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AOL- MITGRÜNDER

STEVE CASE

DIE

GEWINNERSTRATEGIEN

DRITTE

FÜR DIE ZUKUNFT

WELLE

DER TECH - BRANCHE

PLASSEN

VERLAG

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

The Third Wave: An Entrepreneur’s Vision of the Future

ISBN 978-1-5011-3258-2

Copyright der Originalausgabe 2016:

Copyright © 2016 by Steve Case

All Rights Reserved.

Published by arrangement with the original publisher, Simon & Schuster, Inc.

Copyright der deutschen Ausgabe 2016:

© Börsenmedien AG, Kulmbach

Übersetzung: Philipp Seedorf

Gestaltung Cover: Holger Schiffelholz

Gestaltung, Satz und Herstellung: Martina Köhler

Lektorat: Karla Seedorf

ISBN 978-3-86470-391-1

eISBN 9783864704093

Alle Rechte der Verbreitung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks,

der fotomechanischen Wiedergabe und der Verwertung durch Datenbanken

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

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sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

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Den Entrepreneuren gewidmet,
die mich inspirieren,
weil sie versuchen, die Welt zu verändern.

Steige hoch
und in die Ferne,
dein Ziel der Himmel,
dein Ziel die Sterne.

– MARK HOPKINS

INHALT

Vorwort von Walter Isaacson

Einleitung

EINS | Ein verschlungener Pfad

ZWEI | Amerika online bringen

DREI | Die dritte Welle

VIER | Start up, speed up

FÜNF | Die drei „P“

SECHS | Entschuldigen Sie die Disruption

SIEBEN | Der Aufstieg der Anderen

ACHT | Impact Investing

NEUN | Eine Frage des Vertrauens

ZEHN | Die sichtbare Hand

ELF | Die Disruption Amerikas

ZWÖLF | Die Welle reiten

Danksagungen

Anmerkungen

VORWORT

von Walter Isaacson

Zufällig war ich Zeuge eines der wichtigsten Momente beim Siegeszug der digitalen Medien an der Schwelle des neuen Jahrtausends und die Umstände hätten nicht unpassender sein können. Wir waren in der Großen Halle des Volkes in Peking, um den Feierlichkeiten zum 50. Geburtstag der Kommunistischen Revolution beizuwohnen, als dieser Meilenstein des Kapitalismus erreicht wurde.

Als Teil einer „News Tour“ im Jahr 1999, die vom Time Magazine organisiert wurde, dessen Herausgeber ich war, brachten wir die Vorsitzenden von Time Warner und andere amerikanische Führungskräfte nach China. Den Abschluss bildete ein Zwölf-Gänge-Menü für 1.000 Menschen in der Großen Halle, mit den obersten kommunistischen Führern des Landes als Gastgebern.

Ich erinnere mich noch lebhaft, wie Ted Turner, damals Vice Chairman von Time Warner, durch Reihen vergoldeter, mit rotem Samt gepolsterter Stühle glitt und den Teilnehmern seine Frau Jane Fonda als „kommunistische rote Socke“ vorstellte. Aus dem Augenwinkel sah ich Steve Case, der mit gelassenem Gesichtsausdruck, aber durchdringendem Blick ein ernstes Gespräch mit dem CEO von Time Warner, Jerry Levin, und Vorstandsmitgliedern wie Merv Adelson führte.

Es herrschte ein ziemliches Gedränge, das nach dem Essen noch zunahm. Ein Regenguss biblischen Ausmaßes sorgte dafür, dass wir in der Vorhalle auf unsere Autos warten mussten. Turner und Case warfen einander ein paar neckisch-provokante Kommentare an den Kopf, worin sie es zu einer gewissen Meisterschaft gebracht hatten. „Dein Riesenkonzern schafft es anscheinend nicht, uns nach Hause zu bringen“, witzelte Case. „Deine Millionen bringen dich auch nicht von hier weg“, entgegnete Turner.

Das waren mehr als Neckereien. In ihren Kommentaren steckte eine tiefere Wahrheit. Während Vorsitzender Mao von Hunderten riesiger Plakate grinste, diskutierten Case und die Geschäftsführer von Time Warner darüber, wie der strauchelnde alte Medienkonzern, der Filme, Zeitschriften und Kabelfernsehen anbot, und der angesagte Onlinedienst, der „Sie haben eine neue Nachricht“ zu einem nationalen Zeitvertreib gemacht hatte, nun aber durch das Internet und Breitbandverbindungen bedroht wurde, ihre Kräfte vereinen könnten.

Jerry umgab dabei die Aura eines weisen Magnaten, der zuhörte und nickte. Steve gab vor, locker zu sein und versuchte, lakonisch zu wirken, als würde ihn die Möglichkeit einer Fusion nur am Rande interessieren. Mir war klar – oder es kam mir im Rückblick so vor –, dass hier wichtige Entscheidungen getroffen wurden. Im darauffolgenden Januar, nur vier Monate nach diesem Abend, an dem die Idee das erste Mal diskutiert worden war, wurde die Fusion von AOL und Time Warner öffentlich gemacht.

