KONSERVATIVE MOSCHEEN POLARISIEREN

Die Biographien nahezu aller islamistischen Selbstmordattentäter stimmen insofern überein, als ihre Radikalisierung in Moscheegemeinden und sozialen Medien stattgefunden hat. In Berlin konnte man das zuletzt am Fall von Anis Amri sehen, der kurz vor Weihnachten 2016 mit einem LKW auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche fuhr, 12 Menschen tötete und Dutzende teils schwer verletzte. Vor der Tat hielt er sich regelmäßig in einer Moschee in Berlin-Moabit auf, die glücklicherweise inzwischen geschlossen wurde.

Obwohl seit vielen Jahren bekannt ist, wie junge Männer zu Attentätern werden, fehlt es an Gegenprogrammen. Warum überfluten friedliche Muslime die sozialen Medien nicht mit Videos über den barmherzigen Islam? Warum arbeiten deutsche Moscheegemeinden nicht Hand in Hand mit Schulen gegen die Radikalisierung junger Menschen? Warum rufen nicht viel mehr Moscheevereine soziale Projekte für Jugendliche ins Leben, denen es an Orientierung mangelt?

Hier fehlt nicht nur eine Gegensteuerung, viele Moscheegemeinden verschärfen das Problem sogar noch, indem sie einen rückwärtsgewandten Islam vermitteln. Sie erstellen Gutachten, um muslimische Schülerinnen vom Biologie- und Schwimmunterricht zu befreien oder von der Teilnahme an Klassenfahrten zu entbinden. Sie unterstützen nachdrücklich das Kopftuch bei jungen Mädchen, fordern muslimische Gebetsräume in Schulen und predigen, man solle seine Kinder nicht zu Geburtstagen oder anderen Feierlichkeiten bei christlichen Familien gehen lassen. Unabhängig von den vielerorts üblichen Hasspredigten gegen die Mehrheitsgesellschaft hat eine große Zahl der in Deutschland aktiven Imame ein gelinde gesagt gestörtes Verhältnis zur Demokratie, zur Gleichberechtigung der Geschlechter, zu Homosexualität.

Aus der Schweiz kam im Frühjahr 2016 die Nachricht, ein Schulleiter habe zwei 14 und 15 Jahre alten Jungen zugestanden, dass sie ihrer Lehrerin zur Begrüßung und zum Abschied die Hand nicht mehr geben müssten, so wie es an der Schule eigentlich üblich war. Die Familie hatte argumentiert, der Islam verbiete den Jungen Körperkontakt zu weiblichen Personen außerhalb der Familie. Der Vater der Kinder war Imam an einer Moschee im selben Ort und lebte bereits seit fünfzehn Jahren in der Schweiz. Später wurde berichtet, einer der Söhne habe auf Facebook IS-freundliche Posts veröffentlicht. Die zuständige Schulbehörde entschied dann zwar, dass die Schüler unter Androhung einer Geldstrafe von umgerechnet bis zu 4500 Euro der Lehrerin die Hand geben müssen, weil das zur schweizerischen Kultur gehöre, dennoch zeigt der Fall, dass aufgrund von Verunsicherung oder falsch verstandener Toleranz zunächst oft nachgegeben wird, wenn Eltern sagen: »Das verlangt unsere Religion.« Der Fall wurde meines Erachtens auch deshalb am Ende so entschieden, weil die Öffentlichkeit inzwischen viel mehr Druck macht, wenn es gilt, falscher Rücksicht Grenzen zu setzen. Ohne das große mediale Echo wäre die Entscheidung auf Schulebene ganz sicher unangetastet geblieben. Das zeigt jedenfalls die Erfahrung der letzten Jahrzehnte bei vergleichbaren Fällen. Schulleiter und Lehrer weichen Auseinandersetzungen oft aus, wenn es beispielsweise um die Teilnahme von muslimischen Mädchen an Klassenfahrten geht. Man hängt die Dinge lieber nicht an die große Glocke, aus Angst vor Auseinandersetzungen mit den Eltern oder kritischer Berichterstattung in den Medien.

