Burning Souls
Wie Pech und Schwefel
Roman
Extrovertiert, liebenswert und offen. So würden ihre Freundinnen Arden Callahan beschreiben. Beruflich wie privat ist die Catering-Besitzerin immer auf Achse und hat ihren Spaß. Männer spielen in ihrem Leben zwar eine wichtige, aber keine dauerhafte Rolle. Langfristige Beziehungen sind nicht ihr Spezialgebiet, sondern unverbindliche Affären. Bis sie Stadtrat Eric Porter trifft. Genau der Typ Mann, dem Aiden nicht widerstehen kann: erfolgreich, gut aussehend, selbstbewusst – knapp an der Grenze zur Arroganz. Schon allein ihn zu beobachten, bringt ihre Haut zum Kribbeln. Eric könnte mehr als nur ein One-Night-Stand sein, er könnte ihre Zukunft sein. Wenn sie es nur zulässt …
Arden Callahan ließ ihre Beute nicht aus den Augen. Ein, zwei Nächte, auf mehr war sie nicht aus, aber die wollte sie unbedingt. Bereits vor einigen Stunden hatte sie ihn ins Visier genommen und entkommen würde er ihr nicht.
Während sie Champagner servierte und ihren Angestellten beim Auffüllen des Buffets half, war sie sich dank ihres Jagdinstinkts stets bewusst, wo er sich befand. Gerade hatte er noch mit mehreren wohlhabend aussehenden, älteren Herren im Smoking gesprochen, nun bahnte er sich einen Weg durch die Eingangshalle des Burke Museums. Lächelte dabei den Frauen zu und nickte grüßend, wenn sein Name erklang. Er bewegte sich dabei so selbstsicher, als wüsste er, dass ihm der Raum zu Füßen lag. Schließlich war er momentan der Liebling der Stadt, ja selbst der Medien. Genau die Sorte Mann, der Arden nicht widerstehen konnte. Erfolgreich, gut aussehend, selbstbewusst – knapp an der Grenze zur Arroganz. Schon allein ihn zu beobachten, brachte ihre Haut zum Kribbeln und sorgte dafür, dass sich ihre unteren Regionen in lustvoller Erwartung zusammenzogen.
»Arden?«
»Hm?«
Jetzt trat er zum Bürgermeister, der mit dem Museumsdirektor und einigen anderen Männern in der Nähe des Eingangsportals stand.
»Arden!« Die Stimme wurde lauter. Ein leichter Hauch von Ungeduld schwang darin mit.
»Ja?« Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen wandte sie sich zu Kiera, einer ihrer Angestellten, um.
»Die Petit Fours gehen zur Neige, ich hole schnell eine neue Platte. Melinda bleibt beim Buffet.«
»Wie sieht es mit den Kanapees aus?«, wollte Arden, nun ganz auf ihr Unternehmen konzentriert, wissen. Mithilfe der Organisatoren hatte sie die ungefähre Stückzahl der Snacks im Voraus berechnet und hoffte, dass sie mit ihrer Schätzung hinkam.
»Es sind noch genug da«, entgegnete Kiera bereits im Gehen und verschwand eilig durch eine der Türen.
Arden nahm das Tablett mit Champagnerflöten wieder auf und begann eine neue Runde durch das Foyer des Museums. Während die Gäste bei ihr leere gegen gefüllte Gläser tauschten, suchte Arden erneut den Raum nach ihm ab. Er war in der Menge jedoch nicht mehr auszumachen. Schade. Etwas Anregendes könnte sie jetzt vertragen, wo ihre Füße in den Pumps zu schmerzen begannen und ihre verspannten Schultern sich bemerkbar machten. Sie gab zwei ihrer Angestellten ein Zeichen, weiterhin Champagner auszuschenken, und kehrte zum Buffet zurück, wo sie bereits erwartet wurde.