Ich traf Steve das erste Mal 1992, als AOL und Time Magazine eine Partnerschaft eingingen, um gemeinsam Inhalte im Netz anzubieten. Seine Firma war gerade erst an die Börse gegangen und hatte einen Aktienwert von 70 Millionen Dollar. Als acht Jahre später die Fusion über die Bühne ging, hatte AOL einen Börsenwert von 160 Milliarden Dollar.

Steve hatte eine Reihe großartiger Ideen, als AOL noch ein Startup war, die alle in diesem Buch geschildert werden. Als im Jahr 1985 die digitale Welt den ersten Service anbot und nur drei Prozent aller Amerikaner online waren, war Steve bereits davon überzeugt, dass es nicht nur um digitale Inhalte und E-Commerce gehen würde. Er bestand darauf, das Wichtigste sei die Förderung von Gemeinschaft – Menschen miteinander zu verbinden und ihnen eine Möglichkeit der Kommunikation zu bieten. Als ich für mein Buch The Innovators: How a Group of Hackers, Geniuses and Geeks Created the Digital Revolution an einer Kurzbiografie über Steve arbeitete, erzählte er mir: „Wir setzten schon 1985 auf das, was wir Community nannten. Wir glaubten, die Killer-App des Internets würden die Menschen sein.“

Steve hatte recht. AOL nutze dieses Bedürfnis der Menschen zu kommunizieren, sich zu vernetzen, zusammenzuarbeiten und eine Gemeinschaft zu bilden. Die Entwicklung und das anschließende Wachstum sozialer Netzwerke wie Facebook, Twitter, Snapchat oder Reddit basieren auf diesem Trend. Aber auf vielerlei Weise sind diese neuen Dienste nur eine Rückkehr zur zentralen Erkenntnis, die Steve hatte, als er AOL aufbaute.

Eine weitere Einsicht von Steve, welche die digitale Revolution vorantrieb, war die Bedeutung der Inklusion. Bevor AOL kam, war das Internet ein Arbeitsplatz und eine Spielwiese für Hardcore-Nerds und nicht für den Durchschnittsbürger, der sich über eine Stimme freute, die ihm sagte: „Sie haben eine neue Nachricht.“ Case und AOL waren Vorreiter dieses Wandels und brachten wirklich ganz Amerika online.

Ein Jahr vorher hatte Al Gore – damals Senator – in einem Akt, der ihn eigentlich vor dem unfairen Witz, er habe das Internet „erfunden“ (ein Wort, das er nie verwendet hat), hätte bewahren sollen, ein Gesetz mit auf den Weg gebracht, welches das Internet für kommerzielle und öffentliche Nutzung öffnete. Bis zu diesem Zeitpunkt war es ein Netzwerk, dessen Nutzung sich hauptsächlich auf Forscher und Regierungsmitarbeiter beschränkte. Sein Gesetz besagte, das Internet solle auch für diejenigen zugänglich sein, die AOL oder ähnliche Dienstleister nutzten, um online zu gehen. „Heutzutage erscheint uns das lächerlich, aber bis 1992 war es illegal, einen kommerziellen Dienst wie AOL mit dem Internet zu verbinden“, erinnert sich Case.

Diese Veränderung begann, als AOL im September 1993 ein Onlineportal öffnete, um seinen Mitgliedern den Zugang zu den Newsgroups und Bulletin Boards des Internets zu ermöglichen.

Die darauffolgende Flut wurde, besonders von alteingesessenen Nutzern des Internets, abfällig der „ewige September“ genannt. Der Name bezog sich auf die Tatsache, dass jeden September eine neue Welle von Erstsemestern an die Unis kam und durch ihre Universitätsnetzwerke Zugang zum Internet erhielt. Ihre Posts waren anfangs oft nervig, aber innerhalb weniger Wochen hatten die meisten genug Netiquette erlernt, um sich in die Internetkultur zu integrieren. Als AOL jedoch 1993 die Deiche niederriss, entstand ein nicht enden wollender Strom an Newbies, welche die sozialen Normen und die familiäre Atmosphäre des Internets sprengten. Viele Nutzer der ersten Stunde beschwerten sich. Aber tatsächlich war die Demokratisierung des Internets durch AOL und ähnliche Service Provider ein erstaunlicher und magischer Moment. Sie machte den Weg frei für unsere inklusive und explosive digitale Revolution.

In diesem Buch ruft Steve Case diese und andere Lektionen seiner Karriere in Erinnerung und verbindet sie mit einer vorausschauenden Anleitung, wie man bei der nächsten Innovationswelle Erfolg hat. Indem er für die Erste Welle des Internets mitverantwortlich war und dann aktiv in die Zweite Welle investiert hat, ist Steve auf einzigartige Weise in der Lage, die Vision zu schildern, wie das Internet in jeden Bereich unseres Lebens integriert werden wird.

Die Dritte Welle ist eine wunderbare Lektüre und Steve hat uns damit einen wertvollen Dienst erwiesen. Als jemand, der mehr als zwei Jahrzehnte Steves Karriere verfolgt, von ihm gelernt und über seine Einsichten gestaunt hat, bin ich begeistert, dass dieses Buch unzähligen künftigen Innovatoren dieselbe Möglichkeit eröffnet.

Walter Isaacson, CEO des Aspen Institute, ist der Autor von The Innovators: How a Group of Hackers, Geniuses, and Geeks Created the Digital Revolution und hat Biografien über Steve Jobs, Albert Einstein, Benjamin Franklin und Henry Kissinger geschrieben.