Wichtig ist die Entscheidung dieser Schweizer Schulbehörde insbesondere deshalb, weil hier unmissverständlich klargestellt wurde, dass das öffentliche Interesse an der Gleichstellung von Mann und Frau sowie der Integration von Ausländern deutlich schwerer wiegt als die Glaubensfreiheit. Mit dieser Einschätzung sollte sich meiner Ansicht nach unser Bundesverfassungsgericht genauer beschäftigen. Bisher haben deutsche Gerichte bei ähnlichen Grundrechtskollisionen nämlich mehrheitlich entschieden, dass die Glaubensfreiheit überwiegt.

Vor einigen Jahren gab es noch keine Berichte über die Gräueltaten des sogenannten Islamischen Staats. Damals hätte man die Entscheidung des Schweizer Schulleiters noch als Zeichen von Naivität deuten können. Heute, in Zeiten des Terrors, kann man sich in so einem Fall nur an den Kopf fassen und sagen, da hat der Westen seine eigene Verfassung nicht begriffen. Wir dürfen den Feinden der Freiheit keine Sonderrechte einräumen, damit sie unsere Freiheit beschneiden können!

In der Regel haben wir es hier nämlich nicht mit armen, unschuldigen Muslimen zu tun, die nur friedlich ihre Religion ausüben wollen. Nein, solche Leute sprechen oft ganz direkt die Sprache derer, die an den terroristischen Dschihad glauben und unsere freie Welt – also die Welt all jener Menschen, die an die Freiheit glauben und sich für sie einsetzen – von innen heraus zerstören wollen. Wer sie hofiert und unterstützt, muss sich nicht wundern, wenn sich der radikale Islamismus immer weiter ausbreitet.

In der dänischen Hafenstadt Aarhus recherchierte im Frühjahr 2016 eine Journalistin über Monate verdeckt in der Grimhojvej-Moschee und wurde Zeugin, wie der Imam offen zu Steinigungen bei Ehebruch aufrief, zu Auspeitschungen, Mord an Abtrünnigen sowie Gewalt an Kindern. Das ist nicht die erste Moschee in der EU, über die wir solche Dinge hören. Dennoch gab es meines Wissens bis Ende 2016 keine einzige staatlich angeordnete Moscheeschließung. Die von dem Attentäter Anis Amri besuchte Fussilet-Moschee kam der wegen islamistischer Umtriebe geplanten Schließung durch die Stadt Berlin im Februar 2017 zuvor und verließ die Räumlichkeiten von sich aus. Kurz darauf setzte der Berliner Innensenator das Verbot des Betreibervereins Fussilet 33 durch. Ob die Behörden bei den anschließenden Razzien genug belastendes Material fanden, um juristisch gegen den Verein vorgehen zu können, ist allerdings zu bezweifeln.

Es könnte sein, dass wegen der Umstände des Anschlags von Berlin nun endlich radikale Moscheen behördlicherseits geschlossen werden. Die Fussilet-Moschee soll bereits seit 2015 unter Beobachtung gestanden haben. Gegen mehrere weitere Moscheevereine soll es Ermittlungen geben.

Im Fall der Moschee im dänischen Aarhus konnten die Hassprediger nach einem kurzen Aufschrei in der gesamten europäischen Presse weiter Hass predigen. Vielleicht fehlte den Behörden, wie es leider häufig der Fall ist, das notwendige Beweismaterial für rechtliche Schritte. Und/oder das Personal, um Beweismaterial zu beschaffen.

Es ist fatal, dass die offenen Gesellschaften immer noch nicht alles in ihrer Macht Stehende tun, um solche Imame daran zu hindern, ihren schädlichen Einfluss auf die Gläubigen auszuüben. Sehr viele radikale Ansichten sind von der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit gedeckt, umso mehr sollten liberale, demokratische Muslime sich auch in konservativen Moscheen einbringen, damit dort irgendwann kein Hass mehr gepredigt wird. Und damit im Zweifelsfall jemand da ist, der die Behörden informieren kann.