales Leben besteht. Aber darauf kommen wir später noch.

Fehlerhafte Zellen im Körper

Genauso wichtig wie der Schutz gegen Angreifer von außen ist für das Immunsystem die Kontrolle über Vorgänge, die sich im Inneren des Körpers abspielen. Hier nur einige dieser Aufgaben: Wer, glauben Sie, räumt immer wieder die Teerprodukte von Zigaretten aus den Bronchien und der Lunge von Rauchern? (Übrigens auch die Aromastoffe, die den Dampfzigaretten beigemischt sind.) Und wer kümmert sich um die Entsorgung all der chemischen Konservierungsmittel, Geschmacksverstärker, Verdickungs- und Farbstoffe, die unsere großartige Nahrungsmittelindustrie in ihre Produkte mixt?

Unser Körper besteht aus etwa 80 Billionen Zellen (richtig, eine 8 mit 13 Nullen!). Sie müssen sich ständig erneuern – und das geschieht, indem sie sich teilen. Dabei passiert es immer wieder, dass fehlerhafte Zellen entstehen, aus denen sich womöglich eines Tages Krebs entwickelt. Glücklicherweise werden solche Fehlbildungen fast immer von der Immunpolizei bei ihren ständigen Streifen durch den Körper entdeckt und vernichtet. Das Gleiche gilt für alte, nicht mehr funktionsfähige Zellen, die ebenfalls konsequent zum Absterben gebracht und dann beseitigt werden.

Auch in dramatischen Situationen, bei einem Schlaganfall zum Beispiel, ist es eine riesige Zahl von Helfern in Form von Immunzellen, die aus allen Bereichen des Körpers ins Gehirn eilen, um dort den Schaden nach Möglichkeit zu reparieren oder wenigstens gering zu halten.

Von unserem Darm, besiedelt von zig Billionen unterschiedlicher Lebewesen, weiß man, dass diese Mitbewohner, eine gewaltige Ansammlung verschiedenster Mikroben und Zellen – das Mikrobiom –, sogar ein ganz eigenes System bilden. Unser Immunsystem bedient sich einerseits dieser fremden Heerscharen, um Nahrung aufzuspalten, von schädlichen Stoffen zu befreien und über die Verwertung der Fette, Eiweiße und Zucker zu entscheiden. Gleichzeitig muss es aber dafür sorgen, dass nicht Keime die Oberhand gewinnen, die uns womöglich krank machen, Entzündungen des Darms, Durchfall oder andere Verdauungsstörungen verursachen.

Und noch eine Funktion haben unsere Abwehrzellen: Die neueste Entwicklung in der Tumorbehandlung hat gezeigt, wie man das Immunsystem so programmieren kann, dass es zu einer neuen, zielgenauen und starken Waffe gegen bestimmte Krebskrankheiten wird. Das heißt, man schickt die Immunzellen noch einmal in eine »Schule«, wo sie lernen, bestimmte Krebszellen zu erkennen und zu vernichten. Inzwischen ist die »Immun-Onkologie« ein großer Erfolg und fester Teil der Therapie bei einigen Krebsarten. Auch darüber werden Sie in diesem Buch viel erfahren (siehe Kapitel 10).

Für Julia, Tatjana, Andreas und Benedikt

IMMUNSYSTEM – DAS KLINGT zunächst noch einfach: ein Instrument, das dem Körper zur Verfügung steht, um sich gegen Gefahren zu schützen. In Wirklichkeit ist es ein unglaublich komplexes, vielgestaltiges, sich ständig änderndes Ineinandergreifen von unterschiedlichen Zellen, ganzen Organen, Eiweißstoffen und speziellen Molekülen. In seiner Wirksamkeit abhängig von unserem allgemeinen Gesundheitszustand, auch vom Alter, von der Ernährung, dem Schlaf und sogar von unserer seelischen Befindlichkeit. Mit einem Teil davon kommen wir bereits auf die Welt (mit dem »angeborenen System«), den anderen Teil erwerben wir erst im Lauf des Lebens, durch die Auseinandersetzung mit der Umwelt oder durch Impfungen. Beide sorgen für unser Überleben.

Ich möchte Ihnen dieses System in seinen Einzelheiten schildern. Und wundern Sie sich nicht, wenn die Sprache dabei ziemlich kriegerisch klingt – schließlich geht es um Sein oder Nichtsein.

