Um eine Welt in einem Sandkorn zu sehn
Und einen Himmel in einer wilden Blume,
Halte die Unendlichkeit in deiner flachen Hand
Und die Ewigkeit in einer Stunde.
– William Blake
1
Atsuro Hitsuma, Polizeikommissar im Präsidium, kam ins Verhörzimmer. Er war spät dran.
Shigetoku Tadashima, ein kompakt gebauter Polizeihauptmeister mittleren Alters von der Polizei in Magata, war die Unzulänglichkeiten seines Vorgesetzten langsam satt. Dennoch verbeugte er sich kurz.
»Wie sieht es aus?«, fragte Hitsuma, während er sich langsam mit dem Mittelfinger die silberfarbene Brille hochschob.
»Am besten sehen Sie es sich selbst an, Herr Hitsuma.«
Im benachbarten Verhörzimmer hinter dem Einwegspiegel saß ein etwas älterer Mann, der gerade verhört wurde. Seine Wangen waren von der Sonne dunkel gebräunt, seine Haare schon zur Hälfte ergraut. Seine Augen schienen in dem aufgedunsenen Gesicht zu versinken. Die vielen Jahre als Kommissar hatten Hitsuma gelehrt, den Charakter einer Person direkt vom Gesicht abzulesen. Auf den ersten Blick sah dieser Mann aus, als hätte er es faustdick hinter den Ohren. »Wer ist das?«, fragte Hitsuma.
»Das ist Yuki Iwama. 56 Jahre alt. Taxifahrer«, erklärte Tadashima. »Laut Augenzeugenberichten hat er zwei Personen vom Tatort in seinem Taxi mitgenommen, die wie Rentaro Satomi und Hotaru Koro aussahen. Aber auf unsere Nachfragen hat er nur behauptet, dass er sich nicht an die beiden erinnern würde.«
Hitsuma wunderte sich. »Müsste er als Taxifahrer nicht ein Fahrtenbuch führen, in dem steht, wo und wann er mit seinem Taxi unterwegs war?«
»Eigentlich schon«, stimmte Tadashima zu. »Aber die Taxifirma, für die er arbeitet, wirbt damit, den niedrigsten Preis im ganzen Raum Tokyo anzubieten. Aus diesem Grund sind sie gezwungen, tief greifende Sparmaßnahmen durchzuführen.«
»Was sagt Ihnen Ihr Gefühl, Herr Tadashima?«, fragte der Vorgesetzte.
»Wahrscheinlich schuldig«, antwortete Tadashima knapp.
Hitsuma verschränkte die Arme. »Das können wir aber leider offenbar nicht aus ihm herauskitzeln.«
»Was ist mit dem Zeugen?«, warf Tadashima ein. »Iwama wurde doch am Tatort gesehen, oder?«
»Ja, schon. Aber leider nur flüchtig«, sagte Hitsuma. In seiner Stimme lag Zweifel. Und noch etwas anderes.
Tadashima war als einer der Ersten am Tatort gewesen. Das Wohnhaus, in dem die Gastrea-Pathologin Ayame Surumi gewohnt hatte, ähnelte wahrhaftig den alten Zeichnungen der buddhistischen Höllen. Die Überlebenden berichteten, dass sie von zwei »Reifenmonstern« angegriffen worden waren. Kurz darauf hatten die Einsatzkräfte auch schon zwei reifenartige Maschinen gefunden, auf die diese Beschreibung zutraf. Bei beiden war der Motor zerstört worden.
Die Bilder der zerstückelten Leichen hatten sich tief in sein Gedächtnis eingebrannt. Er schüttelte den Kopf, um die Erinnerung abzuschütteln. »Die Pathologin, die Rentaro Satomi dort besucht hat, wurde in ihrem Bad ermordet«, sagte er. »Da sie zu dem Zeitpunkt offenbar schon eine Weile tot war, kommen die beiden als Täter nicht infrage. Jemand anderes muss der Mörder sein. Kurz darauf haben wohl auch schon diese seltsamen Geräte begonnen, die Bewohner niederzumetzeln. Wieder einmal scheint Rentaro Satomi es gewesen zu sein, der die Anwohner gerettet hat. Vor allem aber der Fahrstuhl stellt uns vor weitere Fragen. Die Kabel wurden durchtrennt, weswegen die Kabine ins zweite Untergeschoss gestürzt ist. In ihr haben wir eine Leiche gefunden. Der Leichnam war schwer beschädigt, aber in ihm wurden mehrere Maschinen entdeckt. Verdammt. Ich werde noch wahnsinnig. Warum tauchen immer dort Leichen auf, wo Rentaro Satomi sich aufhält?«
»Haben Sie denn dafür keine Erklärung, Herr Tadashima?« Hitsuma musterte ihn kühl.
