Cover

Der neue Sonnenwinkel
– 32 –

Immer Ärger mit Max

Was aus einer großen Liebe wurde

Michaela Dornberg

Impressum:

Epub-Version © 2020 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74093-325-8

Weitere Titel im Angebot:

Roberta konnte nicht glauben, was sie da sah, lässig und entspannt saß im Sessel ihr Exmann Dr. Max Steinfeld, der sie wie ein böser Schatten verfolgte, obschon sie lange schon geschieden waren.

Er grinste sie an.

»Ja, ich bin durchs Fenster gekommen«, erklärte er seelenruhig, als sei es die selbstverständlichste Sache der Welt, »hätte ich an der Tür geklingelt, dann hättest du mir nicht geöffnet.«

Es war so unglaublich, dass es Roberta zunächst einmal die Sprache verschlug. Sie war aufgeregt, doch sie bemühte sich, sich ihre Aufgeregtheit nicht anmerken zu lassen. Sie war lange genug mit diesem Schwerenöter verheiratet gewesen, um zu wissen, dass man die Ruhe behalten musste, sonst gewann Max sehr schnell Oberwasser.

Sie wunderte sich, wie ruhig ihre Stimme klang, als sie ­bemerkte: »Max, du weißt schon, dass das Hausfriedensbruch war, was du da gemacht hast.«

»Mein Gott, Roberta, sei nicht so lehrerhaft. Und wenn es Hausfriedensbruch ist, willst du mich jetzt anzeigen? Ich würde dir davon abraten, denn damit schadest du deinem guten Ruf.«

Wie war ihr Ex denn drauf?

»Ich schade meinem guten Ruf? Max, ich bin das Opfer. Und es ist mir vollkommen gleichgültig, was die Leute sagen. Vermutlich werden sie mich bedauern, wenn sie erfahren, dass mein Exmann, der mich ausgenommen hat wie eine Weihnachtsgans, mich stalkt … schon vergessen, das hast du. Und der einfach bei mir einbricht. Max, was bist du nur für ein Mensch.«

Er grinste sie an.

»Du siehst unglaublich gut aus, wenn du wütend bist.«

Jetzt war es mit ihrer Ruhe vorbei. Glaubte er wirklich, dass sie noch einmal auf sein Gesülze hereinfallen würde?

»Max, geh jetzt, sonst rufe ich wirklich die Polizei, und das meine ich ernst.«

»Ich gehe, doch vorher brauche ich dringend zehntausend Euro, ehe ich Probleme bekomme.«

»Und da kommst du zu mir? Dafür sind normalerweise die Banken zuständig.«

»Äh, nun ja, da krieg ich augenblicklich nichts, mein Konto ist überzogen.«

Warum ließ sie sich eigentlich auf so etwas ein?

»Max, verschwinde, mit deinen Geldproblemen habe ich nichts zu tun. Wir sind geschieden, ich habe dir, um einen hässlichen Rosenkrieg zu vermeiden, fast alles überlassen, auch eine sehr gut gehende Praxis, die, als ich ging, sich vor Patienten kaum retten konnte. Du hast dich ins gemachte Nest gesetzt. Freilich hättest du anfangen müssen zu arbeiten und dich nicht als ein Halbgott in Weiß zu repräsentieren. Und du hättest dich um die Patienten kümmern müssen, anstatt hinter jeder Frau her zu sein, die nicht bei drei auf den Bäumen ist. Max, du hast alles an die Wand gefahren, und dafür bist du allein verantwortlich, ich kann dir nicht mehr helfen, und ich will es auch nicht. Und ich sage dir zum letzten Male, dass ich dich hier niemals mehr sehen will, sonst erwirke ich eine einstweilige Verfügung, in der steht, dass du dich mir nicht mehr nähern darfst. Dazu muss es nicht kommen. Wie du dich verhältst, das ist so entwürdigend. Du hast doch alles bekommen, was willst du noch?«

»Dass ich alles bekommen habe, das stimmt so nicht, den Schmuck, den ich dir geschenkt habe, den hast du behalten, und das Bild dort an der Wand, das habe ich ebenfalls gekauft.«

»Und das hast du mir zum Geburtstag geschenkt«, erinnerte sie ihn.

Wie peinlich es doch war, was er jetzt abzog. Roberta spürte Wellen der Übelkeit in sich, wenn sie daran dachte, dass sie mit diesem Mann verheiratet gewesen war, der wirklich in jeder Hinsicht schmerzfrei war.

