Umschlag und Fotos: Jörg Winkler
Copyright © Jörg Winkler
Erschienen bei Books on Demand GmbH, Norderstedt
Herstellung und Verlag:
BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-7357-1076-5
Dieses kleine Büchlein soll dem Leser eine unbeschwerte Urlaubslektüre sein und ohne literarischen Tiefgang unterhalten. Die Geschichten sind zum Teil reine Fantasie, haben zuweilen autobiografischen Hintergrund oder sind knallharte Realsatire beziehungsweise Utopie. Eben Geschichten die das Leben schreibt.
Die Bilder sind der privaten Fotosammlung entnommen, willkürlich ausgewählt und stehen nicht im Zusammenhang mit den Geschichten. Sie sollen die Leichtigkeit des Buches unterstützen.
Die Geschichten entstanden, weil mir das Schreiben Freude macht, und sind im Rahmen der Schreibwerkstatt der UDL (Universität des dritten Lebensalters) Göttingen, verfeinert worden. Ich danke den Kolleginnen und Kollegen für die dienliche Kritik und förderlichen Anregungen.
In der zweiten Auflage ist das Buch um einige Geschichten und Bilder erweitert worden.
Göttingen, im Mai 2014
Der Platz „La Silenzia“ trug seinem Namen zu Recht. Er lag ruhig in der Morgensonne und lediglich ein paar Spaziergänger bummeln des Wegs. Einige Frauen saßen auf drei Bänken, unterhielten sich, lasen ein Buch und genossen die wärmende Sonne. Ein alter Metallzaun diente zwei kleinen Mädchen als Klettergerüst; es war offensichtlich vergessen worden, ihn nach Sanierungsarbeiten ab zu bauen. Den Kindern machte es Spaß darauf herum zu klettern. Der Platz lag in der Nähe der Hauptstraße, die in die Innenstadt führte. Sie war zu dieser Zeit wenig befahren und es drang kaum Autolärm herüber, sodass die Idylle beinahe komplett war.
In Laufe der Zeit wurden die von der Hauptstraße herüber dringenden Geräusche immer lauter. Es waren Fußgänger, die in kleinen Gruppen in Richtung Rathaus unterwegs waren und dabei laut debattierten. Nach und nach kamen immer mehr, offensichtlich organisierte Gruppen, hinzu. Einige trugen große mit Parolen beschriftete Transparente und skandierten Sprechchöre. Aus den lauten Stimmen, die von der Hauptstraße herüberdrangen, wurde schallender Lärm. Zu den Fußgängern kamen weitere Demonstranten auf Motorrädern und in Autos hinzu, die ihre Teilnahme an dem Aufmarsch mit lautem Hupen unterstrichen.
Die Mädchen ließen sich durch das laute Treiben nicht stören und spielten mit fröhlichem Lachen weiter auf dem alten verrosteten Zaun. Die in der Sonne sitzenden und in ihre Bücher vertieften Frauen nahmen keinerlei Notiz von dem, was auf der Hauptstraße passierte.
In den Lärm mischte sich der durchdringende Sirenenton eines Rettungswagens. Zunächst war die Sirene nur leise zu vernehmen, wurde aber, je weiter sie sich dem Zentrum der Demonstration vor dem Rathausplatz näherte, lauter, und übertönte bald den dort herrschenden Lärm. Am Einsatzort verstummte sie. Man kümmerte sich offensichtlich um den Grund des Einsatzes.
Aus der Entfernung war nicht auszumachen, was der Grund für die Demonstration war. Alles rannte und brüllte durcheinander und einige Teilnehmer versuchten ihre Meinung lauthals hinauszuschreien. Dann ertönte wieder die Sirene des Rettungswagens und so wie das Geräusch beim Eintreffen immer lauter wurde, so wurde es beim Verlassen des Rathausplatzes immer leiser, bis es nicht mehr zu hören war. Auf dem „La Silenzia“ interessierte es niemanden.
Der Demonstrationslärm, der leise begonnen, und sich auf dem Höhepunkt der Kundgebung zu einem Heidenlärm gesteigert hatte, flaute nun langsam wieder ab. Die Teilnehmer rollten ihre Transparente zusammen und marschierten in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Das Hupen der Motorräder und Autos verstummte. Das Treiben auf dem Platz blieb ungestört, auch wenn die Sonne inzwischen weiter gezogen war, und der von der Vormittagssonne bestrahlte Platz nun im Schatten lag.