Obwohl der Polizist sich von der Kälte im Blick seines Vorgesetzten irgendwie bedroht fühlte, versuchte er, vorsichtig seine Gedanken zu ordnen: »Wahrscheinlich gibt es außer uns noch irgendeine Organisation, die diese beiden aufzuhalten versucht. Aber für mich bleibt unverständlich, was Rentaro Satomi überhaupt vorhat. Sie haben einen Arzt namens Kakujo besucht und sich dort als Verwandte der Toten ausgegeben, was nur den Schluss zulässt, dass sie mit einem genauen Plan bei ihm aufgetaucht sind. Vielleicht versuchen sie sogar, irgendwie Beweise für Rentaros Unschuld zu sammeln. Aber wie steht das im Zusammenhang mit dem Mord an einem privaten Wachmann?«
Hitsuma sagte nichts.
Das Schweigen verunsicherte Tadashima nur noch mehr. Er schlug vorsichtig vor: »Eventuell sollten wir eine öffentliche Untersuchung einleiten.«
»Das können wir leider nicht«, wies Hitsuma den Vorschlag wie einen schlechten Scherz zurück. »Wir haben nach dem Vorfall im Magata Plaza Hotel bekannt gegeben, dass Rentaro Satomi in den Fluss gestürzt und dabei ums Leben gekommen ist. Wenn herauskäme, dass er stattdessen fröhlich durch die Stadtgebiete von Tokyo spaziert und uns zum Narren hält, würde die Polizei von Tokyo zum Gespött des ganzen Gebiets werden. Wir müssen ihn heimlich einfangen und dann so tun, als hätten wir ihn aus dem Fluss gefischt.«
Tadashima runzelte die Stirn. Doch Hitsuma bemerkte den Zweifel seines Kollegen nicht – er starrte durch den Einwegspiegel, hinter dem der Verdächtige weiter verhört wurde. »Es könnte alles so einfach sein … Wenn dieser Taxifahrer einfach alles ausplaudern würde«, murmelte er in scheinbar gelangweiltem Tonfall. Doch irgendwie lag etwas Unheilvolles in seiner Stimme.
Erst gegen zwei Uhr nachts ließ die Polizei ihn gehen. Als Yuki Iwama durch den Vordereingang des Reviers hinauslief, strich die feuchtheiße Nachtluft ihm unangenehm übers Gesicht. Jetzt steckte er wirklich in Schwierigkeiten! Er setzte sich in sein Taxi und drehte den Zündschlüssel um. Der wachhabende Polizist hatte gesagt, dass sie ihn erneut befragen würden, sobald sie mehr Informationen gesammelt hätten. Höchstwahrscheinlich würden sie auch Kontakt zu seinem Arbeitgeber aufnehmen.
Yuki war komplett erschöpft und nicht in der Stimmung, weiterzuarbeiten, weswegen er direkt nach Hause fuhr. Zu dieser Uhrzeit bestand die Chance, dass seine Frau noch wach war. Er hatte ihr eine E-Mail geschickt, aber bisher keine Antwort erhalten. Eigentlich war er deshalb sogar ein wenig erleichtert. Zweifelsohne würde sie ihn mit Fragen löchern, sobald sie erfuhr, dass er von der Polizei zum Verhör festgenommen worden war. Dennoch durfte er seiner Liebsten auf keinen Fall verraten, was für Gäste er durch Tokyo gefahren hatte.