DIE DREI WELLEN
DES INTERNETS

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EINLEITUNG

IIch verbrachte einen Großteil meines Abschlussjahres am College versteckt hinter den Bücherstapeln der Bibliothek und las immer wieder ein neues Buch, das ich einfach nicht aus der Hand legen konnte. Es hieß Die dritte Welle, verfasst von dem Zukunftsforscher Alvin Toffler, und veränderte vollständig meine Ansichten über die Welt – und meine Vorstellungen über die Zukunft.

Toffler schrieb über eine bevorstehende weltweite Transformation. Er beschrieb die „Erste Welle“ der Menschheit als die sesshafte, landwirtschaftliche Gesellschaft, die für Jahrtausende dominierend war. Die „Zweite Welle“ war die Welt nach der industriellen Revolution, in der Massenproduktion und Massenverteilung die Lebensweise der Menschen veränderten. Tofflers „Dritte Welle“ war das Informationszeitalter: ein elektronisches globales Dorf, in dem Menschen Zugang zu einer endlosen Reihe an Dienstleistungen und Informationen haben, an einer interaktiven Welt teilhaben und eine Gemeinschaft bilden können, die nicht auf Geografie, sondern auf gemeinsamen Interessen beruhte. Er sagte eine Welt voraus, wie wir sie heute kennen. Seine Vision fesselte mich. Ich wusste, dass ich ein Teil dieser Dritten Welle sein wollte. Mehr noch, ich wollte mithelfen, sie möglich zu machen.

In den mehr als 30 Jahren seit der Geburt von America Online sind Tofflers Vorhersagen über die Dritte Welle tatsächlich eingetroffen. Ich kann mich glücklich schätzen, am Anfang dabei gewesen zu sein, und noch glücklicher, dass ich seitdem immer ein Teil davon geblieben bin.

Das Internetzeitalter hat seit diesen frühen Tagen mit erstaunlicher Geschwindigkeit Fortschritte gemacht. Es durchlief auch selbst verschiedene Phasen der Evolution – seine ganz eigenen Tofflerschen Wellen.

Während der Ersten Welle des Internets ging es vor allem darum, die Infrastruktur und das Fundament für eine Onlinewelt zu schaffen. Es waren Firmen wie Cisco Systems, Sprint, HP, Sun Microsystems, Microsoft, Apple, IBM und AOL, die an der Hardware, Software und den Netzwerken arbeiteten, die es möglich machen würden, Menschen mit dem Internet und miteinander zu verbinden. Gemeinsam bauten wir die Auffahrten zur Datenautobahn. (Erinnern Sie sich noch an diesen Begriff?)

Damals musste unsere Gruppe von Onlinepionieren um alles kämpfen. Wir mussten darum kämpfen, die Kosten zu senken, denn damals verlangten Telefongesellschaften normalerweise zehn Dollar pro Stunde, um online zu gehen, was das Ganze für die meisten unerschwinglich machte. Wir mussten PC-Hersteller anflehen, es in Betracht zu ziehen, ihre Computer mit eingebauten Modems auszuliefern. Damals waren nur Technikfreaks online und die meisten Vorstände der PC-Hersteller konnten sich nicht vorstellen, warum ein normaler Mensch jemals ein Modem brauchen sollte.

In den frühen Tagen von AOL bestand der Großteil unserer Arbeit darin, einfach nur zu erklären, was das Internet ist, wie es funktionierte und wieso es irgendjemand nutzen wollen würde. Ich erinnere mich, dass ich 1995 ein Interview auf PBS gab, in dem man mich fragte: „Wozu braucht man das?“ Diese Frage war damals noch offen. Und das war ein ganzes Jahrzehnt, nachdem wir angefangen hatten.

Die Menschen online zu kriegen, gab der nächsten Generation von Innovatoren eine ganz frische Leinwand und neue Farben. Große Geister begannen, über die enormen Möglichkeiten der globalen Vernetzung nachzudenken. Sie bastelten und werkelten, verfolgten neue Ideen und gründeten Firmen. (Einer unserer User begann mit dem Programmieren, indem er AIM hackte, den AOL Instant Messenger – eine Kommunikations-Software. Sein Name war Mark Zuckerberg.)

Die Zweite Welle des Internets begann Anfang des 21. Jahrhunderts, gerade rechtzeitig, um die Dotcom-Blase zu erzeugen und platzen zu lassen – das erste echte Massenaussterben des Internets. Eine Menge Entrepreneure und Investoren verloren ein Vermögen. Aber diejenigen, die überlebten, waren dafür gerüstet, die nächste Ära der Innovation im Internet anzuführen.

Während der Zweiten Welle ging es darum, auf dem Internet aufzubauen. Suchmaschinen wie Google machten es leichter, die schiere Menge an Informationen zu erkunden, die im Netz verfügbar war. Amazon und Ebay verwandelten ihre Ecke des Internets in einen Gemischtwarenladen. Während der Zweiten Welle wuchsen auch die sozialen Netzwerke aus den Kinderschuhen heraus. Während Google versuchte, die Informationen im Internet zu organisieren, halfen uns die sozialen Netzwerke, uns selbst zu organisieren – und zogen damit eine Milliarde Nutzer an. Und während dieser Zweiten Welle brachte Apple das iPhone raus, Google veröffentlichte Android und eine mobile Revolution war geboren. Dieses Zusammenspiel gab der Zweiten Welle eine unheimliche Wucht – Smartphones und Tablets wurden die Motoren des neuen Internets und schufen ein ganzes Wirtschaftssystem, das die Welt mit Millionen mobiler Anwendungen versorgen sollte.