Der Dienstplan meint es gut mit mir. Erst am frühen Nachmittag soll ich meine Kollegen ablösen. Ich habe frei, ziehe meine Windjacke an und trete vor die Tür. Zum Wetter nur ein Wort: fantastisch, ideal für einen ausgiebigen Spaziergang am Ostende der Insel. Den Weg durch die Dünen, vorbei an Strandhafer, auffliegenden Rebhühnern und lilafarbenem Strandflieder lege ich schnell zurück. So früh am Morgen werde ich keine Tagesgäste aus dem weit entfernten Ort treffen. Als ich die Dünen verlasse, sehe ich einige Containerschiffe weit draußen an der Schifffahrtsroute. Die Luft ist klar und ich habe den Eindruck sie schwimmend erreichen zu können. Ich quere den Strand und gehe parallel zum Wasser in Richtung der Nachbarinsel, Norderney. Es ist Flut und die Wellen rollen weit auf den Strand. Außer dem an meinem Ohr vorbeistreifenden Landwind höre ich fast nichts. Der Wind trägt das Geräusch hinaus aufs Meer. Beruhigende Stille. Die Gischt hinterlässt einen leichten Salzgeschmack auf meinen Lippen. Möwen, Austernfischer und Strandläufer warten auf Ebbe. Die Flut hat mit Krabben, Muscheln und anderen Kleintieren reich aufgetischt.
Mit jedem Schritt hinterlasse ich eine kleine mit Wasser gefüllte Mulde im Sand, die mit der nächsten Welle glättet wird. Keine Spur verrät meinen Weg. Ich durchquere ein Feld mit Muschelschalen. Sie zerbersten wie Glasscherben unter meinen Füßen und der Takt meiner Schritte spielt mit den Wellen eine gleichmäßige Melodie. Ich richte meinen Blick auf den Boden. Vielleicht finde ich Bernstein? Winterstürme wühlen den Meeresboden auf und schwämmen ihn an Land. Aber es ist bereits Sommer, also gebe ich die Suche nach dem Naturharz auf und sehe mir die Muschelschalen genauer an. Immer wieder fesselt mich die Farben- und Formenvielfalt. Das dunkle metallfarbene Blau der Miesmuschel und die in verschiedenen bräunlichen Farben schillernden Schwertmuscheln gefallen mir besonders gut. Zu Tausenden liegen sie unregelmäßig am Strand verstreut. Ein Muschelfriedhof. Leere Gehäuse von Wellhornschnecken, ausgetrockneten Seesternen und Krabben liegen wahllos dazwischen.
Hoch über mir fliegen die Kollegen mit den Flugschülern am Steuer. Unter sich die Erde, wie die Möwen sie im Flug sehen. Vor allem das wechselnde Bild des Wattenmeeres auf der anderen Seite der Insel, mit dem sich ständig ändernden Flusssystem der Priele, ist ein einmaliges Naturschauspiel. Bleibende Eindrücke für die jungen Flugschüler.
Die Ebbe setzt ein und das Meer gibt immer mehr Strand frei. Auf einer Sandbank entdecke ich einen Bekannten. Onno, einer meiner Lieblingsseehunde, hebt wie zum Gruß eine Flosse und räkelt sich in der Sonne. Während ich mit der wärmenden Sonne im Rücken in Gedanken versunken weiter gehe, sehe ich in einiger Entfernung einen dunklen Fleck inmitten der Muschelfelder. Ein Teerklumpen? Neugierig nähere ich mich und finde eine Auster. Dass zwittrige Muscheltier lebt einsam oder in Bänken im Halbdunkel des Meeres. Diese hier scheint zu den Einsiedlern zu gehören. Ihre Schale ist von besonderer Schönheit. Geheimnisvoll zeigt sie mir ihre außen wild zerklüftete Schale, deren scharfe Kanten bedrohlich hervor stehen. Zwischen den Kanten beobachte ich ein buntes Lichtspiel der Farben im Perlmutt. Ihrem Fleisch wird eine aphrodisierende Wirkung zugeschrieben. Ein mit Zitronensaft veredelter Schleim, nein Danke. Einige Austern bilden im Inneren Perlen, die im Sonnenlicht genau so funkeln wie der Perlmutt ihrer Schale. Für mich ist sie die Königin unter den Muscheln.