Endlich erreichte er sein Haus, das in einem stillen Wohngebiet Tokyos lag. Überrascht stellte er fest, dass im Innern Licht brannte. Leicht besorgt parkte er das Auto auf dem Stellplatz und ging zum Gartentor. Auf dem Gras stand noch der Rasenmäher, der anscheinend nicht weggeräumt worden war. Das war besonders verwunderlich, da seine Frau sonst so ordentlich war, dass sie nicht einmal im Haus Gegenstände unaufgeräumt liegen ließ.
Die Haustür war nicht abgeschlossen. Yuki drückte den Türgriff runter und zog die Tür auf, die dabei laut quietschte. Im Eingangsbereich lagen Schuhe verstreut und es gab eine Dreckspur, als wäre etwas Schweres ins Haus gezogen worden. Es wirkte fast, als wäre seine Frau bei der Gartenarbeit niedergeschlagen und danach von dem Angreifer ins Haus gezerrt worden … Yuki wurde ganz unbehaglich zumute bei den düsteren, paranoiden Gedanken, die ihm plötzlich durch den Kopf gingen. Er streckte schnell eine Hand durch die Vordertür wieder nach draußen und drückte zweimal auf die Klingel. Sofort schallte es laut durchs Haus. Keine Reaktion.
Dann hörte er ein dumpfes Geräusch aus dem hell erleuchteten Wohnzimmer hinter dem Flur. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und sein Atem ging stoßweise. Yuki hatte nun keinen Zweifel mehr daran, dass hier etwas nicht in Ordnung war. Er kippte schnell die Blumen samt Wasser aus der Vase im Flur, um sie als Schlagwaffe mitzunehmen. Die Schuhe behielt er an und schritt langsam über den Holzfußboden.
Als er sich dem Wohnzimmer näherte, begriff er, was sich hinter dem Geräusch verbarg: Es war das Stöhnen einer gefesselten Person. Yuki fasste sich vor dem Wohnzimmer ein Herz und sprang in den hellen Raum.
Augenblicklich blieb er wie angewurzelt stehen. »Izuho!«, rief er.
Auf dem Wohnzimmerboden lag seine Frau. Arme und Beine waren mit Klebeband gefesselt und in ihrem Mund steckte ein Knebel. Wie ein Paket verschnürt versuchte sie verzweifelt, ihm etwas zuzurufen.
Er machte aufgeregt einen Schritt auf sie zu – als jemand von hinten seinen Arm packte und diesen hinter seinem Rücken verdrehte. Gleichzeitig spürte er, wie etwas seine Kehle Nacken gepresst wurde. Es war kalt und scharf. Höchstwahrscheinlich war das ein Messer.
»Nicht umdrehen«, ermahnte ihn eine tiefe Männerstimme.
Yuki verkrampfte am ganzen Körper. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn. Ein Raubüberfall, dachte er kurz, dann fragte er: »We… Wer sind Sie und was wollen Sie?«
Die Stimme in seinem Rücken antwortete gelassen: »Das kann ich dir gern verraten, aber dann müsste ich dich und diese Frau danach leider umbringen. Ich möchte von dir nur eine Sache wissen: Wo genau hast du Rentaro Satomi und Hotaru Koro abgesetzt?«
Das ist kein Raubüberfall, war sich Yuki jetzt sicher. Der Kerl ist auf der Jagd nach diesem Wachdienstpaar! Er machte dennoch keine Anstalten, auf die Frage zu antworten.
»Du allein darfst über deine Zukunft entscheiden«, fuhr der Mann fort. »Entweder du verrätst mir, wo die beiden geblieben sind – oder ich werde es gewaltsam aus dir herausholen.«
»Gewaltsam?«, stammelte Yuki.
»Ich fange mit den Fingernägeln an«, erklärte der Fremde. »Zusammen mit den Fußnägeln sind das 20 Stück. Und zwar rede ich hier nicht von deinen, sondern von denen der Frau. Wenn ich damit fertig bin, gehe ich zu den Fingern über. Du kannst frei entscheiden, wann du bereit bist, mir etwas zu erzählen.«
Yuki ließ die Vase aus seinen Fingern gleiten, die im nächsten Moment krachend auf dem Boden zersprang. Obwohl sich die Klinge leicht in seine Kehle bohrte, schüttelte er den Kopf. Unter Tränen wimmerte er: »Hö… Hören Sie bitte auf. Nur das nicht.«
»Na, dann weißt du ja, was du zu tun hast, oder?«, fragte der Mann.
