FÜR SUCHENDE
des urreligiösen Einweihungsweges, dargestellt in der „rituellen Verborgenen Geometrie“ – hier gegenüber gestellt zu katholischen und lutherischen Dogmen –
Eine lutherische Illustration einer „Glaubenden“ gegenüber den so bezeichneten „falschen Propheten“, ohne eine Überwindung dieses Gegensatzes anzuregen (von eben einerseits „Glaube und Gnade“ der lutherischen Reformation gegen andererseits die „aufgrund der Gesetze verlangten Werke“ der katholischen Position), welche Überwindung aber in den Arbeiten von Lucas Cranach d.Ä. aufzufinden ist in seinen beide Seiten übersteigenden urreligiösen Aussagen der Verborgenen Geometrie.
mit den analysierten Kunstbildern:
„Die Kreuzigung mit der Allegorie der Erlösung“ (1555, Weimar, F.R 434)
„Sündenfall und Erlösung“ von Lucas Cranach d.Ä. (1529, Gotha, F.R. 221)
„Caritas“ von Lucas Cranach d.J. (um 1537, Hamburg, Inv.-Nr. 299)
sowie mit u.a:
Definitionen, Abkürzungen, Einführung in die Verborgene Geometrie, Verzeichnis der Bucherscheinungen des Autors, Literatur-Verzeichnis, Register, Biographie.
„Wie stand der schweigende Lucas Cranach d.Ä. zur Reformation?“
Die Wahrheit kommt nun an den Tag.
Veritas numquam latet.
(Die Wahrheit ist niemals verborgen.)
De Waerheyt is van outs een dochter van den Tijt.
(Die Wahrheit ist von alters her eine Tochter der Zeit)
„Lucas Cranach d.Ä. ist an der Humanisten-Tischrunde in Wittenberg nicht zu entdecken.“
(Gedruckt zu Frankfurt am Main im Jahr 1568)
Es sitzen am Tisch:
D. Martin Luther,
Philip Melanchton,
D. Caspar Creutziger,
D. Iust…us Ionas,
D. Paulus Eberus,
M. Vitus Dietrich,
D. Ioannes Bugenhagen,
D. Ioannes Forster.
[Abb. 1] „ Die Kreuzigung mit der Allegorie der Erlösung. “Malerei von Lucas Cranach d. Ä. und seinem Sohn Lucas d. J. in der Stadtkirche zu Weimar (F.R. 434). Reproduktions-Radierung in: Hofrath Meyer (1817), Tafel 9.
Im aktuellen Sinne rückt das Bild „Die Kreuzigung mit der Allegorie der Erlösung“ [Abb. 1] (in der Weimarer Stadtkirche [Abb. 2,3], „Friedländer, Rosenberg Nr. 434“: F.R. 434 [Anm. 1]). entworfen von Lucas Cranach d.Ä., gemalt von Lucas Cranach d. Ä. (?) und seinem Sohn Lucas Cranach d. J., durch zwei Jubiläen in das gegenwärtige Interesse:
Zum einen jährt sich der Geburtstag von Lucas Cranach d. J. (der jüngere Sohn von Lucas Cranach d. Ä. [Abb. 4] und seiner Ehefrau Barbara, geb. Brengbier) geboren zu Wittenberg am 4. 10. 1515 [Abb. 5, 6], in diesem Jahr zum fünfhundertsten Male.
[Abb. 2] Die Stadtkirche/Herder-Kirche zu „St. Peter & Paul“ in Weimar. Lithographie, zwischen 1831 (Errichtung des Herder-Brunnens) und 1850 (Errichtung des Herder-Denkmals).
[Abb. 3] „Der Herderplatz in Weimar“ Stahlstich nach 1850 (mit Herder-Denkmal).
Zum anderen jährt sich Martin Luthers [Abb. 7] Anschlag der 95 Thesen gegen den Ablasshandel [Abb. 8, 9] an das Portal der Schlosskirche zu Wittenberg [Abb. 10] am 31. Oktober 1517, und damit der Beginn der Reformation, demnächst in zwei Jahren, 2017, auch zum fünfhundertsten Male.
In diesem Bild „Die Kreuzigung mit der Allegorie der Erlösung“ (F.R. 434) treffen beide Ereignisse in einem monumentalen Bild zusammen: das lutherische Glaubensbekenntnis und das künstlerische und malerische Schaffen von Vater und Sohn Cranach um 1553
Es wird gesagt „Zu Philipp Melanchthon hatte Cranach enge Beziehungen, denn dieser interessierte sich doch mehr als Luther für das künstlerische Schaffen des Meisters. Der große Humanist […] gab zu bestimmten Themen, zu denen Cranach und seine Werkstatt Illustrationen herzustellen hatten, Ratschläge in Form von kleinen Skizzen. “ [1] Da aber Melanchthon das Werk Cranachs als „schlicht und gefällig“ darstellte [2], sei dieses Urteil für eine engere Beziehung beider hinderlich gewesen. – Ungeachtet derartiger Beziehungsprobleme zwischen Luther (der sich weniger für Cranachs Kunst interessierte, s.o.) und Cranach und zwischen Melanchthon (der sich eher für Cranachs Kunst interessierte) und Cranach soll folgend Cranachs Werk nun (unabhängig von zeitgenössischen Wertungen) hauptsächlich unter der neu gewonnenen (kunstwissenschaftlichen) Einsicht in die Aussageebene der Verborgenen Geometrie gesehen werden, um die „inhaltliche Frage nach dem Sinn“, den Cranach dem Bild verliehen hatte, zu klären: Im Bild ist die Verborgene Geometrie deutlich und ausführlich enthalten, welche von der „Königlichen Kunst der Einweihung“ (verborgen-geometrisch und buddhistisch) spricht [s.im Anhang die Einführung in die Verborgene Geometrie, A,6.].