Neugierig hebe ich sie auf. Die Schalen lassen sich nicht von Hand öffnen. Das Tier lebt. Ich werde neugierig. Ob ich die Muschel gewaltsam öffnen soll? Vielleicht ist eine Perle darin? Aber was, wenn es keine gibt? Dann hätte ich das Tier, nur um meine Neugier zu befriedigen, getötet. Ist das die Sache wert? Sollte der Muschel ihr Geheimnis nicht bleiben? Kurz entschlossen werfe ich sie zurück ins Meer.
Inzwischen steht die Sonne fast senkrecht am Himmel. Die Möwen scheinen sich zu einer Pause in die Dünen zurückgezogen zu haben. In der Mensa der Flugschule wird es in Kürze etwas zu Essen geben und danach beginnt meine Schicht. Auf dem Weg zurück muss ich an einen mir lieb gewonnener Menschen denken, von dem ich sicher bin, dass er eine „Perle“ besitzt.
Allein, ohne jede Begleitung wollte er sich ‚einmal selbst besuchen’. Er, nennen wir ihn mal Schorse, hatte auf einer dänischen Insel eine Ferienwohnung gefunden. Die Wohnung war nicht sehr komfortabel aber er war genügsam und zufrieden. Ein Wohnzimmer mit Küchenzeile, ein kleines Schlafzimmer und ein Duschbad. Von der großen Terrasse hatte er einen Blick aufs Wattenmeer. Er mochte die See, den Wind, den salzigen Geschmack auf der Zunge und das raue Klima. Alles war bestens, bis auf die Schwierigkeit die Tür zu verschließen. Nach einigen vergeblichen Versuchen hatte er das Rätsel gelöst. Die Tür hatte nicht wie zu Haus, außen einen Knauf und innen einen Türgriff, sondern auf beiden Seiten einen Griff. Drehte man innen die Klinke nach oben, war die Tür nicht nur zu, sondern auch verschlossen und konnte von außen nur mit einem Schlüssel geöffnet werden. Was Schorse einmal gelernt hatte, beherzigte und beherrschte er perfekt.
Eines morgens nachdem er geduscht hatte, zog er sich Shorts, T-Shirt und Sandalen an und ab, zum Bäcker Rundstükker und eine Tageszeitung kaufen. Das Auto stand zwar vor der Tür aber er hatte sein wichtigstes Verkehrsmittel, sein Fahrrad mitgebracht. Mit einem Handgriff fischte er die Fahrradschlüssel vom Haken, zog sich den Pulli über, drehte den Türgriff nach oben und verließ das Haus. Mit einem satten ‚Plopp’, wurde hörbar angezeigt, dass die Tür wirklich geschlossen war. Doch was war das? Etwas stimmte nicht! Den Fahrradschlüssel hatte er zwar vom Haken genommen aber wo war der Wohnungsschlüssel? Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken und Blut schoss ihm in die Ohren. Ein Blick durchs Türfenster zeigte ihm, dass der Schlüssel immer noch an der Pinnwand hing, von der er vorher den Fahrradschlüssel genommen hatte. „Du Stoffel, wie kann man nur so blöd sein!“, entfuhr es ihm und man konnte merken, dass er es durchaus ernst mit sich meinte.
Ausgesperrt! Was nun? Es war Sonntag, die ganze Insel schlief noch. Wie Hilfe bekommen? Schorse war trotz des regnerischen, kalten Wetters nur leicht bekleidet. Der Brötchenkauf sollte eine Sache von wenigen Minuten sein. Er überlegte! Hatte er die Terrassentür wieder verschlossen, nachdem er vorhin im Schlafanzug nach draußen gegangen war, um nach dem Wetter zu schauen? Wie ein Dieb schlich er ums Haus. Dank seiner Fitness überwand er mit zwei Sätzen die Böschung und das Geländer zu seiner Terrasse. Pech, die Tür war verschlossen. Unter dem Fenster stand sein Werkzeugkasten, mit Werkzeug für eventuell nötige kleine Reparaturen. Aber es war keins dabei, was ihm geeignet schien die Tür wie ein Einbrecher zu öffnen. Die Terrassentür zeigte zwar Spuren eines früheren Einbruchversuchs aber soweit wollte er nicht gehen. Irgendwie musste es möglich sein an den Schlüssel zu kommen. Das Toilettenfenster war normalerweise wegen der nötigen Lüftung geöffnet. Nur heute nicht. Murphy hatte seine Finger im Spiel. Ein Werbeschild des Vermieters mit Telefonnummer war an der Haustür angebracht. Zum Glück hatte er einen kleinen Kuli dabei, mit dem er sich die Nummer in die Hand schrieb. Vielleicht konnte er beim Bäcker den Service des Vermieters rufen und um den Zweitschlüssel bitten.