Yuki entschuldigte sich in Gedanken leise bei Rentaro: Es tut mir wirklich leid. Aber ich kann nicht anders. Dann verriet er: »16. Bezirk von Tokyo. Das illegale Wohngebiet in Nagatoro.«
»Vielen Dank«, flüsterte die Stimme ihm ins Ohr.
Einen Augenblick später verschwand der Druck an Yuris Kehle. Nach einem kurzen Moment drehte er sich langsam um.
Von dem Eindringling war nichts mehr zu sehen. Wir sind gerettet!, ging ihm durch den Kopf, als er auch schon erschöpft auf seine Knie sank.
Eine weitere Untersuchungsbesprechung im Magata-Polizeirevier ging zu Ende. Hitsuma aß gerade sein wenig schmackhaftes Bento*, das die Mitarbeiter nach der Sitzung bekommen hatten, als sein Telefon klingelte. Er sah den Namen des Anrufers auf dem Display, stand auf und ging in eine Ecke, wo er ungestört reden konnte. Dann nahm er das Gespräch an: »Swordtail? Warum rufst du nicht Nest, sondern direkt mich an? Ist es wirklich so wichtig?«
»Der Taxifahrer hat mir verraten, wo er die beiden rausgelassen hat«, sagte die tiefe Stimme am anderen Ende. »16. Bezirk von Tokyo. Im illegalen Wohngebiet in Nagatoro.«
»Gut gemacht«, sagte Hitsuma. »Ich werde sofort Maßnahmen einleiten. War das alles?«
Einen Augenblick antwortete Swordtail nicht. Es klang fast so, als würde er sich auf die Lippen beißen. Dann presste er hervor: »Stimmt es wirklich, dass Hummingbird von den beiden erledigt wurde?«
»Ja«, antwortete Hitsuma knapp.
»Tja, bei ihrem Charakter kann ich mir das schon irgendwie vorstellen. Pah, ich habe mir eh gewünscht, dass ich mehr Aufträge bekomme. Daher kommt mir ihr Tod sehr gelegen.«
»Pass auf«, ermahnte Hitsuma ihn. »Diese Gegner sind mit normalen Mitteln nicht zu bezwingen.«
»Verstanden«, antwortete Swordtail und trennte die Verbindung.
Hitsuma starrte nach dem Gespräch noch einige Zeit auf den Handybildschirm. Wenn das nichts wird, muss Swordtail ran. Ich hatte eigentlich nicht vor, ihn gegen so jemanden wie Rentaro Satomi einzusetzen, aber er würde mir die Köpfe der beiden bestimmt auf dem Silbertablett servieren. Schnell hielt Hitsuma sich die Hand vor den Mund, um ein Grinsen zu verbergen. Während er sich umdrehte, konnte er aber ein kurzes Kichern nicht unterdrücken.
2
»Vielen Dank!«, rief die Stimme ihm hinterher.
Rentaro Satomi schob den Ladenvorhang zur Seite und ging mit Hotaru Koro hinaus. Das Straßenlicht am Badehaus war schon erloschen, weswegen es draußen zunächst schrecklich düster wirkte. Aber schnell hatten seine Augen sich an das wenige Licht des nächtlichen Sternenhimmels gewöhnt, das die Straße schwach erleuchtete. Sein Körper war noch ganz warm.
Hotaru schien guter Laune zu sein. Ihre roten Wangen zeugten noch von dem angenehmen Bad. »Ich hab mich gewundert, warum du so plötzlich in ein Badehaus wolltest«, sagte sie. »Aber das war wirklich sehr schön im heißen Wasser.«
Rentaro musste lachen. »Solange es Ihrer Majestät gefallen hat, bin ich glücklich.« Als er so mit ihr scherzend durch die verlassene Straße ging, fühlte er sich den Umständen entsprechend gar nicht mal so schlecht.
Er sah auf die Uhr. Es war schon nach zwei Uhr nachts. Er hatte sein Hemd in der Münzwaschmaschine im Badehaus gewaschen. Jetzt fühlte es sich irgendwie zu klein an. Fast, als wäre er in der kurzen Zeit im Bad plötzlich gewachsen. Hotaru hatte ihr Tanktop mit einem Nähset geflickt und den Blutfleck ausgewaschen. Solange man die Leute nicht mit der Nase drauf stieß, würde niemand den ausgeblichenen Fleck bemerken.