[Abb. 4] „Lucas Cranach“ der Ältere, mit Familien-Wappen von 1508. Lithographie.
[Abb. 5] „Wittenburg“ Holzschnitt, stilistisch und topographisch äußerst ähnlich dem Holzschnitt von Wittenberg um 1558 aus der Cranach-Werkstatt, abgebildet in: Kühne, S. 14. Die Bezeichnung „Wittenburg“ erscheint auch auf der ältesten Stadtansicht um 1537, einem Aquarell eines unbekannten Malers [in: Grimm, S. 224].
Weitere zu untersuchende Fragen sind die nach der „Autorenschaft“, die zum einen auf die Entwurfsarbeit (der Verborgenen Geometrie der „Königlichen Kunst“) zu beziehen ist und die zum anderen auf die malerische Ausführung des Entwurfes zu beziehen ist. Diese Frage wird in der Literatur (gemäß der sich noch nicht durchgesetzten Erkenntnis von der „Königlichen Kunst der Einweihung“ nicht in der hier vorgetragenen Differenzierung nach (gemaltem) Bild und (verborgen-geometrisch konstruiertem) Kunstbild behandelt.
[Abb. 6] Der Marktplatz von Wittenberg mit Rathaus und Pfarrkirche St. Marien. Holzstich, um 1880.
[Abb. 7] „D. Martin Luther“, radiert von Friedrich Fleischmann (1791, Nürnberg - 1834, München) in Punktmanier (einer Art der Ätzung).
[Abb. 8] „Der päpstliche Ablaßßkrämer Tetzel wird durch den Unfug, den er mit seinem Ablaßkram zu Jüterbock treibt, die Veranlassung Luthers frommen Eifer für die reine Lehre der Evangelien aufzuregen.“ Radierung (Ausschnitt), Entwurf von Georg Emanuel Opiz (1775, Prag – 1841, Leipzig).
[Abb. 9] „Statuten des Diözesanvereins zum Dombau in Linz. […] Linz den 16. Juli 1855. Franz Joseph, Bischof.“, z.B. § 8: „ Die Mitglieder können der Ablässe theilhaft werden, welche man vom heiligen Stuhle für sie erbittet, und seiner Zeit bekannt geben wird.“
Weiterhin wird in der Literatur jene Frage nach einer Neigung von Cranach d. Ä. zu einer „Gedankenkunst“ gestellt aber nicht erläutert, welche Frage nun mit der Darstellung der verborgen-geometrischen Konstruktion des Kunst-Bildes (naheliegend) positiv gesehen werden kann.
Auch soll die Frage nach der Darstellung einer „Gerechtwerdung“ im Bild wie im Kunstbild geklärt werden.
Diese Fragen sollen mit ihren Antworten aufgespürt, behandelt und abgelesen werden:
A) Außer an den gängigen, den Bildthemen gegebenen literarischen Bedeutungsverleihungen nach den biblischen und konfessionsbedingten Glaubenssätzen (Dogmen),
B) soll also das Bildwerk mit seiner bildgegenständlichen Komposition, auch mit deren Geometrie (wenn eine besondere vorhanden ist) untersucht werden,
C) wie auch das Kunstbildwerk mit seiner Verborgenen Geometrie (und den darin enthaltenen Einweihungswegen) analysiert werden soll.
Zum Kennenlernen der Fähigkeit und Eigenart, eine Verborgene Geometrie für ein Bildthema zu entwerfen seitens des Vaters und des Sohnes, werden die Kunstbilder „Sündenfall und Erlösung“ (1529, Gotha, Landesmuseum, F.R.221) von Lucas Cranach d. Ä. und die „Caritas” [um 1537, Hamburger Kunsthalle, Inventar-Nr. 299] von Lucas Cranach d. J. verborgen-geometrisch analysiert.
Die Ergebnisse der Untersuchungen der Verborgenen Geometrie mögen den Kunstbildern (mit enthaltener Verborgener Geometrie), die als „Reformationsbilder” auftreten [hier: „Sündenfall und Erlösung“ (F.R. 221) und „Die Kreuzigung mit der Allegorie der Erlösung“ (F.R. 434)] über den Status von Illustrationen vorgegebener Texte (hier: Dogmen) hinaus neue Inhalte zuführen (nämlich die buddhistische Ausrichtung der Verborgenen Geometrie), wodurch ihr Charakter als „Reformationsbilder“ geändert wird, – was zu beachten sein wird.
Es wird gezeigt werden, dass die Verborgene Geometrie das „Wort Gottes“ und sein „wirkendes Wort“ kennt, das Sein Wirken auf dem Weg der Intuition dem Gotteskind zuträgt und so den (jeden) Heiland hervorzubringen vermag.
Das Kunstbild „Die Kreuzigung mit der Allegorie der Erlösung“ (F.R. 434) zeigt im Bild über das biblische Geschehen hinausgehend die Persönlichkeiten des Martin Luther und des Lucas Cranach d.Ä., die für die beiden Sprachen „biblische Wortsprache Luthers“ (lutherisch-kirchliche Dogmen) und „verborgen-geometrische Zeichensprache“ (urreligiös-buddhistisches Einweihungs-Geschehen) stehen, wobei die geometrische Zeichensprache das Entstehen der Gnade der Vervollkommnung des Suchenden und die Gnade der göttlichen Zuwendung im Zusenden der göttlichen Intuition und in deren Aufnahme anschaulich erkennen lässt. – Es wird zu sehen sein.