Die Zweite Welle wurde größtenteils vom Konzept der Software als Dienstleistung geprägt – von sozialen Apps wie Twitter und Instagram, die es einfacher machten, Ideen und Bilder auszutauschen, oder von Navigations-Apps wie Waze, die ohne eine allgegenwärtige mobile Datenverbindung nicht sinnvoll waren. Wenngleich die erfolgreichsten Firmen alle unterschiedliche Hindernisse überwinden mussten, um die Poleposition zu erreichen, haben sie auch sehr viel gemeinsam. Zum einen sind ihre Produkte praktisch in jedem gewünschten Umfang verfügbar. Um mit einer größeren Zahl an Nutzern fertigzuwerden, muss man normalerweise nur mehr Serverkapazität und Software-Ingenieure bereitstellen. Und zum Zweiten sind die Produkte selbst – die Apps – zumeist endlos reproduzierbar. Es muss nichts hergestellt werden.

Heute beginnt die Zweite Welle, etwas Neuem Platz zu machen. Wenn in einigen Jahrzehnten Historiker die Geschichte der technologischen Evolution schreiben werden, wird eines ihrer Argumente lauten, das Internet sei in dem Moment zu einer allgegenwärtigen Macht in der Welt geworden, als wir begannen, es in alles zu integrieren, was wir taten. Dieser Moment ist der Anfang der Dritten Welle.

Die Dritte Welle ist das Zeitalter, in dem das Internet nicht mehr den Internetfirmen gehört. Es ist das Zeitalter, in dem Produkte das Internet erforderlich machen, aber nicht mehr darüber definiert werden. Es ist das Zeitalter, in dem der Satz „erfordert eine Internetverbindung“ genauso lächerlich erscheinen wird wie der Satz „erfordert Elektrizität“, als ob das wirkliche Unterscheidungsmerkmale wären. Es ist das Zeitalter, in dem das Konzept des „Internets der Dinge“ – also Produkte mithilfe von Sensoren zu vernetzen – uns als zu einschränkend erscheinen wird, weil wir feststellen, dass ein noch größeres „Internet von Allem“ entsteht.

Die Entrepreneure dieses Zeitalters werden die größten Industrien der Welt herausfordern und auch diejenigen, die unser tägliches Leben am meisten beeinflussen. Sie werden unser Gesundheitssystem neu denken und unser Bildungssystem umformen. Sie werden Produkte und Dienstleistungen schaffen, die unser Essen sicherer und unseren Weg zur Arbeit leichter machen werden.

Aber wenn diese neue Generation von Entrepreneuren erfolgreich sein soll, werden die alten Rezepte der Zweiten Welle nicht ausreichen.

Die Gründungsgeschichten der Unternehmen der Dritten Welle werden seltener mit Apps beginnen, die in Studentenwohnheimen ihre Geburtsstunde erlebten und sich dann wie ein Virus ausbreiteten (Anspielung auf Facebook, Anm. d. Übers.), wie das so oft während der Zweiten Welle geschah. Die Entrepreneure der Dritten Welle werden in einem Umfang Partnerschaften über verschiedene Bereiche hinweg eingehen müssen, wie das für die Firmen der Zweiten Welle niemals erforderlich war. Sie werden durch eine politische Landschaft navigieren müssen, die von den meisten Unternehmen der Zweiten Welle einfach ignoriert werden konnte. Und all das müssen sie in einem Raum tun, zu dem der Zugang – auch für eine wirklich gute Idee – durch viel größere Barrieren versperrt ist, als man es von der Zweiten Welle kennt.

Das Erfolgsrezept ist vielmehr eines, das in der Ersten Welle funktionierte, als das Internet noch jung und die Skepsis noch groß war; als die Barrieren enorm und Partnerschaften unerlässlich waren, um seine Kundschaft zu erreichen; als das System mit einer neuen Wirklichkeit fertigwerden musste und sich mühte, den richtigen Weg vorwärts zu finden.

Ich schreibe dieses Buch zum jetzigen Zeitpunkt, weil wir uns an einem wichtigen Punkt in der Geschichte befinden und ich mein Möglichstes dafür tun will, unsere Zukunft so glänzend wie möglich zu gestalten. Ich schreibe es, weil die Geschichte der Ersten Welle zunehmend wichtig wurde, um über diese Zukunft nachzudenken – wie wir dafür planen, uns daran anpassen und ihre Möglichkeiten beim Schopf packen. So viel von dieser Geschichte ist noch nicht erzählt worden, inklusive meiner eigenen.

Ich bringe dabei verschiedene Perspektiven ein. Meine Perspektive als Start-up-Entrepreneur, der auch auf Erfahrungen in einer großen Firma zurückblicken kann. Als jemand, der zwar nie Vollzeit im Staatsdienst war, aber auch für die Regierung gearbeitet hat. Ich bin sowohl Investor als auch Fürsprecher und jemand, der die Kultur des Silicon Valley versteht, aber nicht daraus hervorging.