Sieben Stunden waren seit dem erbitterten Kampf gegen Hummingbird vergangen. Natürlich konnte Rentaro sich mit den frischen Verletzungen nicht normal im großen Badebecken entspannen, sich aber dennoch Schweiß und Dreck mit einem Handtuch vom ganzen Körper waschen, während er darauf achtete, nicht von den wenigen anderen Badegästen beobachtet zu werden. Auch außerhalb des Bades kam er nicht zur Ruhe. Zwar hatte er die Schusswunde, die er im Kampf gegen Hummingbird hatte hinnehmen müssen, ausreichend versorgt, aber bei jedem Schritt hatte er Angst, dass sie sich erneut öffnen könnte. Normalerweise hätte er nicht versucht, seine Wunde selbst zu versorgen, sondern wäre direkt in eine Klinik gefahren. Doch als Flüchtiger konnte er dieses Risiko natürlich nicht eingehen.
»Hast du nie mit Suihara zusammen gebadet?«, fragte er seine Begleitung.
Hotaru starrte ihn unbehaglich an. »Warum fragst du mich so was? Bist du etwa … Bist du etwa mit deiner Initiatorin zusammen in eine Badewanne gestiegen?«
Rentaro kratzte sich verlegen am Kopf. »Ähm, sie hat mich damit so lange genervt, dass ich nicht anders konnte. Verdammt. Andere Familien machen so was also gar nicht. Sie hat mich reingelegt.«
Hotaru seufzte und schaute ihn fast mitleidig an. »Rentaro, wirst du nur bei kleinen zehnjährigen Mädchen scharf? Bist du etwa dieser gefürchtete Perversling, der in meiner Nachbarschaft verschrien ist, weil er sich die Höschen von Mädchen über den Kopf stülpt und damit nachts um die Häuser zieht? Vielleicht solltest du dich lieber weniger auffällig verhalten.«
»Moment mal«, protestierte er. »Wie kommst du denn darauf?« Hotaru sah schnell zur Seite. »Und warum schaust du jetzt so verschämt weg?«
Sie verzog nur ihr Gesicht und gab keine Antwort.
Gerade wollte Rentaro nachhaken, als ein Passant an ihnen vorbeiging. Vielleicht war es nur Einbildung, aber Rentaro hatte das Gefühl, als hätte der Fußgänger ihm direkt ins Gesicht geschaut. Er atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Dann zog er eine Sonnenbrille und zwei Lederhandschuhe aus seiner Tasche, mit denen er seine Augen und die pechschwarze Hand aus Hyperballanium versteckte. Er hatte kurz vorher mit Hotaru beschlossen, dass es besser sei, Gesicht und künstliche Hand zu verbergen.
Am vorherigen Tag waren die beiden erst zum Shidao-Universitätsklinikum und danach zur Wohnung einer Gastrea-Pathologin namens Surumi gegangen. Dort waren sie von Hummingbird angegriffen worden. Zwar wussten sie bisher nicht, wie die Angreiferin sie gerade dort hatte aufspüren können, aber am wahrscheinlichsten war, dass die beiden von irgendeinem Passanten in der Stadt erkannt worden waren. Eine andere Möglichkeit war, dass eine Überwachungskamera sie aufgezeichnet hatte. Ein Überwachungssystem aus unzähligen Kameras in den Gebieten von Tokyo hielt ständig Ausschau nach Hitzemustern, die zu Gastrea passten. Sobald der Suchalgorithmus des Systems eine solche Bedrohung wahrnahm, wurden automatisch alle privaten Sicherheitsdienste per Eilmeldung alarmiert. Würde man dieses Gastrea-Suchprogramm nur leicht abändern und ein spezielles Gesichtserkennungsprogramm einspeisen, wäre es bestimmt möglich, auch Verbrecher oder Flüchtige wie Rentaro ausfindig zu machen. Eine Sonnenbrille sollte dagegen sofortige Abhilfe schaffen. Aber …