Auch sei noch angemerkt, dass die „Caritas“ bereits Gegenstand früherer geometrischer Untersuchungen war (in den Jahren 2003 und 2008/ 2009) und nun teilweise in neuer Auslegung vorgestellt wird, was dem Umstand geschuldet ist, dass die verborgen-geometrische Erforschung der Kunstbilder eine neue Wissenschaft (eine erst allgemein zu begründende „Wissenschaft der >Königlichen Kunst der Einweihung< in Kunstbildern“ eben einer „neuen Kunstwissenschaft“) darstellt, die der Autor erst seit etwa 30 Jahren erforscht, seitdem er die hierfür nötige Voraussetzung dank seiner eigenen bauhütternmäßigen/ freimaurerischen Einweihung (1984–1991) erworben hat [s. die Biographie im Anhang: A,10.], – deren Anwendungen auf die Kunstbild-Analyse eben (angesichts von deren Neubeginn) von besonderen Schwierigkeiten (der Arbeit mit „vielen gleichzeitig auftretenden Unbekannten“) begleitet waren.
[Abb. 10] „Die Schloss-Kirche zu Wittenberg“ Holzstich um 1880.
Es wird empfohlen, zunächst im Anhang die „Einführung in die Verborgene Geometrie“ [A, 6.] zu lesen, sowie die „Definitionen“ [A, 4.] und die „Abkürzungen“ [A, 5.].
[Abb. 11] „Chur-Fürst Friedrich, der Dritte oder Weise.“ Radierung von Andreas Nunzer, Nürnberg (tätig um 1725, 1740).
[Abb. 12] „Chur-Fürst Johannes, der Aeltere und Beständige.“ Radierung von Andreas Nunzer, Nürnberg (tätig um 1725, 1740).
[Abb. 13] „Chur-Fürst Johann Frjedrich, der Erste, Aelteste, Großmütige.“ Radierung von Andreas Nunzer, Nürnberg (tätig um 1725, 1740).
Zu Cranachs Leben und Werk:
Thieme/ Becker schreiben über Cranach:
Lucas Cranach d. Ä., genannt nach seinem Geburtsort Kronach im bayerischen Kreis Oberfranken, geb. 1472, gest. 16.10.1553 in Weimar. Zu Anfang des Jahres 1505 ließ er sich als Hofmaler des sächsischen Kurfürsten Friedrichs d. Weisen in Wittenberg nieder. Er heiratete Barbara Brengbier aus Gotha, die 1541 starb. Sein Wappenbrief ist vom 6.1.1508 datiert. Cranach diente als Hofmaler den sächsischen Fürsten Friedrich dem Weisen (er regierte als Kurfürst 1486–1525) [Abb. 11], Johann dem Beständigen (er regierte als Kurfürst 1525–1532]) [Abb. 12] und Johann Friedrich dem Großmütigen (er regierte als Kurfürst 1532–1547, dann als Fürst 1552–1554) [Abb. 13]. Er stand Luther freundschaftlich nahe und war ein treuer Anhänger der neuen Kirchenlehre. 1519 Mitglied des Wittenberger Rates, 1537 und 1540 Bürgermeister. 1520 erwarb er die Apotheke in der Nähe des Marktes. Erst 1550 begleitete er den 1547 gefangenen Fürsten Johann Friedrich nach Augsburg und Innsbruck [nach dessen verlorenem Kampf auf Seiten des Schmalkaldischen (lutherischen) Bundes gegen die Truppen des (katholischen) Kaisers Karl V.] in die Gefangenschaft. Von 1552 [nach seines Fürsten Freilassung] bis zu seinem Tode [1553] lebte er bei seiner Tochter Barbara und ihrem Mann Gregor Brück in Weimar. Seine Söhne Hans und Lucas d. J. waren ebenfalls Maler und in seiner Werkstatt tätig. [1] Kühne (1993):
„Auch zu Philipp Melanchthon [wie ebenso zu Luther] hatte Cranach enge Beziehungen, denn dieser interessierte sich doch mehr als Luther für das künstlerische Schaffen des Meisters [Abb. 14, 15]. Der große Humanist sammelte selbst Holzschnitte von Dürer und gab zu bestimmten Themen, zu denen Cranach und seine Werkstatt Illustrationen herzustellen hatten, Ratschläge in Form von kleinen Skizzen.“ [2]
„Lucas Cranach schloss sich dieser Bewegung [der Reformation] an und wurde zum künstlerischen Repräsentanten der lutherischen Reformation.“ [3]
Hinz, 1993 (zu F.R. 434):
„Dieselbe Ursache, die den Söhnen die frei Hand verwehrte, scheint auch für das insgesamt anonyme Milieu der Cranach-Werkstatt im engsten wie auch im äußeren Kreis wirksam gewesen zu sein. Statt auf eine Authentizität der einzelnen Hände [der malerischen Handschriften] wurde offenkundig Wert gelegt auf eine Authentizität der Werkstatt, der sich auch der Meister unterwarf: Stil, Themen, Ikonographie und Kolorit waren in einem sonst unbekannten Maße standardisiert. […] Für ständige Neuerungen fehlte es an Anlaß, da Anregung und Wettbewerb als Innovations- und Entwicklungsgründe ausfielen. Ferner hatte Cranach in seinen späteren Jahren nur selten Gelegenheit zur Berührung mit hochrangigen Künstlern und lebendigen Kunststätten gehabt.“ [4]
„Die künstlerische Leistung verlagerte sich vom Erfinden aufs Variieren.“ [5]
„Die Gemäldeauffassungen seit etwa 1520 konzentrieren sich […] auf das gesprochene Wort Christi […]. Der Gegenstand [der Ehebrecherin] bot sich für die lutherisch inspirierte Bildwelt als eine Absage an die Selbstgerechtigkeit und als Beleg der alle Werkheiligkeit [Gerechtwerdung durch Erfüllung des Gesetzes durch gute Werke] überwältigenden Gnade Gottes [Gerechtwerdung allein durch den Glauben] an.“ [6]
[Abb. 14] „Philipp Melancthon.“ nach Albrecht Dürer (1471 – 1528), gestochen von William Holl (1807 – 1871, London).