Daher versuche ich, mit diesem Buch verschiedene Dinge zu erreichen. Ich will Ihnen die Geschichte erzählen, wie das Internet der Konsumenten geboren wurde und Firmen wie AOL fast dabei gescheitert wären. Ich will meine Erinnerungen als Insider mit Ihnen teilen – die Details einer Achterbahnfahrt, die nur wenige erlebt haben. Ich will Ihnen erzählen, wie es sich anfühlte, ganz oben zu sein – und Ihnen die Perspektive aus der Vorstandsetage auf dem Weg nach unten schildern.

Aber ich will das alles nicht im luftleeren Raum tun. All diese Geschichten sollen eine umfassendere These illustrieren: dass die Lektionen der Ersten Welle des Internets ein integraler Bestandteil der Dritten Welle sein werden. Daher will ich auch die Dritte Welle genauer unter die Lupe nehmen. Ich werde beschreiben, wie sie aussehen und wie sie sich entfalten wird und Ihnen einen kleinen Ausblick auf die Zukunft gewähren, deren Vorbote sie ist.

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Ich habe dieses Buch geschrieben, um Entrepreneuren zu helfen, ihren Träumen Gestalt zu verleihen, und um den Platzhirschen der Großkonzerne ihre Albträume zu nehmen. Ich habe es sowohl für den Wirtschaftsstudenten als auch für den interessierten Laien geschrieben. Für Menschen, die alt genug sind, sich nostalgisch an AOL-CDs im Briefkasten zu erinnern, und für diejenigen, die jung genug sind, den Begriff „CD-ROM“ noch nie gehört zu haben.

Meine Reise war während der letzten paar Jahrzehnte ein unvorhersehbares Abenteuer, ein aufregender und manchmal frustrierender Mix aus Ups und Downs. Es gab Momente blanken Terrors, aber mehr noch gab es Freude und Jubel. Das habe ich versucht, in diesem Buch zu vermitteln. Ich habe versucht, Sie in meine Welt mitzunehmen. Und welches Medium wäre dafür besser geeignet als das Buch, das vor etwa 2.000 Jahren erfunden wurde?

Ich wollte nicht meine Memoiren schreiben, sondern einige meiner Geschichten mit Ihnen teilen, denn ich glaube, dass man daraus seine Lektionen ziehen kann – um es mit Shakespeares berühmten Worten auszudrücken: „Alles Vergangene ist Prolog.“ Ich wollte kein Handbuch für angehende Entrepreneure schreiben, denn davon gibt es schon jede Menge – ich wollte erklären, wieso sich die Regeln des Spiels ändern. Ich wollte nicht zu politisch werden – dennoch glaube ich, Amerika ist in Gefahr, seine Vorreiterrolle als größte Unternehmernation zu verlieren – und ich wollte erklären, warum ich das glaube und was wir dagegen tun können und müssen.

Die Dritte Welle zu schreiben – teils Memoiren, teils Handbuch für die Zukunft, teils Manifest – war mir eine Herzensangelegenheit. Ich hoffe, dass es für Sie ebenso eine Inspiration sein kann wie es für mich Tofflers Dritte Welle war.

EINS

EIN

VERSCHLUNGENER

PFAD

Mein Bruder Dan war lediglich 13 Monate älter als ich und in der Schule ein Jahr voraus. Wir teilten uns ein Zimmer, als wir aufwuchsen und standen, wie die meisten Brüder, oft im Wettstreit miteinander. Wir hassten es zu verlieren. Für mich war es besonders hart, weil Dan in allem, was er ausprobierte, gut zu sein schien. Er war sportlicher als ich und immer Klassenbester. Als mir klar wurde, dass ich in einem direkten Wettstreit keine Chance hatte, versuchte ich, Interessen zu finden, die sich von seinen unterschieden. Wollte er Tennis spielen, entschied ich mich für Basketball. Aber es gab ein gemeinsames Interesse, bei dem es sich nie anfühlte, als würden wir miteinander konkurrieren. Ich wollte Unternehmer werden, da war ich mir sicher, bevor ich überhaupt genau wusste, was das bedeutet. Und Dan wollte mir wirklich dabei helfen. Ich schöpfte große Befriedigung daraus, mir etwas einfallen zu lassen, und er legte sich ins Zeug, mir zu helfen, es in die Tat umzusetzen.

Wir gründeten unser erstes Unternehmen, als ich zehn war. Dan war elf und brachte die ganze Weisheit dieses zusätzlichen Lebensjahrs in die Firma mit ein. Wir nannten uns Case Enterprises und hofften, niemandem würde es auffallen, dass keiner von uns auch nur alt genug war, Auto zu fahren. Wir verkündeten, wir seien eine Firma für internationalen Versandhandel. Einmal waren wir der exklusive Vertriebspartner eines Schweizer Uhrenherstellers in Hawaii, obwohl ich mich nicht daran erinnern kann, tatsächlich irgendwelche Uhren verkauft zu haben. Die meisten unserer Geschäftsaktivitäten beschränkten sich darauf, an Türen zu klopfen und zu versuchen, Glückwunschkarten an unsere Nachbarn loszuwerden. Die meisten unserer Kunden kauften nur was, weil sie nett sein wollten. Aber das war Dan egal. Er nannte es unseren Wettbewerbsvorteil. Sagte, das sei Teil unseres Markenimages. So redeten wir tatsächlich. Unsere Eltern, Rechtsanwalt und Lehrerin, hatten keinen blassen Schimmer, wo wir das herhatten. Sie machten Witze darüber, dass ich statt in mein Zimmer in mein Büro ginge.