»Das Essen ist wie immer hervorragend!« Livia, ihre beste Freundin, begrüßte sie mit einer festen Umarmung. Während Arden unauffällige Arbeitskleidung – weiße Bluse, schwarzes Kleid – trug, stach Livia in ihrem knallblauen Abendkleid aus der Menge hervor. Sie war bezaubernd. Marc, ihr Freund, schien das ebenso zu sehen, denn er konnte die Finger nicht von ihr lassen. Arden betrachtete sie lächelnd, während sie die Kanapees anordnete. Seit einigen Monaten zusammen, waren die beiden noch immer Hals über Kopf verliebt. Die anfängliche Abneigung zwischen ihnen hatte sich ins Gegenteil verkehrt und Arden gönnte dem Paar ihr Glück von Herzen. Sie selbst konnte sich nicht vorstellen, so ganz und gar von jemand eingenommen zu sein, aber immerhin waren auch nicht langfristige Beziehungen ihr Spezialgebiet, sondern unverbindliche Affären.
Das stete Gemurmel der Gäste verstummte, als jemand klirrend gegen sein Champagnerglas stieß, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Arden warf ihrer Freundin einen fragenden Blick zu. »Die Eröffnungsrede wurde doch schon gehalten.«
»Ted redet gerne. Bestimmt hat er nur ein Statement abzugeben, das er vorhin vergessen hat«, sagte Livia lachend und hakte sich bei Marc unter, während Dr. Liverman, der Museumsdirektor und Livias Boss, nun unter das Licht des Scheinwerfers trat. Er räusperte sich.
»Es tut mir leid, dass ich erneut Ihre mit Sicherheit anregenden Unterhaltungen unterbrechen muss, doch ich möchte mich, bevor sich der Abend dem Ende neigt, noch bei ein paar Personen für diese wunderbare Ausstellung bedanken: Als Erstes zu nennen sind Dr. William Hafferty, Dr. Lindsay Vice und Dr. Carter Lozac, die Kuratoren der entsprechenden Abteilungen und ihre Assistenten und Assistentinnen Dr. Livia Reed, Prof. Lewis Cardigan und Dr. Olga Powell. Ein herzlicher Dank für ihren unermüdlichen Einsatz, die Arbeit hat sich mehr als ausgezahlt.« Die Menge applaudierte und die Angesprochenen hoben die Gläser zum stillen Salut. Weitere Namen folgten – Angestellte des Museums, aber auch Personen aus dem städtischen Kultur- und Marketingbereich. Die Kameras klickten unermüdlich, um tolle Bilder für die morgige Berichterstattung zu schießen.
Ardens Aufmerksamkeit schweifte in der Zwischenzeit ab. Sie bat Kiera, mehr Servietten zu holen und arrangierte gerade die frischen Petit Fours, als Bewegung in die Besucher kam und sich alle zum Buffet umdrehten. Erst jetzt wurde Arden bewusst, dass Dr. Liverman sie angesprochen hatte. »Vielen Dank auch an ACe Catering für die hervorragende Verköstigung an diesem wunderbaren Abend.« Erneuter Applaus setzte ein und Arden machte lachend einen damenhaften Knicks, ehe wieder Ruhe einkehrte und noch jemand das kleine Podium betrat.
Da war er also geblieben. Arden hielt in der Arbeit inne und lehnte sich gegen den Buffettisch, um ihm zuzuhören, wie er die Anwesenden um den Finger wickelte. Dank seiner hervorragenden Rhetorik und seines natürlichen Charmes gelang es ihm, so uninteressante Themen wie die Statistik des letzten Jahres ansprechend herüberzubringen. Zumindest gelang ihm das bei ihr sofort, obwohl sie politisch eher weniger aktiv war. Sie war sich sicher, dass er sie in allen Bereichen voll und ganz von seinen Qualitäten würde überzeugen können. Denn ebenso wie sie ihn den ganzen weiteren Abend verstohlen beobachtete, ließ auch er sie nicht aus den Augen. Ob sie mit ihren Angestellten sprach oder sich eine vorwitzige Haarsträhne hinters Ohr strich, stets konnte sie seine Aufmerksamkeit spüren. Schließlich hatte sie ihn dabei erwischt, wie er sie anschaute, und ihm einen dunklen Blick voller Versprechungen geschenkt. Als Antwort hatte er ihr mit seinem Champagnerglas zugeprostet und die Herausforderung mit einem charmanten Lächeln angenommen.