Das allgemeine oder angeborene Immunsystem

Haut und Schleimhäute

Unsere schöne, zarte Haut ist nicht nur ein Schutz gegen Austrocknung, Hitze und Kälte, sondern außerdem eine starke Abwehr gegen alle Krankheitserreger, die diese Mauer nur sehr schwer, zum Beispiel bei Verletzungen, überwinden können. Verstärkt wird die Abwehr durch das salzig-saure Sekret an ihrer Oberfläche, den Säureschutzmantel, der wie ein Desinfektionsmittel wirkt. Welche Bedeutung diese intakte äußere Barriere hat, erkennt man auch an einer gar nicht so seltenen Krankheit, der Neurodermitis, bei der kleine Defekte im Erbgut Risse und brüchige Stellen in unserem »Schutzpanzer« verursachen, sodass sich dort Partikel von fremden Stoffen, Milben oder Krankheitskeimen festsetzen können. Das Immunsystem reagiert darauf wütend mit allergischen Reaktionen und so kommt es zu Entzündungen und dem teuflischen charakteristischen Juckreiz. (Mehr lesen Sie darüber in Kapitel 7, ab Seite 103.)

Das menschliche Immunsystem besteht aus einer Vielzahl von Organen, die perfekt zusammenarbeiten.

Auch die SSchleimhäute, die unsere Atemwege, den Verdauungstrakt und die Geschlechtsorgane auskleiden, also dort, wo der Körper ebenfalls mit der Außenwelt in Berührung kommt, besitzen Eigenschaften, die speziell der Abwehr von Schadstoffen und fremden Lebewesen dienen. So sind Luftröhre und Bronchien mit einer Schleimschicht und unzähligen kleinen Flimmerhärchen besetzt, die wie Fangarme Staub und andere Fremdkörper packen und wieder nach oben bzw. nach draußen befördern.

Die Scheide besitzt besonders viele Schleimzellen und ist bevölkert von einer bunten »Flora«, freundlichen Lebewesen, die dafür sorgen, dass sich krankmachende gar nicht erst ansiedeln können.

Im Mund und in der Speiseröhre sorgen ebenfalls Barrieren – robuste Häute – dafür, dass fremde Bakterien, die wir mit der Nahrung zu uns nehmen, möglichst nicht ins Körperinnere gelangen. Sollten sie es bis in den Magen schaffen, werden sie dort von einem See aus saurer Flüssigkeit empfangen, der zwar hauptsächlich der Verdauung dient, gleichzeitig aber vielen Erregern den Garaus macht. Dem Rest von ihnen geht es im Darm auch nicht besser. Dort sind die Wände dicht mit Mikroben und Immunzellen besetzt, was dann das Ende der Invasion bedeutet.

Die Wächter hinter den Barrieren

Die Zellen, die dort Wache schieben, gehören zu den Phagozyten (der Name kommt vom altgriechischen »phagein« = fressen) und können sowohl lebendige als auch unbelebte fremde Stoffe (wie zum Beispiel Feinstaubpartikel) aufnehmen und unschädlich machen. Unterstützt werden die Fresszellen von merkwürdig aussehenden Gebilden, den Dendritischen Zellen (»dendritisch« = verzweigt), die man so genannt hat, weil ihr Zellkörper verästelt ist wie ein Bäumchen. Die Äste dienen hier als Fangarme, mit denen sie Bakterien oder andere Erreger packen und dann zur Begutachtung zu den Lymphknoten oder gleich zu den Fresszellen schleppen, die kurzen Prozess mit ihnen machen.

Sollten sich böse Mikroben, zum Beispiel Viren, dennoch in Körperzellen einschleichen, senden diese mittels chemischer Botenstoffe einen Hilfeschrei aus, der dann eine andere Truppe, die »Natürlichen Killerzellen«, auf den Plan ruft, die solche virusinfizierten Zellen prompt als »krank« erkennen und ebenfalls vernichten.

Diese Abwehrzellen gehören zum angeborenen System und sind weder spezialisiert noch sehr wählerisch in der Auswahl ihrer Beute. Es ist ihnen egal, was sie da beseitigen. Sie stürzen sich auf alles Schädliche, das in den Körper eindringt.

