Titel
Zu diesem Buch
Widmung
Prolog
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Epilog
Danksagung
Die Autorin
Die Romane von Ilona Andrews bei LYX
Impressum
Hidden Legacy
SMARAGDFEUER
Ins Deutsche übertragen
von Marcel Aubron-Bülles
Als das Haus Baylor angegriffen wird, braucht Catalina Baylor die Hilfe von Alessandro Sagredo, der ihr einst das Herz gebrochen hat. Obwohl dieser erneut von dem Albtraum heimgesucht wird, gegen den er seit seiner Kindheit kämpft, setzt Alessandro alles daran, Catalina zu beschützen. Und Catalina kann wirklich jede Unterstützung gebrauchen, denn sie ist fest entschlossen, die Quelle für das gefährliche Serum zu finden, das Menschen magische Kräfte verleiht und ihre Welt auseinanderzureißen droht.
An die Schlüsselkräfte und das medizinische Personal an den Frontlinien der COVID-19-Pandemie.
Nur dank ihnen sind wir am Leben.
Wir danken ihnen.
Der Wolf war auf dem Weg.
Lander Morton wusste das, weil er den Wolf in sein Zuhause eingeladen hatte. Sein persönlicher Assistent Sheldon hatte ihn mit der Mitteilung aufgesucht, dass der Wolf vor der Tür stand, und hatte sich aufgemacht, ihn hereinzuholen. Jetzt kehrten sie beide zurück, doch Lander hörte nur die Schritte einer Person in seinem Haus.
Er rutschte unruhig in seinem Rollstuhl hin und her und nahm einen tiefen Schluck seines Bourbons. Flüssiges Feuer strömte seinen Rachen hinab. Seine alten Eingeweide würden sich später darüber beschweren, aber das war ihm jetzt egal. Einige Menschen waren Menschen, und andere waren Wölfe in menschlicher Gestalt. Für diese Aufgabe brauchte er einen menschlichen Wolf, und er würde einen bekommen.
Es war das erste Mal seit drei Tagen, dass er etwas anderes empfand als abgrundtiefe Trauer. Dieses neue Gefühl zerteilte die Wolke der Verzweiflung, die ihn umhüllte, wie eine frische Brise, und er begriff, dass es sich um Vorfreude handelte. Nein, es war noch mehr als das. Es war eine berauschende Mischung aus Vorfreude, Besorgnis, Erregung und Angst. So hatte er sich vor vielen Jahren immer gefühlt, wenn er den nächsten großen Geschäftsabschluss direkt vor sich sah. Jahrzehnte waren vergangen, seit er das letzte Mal einen solchen Adrenalinrausch erlebt hatte, und für einen kurzen Augenblick fühlte er sich wieder jung.
Sheldon tauchte in der Tür zum Arbeitszimmer auf und wich zur Seite, um den anderen Mann eintreten zu lassen. Der Gast trat drei Schritte in den Raum und blieb dann stehen, sodass man ihn mustern konnte. Er war jung, so jung, und er bewegte sich mit einer beiläufigen Eleganz, die Lander erneut deutlich machte, wie alt er wirklich war. Stark, groß gewachsen, gut aussehend, wie es am Mittelmeer so oft der Fall war – von der Sonne geküsst und im Salzwasser groß geworden. Wenn Felix’ Junge erst mal groß war, würde er vielleicht auch so aussehen.
Brennende Schmerzen durchzuckten ihn, und Lander kämpfte dagegen an.
Sein Gast wartete reglos.
Lander sah ihn an. Da war er, in seinen Augen verborgen: Der Wolf starrte ihn an. Kalt. Hungrig.
Wurde Zeit, dass er endlich kam. Nein, das durfte er nicht aussprechen. Er musste höflich sein. Das hier durfte er nicht versauen. »Vielen Dank, dass Sie so kurzfristig vorbeischauen konnten.«
Sheldon trat wieder auf den Flur hinaus und schloss die Tür hinter ihnen. Er würde draußen warten, damit niemand sie störte.
»Das ist doch selbstverständlich«, sagte der Gast. »Mein Beileid.«
Lander nickte in Richtung des »Blood Oath Pact«-Bourbons, der auf einer Tischecke bereitstand. »Etwas zu trinken?«
Der Gast schüttelte seinen Kopf. »Ich trinke nicht während der Arbeit.«
»Schlau.« Lander goss sich einen weiteren Schluck Bourbon ein. Er war sich nicht sicher, ob er seine Trauer im Alkohol ertränken oder sich einfach nur Mut antrinken wollte. Wenn er es nicht schaffte, seine Gründe überzeugend vorzubringen, und der Mann einfach wieder ging … Er konnte ihn nicht einfach gehen lassen.