43 Kronen bezahlte Schorse für zwei Rundstükker und es gab sogar eine deutsche Sonntagszeitung. Dann trug er seine Geschichte vor und bat darum telefonieren zu dürfen. Bereitwillig gab ihm die Verkäuferin – die zum Glück deutsch sprach - das Telefon und zeigte ihm wie es zu bedienen war. Unter den mitleidigen Blicken der wartenden Kunden wählte er die Nummer und es kam wie es kommen musste. Am anderen Ende meldete sich ein Anrufbeantworter der mit Schorse dänisch sprach. Genau so gut hätte er mit dem Mann im Mond sprechen können. Er verstand nichts. Er erwartete nicht, dass jemand in Dänemark darauf wartete einem schusseligen Urlauber die Haustür aufzuschließen. Irgendwie musste er jemanden finden der einen Zweitschlüssel hatte. Es gab doch sicher noch mehr Dussels, denen ähnliches widerfuhr und denen auch geholfen werden musste. Er schaute wohl ziemlich hilflos drein, als die Verkäuferin sich anbot, etwas über eine zweite Telefonnummer herauszufinden. Aber sie zuckte während des Gesprächs bald mit den Schultern. Es gab nur den Hinweis, dass man außerhalb der Geschäftszeiten anrief.
Verflixt. Es musste doch jemanden geben, der einen kennt und weiterhelfen konnte. Schorse malte sich schon aus in einem der wenigen Hotels die nächste Nacht zu verbringen. Nicht einmal sein Auto stand ihm zur Verfügung, denn der Autoschlüssel hing ebenfalls dort, wo auch der Wohnungsschlüssel hing.
Nun kam Schorse eine Idee. Die Polizei sollte sich auf der Insel auskennen und helfen können. Schnell war die Telefonnummer des Dorfpolizisten herausgefunden und mit Hilfe der freundlichen Bäckerin eine Verbindung zustande gebracht. Herr Erik Nielsen sprach zum Glück fließend Deutsch und hörte sich Schorses Geschichte in Ruhe an. Dann gab er den Ratschlag, doch einfach im Büro vorbei zu fahren, denn dort sei Sonntags immer jemand. Hä? Booohhh, ähiiiiii! Da hätte er auch selbst drauf kommen können, denn schließlich war er in einem Ort der vom Fremdenverkehr lebte und da war eigentlich naheliegend, dass auch am Sonntag das Büro besetzt war. Er schwang sich auf sein Fahrrad und fuhr so schnell er konnte acht Kilometer zum Büro. Mit Rückenwind kam er bereits um halb neun Uhr dort an. Der Polizist hatte Recht. Das Büro ist am Sonntag geöffnet, allerdings erst ab zehn Uhr.
Schorse stellte sich vor am Frühstückstisch zu sitzen, bei leckeren Brötchen und frisch aufgebrühtem, herrlich duftendem Kaffee. Die Sonntagszeitung auf den Knien und ab und zu einen Blick hinaus aufs Meer.