Die Feier zur Ausstellungseröffnung dauerte bis nach Mitternacht an. Während die letzten Gäste, die sich aus Mitarbeitern des Museums und einigen politischen Vertretern zusammensetzten, gemeinsam mit Dr. Liverman an einem der Bartische standen und sich noch köstlich amüsierten, begannen die Angestellten von ACe Catering langsam mit dem Aufräumen. Übrig gebliebene Brötchen und Törtchen brachte Kiera als Mitternachtssnack zu den übrigen Gästen an den Tisch. Melinda und Arden schichteten in der Zwischenzeit die Platten in den Tablettwagen. Schließlich blieb Arden allein zurück und begann die Tischtücher zusammenzufalten, während ihre Augen ganz automatisch den Raum durchsuchten. Das Klirren der Glastür, die hinaus auf die Veranda des Cafés führte, ließ sie den Kopf nach links drehen. Er war draußen gewesen. Wahrscheinlich, um zu telefonieren. Mit seiner Freundin? Das wäre zu schade, denn sie fing nichts mit vergebenen Männern an. Nicht mehr. Der Blick, den er ihr zuwarf, beinhaltete eine Frage, auf die sie gewartet, ja gehofft hatte.
Lust, von hier zu verschwinden?
Sie nickte lächelnd, ihr Körper kribbelte bereits vor Vorfreude. Da trat der Museumsdirektor auf ihn zu und während seine Miene freundlich blieb, wirkte er doch alles andere als begeistert. Immer wieder warf er ihr einen kurzen Blick über Livermans Schulter zu. Der Direktor klopfte ihm schließlich auf den Rücken und deutete mit der Hand zu der Glastür, hinter der sich die Büros befanden. Es gab wohl noch Geschäftliches zu tun. Arden fing seinen entschuldigenden Blick auf und lächelte ihm zu. Innerlich seufzte sie. Es sollte wohl nicht sein. Arbeit ging schließlich vor. Ihr Mantra stillte jedoch keineswegs das Verlangen, das weiterhin in ihr brannte.
Den Vormittag des nächsten Tages verbrachte Arden mit diversen Erledigungen, die Wichtigste davon ein Besuch beim Lebensmittelgroßhändler. Obwohl sie letzte Nacht erst gegen zwei Uhr morgens ins Bett gekommen war, hatte sie gute Laune. Schließlich hatte sie schon in jungen Jahren gelernt, mit wenig Schlaf auszukommen. Die Schuld dafür schob sie auf Seattles Nachtleben und ihren großen Bruder Josh, der ihre Freundinnen und sie – im Gegensatz zu anderen großen Brüdern – immer gerne mitgenommen hatte. Wahrscheinlich, weil sie ihn nie in Verlegenheit oder in irgendwelche peinlichen Situationen gebracht hatte. Nein, sie hatte mit ihren Freunden auf den Putz gehauen, er mit seinen, aber nach Hause gekommen waren sie immer gemeinsam. Meistens jedenfalls.