[Abb. 15] „Lucas Cranach.“ (d. Ä.) Strichätzung, nach dem einzigen Selbstporträt Cranachs mit der Aufschrift „Aetatis suae LXXVII, 1550“ (seines Alters 77, 1550), Florenz, Uffizien. (Einziges Selbstbilnis ohne Beachtung von Assistenzfiguren mit Selbstbildnissen.)
„Die verbliebenen Bildbedürfnisse des Protestantismus konnte Cranach um so eleganter und eingängiger befriedigen, als und solange er frei blieb von hintersinnigen, zumal didaktisch-dogmatischen Ansprüchen. Seine Neigung folgte immer williger seinem Talent zu Bildern freundlicher Geselligkeit.“ [Anm: Satyrfamilie, Göttinnen vor Paris, Kindesmütter beim Heiland] [7]
„Das ebenso klassische wie subordinierende Kompositionsschema des Dreiecks […] sucht man bei Cranach, wenn er nicht respektable Altartafeln zu malen hatte, zumeist vergebens.“ […] Ausgeklügelte Konzepte und Gedankenkunst waren Cranachs Sache ohnehin nicht weshalb er, unbeschadet der persönlichen Beziehungen, kaum zum veritablen humanistischen Milieu zu zählen ist, sosehr dies auch in der Cranach-Literatur immer betont wird. […] Des Reformators zentrales Thema, die >Rechtfertigung des Sünders durch den Glauben<, ist zur Zeit der Abfassung des Katechismus 1529 zuerst verbildlicht worden (z.B. F.R. 221).“ [8]
Lohner/ Erichsen (o.J.; um 1994):
„Als hochgeachteter Bürger saß er [Cranach d.Ä.] von 1519 bis 1543 regelmäßig im Stadtrat und versah ab 1537 dreimal das Amt des Bürgermeisters.“ [9]
Es wurden von der Cranach-Werkstatt (ab 1529) neue Lehrbilder zum Thema >Gesetz und Gnade< verbreitet, die den Kern der lutherischen Rechtfertigungslehre erläuterten: „Die Erlösung des sündigen, vom Gesetz des Alten Testaments verdammten Menschen durch die Gnade des Todes Christi.“ [10]
Lucas Cranachs Malerei und Luthers reformatorische Gedanken seiner „Rechtfertigungslehre“ kommen im Bild „Die Kreuzigung und die Allegorie der Erlösung“ (F.R. 434) zusammen, sie bilden eine späte bildhafte Zusammenfassung beider Lebenswerke und sollen erneut untersucht werden (in Cranachs d.Ä. Kunstwerken F.R.221 und F.R. 434) nach der neu erschlossenen Methode der Verborgenen Geometrie.
Eine verborgen-geometrische Ergründung der Aussagen jenes Kreuzigungs-Bildes (F.R. 434) soll nicht nur seine bisher noch verborgene Botschaft (was an ihr noch verborgen ist) ans Licht bringen und möglicherweise bisherige Aussagen über das Bild korrigieren, sondern auch zugleich Hinweise auf die Autorenschaft dieses Gemäldes [F.R. 434] und auf die Zeit seiner Entstehung geben:
1. Wenn das Altarbild (die mittlere Tafel) als eine Verehrung Lucas Cranachs d. Ä. für Martin Luther nach dessen Tod am 18. Februar 1546 entstanden sein soll, so wird es nach dem 18. Februar 1546 zu malen begonnen worden sein.
2. Wenn das Altarbild (die mittlere Tafel) als eine Summe des Lebens des Lucas Cranach d.Ä., als eine abschließende Selbstdarstellung nach seiner Rückkehr (im September 1552) aus der mit seinem Landesherrn ertragenen Gefangenschaft, anzusehen ist, dann wird es möglicherweise im Entwurf schon während der Gefangenschaft, nach der Freilassung aber wohl in der Ausfuhrung nach dem 26. September 1552 (beginnend) entstanden sein.
3. Wenn die Seitenflügel des Altars, die im linken Johann Friedrich den Großmütigen und seine Gemahlin Sibylle von Cleve und im rechten deren drei Söhne (Johann Friedrich der Mittlere, Johann Wilhelm und Johann Friedrich der Jüngere), und nicht den am 19. Februar 1553 gestorbenen Sohn, Prinz Johann Ernst, zeigt [1], so können die Seitenflügel erst nach dem 19. Februar 1553, zu malen begonnen worden sein.
4. Wenn das Altarbild (die mittlere Tafel) als eine Verehrung Lucas Cranachs d. J. für seinen verstorbenen Vater Lucas Cranach d.Ä. nach dessen Tod (am 16. Oktober 1553) entstanden sein soll, so wird es frühestens nach dem 16. Oktober 1553 zu entwerfen und zu malen begonnen worden sein.
