Lust
Mittsommernacht - 8 erotische Kurzgeschichten
Übersetzt
LUST Translators
Original
Midsommarnatt - erotisk novell
Coverbild / Illustration: Shutterstock
Copyright © 2019, 2021 Katja Slonawski und LUST
All rights reserved
ISBN: 9788728019634
1. Ebook-Auflage, 2021
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von LUST gestattet.
Katja Slonawski
Eine wohlbekannte Melodie erklang aus den Autolautsprechern und erinnerte Alicia an das Ende des Sommerurlaubs vor vielen Jahren. Alex summte eine Weile mit und verstummte dann, um stattdessen im falschen Takt auf das Lenkrad zu trommeln. Es war warm im Auto, obwohl sie beide Fenster für den Durchzug geöffnet hatten: Es war zu wenig Wind, um einen Unterschied zu machen. Die Autoschlange zum Fähranleger war ziemlich lang, obwohl sie bereits gegen neun losgefahren waren. An der ganzen Küste entlang brachten die Leute ihre Boote in den Schärengarten, um Mittsommer zu feiern. Wer kein eigenes Boot hatte, fuhr mit der Autofähre, die nur eine begrenzte Anzahl Autos pro Fahrt mitnehmen konnte, was ewig dauerte. Sie hatten sich ab und zu ein bisschen unterhalten und Alex hatte sich dem Elefanten im Zimmer vorsichtig genähert, sich dann aber doch nie getraut, das Thema anzusprechen. Man merkte, dass er helfen wollte, aber nicht wusste, wie.
„Aber das wird ja wohl lustig, Mittsommer auf einer echten Schäreninsel zu feiern?“, sagte er zerstreut, als erwarte er keinerlei Antwort.
Alicia machte ein zustimmendes Geräusch und öffnete zum drölfzigsten Mal an diesem Tag Instagram auf ihrem Handy. Sie suchte nach Marcos‘ Seite und scrollte, ebenfalls zum drölfzigsten Mal an diesem Tag. Alex schielte zu ihr herüber und rümpfte die Nase.
„Meinst du nicht, dass es jetzt langsam reicht?“, fragte er.
„Nein“, schnappte Alicia, schloss aber die App.
„Also, ich bin da, wenn du reden willst“, sagte Alex wenig überzeugend.
„Ich weiß“, antworte Alicia säuerlich.
Sie waren es bereits durchgegangen. Alicia hatte Schluss gemacht, nicht Marcos. Sie sollte nach einem Monat über ihn hinweg sein, das wusste sie, aber sie wusste nicht, wohin mit sich selbst. Sie fühlte sich neu und unberührt, obwohl sie erwachsen war, und der sogenannte Singlemarkt war riesig geworden in den Jahren, in denen sie in einer Beziehung gewesen war. Sie wusste einfach nicht, wo sie anfangen sollte. Das konnte Alex nicht nachvollziehen. Er war Single gewesen, seit sie befreundet waren, bis jetzt. Seine neue Freundin Sabine musste wirklich etwas Besonderes sein, wenn sie Alex dazu gebracht hatte, sich zu binden, dachte Alicia. Sie würde Sabine zum ersten Mal auf der Mittsommerfeier treffen, die Sabines Freunde organisierten. Sabine war bereits dort und half bei den Vorbereitungen fürs Fest. Alicia wusste nicht viel über sie, außer, dass Alex sehr verliebt war und daran überhaupt nicht gewöhnt. Alicia hätte ihn damit aufziehen können, aber sie ließ es bleiben. Er würde nur sauer werden.
„Ich glaube, dass du ein bisschen vögeln musst“, sagte Alex plötzlich, und warf Alicia einen nervösen Blick zu.
Alicia lachte auf.
„Und mit wem soll ich mit diesem verängstigten Deppengesicht vögeln? Ich kann keinen Sex, der nicht mit Marcos zu tun hat, und ich habe keine Ahnung, wie man datet.“
Alicia sah ein, dass ihre Worte, die als Witz gemeint waren, schmerzlich wahr waren.
„Hör auf, du bist doch megahot“, sagte Alex, aber diesmal blicke er nicht zu ihr, sondern hielt das Lenkrad fest und sah zum Kai heraus.
Alicia sah, dass Alex rote Flecken am Hals bekam, wie immer, wenn er gestresst war. Schon komisch. Wenn sie nicht so lange schon Freunde gewesen wären, hätte sie geglaubt, dass er sie angrub.
„Okay“, sagte sie und lachte auf eine Art, die eigentlich kein richtiges Lachen war.
Eine Weile saßen sie stumm da, und Alicia konnte sehen, dass Alex Mut sammelte, um etwas zu sagen.