Arden gab ihre Lebensmittelbestellung für die kommenden Veranstaltungen auf und bat Larry, einen der Angestellten, die Waren wie immer in die Firma zu liefern. Als sie die riesige Halle verließ, warf sie einen Blick auf ihre Uhr. Halb zwölf. Da sie wusste, dass Jenna, die dritte Freundin im Bunde, arbeitete, rief sie nur Livia an und sie verabredeten sich auf einen spontanen Cappuccino nahe des Museums. Obwohl der Verkehr in Seattles Innenstadt beinahe zu jeder Zeit höllisch war, hatte Arden es sich nicht nehmen lassen, mit einem der Firmenautos unterwegs zu sein. So machte sie auch gleichzeitig Werbung für ACe. Vor mittlerweile sechs Jahren hatte sie das Catering-Unternehmen aus einer spontanen Idee heraus gegründet. Mit dem geliehenen Startkapital ihres Vaters hatte sie sich mit Schweiß und viel Enthusiasmus etwas Eigenes aufgebaut. Obwohl es Momente gegeben hatte, in denen sie beinahe verzweifelt war, hatte sie doch nie aufgegeben. Sie war zu zäh und eigenwillig, um sich eine derartige Schwäche einzugestehen. Nach den ersten eineinhalb Jahren, die sie mehrmals knapp in den Ruin getrieben hatten, begann das Geschäft zu laufen und mittlerweile war ACe ein gut gebuchter Caterer-Unternehmen, der sich vorwiegend auf Party-Service spezialisiert hatte. Siebzehn Angestellte arbeiteten hier in Teilzeit oder ganztätig. Davon vier Köche, zwei Konditorinnen sowie zehn Angestellte, die den Service vor Ort übernahmen und die Gäste versorgten. Einige von ihnen waren Studentinnen, die sich etwas zum Studium dazuverdienten, doch auch auf sie war stets Verlass. Außerdem gab es noch Lorie, Ardens Sekretärin und die gute Seele der Firma, die gelegentlich auch bei einem Event einsprang, wenn es Ausfälle gab. Alles in allem waren sie ein wunderbares Team, auf das Arden stolz war.
Sie parkte den Wagen und folgte dem Weg in die Mitte des Stadtparks. Dort stand zwischen zahlreichen Bäumen, unweit des kleinen Sees, das Bistro, das gerade während der Mittagspause der Angestellten, die in der Umgebung arbeiteten, Hochbetrieb hatte. Jetzt, zu Anfang des Jahres, fand der ganze Trubel noch im Inneren des Gasthauses statt. Trotz des Andrangs hatte Livia ihren üblichen Stammplatz am Fenster im ersten Stock ergattern können.
»Hi!« Livia lächelte ihr zu und sah dann zur Kellnerin, die bereits ihre Bestellung brachte. Denn wer auch immer von den Freundinnen als Erste vor Ort war, bestellte stets für die andere mit. Selig lächelnd nahm Arden ihren Dark Moccachino entgegen.
»Und? Irgendwelche Neuigkeiten bei euch?«
Livia leckte sich mit der Zunge den Milchschaum von der Oberlippe und grinste: »Ich war heute Morgen im Reisebüro, um unseren ersten gemeinsamen Urlaub zu buchen. Den kann ich nach den anstrengenden letzten paar Monaten wirklich gebrauchen.« Neben der Vorbereitung für die Ausstellung im Burke’s hatte Livia auch noch zwei Monate an der Ostküste verbracht, um ihrer Forschung nachzugehen. Wie sie und Marc das ausgehalten hatten, konnte sich Arden nur schwer vorstellen, da die beiden eigentlich unzertrennlich waren. Zwar flogen auch schon mal die Fetzen, weil die beiden so verschieden waren, aber die Versöhnung folgte stets auf dem Fuße.
»Du willst Urlaub machen?« Arden war fassungslos. Noch vor einem guten Jahr wäre Livia, der Workaholic schlechthin, nie im Leben auf den Gedanken gekommen, freiwillig dem Museum fernzubleiben. Anscheinend konnte die Liebe Menschen wirklich verändern.
Livia errötete leicht. »Ja. Marc musste mich anfangs überreden, aber jetzt freue ich mich wirklich darauf.« Sie grinste. »Außerdem kann ich es nicht erwarten, ihn ganz für mich allein zu haben.«
»Uuh.« Arden fächelte sich Luft zu. »Hört sich verboten gut an. Du weißt, Jenna und ich werden anschließend die schmutzigen Details hören wollen. Wo geht es überhaupt hin?«
Livia lächelte breit. »Hawaii.«
»Du Miststück! Ich will auch mit!«
Ihre Freundin lachte. »Ich schick dir ’ne Postkarte.«
»Wenn möglich, bitte mit einem heißen Rettungsschwimmer als Motiv. Ich kann etwas Testosteron im Moment gut vertragen.«
»Alles okay?«, wollte Livia mit hochgezogener Augenbraue wissen.