5. Wenn das Altarbild (mit den Seitenflügeln), das 1555 abgeliefert wurde, als Auftrag der Söhne des am 3. März 1554 verstorbenen Fürsten Johann Friedrich des Großmütigen gelten soll, so wird es frühestens nach dem 3. März 1554 (also nach dem Tod von Lucas Cranach d. Ä. 1553) zu malen begonnen worden sein.
Es folgt eine Abwägung dieser fünf Möglichkeiten:
Zu 1.: Ein Beginn der Komposition der Verborgenen Geometrie im Zusammenhang mit der Komposition des Bildes durch Lucas Cranach d. Ä. wie auch durch Lucas Cranach d. J. ist bezogen auf Luther nach 1546 denkbar. Eine Verifizierung könnte die inhaltliche Aussage der Verborgenen Geometrie bringen, wenn sie positive Aussagen über Luther enthält. Wenn dagegen abträgliche Aussagen über Luther in der Verborgenen Geometrie erscheinen, ist diese Annahme eines Beginns nach 1546 zu Ehren Luthers zu verwerfen. – Im Vorgriff auf die [unten erzielten] Ergebnisse kann eine Verehrung Luthers ausgeschlossen werden.
Zu 2.: Lucas Cranach d. Ä. schuf bildgegenständlich gesehen ein Reformationsbild mit den antithetischen Positionen von „Gesetz/ Sünde und Glaube/ Gnade“, hingegen verborgen-geometrisch gesehen [s. u.] eine buddhistische Darstellung einer Einweihung. Angesichts seiner schwindenden Kräfte (und im Bewusstsein einer letzten darzustellenden Lebenssumme) kann diese Sicht angenommen werden. Ob sein Sohn Lucas Cranach d. J. die anti-refornatorischen Aussagen der Verborgenen Geometrie [s. u.] aus eigenem Antrieb verursacht und vertreten hat oder hätte, darf bezweifelt werden.
Zu 3. und 5.: Da die Seitenflügel motivisch (mit Vorhang bzw. Tapete im Hintergrund) und stilistisch (ohne Tiefenraum und als Figuren-Reihung) nicht zu dem Hauptbild passen, kann angenommen werden, dass diese nicht im Zusammenhang des ursprünglichen Vorhabens, die Haupttafel anzufertigen, zu sehen sind.
Zu 4.: Diese Annahme setzt voraus, dass Lucas Cranach d. J. fähig war, die Verborgene Geometrie der Altartafel selbständig (ohne Hilfe des Vaters) zu entwerfen. Hierzu wäre es nötig, alle Bilder/Kunstbilder von Lucas d.J. analysiert zuhaben, um erkennen zu können, dass er dazu in der Lage war. Dieses kann zur Zeit noch nicht beurteilt werden. Es ist beim 2. Punkt auf mögliche Hinweise zu achten.
Zur Lösung der Frage nach dem zeitlichen Beginn und nach der Autorenschaft bietet sich zur Zeit an, die Verborgene Geometrie jener Altartafel zu ergründen und nachzusehen, ob zuträgliche oder abträgliche Aussagen über Luther gemacht werden, – wobei mit beachtet werden kann, ob Hinweise auf Lucas´ d. J. Arbeit zu erkennen sind.
Gemäß der oben angesprochenen Dreischichtigkeit einer Interpretation von Kunstbildern
soll der Reihe nach mit den (hier hauptsächlich) literarischen Benennungen der Dogmen begonnen werden.
Hofrath H. Mever, 1817 (zu F.R. 434):
„Das Altarblatt von Lukas Kranach dem älteren, in der Stadtkirche zu Weimar. [s. Anhang 1 (A1,) Anmerkung/ Anm. 1] […] Auf dem Altargemälde sieht man, in der Mitte, den Erlöser am Kreuz, zur linken Hand eben denselben, aus dem Grabe auferstanden. Unter seinen Füßen liegen Tod und Teufel bezwungen. Gegenüber, zur Rechten, steht Johannes der Täufer, welcher auf das Kruzifix zeigt, und auf das Lamm unter dem Kreuze, welches auf sich nimmt die Sünden der Welt. Neben Johannes hat Lukas Kranach sich selbst abgebildet; ein Strahl des versöhnenden Blutes ergießt sich, aus der Seite des Gekreuzigten, auf des Künstlers Haupt; und neben ihm, zu äußerst in dem Bilde, steht Dr. Luther in priesterlicher Kleidung, mit offenem Buche in der Hand; auf dessen Blättern verschiedene biblische Stellen stehen, die sich auf die Erlösung, durch Christi Blut, beziehen.
In einiger Entfernung hinter dem Kreuze, zeigen sich ungefähr Fuß hohe Figuren: Tod und Teufel stoßen einen nackten Mann in den Höllenpfuhl; Moses deutet auf die Gesetzestafeln [Abb. 16]. Vier andere Männer stehen um ihn her. Einer derselben, in Purpur und Hermelin gekleidet, ist vielleicht David: die übrigen sind durch kein Attribut ausgezeichnet. Weiterhin stellte der Künstler mit – nach Verhältnis – kleineren Figuren die Geschichte von der ehernen Schlange dar [Abb. 17], und wenig ferner auch die Hirten, denen die Geburt Christi verkündet wird.