»Warte«, sagte sie, dann rannte sie aus dem Zimmer, lief in ihr Schlafzimmer, in dem ein Safe eingebaut war, dort holte sie all den Schmuck heraus, den er ihr geschenkt hatte, sie nahm auch den heraus, denn sie sich während ihrer Ehezeit gekauft hatte und den sie doch nicht mehr trug.

Sie wickelte den Schmuck in ein graues Seidentuch, das gerade in der Nähe lag, dann rannte sie zurück ins Wohnzimmer, sie knallte den Schmuck auf den Tisch, dann riss sie das Bild von der Wand.

»Nimm alles«, sagte sie mit bebender Stimme, »mehr gibt es nicht, was an die Ehe mit dir erinnert, und nun verschwinde endlich und lass dich niemals mehr hier blicken. Ich schwöre dir, noch einmal kommst du nicht ungeschoren davon.«

Er klemmte sich das Bild ­unter den Arm, griff nach dem in das Tuch eingeschlagene Schmuck.

»Wir hätten uns nicht trennen dürfen«, sagte er. »Seit du weg bist, geht es bei mir bergab.«

»Wir hätten niemals heiraten dürfen«, erwiderte sie. »Dich zu heiraten war der größte Fehler meines Lebens.«

Sie ging zur Tür, öffnete sie, weil kaum anzunehmen war, dass er erneut den Weg durchs Fenster nehmen würde.

Er blieb sitzen.

»Wir hatten auch schöne Zeiten«, bemerkte er.

»Max, du hattest schöne Zeiten, ich habe die Arbeit gemacht, und du hast dich amüsiert. Aber ich will mich nicht mehr mit der Vergangenheit aufhalten, sie ist vorbei. Und du belästige mich nicht noch einmal, sonst mache ich das mit der einstweiligen Verfügung wirklich wahr. Du hast in meinem Leben nichts mehr zu suchen.«

Als er immer noch keine Anstalten machte zu gehen, griff Roberta entschlossen zum Telefon. Jetzt merkte er, dass sie es ernst meinte.

Er stand auf, als er in ihre Nähe kam, versuchte er tatsächlich seinen Charme spielen zu lassen. Sie machte einen Schritt zur Seite, und jetzt klang ihre Stimme schneidend: »Verschwinde und komme niemals wieder. Du bist nur noch peinlich, Max.«

Er ging, sie knallte die Tür hinter ihm zu, schloss ab, dann machte sie sich daran, die Scherben der zerschlagenen Fensterscheibe zusammenzufegen, und dann verklebte sie das Loch notdürftig. Dabei weinte sie.

Mit Dr. Max Steinfeld verheiratet gewesen zu sein, das bittere Ende der Ehe erlebt zu haben, das war schon Strafe genug.

Warum ließ er sie nicht einfach in Ruhe? Lag es an ihr, weil sie zu gutmütig war, oder stimmte bei ihr einfach etwas nicht, und sie hatte nicht die richtige Einstellung zu Männern.

Sie verstand bis heute nicht, warum sie Max eigentlich geheiratet hatte. All ihre Freunde hatten ihr von dieser Ehe abgeraten, auch ihr alter Kumpel Enno Riedel, von dem sie die Praxis übernommen hatte, nachdem der samt Familie seinen Lebensmittelpunkt nach Philadelphia verlegt hatte.

Roberta war eigentlich niemals wehleidig, heute ließ sie sich in diese Verfassung fallen.

Sie hob die Krankenakte vom Boden auf, die ihr beim Anblick von Max zu Boden gefallen war, legte sie auf den Tisch, denn heute würde sie darin gewiss nicht mehr lesen. Dazu war sie einfach zu aufgewühlt.

Sie schenkte sich ein Glas Wein ein, dabei merkte sie, wie ihre Hand zitterte. Sie setzte sich, dann ließ sie vor ihrem geistigen Auge noch einmal entstehen, was gerade geschehen war.

Wie abgebrüht Max doch war!

Und wie tief war er gesunken, einfach einzubrechen und dann ganz dreist Forderungen zu stellen. Max hatte es wirklich geschafft, ein Vermögen zu verjubeln oder was immer man auch dazu sagen sollte. Und dann herzukommen, einzubrechen und Forderungen zu stellen! Und wie abgebrüht war das denn, den Schmuck und das Bild mitzunehmen.

Es war nicht der Verlust des Bildes und der Schmuckstücke, was sie so sehr schmerzte. Im Grunde genommen konnte sie froh sein, dass nichts mehr im Haus war, was an die Zeit mit Max erinnerte. Nein, es war das Gefühl der Bitterkeit, sich an jemanden wie ihn sinnlos verschwendet zu haben.

Würde er wiederkommen?