Arden nickte. »Ja ja. Hab nur eine erotische Durststrecke.«
»Ach? Und was war mit diesem Typ aus dem Klub letzte Woche?«
»Hat mich für seine Exfreundin stehen lassen, der er noch immer hinterhergeheult hat und die ihm eventuell eine zweite Chance geben wollte.«
»Du Ärmste«, meinte Liv lachend. »Manche glauben eben noch an die große Liebe.«
»Mhmm«, war Ardens einziger Kommentar. Sie sah aus dem Fenster, hinaus ins Grüne, ehe sie den Blick wieder auf ihre Freundin lenkte. »Aber er ist schließlich nicht der einzige Mann in Seattle.«
»Stimmt. Und es gibt eine Menge, die nur zu gerne eine Nacht mit dir verbringen wollen.«
»Machst du dich über mich lustig?«, brummte Arden.
»Natürlich nicht.« Livia lächelte. »Du weiß, ich liebe dich wie eine Schwester. Nur manchmal versteh ich dich nicht ganz, aber das ist in Ordnung.«
Jeder Mensch hatte seine Eigenarten, die ihn von anderen unterschieden. Während Livia Fremden gegenüber zurückhaltend war, war Jenna hin und wieder zu gutgläubig. Und Arden war nun mal ein Freigeist. Sie selbst sah darin nichts Nachteiliges oder gar Negatives, dennoch machte sie sich ihre Gedanken, als sie den Weg durch den Park zurückging, nachdem sie sich von ihrer Freundin verabschiedet hatte. Sie liebte Partys und Männer. Sie mochte ihren Körper, zeigte ihn gern, war offen und stellte keine Forderungen. Kein Wunder also, dass sie oft angesprochen und eingeladen wurde. Das eine führte stets zum anderen. One-Night-Stands waren vielleicht unpersönlich, aber eine gute Möglichkeit, unverbindlichen Sex zu haben. Liebe war daraus noch nie entstanden und Arden war auch gar nicht auf der Suche danach. Sie mochte ihr Leben so wie es war. Auch wenn ihre Eltern bereits seit fünfunddreißig Jahren glücklich verheiratet waren und auch ihr Bruder vor einiger Zeit die Eine kennengelernt hatte. Er konnte sich durchaus vorstellen, mir ihr eine Familie zu gründen, wie er ihr letzte Woche erzählt hatte. Arden freute sich sehr für ihn, doch etwas Vergleichbares hatte sie selbst noch nie erlebt. Ihre längste Beziehung hatte ein halbes Jahr gedauert, an deren Ende ein scheußlicher Streit gestanden hatte. Seitdem flatterte sie wie ein Schmetterling von einer Blüte zur nächsten. Sie traf sich mit den Männern, solange sie Spaß daran hatte; solange der Reiz vorhanden war. Wenn diese erste Verlockung des Neuen abgeflaut war und sich der Überdruss einstellte, war es besser, zu verschwinden. Bisher hatte auch keiner der Männer versucht, sie zu halten. Obwohl – Arden musste sich korrigieren. Es hatte doch einen gegeben: Steve, ihr Steuerberater, der sie zu einem Spontanurlaub nach Las Vegas eingeladen hatte. Er hatte sie näher kennenlernen wollen, doch sie hatte sich bedrängt gefühlt und den Kontakt abgebrochen. Im Nachhinein war ihr klar geworden, dass sie es versäumt hatte, ihm zu sagen, dass sie überhaupt keine Beziehung wollte.
Als sie durch das Parktor schlenderte, blieb sie abrupt auf dem Bürgersteig stehen. »Scheiße.« Eilig machte sie sich auf den Weg zu ihrem Wagen, vor dem gerade ein junger Polizeibeamter stand und die Daten aufnahm.
