Abb. | Abbildung |
BaFin | Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht |
BCM | Business Continuity Management |
CSR | Corporate Social Responsibility |
EHSS | Environment, Health, Safety, Security |
FN | Fußnote |
GWG | Geldwäschegesetz |
IKS | Internes Kontrollsystem |
KR | Kreditrisiko |
KMU | Kleine und mittelständische Unternehmens |
KWG | Gesetz über das Kreditwesen |
LIBOR | London Interbank Offered Rate |
LR | Liquiditätsrisiko |
MaComp | Mindestanforderungen an Compliance |
MaRisk | Mindestanforderungen an das Risikomanagement |
MR | Marktpreisrisiko |
OpRisk | Operationelle Risiken |
WpHG | Wertpapierhandelsgesetz |
WZGE | Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik |
Unternehmen haben Corporate Social Responsibility (CSR) als Instrument des Risikomanagements bereits seit geraumer Zeit für sich entdeckt. Sie subsumieren darunter die unterschiedlichsten Maßnahmen, die alle auf ein und dasselbe Ziel gerichtet sind: auf die Reputation des Unternehmens. CSR und Reputation sind aber nur eine Verbindung zwischen Unternehmensethik und dem Umgang mit Risiken. Ein anderer, wissenschaftlich bislang noch kaum bearbeiteter Aspekt ist die Frage, wie ein Unternehmensleitbild zum Management von Risiken beitragen kann.
Das Management von Risiken mit dem Unternehmensleitbild zu verbinden, ist ein Effizienzthema. Viele Unternehmen nutzen ein Leitbild – und alle Unternehmen betreiben (mal explizit, mal eher implizit) Risikomanagement. Wenn sich ein Unternehmen also entschließt, sich ein Leitbild zu geben, kann dies mit wenigen Justierungen zusätzliche positive Auswirkungen haben, deren sich die Initiatoren selten bewusst sind. Dies ist besonders für Unternehmen aus der Finanz- und Versicherungswirtschaft von Interesse. Über kaum eine Branche wurde im Zusammenhang mit dem Thema Vertrauen in den letzten Jahren so sehr diskutiert wie über die Finanz- und Kreditwirtschaft (u. a. in Malcher, 2011).
Die Branche selbst hat das Problem inzwischen erkannt und Vertreter geben Vertrauensverlust offen zu (Jost & Seibel, 2012). Die Gründe für den Vertrauensverlust sind teils personenbezogen, teils aber durchaus strukturell. Fehlinvestitionen im amerikanischen Subprime-Markt, als überzogen wahrgenommene Vergütungen und Abfindungen für Mitarbeiter, Folgeeffekte für die gesamte Wirtschaft aufgrund der strukturellen Schwierigkeiten der Branche sowie massive Staatshilfen sind gängige Assoziationen gegenüber Banken. Kernaufgabe des Risikomanagements ist, diese Themen strukturell anzugehen, um zukünftig Derartiges zu vermeiden. Hierzu können Anregungen aus dem Forschungsfeld der Wirtschaftsethik beitragen.
Die vorliegende Arbeit untersucht folgende These:
Ein Unternehmensleitbild ist ein Instrument zum Management operationeller Risiken. Indem es das menschliche Handeln positiv beeinflusst, kann es die Schäden verringern, die aus dem Handeln aller Mitarbeiter resultieren. Auf relevante Inkonsistenzen ist unter Risikomanagementgesichtspunkten besonders zu achten, da sie aus positiven Absichten negative Effekte potenziert erzeugen.
Diese These lässt sich in einzelne Hypothesen zerlegen, die in vorliegender Arbeit abschnittsweise untersucht werden:
Anders ausgedrückt: Welche Art von Risiken können mit einem Leitbild gemanagt werden? Wie kann das geschehen? Welche Ergebnisse können erwartet werden? Welche Fehler sind aus welchen Gründen unbedingt zu vermeiden?
Zu jeder Hypothese werden (wissenschaftliche) Publikationen ausgewertet, um auf dieser Basis grundsätzliche Überlegungen anzustellen. Diese Überlegungen werden dann auf verschiedene Praxisbeispiele angewandt, die so weit wie möglich aus dem Umfeld von Finanz- und Kreditinstituten stammen. Damit finden hermeneutische, heuristische und mit Einschränkungen empirische Methoden Anwendung.