Sollte sie vorsorglich wirklich etwas gegen ihn unternehmen? Sie hatte es mehrfach angekündigt, aber unternommen hatte sie nichts. Das machte sie nicht unbedingt glaubwürdig, besonders nicht für einen Mann wie Max, der sein Weltbild ohnehin so schaffte, wie es für ihn passend war. Wer oder was dabei auf der Strecke blieb, das war ihm herzlich gleichgültig.

Ob er sich wohl schon einmal um das Kind gekümmert hatte, das diese nette junge Frau von ihm erwartete und die sich Hilfe suchend an sie gewandt hatte?

Sie musste nicht darüber nachdenken, sonst kam sie aus dem Denken überhaupt nicht heraus.

Max Steinfeld hinterließ überall verbrannte Erde, und er hatte viele Baustellen.

Sie trank etwas von dem köstlichen Wein, den Lars noch gekauft hatte. Weil er ihnen so gut schmeckte, hatte er gleich eine ganze Lieferung davon bestellt.

Lars war so ganz anders. Er war großzügig, er schenkte sehr gern. Als sie das dachte, fiel ihr Blick auf den wunderschönen Ring, den er ihr geschenkt hatte und den sie immer trug, immer, seitdem er ihr die herrlichen Rosen und den herzlichen Brief gesandt hatte.

Wenn man so wollte, da machte auch Lars sein Ding. Er führte das Leben, das ihm gefiel, und wenn er mal eine Pause hatte, da gab es ja noch sie.

Vielleicht war es gemein, jetzt so zu denken. Doch Roberta war in der Stimmung, das Leben mit ihm einmal kritisch zu sehen, nicht nur durch die rosarote Brille.

Lars stellte nicht wie ihr Exmann finanzielle Forderungen, Forderungen stellte er eigentlich überhaupt nicht. Und eigentlich konnte sie ihm auch nicht vorwerfen, dass er sein Leben führte, wie es ihm behagte. Er hatte ihr niemals etwas vorgemacht, Lars hatte immer mit offenen Karten gespielt.

Sie hatte den Traum von dem richtigen Ring am Finger gehabt, von einer Heirat, von gemeinsamen Kindern. Sie hatte ihn schmerzhaft begraben, weil es eine ständige Qual gewesen war, Hoffnungen zu haben, wenn sie sich besonders nahe gewesen waren, und das waren sie oft.

Nach der ersten richtigen Auseinandersetzung war er gegangen, und sie hatte Höllenqualen gelitten bei dem Gedanken, es könne aus sein mit ihnen.

Zum Glück war es nicht so gekommen. Dafür, dass jetzt alles wieder in Ordnung war, hatte sie einen sehr hohen Preis gezahlt. Sie hatte ihre Träume begraben.

Doch welche Wahl hätte sie gehabt?

Sie liebte ihn, er war ihr Mr Right, sie waren Seelenverwandte, sie konnten sich blendend unterhalten, gemeinsam lachen.

Wie schön wäre es gewesen, gemeinsame Pläne und Träume zu haben!

Wäre … hätte …

Wenn alles so einfach wäre. Ihre Freundin Nicki fiel ihr ein, die immer den Satz parat hatte: »Das Leben ist kein Ponyhof.«

Wenn sie an Nicki dachte, da wurde ihr ganz anders zumute.

Nicki fehlte ihr ja so sehr. Und ehrlich gesagt, machte sie sich auch Sorgen um sie. Der Jakobsweg, den sie gerade ging, war zwar kein vermintes Feindesland, aber ungefährlich war es auch nicht, und es war eine ganz schöne Herausforderung, all die Kilometer zu laufen, dabei sein Gepäck mit sich herumzuschleppen. Nicki war nicht unbedingt ein sportlicher Typ, sie war eher eine Couchpotatoe.

Es gab viele Menschen, die den Jakobsweg gingen, doch das war eher durchdacht, manche Leute gingen jedes Jahr nur eine Etappe, manche fuhren Teilstrecken. Entscheidend war, dass man die letzten hundert Kilometer vor Santiago de Compostela zu Fuß zurückgelegt haben musste, um den begehrten Pilgerpass zu bekommen. Was tat Nicki? Die handelte nach dem Motto, wenn schon, denn schon und wollte schlappe knapp tausend Kilometer laufen.

Ausgerechnet Nicki!

Erwartete sie wirklich, dass sie auf dem qualvollen Weg herausfinden würde, was sie wollte, wer sie war?

Roberta bezweifelte es. Für sie war es eher eine Flucht.