Auf dem Bilde selbst sind unstreitig Kranach und Luther die verdienstlichtsten Figuren im ganzen Bilde, und stehen als charakteristische Darstellungen, wie man füglich behaupten mag, in der ersten Reihe vortrefflicher Kunstwerke. Der von dem Künstler den Bildern mitgetheilte Lebenshauch, gibt denselben gleichsam Wirklichkeit und Daseyn. Die Kunst wird vergessen, ihr Werk scheint wirklich sich vor unseren Augen zu bewegen, und dem Beschauer entgegen zu treten.
[Abb. 16] Moses mit den Gesetzestafeln. Radierung (Merian-Bibel?).
Luther ist durchaus noch wohl erhalten. Kranach hat einige schadhafte Stellen. Seine andächtig gefalteten Hände können für ein Meisterstück natürlicher Darstellung gelten.
Das Gemälde hat des Künstlers bekanntes Zeichen, und es wurde nach dessen Tode [Anm. 1553], 7555 in der Kirche aufgestellt.“ [2]
Friedländer/ Rosenberg, 1979 (zu F.R. 434):
„[…] Johannes der Täufer weist den Betenden auf das Kruxifix hin. Links Christus als Überwinder von Tod und Teufel. Im Hintergrund die aus früheren Erlösungsallegorien (Nr. 221) bekannten Szenen […]“ [3]
„Die verschiedenen urkundlichen und die stilistischen Anhaltspunkte ergeben mit größter Wahrscheinlichkeit, dass der Altar erst nach Cranachs Tode (1553) von Johann Friedrich dem Großmütigen dem jüngeren Cranach in Auftrag gegeben wurde […].“ [4]
„Als letztes Hauptwerk Lucas Cranachs wird in der Literatur gewöhnlich die große Allegorie der Erlösung in der Stadtkirche zu Weimar [F.R. 434] angesprochen. Schon der Umstand, dass der alte Cranach selbst als Hauptfigur unter dem Kreuz neben dem damals [1546] schon verewigten [verstorbenen] Luther erscheint, während sein Fürst dessen Familie auf den Seiten als Stifter knien, schließt es aus, dass Cranach selbst den Entwurf in dieser Form bestimmt habe.“ [5]
„Abgesehen von den Fragen, ob und in welchem Grade Cranach der Vater an dem Entwurf und der Ausführung des Weimarer Altares beteiligt war, steht dieses Werk als imposanter Abschluss seiner Wirksamkeit uns vor Augen, erfüllt von seinem Geiste, zugleich ein Denkmal, das die sächsischen Fürsten dankbar dem treuen Diener, dem Maler ihres Hauses, errichtet haben.“ [6]
Hinz (1993):
„Bei Cranach, der sich im übrigen nur marginal abbildete, hat es den Anschein, er habe die Nachwelt mit diesem magistralen Bilde ein für allemal festlegen wollen auf eine Bewertung, mit der er ebenbürtig neben Luther treten konnte. In diesem Habitus [Anm. Erscheinungsbild] steht er auf dem Wittenberger Altar von der Hand seines Sohnes (F.R. 434) neben dem Reformator in Lebensgröße unter dem Kreuz, begnadet durch den Blutstrahl aus der Seitenwunde des Erlösers, wodurch sein weltliches Leben vor der Ewigkeit vergeben und vergessen gemacht ist.“ [7]
Schuchardt 1994 (zu F.R. 434):
„Das >beste Malwerk< der spätesten Schaffensperiode Lucas Cranachs d. Ä., der Altar für die Weimarer Stadtkirche, kann als monumentale Zusammenfassung des künstlerischen Schaffens und der Auseinandersetzung mit dem lutherischen Glaubensbekenntnis – auch noch sechs Jahre nach dem Tod des Reformators – gelten, [s. Anhang 1 (A, l.) Anm. 1] Das Hauptbild des Altars ist als Weiterentwicklung und Zusammenfassung der evangelischen Dogmenallegorie Cranachs und seiner Werkstatt, wie sie uns auf dem Gothaer Gemälde >Verdammnis und Erlösung< [s. Anhang 1 (A1,) Anm. 2] begegnete, zu begreifen.
Die einzelnen Szenen des Alten und des Neuen Testaments finden sich auch hier [in „Die Kreuzigung mit der Allegorie der Erlösung“], jedoch nicht in dieser vordergründig erklärenden und belehrenden Form, sondern in einer künstlerisch überzeugenden Bildkomposition. Anstelle des Baumes der Erkenntnis gliedert der Kruzifixus das Bild. Alttestamentliche Szenen treten in den Hintergrund. Christus als Sieger über Tod und Teufel wird Johannes gegenübergestellt, der Luther und Cranach d. Ä. auf den Gekreuzigten hinweist. Alles konzentriert sich auf das Wesentliche des Inhalts, das erlösende Blutopfer und die Auferstehung Christi. In Luthers aufgeschlagenem Buch ist an vorderster Stelle der erste Satz aus dem 5. Kapitel des Hebräerbriefes zu lesen: >Darum lasset uns herzutreten mit Freudigkeit zu dem Gnadenstuhl, auf daß wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden auf die Zeit, wenn uns Gnade not sein wird.<. Bei aller dogmatischer Aufgabenstellung werden die Landschaft, die authentischen Gewächse des Hauptbildes und der Flügelrückseiten, oder die Tiere, die Hirsche, Hunde, Schafe, nicht vernachlässigt, sondern erreichen meisterhafte Wiedergabe und schließen den Kreis von den frühen Landschaftsdarstellungen unter direktem Einfluß der Malerei an der Donau [die „Donauschule“] bis zum letzten Pinselstrich.