»Hallo, Officer!« Sie schenkte ihm ein atemberaubendes Lächeln, so hoffte sie zumindest, und warf sich das lange dunkle Haar über die Schulter. »Tut mir leid, ich fahre den Wagen schon weg.« Sie klimperte mit dem Schlüsselbund.
Er beachtete sie nicht, sondern schrieb unbarmherzig weiter. »Miss, Sie parken vor einem Hydranten. Das ist ordnungswidrig und bringt ein Bußgeld von hundert Dollar mit sich. Sie haben Glück, dass ich den Abschleppdienst noch nicht gerufen habe.«
Hundert Dollar?! Der blöde Parkplatz war also doch nicht rein zufällig frei gewesen. Verdammt. Sie war mit ihren Gedanken beim Einparken natürlich wieder mal ganz woanders gewesen. Arden lächelte unbeirrt weiter, während sie zu Phase 2 überging und einen Knopf an ihrer Bluse öffnete. Das wäre doch gelacht. »Das tut mir leid und es kommt bestimmt nicht wieder vor.«
»Das hoffe ich.« Zum ersten Mal hob der junge Polizist den Kopf und sah sie genauer an; Interesse leuchtete in seinen dunklen Augen auf.
Der Jungspund war bestimmt frisch von der Akademie. Arden klopfte sich in Gedanken auf die Schulter. »Können Sie nicht eventuell eine klitzekleine Ausnahme machen? Bitte.«
Er blickte auf den Strafzettel in seiner Hand, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder auf sie richtete. Phase 3, der Welpenblick, kam zum Einsatz. Ach, komm schon, dachte Arden.
»Na gut.« Der Polizist nahm seine Mütze ab und kratzte sich am Kopf. »Sie kommen dieses eine Mal mit einer Verwarnung davon. Aber beim nächsten Mal sehen Sie genauer hin, wo Sie parken.«
»Danke! Sie sind ein Schatz!« Strahlend öffnete Arden die Autotür und stieg ein. Als sie aus der Parklücke fuhr, winkte sie dem Officer noch einmal fröhlich zu.
Männer. Die meisten waren so leicht um den Finger zu wickeln, wenn man die richtigen Methoden anwandte. Ihre Gedanken wanderten zu ihm. Im Gegensatz zu dem Jungspund in der Polizeiuniform war er ein Mann, der geübt darin war, selbst ein Charmeur zu sein. Voller Entschlossenheit, das zu bekommen, was er wollte. Ein Alphatier. Zu schade, dass sie gestern keine Chance gehabt hatte, herauszufinden, inwiefern er sich gegen ihre Reize zur Wehr setzen konnte. Sie war sich sicher, dass sie mit ihm ganz auf ihre Kosten gekommen wäre. Diese Hände, diese Lippen … Verdammt! Arden konzentrierte sich wieder auf die Straße vor ihr. Schon der bloße Gedanke an ihn reichte aus, um sie feucht werden zu lassen.
Böses Mädchen.
Arden saß in ihrem kleinen Büro im ersten Stock des Altbaus, den sie für ihr Geschäft gemietet hatte, und ging die Veranstaltungen der folgenden beiden Wochen durch. In den kommenden Tagen standen eine Babyparty und eine Firmenfeier auf dem Kalender; das Wochenende war seit Langem einmal nicht verplant. Arden freute sich auf ein wenig Freizeit. Sie wollte ihre Eltern besuchen und gemeinsam mit Livia und Jenna einen gemütlichen Mädelsabend verbringen. Schon nächste Woche ging dann der Reigen von vorne los: Empfang zur Goldenen Hochzeit des ehemaligen Bürgermeisters am Dienstag, Kindergeburtstag Mittwochnachmittag, Freitag und Samstag die Betreuung des Buffets im Autorenbereich der Seattle Book Fair. Zufrieden lehnte Arden sich in ihren Bürosessel zurück und tippte sich mit dem Stift gegen das Kinn. Im Moment könnte es nicht besser laufen. ACe Catering hatte sich den Ruf eines kompetenten, zuvorkommenden Services aufgebaut, der von den glücklichen Kunden gern weiterempfohlen wurde. Mundpropaganda war schließlich eine der effektivsten Werbemethoden und man konnte sie nicht mit Geld kaufen.
