EINE MOSCHEE DER LIEBE UND DER VIELFALT

Ich bin gläubige Muslimin, dennoch gab es bisher keine Moschee, in der ich meinen Glauben frei und selbstbestimmt praktizieren konnte. Der konservative Islam der allermeisten deutschen Moscheegemeinden ist mit meinen religiösen Überzeugungen nicht vereinbar. Mir geht es beim Moscheebesuch um die gemeinsame Begegnung aller Gläubigen mit Gott, durch die vorherrschende Geschlechtertrennung fühle ich mich aber als Frau, zumal als nicht Kopftuch tragende Frau, diskriminiert. Meine Spiritualität kann sich nicht entfalten, wenn ich – wie es vielerorts der Fall ist – mit meinen Geschlechtsgenossinnen in einen separaten, lieblosen Raum verbannt werde. Zudem stellen traditionelle Imame oft nicht die Liebe zu Gott und den Menschen in den Vordergrund, sondern betonen immerfort das Trennende: zwischen den Geschlechtern, zwischen den einzelnen Strömungen des Islam, zwischen »uns« Muslimen und den anderen, den vermeintlich Ungläubigen.

Lange Zeit habe ich nur davon geträumt, dass sich friedliebende, liberale Muslime zusammenfinden, um einen Islam zu leben, der eine gleichberechtigte Teilhabe aller an den Gebeten und der Gemeinschaft der Gläubigen möglich macht, unabhängig von Geschlecht oder Glaubensrichtung. Ich habe darauf gewartet, dass solch eine Moschee eröffnet wird, von Menschen, die sozusagen koranfester sind als ich. Irgendwann fühlte es sich an wie das Warten auf Godot. Schließlich beschloss ich, meine Vision selbst zu realisieren, anstatt darauf zu hoffen, dass andere es für mich tun würden.

Unsere neugegründete Moschee soll ein solcher Ort sein: eine spirituelle Heimat nicht nur, aber vor allem für Frauen und Männer, die sich in traditionellen Moscheen nicht wohl fühlen und die sich nicht vorschreiben lassen wollen, wie sie ihre Religion zu leben haben. Wir Gründerinnen und Gründer der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee wollen den Islam von innen heraus reformieren und mit einer zeitgemäßen Auslegung des Koran Toleranz, Gewaltfreiheit und Geschlechtergerechtigkeit in den Vordergrund unserer Religionsausübung stellen. Da manche Muslime Probleme mit dem Wort Reform haben, wenn es um ihre Religion geht, können wir auch gerne von der Notwendigkeit einer Erneuerung sprechen, wie es kürzlich sogar der Sprecher der renommierten Al-Azhar-Universität in Kairo tat.

Besonders in der jetzigen Zeit mit ihren zunehmenden Polarisierungen und Konflikten wünsche ich mir nicht nur, dass Muslime friedlich zusammenleben, sondern dass wir alle das tun: Angehörige aller Konfessionen ebenso wie Atheisten. Und zwar überall auf der Welt. Unsere Moschee soll einen kleinen, bescheidenen, aber hoffentlich spürbaren Beitrag dazu leisten.

Bis dieses Ziel erreicht sein wird, ist es noch ein weiter Weg, dessen sind wir uns bewusst, dennoch wollten wir endlich den ersten Schritt tun, ohne den es keine Veränderung geben kann.