Peter Bredenbrock hatte sie mit seinem Heiratsantrag überrascht, und sie hatte Angst vor der Verantwortung, so etwas wie eine Ersatzmutter für zwei Pubertierende zu sein, die traumatisiert waren, weil ihre Mutter sie verlassen hatte, um Spaß zu haben.

Nicki stürzte sich immer wieder unbedacht in Abenteuer hinein, und wenn es dann jemanden gab, mit dem es hätte gut gehen können, ergriff sie ebenfalls die Flucht. Sie hatte es sich mit Roberto Andoni verdorben, der jetzt mit der Frau, die nach Nicki gekommen war und mit der er mittlerweile zwei Kinder hatte, in der wunderschönen Toscana lebte, in einem herrlichen Gutshaus zwischen Weinbergen und alten Olivenbäumen. Das alles hätte Nicki haben können.

Oder nahm man mal den Grafen von Hilgenberg. Dem war Nicki begegnet, zufällig, sie war von ihm fasziniert gewesen, allerdings hatte sie da noch nicht gewusst, dass der Mathias ein waschechter Graf war. Sie hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihn wiederzusehen, sie hatte Handleser, Kartenleger und wer weiß nicht was noch bemüht. Und dann? Als sie ihn als den Besitzer des Anwesens unterhalb der Felsenburg getroffen hatte, war es für sie aus gewesen. Dabei hätte sie die Chance gehabt, den Grafen näher kennenzulernen. Und was war geschehen? Er hatte den Fehler gemacht, von einer langsamen Annäherung zu sprechen. Prompt hatte Nicki das in den falschen Hals bekommen und alles abgebrochen, weil sie sich nicht wie ein Schulmädchen vorkommen wollte, das sich alles durch gute Schulnoten verdienen sollte. Das war vollkommen aus der Luft gegriffen gewesen, aber Nicki bog sich die Welt so zurecht, wie sie ihr in den Kram passte. Da war sie ähnlich wie Max, ähnlich, wohlgemerkt, denn ansonsten lagen zwischen ihnen Welten.

Max …

Roberta war froh, dass die Gedanken an Nicki von diesem Erlebnis der besonderen Art mit ihm abgelenkt worden war. Und jetzt wollte sie ebenfalls nicht mehr an Max denken, auch nicht an Lars, der sich wieder einmal in Schweigen hüllte, weil vermutlich die Eisbären, die Highlandtiger, die Vulkane in Island ihn mehr interessierten als sie. Das war leider so.

Ihre Krankenakte nahm sie sich nicht vor, dafür griff sie zur Fernbedienung ihres Fernsehers.

Ihr war jetzt nach einem Herz-Schmerz-Film zumute oder einem spannenden Krimi. Sie wollte sich ablenken. Auch gestandene Ärztinnen konnten sich in etwas verlieren, was ihnen im Fernsehen vorgegaukelt wurde. Klar, mit Nicki wäre das schöner, sie gemeinsam auf dem Sofa, versorgt mit ein bis zwei Tüten Chips, und, je nachdem, welchen Film sie sahen, vorsorglich mit einer Packung Kleenex, um die Tränen zu trocknen.

Ohne Nicki machte es überhaupt keinen Spaß, also füllte Roberta nur ihr Weinglas, und sie stellte eine Flasche Mineralwasser dazu.

Nein, sie wollte jetzt nicht an Nicki denken!

Auch nicht an Lars!

Und Max? Du liebe Güte, nein, nicht an den Albtraum ihres Lebens.

Sie knipste von einem Sender zum nächsten. Im Fernsehen lief wieder mal nichts Gescheites, oder es waren Filme, in denen sie schon mitspielen konnte, weil sie so oft gezeigt wurden.

Sie machte den Fernseher aus, legte die Fernbedienung beiseite.

Welch ein Glück, dass sie sich in Hohenborn gerade wieder mit neuen Büchern eingedeckt hatte. Sie nahm sich den Stapel vor, und dann entschied sie sich für einen Krimi, der unglaublich spannend sein sollte und der sehr gute Kritiken bekommen hatte.

Es dauerte nicht lange, da war sie in den Inhalt des Buches vertieft, und es war so spannend, dass sie darüber vergaß, ihren Wein zu trinken.

*

Der ›Seeblick‹ war gut besucht, und munteres Stimmengewirr, hier und da Lachen schlugen Teresa von Roth entgegen, als sie das Restaurant betrat.

Ja, es hatte sich wirklich alles sehr verändert. Wenn sie daran dachte, dass kaum Gäste gekommen waren, als die sympathische Julia Herzog den ›Seeblick‹ übernommen hatte.