Plötzlich wurde sie vom Klingeln des Telefons im Vorzimmer aus ihren Tagträumereien gerissen. Erst nachdem niemand abhob, fiel ihr ein, dass Lorie in der Mittagspause war, und sie griff selbst nach dem Hörer. »ACe Catering, guten Tag.«
»Spreche ich mit Miss Callahan?«, wollte eine sachliche Frauenstimme am anderen Ende wissen.
»Ja, am Apparat.«
»Seattle City Departement. Einen Moment, ich verbinde.«
Arden war leicht irritiert. Sie bezahlte stets pünktlich ihre Miete sowie die Steuern, daher konnte sie sich nicht vorstellen, was die Stadtverwaltung von ihr wollte. Doch dann fiel der Groschen und ihr Gesicht hellte sich schlagartig auf. Jetzt war sie mal gespannt, was sie erwartete. Die Musik, die während der Wartezeit gespielt wurde, verstummte und am anderen Ende wurde abgenommen. Ehe ihr Gesprächspartner zum Reden ansetzen konnte, übernahm Arden die Initiative. »Guten Tag, Stadtrat Porter. Was kann ich für Sie tun?«
»Guten Tag, Miss Callahan.« Er. Seine tiefe Stimme erklang an ihrem Ohr und ihr wurde augenblicklich wohlig warm. Nur selten hatte ein Mann eine solche Wirkung auf sie gehabt. Was wohl daran lag, dass sie meist dieses erregende Vorspiel ausließ und gleich aufs Ganze ging. Sie nahm sich im Stillen vor, sich in Zukunft mehr Zeit dafür zu nehmen. Wäre doch zu schade, diesen Kitzel zu verpassen.
»Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten.« Er konnte sie um alles bitten, solange er nur mit dieser Stimme zu ihr sprach, die dunkel und voller Verheißung war.
»Ich habe Sie gewählt«, entgegnete sie bewusst spröde. »Reicht das nicht?« Zu leicht würde sie es ihm nicht machen.
Eric Porter lachte leise auf. »Dann sollte ich einer braven Bürgerin Seattles für ihre Treue danken. Und ich habe dafür schon etwas Spezielles im Sinn.«
So wie er den Satz aussprach, klang es wie eine Offenbarung. Zumindest für ihre schmutzige Fantasie. Doch Arden gab sich nun nicht mehr der Illusion hin, dass es um etwas Privates ging. »Und das wäre?«
»Ich möchte Ihre Catering-Dienste in Anspruch nehmen. Es ist äußerst kurzfristig, doch Sie sind meine erste Wahl.«
Arden griff, ganz die Geschäftsfrau, nach ihrem Terminplaner, den sie beiseitegelegt hatte. »An welches Datum haben Sie gedacht?«
»Diesen Sonntag. Ich gebe eine kleine Dinnerparty für sechs, sieben Personen bei mir zu Hause. Wäre das machbar?«
Das war in vier Tagen. An dem ersten freien Wochenende seit etwas mehr als einem Monat. Dennoch …
»Ja.« Sie würde Melinda fragen, ob sie für zwei, drei Stunden arbeiten könnte. Wochenenddienste waren wegen des doppelten Stundenlohns eigentlich gern gesehen und mehr Angestellte würde sie nicht brauchen. »An welches Menü haben Sie gedacht?«
»Hervorragend.« Er klang äußerst zufrieden. »Meine Sekretärin wird Ihnen einige Vorschläge sowie meine Adresse per Mail zukommen lassen.« Ganz der Geschäftsmann.
»Einverstanden, Mr Porter. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag«, verabschiedete sie sich höflich.