»Ich kannte Ihren Vater«, sagte Lander. »Ich habe ihn und Ihre Mutter kennengelernt, als ich ein Geschäft über Carrara-Marmor abschloss, der für das Schlosshotel gedacht war. Unverschämt teuer, aber ich wollte nur das Beste.«
Der Mann zuckte mit den Achseln.
Panik durchfuhr Lander. Die Worte brachen aus ihm heraus. »Sie haben meinen Sohn getötet. Sie haben sein Geld gestohlen, sie haben all sein Wissen und seine Verbindungen missbraucht, und dann haben sie ihn ermordet, und ich weiß nicht, warum.«
»Ist es ihnen wichtig, warum?«
»Ja, aber darauf habe ich bereits jemanden angesetzt.«
»Nun, was wollen Sie dann von mir?«
»Ich habe meinen Sohn geliebt. Er war schlau, intelligent – viel intelligenter, als ich es je war –, und er war ehrlich. Die Leute können mich nicht ausstehen, aber alle mochten ihn, weil er ein guter Mann gewesen ist. Vor drei Jahren starb seine Frau Sofia, und er hat sich ganz allein um die Kinder gekümmert. Einen Sohn und zwei Töchter. Der Junge ist der Älteste, er ist vierzehn. Ich habe einen Schlaganfall erlitten und werde vom Krebs zerfressen, aber ich darf die nächsten vier Jahre nicht verrecken. Ich muss so lange durchhalten, bis der Junge alt genug ist, um die Geschäfte zu übernehmen. Ich will, dass diese Schweine sterben!«
Lander ballte die Hände zu Fäusten. Seine Stimme war nur noch ein Krächzen, und etwas in ihm warnte ihn, dass er unzurechnungsfähig klang. Aber der Schmerz war zu stark, und er brach sich Bahn.
»Ich will, dass sie leiden, und ich will, dass sie den Grund dafür wissen. Sie haben mir meinen Jungen genommen, und sie haben ihn seinen Kindern genommen. Sie haben meinen Jungen zugrunde gerichtet, meinen wundervollen, schlauen Jungen. Alles, was ich aufgebaut habe, was er aufgebaut hat … sie glauben, sie können es mir einfach nehmen.« Seine schmerzerfüllte Stimme war nun nicht viel mehr als ein leises Flüstern. »Töten Sie sie. Töten Sie sie für mich.«
Schweigen senkte sich über das Arbeitszimmer.
Lander wurde von Sorge überwältigt. Hatte er zu viel gesagt? Hatte er zu verrückt geklungen?
»Meine Mutter erinnert sich daran, wie sie Sie kennengelernt hat«, sagte der Gast. »Es gibt ein Foto von ihnen dreien auf der Jacht. Damals war sie mit mir schwanger. Sie meinte, ihre Morgenübelkeit wäre unerträglich gewesen, und Sie hätten ihr gesagt, dass es nichts Besseres gegen Magenverstimmung gebe als Ginger Ale. Doch es gab vor Ort kein Ginger Ale, und Sie haben einen Kasten aus Milan herbeiholen lassen, per Kurier.«
Der Gast trat an den Schreibtisch heran, goss sich einen Schluck Bourbon in das zweite Glas ein und erhob es. »Auf Ihren Sohn!«
Er leerte das Glas in einem Schluck, und Lander sah nun wieder den Wolf vor sich, der ihn aus den Tiefen seiner Seele anstarrte.
»Heißt das, Sie übernehmen den Auftrag?«
»Ja.«
Seine Erleichterung war fast schon greifbar. Lander sackte in seinem Stuhl zusammen.
»Ich habe Ihre Situation vor meinem Besuch gründlich studiert«, sagte der Gast. »Es wird Zeit benötigen und Geld. Es wird kompliziert, weil es richtig gemacht werden muss«
»Alles, was dafür nötig ist, bekommen Sie«, sagte Lander. Er fühlte sich so müde. Er hatte es geschafft. Er konnte sich nun Felix’ Grabstein ansehen und seinem Sohn versprechen, dass die Rache auf dem Weg war.
»Ihre Schuld muss einwandfrei bewiesen sein.«
»Machen Sie sich darüber keine Sorgen«, sagte Lander. »Sie bekommen die Beweise. Ich beauftrage nur die Besten.«