Der anfängliche Sonnenschein wurde von Schauern getrübt. Es rächte sich, nur leicht bekleidet das Haus verlassen zu haben. Die nackten Füße in seinen Sandalen erinnerten ihn im wahrsten Sinne des Wortes an Eisbein. Das die Haxen vom Schwein Eisbein genannt werden, hatte Schorse nie so ganz verstanden, wo die doch immer heiß und knusprig gebraten serviert werden. Vielleicht hatte in grauer Vorzeit jemand das „H“ vor Eisbein vergessen. Neben dem Büro gab es eine Tankstelle, in der gleichzeitig ein Internetcafe untergebracht war. Er nutzte die Gelegenheit nach seiner E-Mail schauen. Zum Glück hatte er noch ein paar Kronen in der Tasche, wofür er sich einen Kaffee kaufen konnte. Das war zwar kein Frühstücksersatz aber doch zumindest ein heißes Getränk. Das Wetter verschlechtere sich zusehends. Der Wind frischte auf und der Abstand zwischen den Schauern wurde immer kürzer. Auf der Rückfahrt würde er Gegenwind haben, was die Fahrzeit erheblich verlängerte. Schorse hoffte eine Regenlücke zu finden, um nicht völlig durchnässt nach Haus zu kommen.
Das Büro öffnete pünktlich und er bekam sofort einen Zweitschlüssel. Gerade als er aufbrechen wollte, begann es erneut heftig zu regnen und wegen des starken Windes flogen die Regentropfen fast waagerecht durch die Luft. Es dauerte noch einmal eine halbe Stunde, bis der letzte Tropfen gefallen war und er sich endlich auf den Heimweg machen konnte. Er hatte das Gefühl bergauf zu fahren und musste sich sehr anstrengen.
Unterwegs kam ihm in den Sinn, dass er für zwei Brötchen, 43 Kronen bezahlt hatte. Das waren fast 6 €? Hatte er denn wegen der Aufregung heute Morgen das Einmaleins vergessen? Für 6 € bekomme ich in Deutschland eine ganze Bäckerei. Schorse überlegte kurz, ob er das Geld einfordern sollte. Schließlich war die Verkäuferin sehr nett zu ihm. Aber 6 € für zwei Brötchen erschien ihm dann doch ein bisschen viel. Er stoppte beim Bäcker und erzählte was ihm am Morgen für zwei „Rundstükker“ abgenommen wurde. Die Verkäuferin mochte es zwar nicht so richtig glauben, gab ihm aber die Differenz zurück.
Als er aus der warmen Bäckerei ins Freie trat um die restlichen Kilometer zu seiner Wohnung zurückzulegen, erwartete ihn die nächste Überraschung. Der Vorderreifen seines Fahrrades war platt. Nach den Turbulenzen der vergangenen Stunden nahm er es als freundliche Zugabe eines verkorksten Sonntagvormittags hin. Er freute sich, dass er nur ‚unten’ platt war und schob das Rad die paar Meter bis zu seiner Wohnung. Frühstück um halb zwölf. Nach der Schlauchreparatur hatte sich bis zum Abend doch noch alles zum Guten gewendet.
Es wunderte mich nicht, das Schorse in den nächsten Tagen bei sommerlichen Temperaturen einen Schal trug und ständig Papiertaschentücher benutzte. Seinen Hals zierte ab sofort ein an einem langen Faden befestigter Hausschlüssel.
Zwölf Uhr. Die Sekretärin schwingt die Kuhglocke im Flur. Das hässliche Geräusch ruft die Kollegen der Abteilung zum Mittagessen. Der erste am Aufzug ist der Chef. Nach und nach finden sich alle Mitglieder der Abteilung ein. Die Letzten lassen auf sich warten. „Wo bleiben die denn?“ Die hier verlorene Zeit könnte zum Ende der Pause fehlen. Dicht gedrängt im Aufzug werden letzte Messergebnisse abgefragt oder kurz diskutiert. Nebenbei die Frage: „Was gibt es zu essen?“ Egal, es wird gegessen was der Speiseplan hergibt. Küchenklaus – der Spitzname des Kochs - wird uns schon nicht verhungern lassen. Es ist Freitag, es könnte Vierkantfisch geben. Wir sind fast die Ersten in der Mensa und bekommen unser Essen ohne Zeitverlust. Der erste Kollege an der Essensausgabe besetzt den Tisch den wir immer benutzten.
Wir gehören, wie unsere Altvorderen, zu den Würgern und Schlingern. Schnell sind die Teller leer gegessen. Schließlich haben wir noch etwas vor. Auf dem Weg zurück wird die Tischverteilung besprochen. Der Chef hat mit Pius noch ein Hühnchen zu rupfen. Der verlorene Grand von Gestern ‚nagt an seinem Körper’, wie er sagt und fordert ihn in die Runde der Spieler. Außerdem werden Volki und ich mit am Tisch sitzen.
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