»Ich Ihnen ebenfalls.« Sie konnte das Lächeln in seiner Stimme hören und wünschte sich, ihn in diesem Moment sehen zu können. Arden wollte schon auflegen, als er hinzufügte: »Ich würde mich freuen, die Chefin am Sonntag persönlich kennenzulernen.«
***
Eric legte mit einem Grinsen den Telefonhörer auf. Dann drehte er sich in seinem Sessel zur Fensterfront um und blickte hinaus auf die Stadt, während seine Gedanken noch bei der Frau weilten, die gerade mit einem lapidaren »Mal sehen« das Gespräch beendet hatte.
Sie würde kommen. Da war er sich sicher. Schließlich kannte sie die Regeln dieses kleinen Spielchens. Und sie mussten doch beenden, was sie bei der Ausstellungseröffnung vor wenigen Tagen begonnen hatten. Er hätte nach jener Veranstaltung ohnehin auf ein erneutes Aufeinandertreffen, ein persönliches Kennenlernen gepocht. Diese Anziehung zwischen ihnen wollte er nicht einfach ignorieren. Dass er am Sonntag ein paar Vertreter der Stadtverwaltung, die zu Freunden geworden waren, eingeladen hatte, war schon lange geplant. Dass ACe das Catering übernahm, war im Gegensatz dazu eine ganz spontane Eingebung gewesen. So konnte er Arden Callahan wiedersehen und musste sich nicht selbst um das Essen kümmern. Er schlug zwei Fliegen mit einer Klappe. Er würde sich entspannt zurücklehnen und voll und ganz das Vorspiel mit Arden genießen können.
***
Abends traf Arden sich mit Jenna und Livia in ihrer Wohnung. Erst holten sie Essen vom Chinesen, später gab es Gequatsche, Geläster und einige Mojitos in ihrer Stammbar um die Ecke. Es war schön, einfach mal wieder so zusammenzusitzen, gemeinsam zu lachen und zu reden. Die drei Freundinnen hatten damals, als sie in ihre eigenen Wohnungen gezogen waren, vereinbart, einen solchen Mädelsabend mindestens einmal im Monat zu veranstalten. Bisher hatten sie dieses Versprechen auch eingehalten, obwohl der Alltag oft stressig war. Doch für ein wenig Spaß hatte Arden immer Energie.
Als Livia Jenna eine Anekdote von der Ausstellungseröffnung erzählte, horchte Arden auf. »Da wir gerade bei diesem Abend sind …«, warf sie ein. »Morgen lädt Eric Porter zu einer Dinnerparty und ACe hat den Auftrag für das Catering erhalten.«
»Wow, das ist ja großartig!«, freute sich Livia und auch Jenna war beeindruckt. »Ich bin so stolz auf dich. Langsam aber sicher reißt sich die ganze Stadt um ACe.«
»Ich darf alles andere als klagen«, stimmte Arden zu. »Ich überlege bereits, mehr Leute einzustellen, um die anderen zu entlasten. Wenn morgen alles gut läuft, hoffe ich auf weitere Top-Aufträge.«
»Mr Stadtrat wird doch bestimmt eine Empfehlung aussprechen«, war sich Jenna sicher. Sie nahm einen Schluck von ihrem Cocktail und fügte hinzu: »Ich habe ihn gewählt und bin froh darüber, denn mit seinen bisherigen Vorschlägen hat er in der kurzen Zeit bereits einige festgefahrene Abläufe über den Haufen geworfen. Außerdem will er dieses Jahr den Nationalpark in das Kulturprogramm aufnehmen.«
»Und die Museen«, fügte Livia hinzu.
»Also, ich habe ihn gewählt, weil er unverschämt sexy ist«, brachte es Arden lachend auf den Punkt.
Die anderen zwei stimmten in ihr Lachen ein, doch Arden fing einen Blick von Livia auf, der schwer zu deuten war. Vielleicht vermutete sie bereits, dass der morgige Abend für Arden nicht nur in geschäftlicher Hinsicht erfolgreich sein könnte.