Als Kritik kann erhoben werden, dass die Beispiele nicht konsequent aus dem Umfeld eines einzigen Unternehmens stammen oder – was noch höheren Erkenntnisgewinn verspräche – in einer vergleichenden Studie eine Vielzahl von Unternehmen behandeln. Beide Ansätze sind für eine wissenschaftliche Untersuchung des Themas geeignet. Im Folgenden wird jedoch aus drei Gründen darauf verzichtet. Einerseits bietet ein einzelnes Unternehmen nicht die Gewähr, alle wesentlichen Aspekte des Themas auch tatsächlich mit einem Fallbeispiel illustrieren zu können. Selbst wenn das zuträfe, stellte sich immer noch die Frage der Repräsentativität. Gleichzeit überstiege eine vergleichende Untersuchung den Umfang, den die vorliegende Arbeit erreichen darf. Sie könnte sich daher lediglich auf eine einzelne Facette beziehen, was den Nutzwert erheblich reduzieren würde. Zu guter Letzt ist ein in der Wissenschaft nicht immer willkommener, in der Praxis der Unternehmen aber höchst relevanter Umstand zu nennen: Vertraulichkeitserfordernisse und Verschwiegen-heitspflichten. Dies schränkt den Spielraum für Forschung, mehr aber noch für Publikation, erheblich ein.
Eine unternehmensübergreifende Auswahl an Praxisbeispielen bietet einerseits die Gewähr, alle wesentlichen Aspekte illustrieren zu können. Andererseits erhöht sie das Maß an Repräsentativität zumindest bis zu einem gewissen Grad. Schließlich ermöglicht sie den betreffenden Unternehmen, anonym zu bleiben (frei recherchierbare Fälle ausgenommen), und hebt so die Einschränkungen für Forschung und Publikation auf. Dennoch ist Vorsicht geboten, will man die aus den Praxisbeispielen gewonnenen Erkenntnisse ohne Weiteres extrapolieren und auf die Kreditwirtschaft insgesamt, beliebige Teilmengen oder ganz andere Branchen anwenden. Dazu sind die einzelnen Unternehmen trotz allem zu unterschiedlich. Die Beispiele können (und sollten) aber fraglos branchenübergreifend als Ausgangspunkt für Überlegungen dienen, welche Konsequenzen sich für das eigene Handeln aus den Beobachtungen ergeben können.
An verschiedenen Stellen behandelt die Arbeit die Frage, inwieweit unterschiedliche Konzepte, Eigenschaften und/oder Überlegungen Schnittmengen zueinander aufweisen. Um derartige mengenlogische Zusammenhänge zu veranschaulichen, finden Venn-Diagramme Anwendung. Die Darstellung der Diagramme folgt Salmon (1983, S. 121-140).
Der Einfluss von Vertrauen auf Geschäftsbeziehungen wurde in den letzten Jahren zunehmend als Forschungsgegenstand entdeckt, unter anderem von Suchanek (20081; 2012; gemeinsam mit Broock, 2011).2 Er schlägt die Brücke von Vertrauen als Grundlage für Kooperationen zwischen einzelnen Akteuren hin zur Funktion von (Unternehmens-)Leitbildern. Saez (2012) untersucht mit Blick auf die Anlageberatung die Bedeutung, die Vertrauen in der Kooperationsbeziehung zwischen Banken und ihren Kunden hat, und wie verschiedene Friktionen und Informationsasymmetrien darauf wirken. In diesem Kontext stellt er auch die Verknüpfung zur Reputation der Bank her. Wohl bedingt durch den Fokus der Arbeit – Kunden und Anlageberatung – thematisiert er eine (vielleicht sogar die) wesentliche Wirkung der Reputation erst gar nicht: die Auswirkungen auf die Fähigkeit, sich unter anderem an den Kapitalmärkten oder über Kundeneinlagen zu refinanzieren.
Die Risikoforschung ist mittlerweile interdisziplinär gut etabliert. Ausgehend von den technikgetriebenen Risikodiskursen der 1980er und 1990er (Beck, 1986; Perrow, 1987; von Cube, 1990; Jungermann & Wiedemann, 1990; Luhmann, 1991; Bechmann, 1993; Otway & Wynne, 1993; Bonß, 1995) wurden insbesondere die Wahrnehmung technischer, zunehmend aber auch sozialer oder sogenannter Neuer Risiken (u. a. Kaschner, 2008) und die Kommunikation darüber untersucht.