Unsere ersten Geschäftsbemühungen haben vielleicht nicht viel Geld gebracht, aber eine Menge Erfahrung. Und der ganze Prozess, neue Geschäftsideen auszutüfteln oder neue Wege, etwas zu verkaufen, hat einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Als ich 1976 Hawaii verließ, um aufs Williams College in Massachussetts zu gehen, suchte ich weiter nach neuen Geschäftsmöglichkeiten. Ich gründete sechs kleine Firmen, während ich an der Uni war, unter anderem ging es um Fruchtkorblieferungen an Studierende während der Prüfungswoche (die natürlich von den Eltern bezahlt wurden). Ich hatte wachsendes Interesse an der Musikindustrie und verbrachte eine Menge Zeit in New Yorker Clubs wie dem CBGB und versuchte, neue Talente zu finden, die auf dem Campus auftreten konnten. Ich war gewissenhaft, wenn es darum ging, meine Kurse zu besuchen und meine Hausaufgaben zu machen, aber diese Nebengeschäfte waren meine wirkliche Leidenschaft. Das kam im Williams College nicht so gut an. Einmal nahm mich mein Studienberater zur Seite und merkte an, dass ich zu viel Zeit in meine unternehmerischen Aktivitäten steckte und das einmal bereuen würde. Ich erinnere mich, dass er sagte: „Sehen Sie sich all die Möglichkeiten an, die Ihnen das Bildungssystem bietet. Sie sollten sich voll darauf konzentrieren. Ihre Geschäftsaktivitäten zu verfolgen lenkt Sie ab und ehrlich gesagt sind sie mit dem Leben auf dem Campus unvereinbar.“ Er war nicht der Einzige, der so dachte. Einer meiner Kommilitonen griff mich in einem Artikel der Unizeitung an: „Ich schwor, dass ich niemals eine Party von Steve Case besuchen würde oder eine Steve-Case-Schallplatte kaufen würde“, so begann der Artikel. „Das ist nichts Persönliches, ich verabscheue nur amoklaufenden Laissez-faire-Kapitalismus auf dem Campus.“

In meinem letzten Jahr im Williams College besuchte ich einen Computereinführungskurs. Ich hasste ihn – und hätte ihn fast geschwänzt. Zu dieser Zeit verwendete man noch Lochkarten – man musste ein Programm schreiben und dann seine Karten zu jemandem bringen, der damit den Rechner fütterte. Mehrere Stunden später erhielt man die Resultate – was zumeist bedeutete (zumindest für mich), dass man einen Fehler fand und den ganzen Prozess von vorne beginnen musste. Diese Eintönigkeit und die daraus resultierende schlechte Note sorgten fast dafür, dass ich meinen Abschluss nicht machen konnte. Und doch blieb von dieser Erfahrung etwas hängen. Die Lochkarten waren ein Ärgernis, aber wenn man richtig damit umging, konnten sie sehr viel bewirken. Wir schrieben nur sehr einfache Programme, rudimentär nach den damaligen Standards. Und dennoch war das Potenzial offensichtlich. Computer lösten Probleme in Sekunden, für die man normalerweise Tage oder gar Wochen gebraucht hätte. So frustrierend das in der Rückschau auch war, es war doch prägend. Es war das erste Mal, dass ich das Potenzial von Computern wirklich erfasste. Trotzdem bin ich nicht sicher, dass ich jemals den Pfad eingeschlagen hätte, den ich letztlich genommen habe, wäre ich nicht über Tofflers Buch gestolpert.

Als im Frühjahr 1980 der Studienabschluss näher rückte, konnte ich nur daran denken, dass ich in die sich gerade entwickelnde digitale Industrie einsteigen wollte. Ich bewarb mich um eine Menge Stellen und legte meinem Lebenslauf immer ein Anschreiben bei, in dem ich begeistert das Heraufdämmern eines digitalen Zeitalters vorhersagte.

Es gab nur wenige Angebote. Die meisten meiner Briefe blieben unbeantwortet. Gelegentlich wurde ich zum Bewerbungsgespräch eingeladen, aber ich kam selten über das erste hinaus. Die Leute schienen von meinen Überlegungen abgeschreckt zu sein und befürchteten, dass sie einen durchgedrehten Jungspund einstellen würden, der in einem normalen Job nie zufrieden wäre. Als die Ablehnungen sich zu stapeln begannen, wurde mir klar, dass meine Zukunft es erforderte, den Mund zu halten – zumindest eine Weile. Es gab damals nicht viel an Start-up-Kultur und natürlich auch noch kein Internet. Wenn ich also eine Stelle bekommen und mir einige nützliche Fertigkeiten aneignen wollte, so meine Folgerung, musste ich bei einer großen Firma anfangen. Ich nahm letztlich eine Stelle in der Abteilung für Markenmanagement bei Procter & Gamble an. Im Großen und Ganzen war das ein großartiger Einstiegsjob. Tagsüber konnte ich mir nützliche Skills aneignen und nachts weiter von der digitalen Welt träumen.