Gleichzeitig ist der Weimarer Altar bestes Beispiel für die Zusammenarbeit von Vater und Sohn in einer bis dahin nicht gekannten Werkgemeinschaft. Begonnen wurde frühestens Ende September 1552, nachdem Cranach d. Ä. Wohnung bei seiner Tochter genommen hatte, auch wenn die geistig-schöpferische Vorarbeit durchaus während Lucas ‘freiwilliger Teilnahme an Johann Friedrichs Gefangenschaft geleistet worden sein kann. Lucas der Jüngere kam mit seiner Familie um das Jahresende nach Weimar [1552], als die Pest in Wittenberg grassierte. Bis in den Februar des Folgejahres arbeiteten sie sicher gemeinsam an den Tafeln. Inwieweit Cranach d. Ä. in den letzten Lebensmonaten bis zu seinem Tod am 16. Oktober 1553 allein weitermalte, weiß man nicht. 1555 jedenfalls hatte der Sohn das Altarwerk vollendet und am Kreuz der Mitteltafel datiert. Entstanden war ein Epitaph für den Vater, den der Blutstrahl aus der Seitenwunde Christi trifft; die herzogliche Familie begleitet das Geschehen von den Seitenflügeln aus. Johann Friedrich hatte Veranlassung zum Glaubensbekenntnis, als er nach dem Schmalkaldischen Krieg und der Wittenberger Kapitulation 1547 der Kurwürde und der persönlichen Freiheit beraubt war. Die linke Tafel zeigt ihn mit seiner Gemahlin Sibylle von Cleve. Auf dem rechten Flügel beten die Söhne des Herzogs den Kruzifixus an. Die Flügelrückseiten, der geschlossene Zustand des Altars, schildern Anfang und Ende des Erdendaseins Christi: die Taufe und die Himmelfahrt. Die Predella [der Altarunterbau] birgt eine lateinische Widmungsinschrift der Söhne des Herzogs.“ [8]
[Abb. 17] Die Anbetung der ehernen Schlange. Radierung (Mortimer-Bibel).
Lohner/ Erichsen, (um 1994) (zu F.R. 434):
„Der große Hauptaltar (1555) der Stadtkirche St. Peter und Paul (Herderkirche) wurde von Lucas d. J. gemalt. Die Kreuzigung im Mittelbild verweist auf die Erlösung der Menschen durch den Kreuzestod Christi. Unter dem Kreuz stehen Luther und Cranach d. Ä., denen der Maler [Anm. hier vorgeblich allein Lucas Cranach d. J.] hier ein Denkmal gesetzt hat […]“ [9]
Asshoff(2014):
„Eine Gestalt, wie der Gekreuzigte mit einem Lendentuch bekleidet, läuft mit emporgerissenen Armen, voller Angst, ja, Panik, auf eine Felsspalte zu, aus der Flammen züngeln. Verfolgt wird diese Gestalt durch Tod und Teufel. […]
Doch wer ist diese Gestalt? Es ist Adam, der Mensch. Der Mensch in seiner sündhaften Verstrickung, der Mensch, den Tod und Teufel in das Höllenfeuer jagen, der Mensch, der sich bewusst ist, dass er aus sich heraus nichts vermag, der Mensch, der angesichts der Forderungen des Gesetzes aus eigener Kraft keinen Ausweg mehr weiß.“ [10]
„Das Bild hinterlässt viele Rätsel. […] Was ist die Idee, die alles zusammenhält? […] Mit dem Zeigefinger weist er [Luther im Bild] auf Hebräer 4,16: > Darum lasset uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben<.
Der Thron der Gnade ist der Gnadenstuhl. >Der Begriff Gnadenstuhl ist eine Wortschöpfung Luthers in seiner Bibelübersetzung<. Im Allgemeinen wird dieser Begriff für die Darstellung der Dreieinigkeit verwendet. Auf dem Altarbild ist der Gnadenstuhl durch das Kreuz versinnbildlicht.“ [11]
„Die zweite Schriftstelle, auf die Luther hinweist, lautet: >Das Blut Jesu, seines Sohnes, mache uns rein von aller Sünde< (1 Joh 1,7b)“. [12]
„Im Hintergrund, im Schatten des Kreuzes, weist Moses auf das >Gesetz<, im Vordergrund, neben dem Kreuz, weist Luther auf das Evangelium, auf die Botschaft der >Gnade<. Das >Gesetzt< bleibt existent, aber es wird durch die Botschaft der >Gnade< neu qualifiziert; deshalb darf der Mensch in Not mit Zuversicht vor den Thron der Gnade treten.“ [13]
Grebe (2015):
„Luther deutet auf eine Stelle in seinem Buch, in der es um die im Kreuzestod Christi offenbarte Gnade Gottes geht. Dank Christi Opfertod, so die Aussage des Bildes, kann der von Tod und Teufel gejagte Mensch Frieden und Gnade finden. Mit seiner komplexen wie eindrücklichen Bildformulierung lässt sich der Weimarer Altar als gemalte Theologie der Erlösung verstehen.“ [14]
Das Kunstbild ist am Kruzifix unterhalb des Gekreuzigten signiert mit dem Wappentier Cranachs [s. Abb. 4]: „> […] mit Namen ein gelen [hellgelbes] Schild, darinnen eine schwarze Schlange, hebend in der Mitte zwei schwarze Fledermausflügel, auf dem Haupt eine rote Krone und in dem Mund ein gülden Ringlein, darinnen ein Rubinsteinlein, und auf dem Schild einen Helm […] also, daß er [Lucas Cranach d. Ä.] und seine ehelichen Leibeserben […] in ewige Zeit dasselbe […] gebrauchen und genießen mögen<.“ [15]
Allerdings zeigt das Wappentier der „Caritas“ hier „anstatt der steilen Fledermausflügel von denen der Wappenbrief von 1508 spricht, die >liegenden< Flügel eines Vogels“ [15b], wohl in Folge des Todes des Hans Cranach [16] am 9.10.1537 [17].