Das spezielle oder erworbene Immunsystem

Den Feind erkennen und gezielt vernichten

Anders arbeitet die Armee der Immunzellen des »erworbenen Immunsystems«, die wir erst später, im Lauf unseres Lebens bilden. Da sind vor allem die Lymphozyten, weiße Blutkörperchen, die im Knochenmark und in der Milz entstehen. Sie haben die fantastische Fähigkeit, eindringende Krankheitserreger zu unterscheiden, zu identifizieren und sie dann mit den jeweils wirksamsten Waffen anzugreifen.

Zwei Formen gibt es davon: T-Lymphozyten, die zunächst als unreife Gebilde aus dem Knochenmark in die Blutbahn gelangen und von dort in ein »Trainingslager« geschickt werden – nämlich in die Thymusdrüse hinter dem Brustbein. Dort lernen sie eine elementare Lektion, nämlich zwischen »Ich« und »Nicht-Ich« zu unterscheiden, also zwischen eigenen Körperzellen, die sie ja auf keinen Fall angreifen dürfen, und fremden Zellen. Eine extrem wichtige Fähigkeit, über die wir noch viel hören werden. Ein T-Lymphozyt, der diese Schulung durchlaufen hat, ist dann ein zuverlässiger Kämpfer gegen Viren und Bakterien.

Die B-Lymphozyten sind die Zellen, die Krankheitserreger und deren besondere Merkmale – die »Antigene« – präzise erkennen, wobei sie sich jeweils auf ein bestimmtes Feind-Antigen spezialisieren. Sie lassen die Daten solcher Viren, Bakterien oder auch Pilze sofort in den Lymphknoten überprüfen: Kennen wir diese Feinde bereits? Wenn nicht, beginnen sie mit der Produktion von genau passenden Waffen – den Antikörpern –, und zwar Abermillionen pro Minute. Diese spezifischen Antikörper ketten sich wie mit Handschellen an die Antigene der eingedrungenen Feinde und neutralisieren diese oder lösen sie auf.

Unsere vielgestaltigen Immunzellen haben jeweils unterschiedliche Aufgaben.

Oder aber sie rufen weitere Zellen zu Hilfe, nämlich andere weiße Blutkörperchen wie die Fresszellen, genauer gesagt Granulozyten, Mastzellen oder Makrophagen. Diese dürfen die Beute dann verschlingen und verdauen.

So findet in unserem Körper schon bei einer einfachen Erkältung eine regelrechte Schlacht statt, von der wir ein paar Tage lang höchstens leichtes Fieber oder Husten und vielleicht ein Schwächegefühl spüren.

Wenn die Feinde besiegt sind, werden ihre Daten in Gedächtniszellen gespeichert. Sollten die gleichen Erreger irgendwann einmal wieder angreifen, dann wehe ihnen! Sie treffen in diesem Fall auf eine bereits mit den speziellen Antikörpern hochgerüstete Abwehr, gegen die sie machtlos sind. Das heißt, der Mensch ist gegen sie immun und bleibt in diesem Fall gesund.

Dies ist übrigens auch das Prinzip einer Impfung (über die Sie in Kapitel 6 alles Wichtige erfahren werden).

Noch mal in Kürze

Ganz schön verwirrend, meinen Sie? Das kann man wohl sagen. (In Wirklichkeit sind diese Vorgänge noch komplizierter – auch durch die Produktion von chemischen Substanzen des Immunsystems.) Aber Sie brauchen sich das nicht alles zu merken. Vielleicht nur so viel: Bestimmte weiße Blutkörperchen bilden eine Art Körperpolizei, die ständig patrouilliert, um eventuell eingedrungene Krankheitserreger rechtzeitig zu erkennen und möglichst abzutöten und um fehlerhafte eigene Körperzellen zu vernichten.

Die Lymphknoten

Stellt man sich die Immunzellen als Streifenpolizei vor, so wären die Lymphknoten so etwas wie Polizeistationen. Dorthin schleppen die Immunzellen ihre Beute, hier laufen die Informationen über die Feinde zusammen. Hier werden auch die Lymphbahnen gefiltert, dünne Schläuche, die ähnlich den Blutgefäßen den ganzen Körper durchziehen und von überall her Abfälle aus den Muskel- und Fettgeweben transportieren. Auch dieser Müll wird in den Lymphknoten begutachtet und dann entsorgt.