Procter & Gamble waren Meister darin, gewöhnlichen Menschen ein Produkt so zu erklären, dass sie es verstehen. Als zum ersten Mal Radiohörspiele aufkamen, sahen P&G eine Möglichkeit, bei ihrem Zielpublikum Werbung für ihre Reinigungsprodukte zu machen. Also fingen sie damit an, Programme zu sponsern, und zwar als erstes Oxydol‘s Own Ma Perkins – das war 1933. Diese Hörspiele wurden als Seifenopern bekannt. Als das Publikum in den 1950er-Jahren vom Radio aufs Fernsehen umstieg, tat das auch P&G.

Die Menschen, mit denen ich arbeitete, waren Experten darin, die Vorlieben der Konsumenten zu verstehen, beharrlich Forschung und Entwicklung zu betreiben und nach Durchbrüchen zu streben, die ihren Produkten einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz verschafften. Und sie waren Weltklasse beim Marketing und oft ihrer Zeit voraus. P&G waren auch Pioniere, wenn es um das Konzept ging, kostenlose Proben zu verteilen, damit die Leute ein Produkt ausprobierten. (Diese Idee lieh ich mir später aus, als wir die Testversion der AOL-Software auf den Markt brachten und das ganze Land mit kostenlosen Probe-CDs eindeckten.)

Nachdem ich einige Jahre bei P&G in Cincinnati gearbeitet hatte, zog ich nach Kansas, um Director of New Pizza Development bei Pizza Hut zu werden. Bis heute hatte ich keinen besseren Geschäftstitel.

Meine Motivation war zweierlei: Erstens bot man mir einen beträchtlichen Zuwachs an Gehalt und Verantwortung und zweitens dachte ich, dass es hilfreich sein könnte zu sehen, wie eine Firma mit mehr Unternehmergeist funktionierte. Pizza Hut wurde 1958 von zwei Brüdern gegründet, Dan und Frank Carney, während sie noch an der Wichita State University studierten. Es wurde von einem einzelnen Ladenlokal an der Kreuzung von Kellog und Bluff zur größten Pizzakette des Landes, was hauptsächlich dadurch erreicht wurde, dass man Franchise-Nehmern die Möglichkeit gab, Innovationen anzustoßen. Diese Bottom-up-Vorgehensweise bei Innovationen unterschied sich vom Top-down-Führungsstil bei P&G und ich wollte das Prinzip verstehen.

Eigentlich sollte ich in den Testküchen in Wichita arbeiten, aber ich schlug vor, dass wir uns auf den Weg machen sollten, um herauszufinden, was im Rest des Landes geschah. Auch wenn Innovationen durchaus vom Stammhaus ausgehen konnten, so fanden doch die meisten außerhalb davon statt. Ich stellte eine Art Vorhut zusammen und leitete sie. Wir fingen an, quer durch die USA zu reisen, um nach großartigen Ideen für unsere neue Speisekarte zu suchen. Die Firma schickte mich zum Beispiel nach Washington, D. C., quartierte mich im Four Seasons in Georgetown ein und gab mir den Auftrag, die beste Pizza der Stadt zu essen. Es gibt schlechtere Arten zu leben. Ich lernte sehr schnell, wie schwer es war, etwas aus einer Testküche in 5.000 Restaurants nachzukochen, in denen Teenager mit begrenzten Fähigkeiten als Köche arbeiteten. Eine Menge unserer Ideen, die theoretisch hätten funktionieren müssen, floppten in der Praxis.

Eines der Konzepte, das wir damals ausprobierten, war die Lieferung nach Hause. Das war 1982, und obwohl Pizza sehr beliebt war, gab es noch nicht überall einen Lieferservice. Wir arbeiteten auch an Möglichkeiten, Pizza praktischer und transportabler zu machen. Wir verbrachten eine Menge Zeit damit, herauszufinden, ob Calzone oder Pizzataschen zum Mitnehmen für unterwegs funktionieren könnten. Wenn ich an dieses Jahr zurückdenke, finde ich amüsant, dass es genau diese Dinge waren, auf die wir uns konzentrierten – Zweckmäßigkeit und Transportfähigkeit –, die später so grundlegende Teile der Firma werden sollten, die ich mit aufzubauen half. Genauso wie unser Wille, die Dinge einfach zu halten und uns auf die Basics zu konzentrieren.

Ich blieb nur ein Jahr bei Pizza Hut. Meine Besessenheit von Tofflers Ideen war nicht schwächer geworden, sondern hatte sich noch verstärkt. Ich wollte an seiner Vision teilhaben. Ich musste einen Weg in diese Welt finden.