„Der Rubin entspricht nach Rudolf Steiner dem >höheren Organ des Gehirns <: der reinen Intuitionskraft.“ [18] Danach wird mit dem Wappentier programmatisch gesagt, dass in der Cranach-Werkstatt die reine göttliche Intuitionskraft zur Wirkung komme, dass Darstellungen von Einweihungs-Mysterien zur Erreichung dieser einstrahlenden Intuition zu erwarten seien, – welche Ansicht unterstützt wird durch die rote Krone, einer „Krone des ewigen Lebens“ [19], die als „rote“ die Triebgewalt und Leidenschaften des roten Blutes (der roten Blutlanze [20]) überwunden habe (wie der „rote Ritter“ Parzival [21]). Dagegen bedeutet die schwarze Schlange eine, die in ihrer Schwärze „erst auf das volle Untertauchen des höheren Menschen in die Erdenverkörperung hindeutet“ [22], wie auch die Schlange altägyptisch die Schlange Apep oder Apopis die Begierden in der materiellen Welt verkörpert [23], durch deren Tiefen der Leidende (in sich) gehen muss, um diese (Begierden) zu überwinden und um gereinigt aufzusteigen.
Derart wird im Wappen Cranachs vom Mysterium eines Einweihungsweges gesprochen mit dem vollen Untertauchen in das Irdische und Dunkle, mit dem Überwinden der Triebwelt und dann zu einer Öffnung zur spirituellen Welt und ihrer Kraft der Intuition zum Erreichen des Ewigkeitswertes der „Krone des ewigen Lebens“. – Möglicherweise ist dieses die gesuchte Erklärung der Hieroglyphe des Wappentieres, „deren versteckte Bedeutung bislang noch nicht verläßlich dechiffriert werden konnte.“ [24]
Die Aussagen der Kunsthistoriker gründen in ihren christlichen Inhalten auf Glaubenssätzen und deren Auslegungen bezogen auf die Bibel (auf die Dogmen der Bibel [25].) Sie suchen damit primär einen literarischen Zugang zur Bildaussage, was bei christlichen Bildwerken legitim erscheint, was aber den Blick auf andere Zugangsarten zum Kunstwerk verstellen kann: eben z. B. auf bildgegenständliche, auf geometrisch-kompositorische und auf verborgen-geometrische Zugänge. Um einen alleinigen Zugang zum Bildwerk aufgrund biblisch-dogmatischer Texte und Textauslegungen nicht als selbstverständlich anzunehmen, seien folgend zunächst bei bildgegenständlicher Betrachtung einige vom Dogma abweichende Gedanken und Fragen vorgetragen:
Wie kommt das Böse ins Paradies? Wie kann das Böse am Ort der Seligkeit auf einen Seligen zugehen und diesen beeinflussen, wenn er noch keinen Gegensatz kennt, da er doch in Einheit mit sich und seiner Umgebung lebt? Ein aus dem Paradies Verstoßener lernt doch erst den (für Verbot und Erkenntnis) voraus zu setzenden Gegensatz dadurch kennen, dass er aus dem Ort der Seligkeit verstoßen wird, von diesem also entfernt leben muss. Die Bedingung der Möglichkeit von Gut und Böse, wie auch von Erkenntnis des Unterscheidbaren ist doch die Existenz von Gegensätzlichem. Dieses erfährt der Verstoßene, wenn er verstoßen wird. Die Bedingung der Erkenntnis des Verbotenen (des Gegensätzlichen) wird mit dem Vollzug der Verstoßung (mit dem Trennen und mit dem Herstellen des Gegensätzlichen) geliefert. Wie kann also die (vorausgehende) Herstellung der Erkenntnismöglichkeit durch die Herstellung von Gegensatz (z.B. Verbot) und Trennung (z.B. Verstoßung) dem (nachfolgend) Erkennenden angelastet werden? Eher wäre doch die (in Distanz und Gegenüberstellung) gegebene Ermöglichung einer Erkenntnis und einer Übertretung eines Verbotes dem Begründer von Distanz und Gegenüberstellung und Erkenntnis anlastbar.
Diese Gedanken sind natürlich dogmatisch gesehen irrelevant, jedoch können sie für einen konfessionell ungebundenen Bildbetrachter wichtig sein: So kann gefragt werden, ob alle Bildbetrachter von Cranachs Werk (F.R. 434) die darin enthaltenen Dogmen für sich anerkennen müssen, oder ob sie auch anderer Ansicht sein dürfen. Und für die wissenschaftliche Bestimmung der Botschaft dieses Cranach-Bildes ist es wichtig, nach weiteren Bildinhalten, die auch die dogmatische Auslegung übersteigen können, suchen zu können, um nach möglicherweise anderen Bezugsebenen/ Bezugssystemen/ Deutungshorizonten zu forschen. Schließlich hat Cranach nicht auf das Bild geschrieben, dass es nur eine Aussage-Ebene enthalte, bzw. dass es nur von jenen angesehen werden dürfte, die mit dem Anzusehenden übereinstimmten.
Losgelöst vom Dogma kann sogar gefragt werden, warum denn der