MEIN ERSTES START-UP

Meine Chance kam 1982, als mein Bruder mir von einem Start-up namens Control Video Corporation (CVC) erzählte, das die wachsende Computerspielindustrie online bringen wollte. Dan hatte sich inzwischen vom CEO von Case Enterprises zum aufstrebenden Investmentbanker im Silicon Valley gewandelt. Keiner von uns hatte die Leidenschaft verloren, die wir bereits in unserer Kindheit ausgelebt hatten. Ich war immer noch der Typ mit den Ideen. Er war immer noch derjenige, der versuchte, herauszufinden, wie man alles zum Laufen brachte. Als Hambrecht & Quist, die Firma, für die er arbeitete, in CVC investieren wollte, bat mich Dan, den Geschäftsplan anzusehen und ihm meine Eindrücke zu schildern. Ich sagte ihm, dass ich beeindruckt sei. Und interessiert, daran teilzuhaben. H&Q investierte und innerhalb von Monaten bekam ich eine Teilzeitstelle als Berater im Hauptquartier von CVC in einem Vorort von Washington, D. C.

Dort traf ich Marc Seriff, einen Texaner, der kein Blatt vor den Mund nahm und ein brillanter Ingenieur war. Er gehörte mit zu dem Team, welches in den 1970ern das Internet schuf, und war ein echter Visionär mit unglaublichen technischen Fertigkeiten. In den späten 1970ern ging er eine Geschäftsverbindung mit Bill von Meister ein, einem Entrepreneur, der Ideen im Minutentakt hatte, und sie machten sich daran, einige Firmen zu gründen. Von Meister war ein Pionier auf dem Gebiet der Telekommunikation und hatte einen der ersten Onlinedienste gegründet, The Source. Gemeinsam mit Seriff hatte von Meister eine Geschäftsidee, die sich Home Music Store nannte. Fast zwei Jahrzehnte vor Napster (und fast drei Jahrzehnte vor Spotify) versuchten die beiden, den Massen Musik in digitaler Form anzubieten. Die Idee rief eine Menge Aufmerksamkeit in der Musikindustrie hervor, als sie publik gemacht wurde, aber sie hatten zu kämpfen, die erforderlichen Rechte zu bekommen, um den Service zu starten. Einige der Unterstützer der ersten Stunde wie Warner Music widerriefen schließlich ihre Vereinbarung, dem Unternehmen Lizenzen für die Musik zu erteilen. „Musik über Kabel und Satellit den Menschen direkt nach Hause zu liefern“, so argumentierte 1982 ein Vorstand von Warner Music, „würde die Plattenhändler komplett aussperren und ihre Einnahmequellen austrocknen.“

„Geschäftsinhaber drohen damit, unsere Platten auf die Straße zu werfen!“, rief er.

Es war klar, dass man Warner Music nicht umstimmen konnte, also versuchte man, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Warner Music machte den Vorschlag, Marc und Bill sollten sich lieber darauf verlegen, mit ihrer Technologie Videospiele zu vermarkten. „Redet mit Atari“, schlug der Vorstand vor. „das ist eine Abteilung unseres Mutterkonzerns – Warner Communications.“

Also machte von Meister, der nie lange brauchte, um sich an neue Gegebenheiten anzupassen, einen schnellen Schwenk und richtete seine Aufmerksamkeit darauf, einen Gaming Service namens Game-Line aufzubauen. Die Idee war, ein Spielemodul zu entwickeln, ähnlich denen von Atari, aber mit einem Kabel, das man mit einer Telefonleitung verbinden konnte, um gegen eine monatliche Gebühr Spiele herunterzuladen und zu spielen (ein primitives Netflix für Spiele).

Im Januar 1983 waren Marc und Bill voll in die Videospielindustrie eingestiegen und bereit, ihren neuen Service publik zu machen. Sie taten das auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas und befestigten einen riesigen Heißluftballon mit dem GameLine-Logo am Dach des Tropicana. Ich fing neun Monate später in der Firma an, gerade als das Produkt auf den Markt kam.

Es war ein absolutes Desaster.

Videospiele von Atari erwiesen sich als Modeerscheinung. Nach ein paar Boomjahren ließ das Interesse an Atari-Produkten stark nach. Händler stornierten ihre Bestellungen bei GameLine. Wir hatten stapelweise Inventar. (Einmal haben wir an einem Wochenende still und leise die unzähligen unverkauften GameLine-Modems in einem Müllcontainer hinter unserem Büro entsorgt.) Die Einnahmen von Game-Line lagen 95 Prozent unter den Vorhersagen, also entschied der Vorstand von CVC, die Kosten zu reduzieren. Die meisten Angestellten verloren ihren Job. Ich wurde vom jüngsten Mitarbeiter eines siebenköpfigen Marketing-Teams zum einzigen Mitarbeiter – vermutlich deswegen, weil ich das niedrigste Gehalt hatte. Meine Eltern machten sich große Sorgen. Ich hatte drei Jobs in drei Jahren gehabt und jetzt sah es so aus, als bräuchte ich bald wieder einen neuen.

Es war eine frühzeitige Lektion, was das Timing beim Marketing angeht, und eine wertvolle erste Erfahrung des Scheiterns. Aber obwohl der Niedergang von GameLine schmerzhaft und erschreckend war, verlor ich nicht den Mut. Meine Hoffnungen für GameLine hatten sich zerschlagen, aber meine Überzeugungen in Bezug auf die digitale Zukunft blieben intakt. Ich war sicher – vielleicht war das etwas naiv –, dass wir uns etwas einfallen lassen würden.