„Du … eine Sache über die Party …“, setzte er an. „Ich hätte das vielleicht früher sagen sollen, aber …“
„Alex“, unterbrach ihn Alicia, „das mit Sabine ist keine große Sache. Sie ist bestimmt total nett, wir kommen bestimmt miteinander klar und alles ist gut. Okay? Ich kann mich jetzt nicht unterhalten, die Hitze macht mich irre.“
Alex verstummte und sah aus dem Fenster. Alicia sagte, dass sie ein wenig schlafen wolle und schloss die Augen. In einem Zustand geistiger Umnachtung zwischen Wachen und Schlafen begann Alicia darüber zu fantasieren, wie es mit Alex wäre. Natürlich würde das nie passieren und ihre Gedanken waren kaum bewusst gesteuert, aber trotzdem … Er war echt heiß. Alicia hatte Alex schon häufig mit nacktem Oberkörper gesehen und seine Muskeln imponierten ihr immer wieder. Das war ja wohl auch der Sinn dieser Muskeln, auch wenn es nicht sie war, der er damit imponieren wollte. Obwohl es zwischen ihnen immer etwas gegeben hatte und häufig etwas hätte passieren können, waren sie immer nur Kumpel und nie etwas anderes gewesen. Alicia war es lieber so. Sie brauchte einen Freund wie Alex. Aber was in ihrem eigenen Kopf vorging, brauchte er ja nicht zu wissen. Alicia stellte sich vor, wie sexy sonnengebräunt Alex am Ende des Sommers wäre, und wie seine hübschen Brustmuskeln sich an ihrer Brust anfühlen würden. Sie vergaß die Autoschlange und die Hitze und sah vor ihrem inneren Auge, wie Alex sich und ihr das T-Shirt vom Leib riss und sie gegen den Sitz presste. Alicia kniff unmerklich die Muskeln in Unterleib und Po zusammen, und da sie nichts anderes tun konnte, fantasierte sie weiter über Alex‘ warmen Körper an ihrem. Es fühlte sich verboten und schmutzig an, und gleichzeitig wunderbar rebellisch.
Nach ewiger Warterei kamen sie endlich am Haus an. Es war eine helle zweistöckige Villa aus der Jahrhundertwende in der Nähe einer kleinen Bucht mit Aussicht übers Wasser, und als Alex und Alicia das Auto parkten, bemerkten sie, dass die Party bereits im Gange war. Eine dunkelhaarige Frau im hellen Kleid sprang aus der Hintertür des Hauses, als sie aus dem Auto stiegen. Sie winkte ausschweifend. Alicia erkannte an Alex‘ verliebtem Lächeln, dass es Sabine war. Sabine gab Alex einen leidenschaftlichen Kuss und warf sich anschließend Alicia um den Hals.
„So toll, dass ihr da seid, ihr beiden“, rief sie, und Alicia erkannte das blumige Parfüm als eines ihrer Marc-Jacobs-Lieblingsdüfte.
Sabine nahm sie beide an die Hand und führte sie zum Haus, wo sich bereits um die zwanzig Personen eingefunden hatten. Alicia bekam ein Bier und schüttelte allen nacheinander die Hand. Die Stimmung war herrlich, und man merkte, dass alle einander mochten und gern da waren. Sie beschloss, die Gedanken an Marcos wenigstens für diesen Tag sein zu lassen, und sich vom Mittsommerfest mitreißen zu lassen.
Beim Mittagessen wurde Alicia neben Sabine gesetzt. Sabine tat freudig überrascht, aber Alicia vermutete, dass Sabine bei der Sitzordnung ihre Finger im Spiel gehabt hatte. Es gab klassischen Mittsommerhering, Kartoffeln und Knäckebrot. Jemand, der vor fünfzehn Jahren Student gewesen war, das Studentenleben aber noch immer nicht recht hinter sich lassen konnte, stimmte immer wieder Schnapslieder an. Alicia sang die wenigen Strophen mit, die sie kannte, und merkte selbst, wie viel Spaß sie hatte. Zum ersten Mal seit dem schweren Entschluss, mit Marcos Schluss zu machen, ging es ihr wirklich gut. Sie redete mit Sabine, die von ihrer Arbeit als freiberuflicher Reisejournalistin erzählte und von allen Orten, an denen sie gewesen war, und war beeindruckt, wie charmant Alex‘ neue Freundin war. Alicia freute sich wirklich für die beiden, fühlte sich aber etwas gehemmt, wenn Sabine immer wieder die Hand auf ihr Bein legte oder ihr mit flinken Fingern eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich. Alicia tat es damit ab, dass das sicher an dem brasilianischen Teil von Sabines Herkunft lag: Vielleicht hatten sie dort einfach andere Grenzen für den persönlichen Bereich. Je mehr Schnaps und Bier Alicia trank, und je wärmer und besser sie sich in ihrem Körper fühlte, desto wohler fühlte sie sich in Sabines Nähe. Vielleicht würden sie sogar Freundinnen werden. Darüber wäre Alex sicher froh?
Nach dem Essen verteilten sich die Leute, um Mittsommerspiele zu spielen, das neue Boot von jemandem anzugucken oder sich einfach nur mit einem Bier in der Sonne zu aalen. Alicia konnte Alex und Sabine nirgendwo entdecken und wusste nicht recht, was sie tun sollte. Sie war vollends damit beschäftigt, nicht zu verloren auszusehen, als eine Frau zu ihr trat, die ihr schräg gegenüber gesessen hatte und die Alicia für eine der Gastgeberinnen hielt.
„Elin“, sagte die Frau und streckte ihr die Hand entgegen. „Willst du Wikingerschach spielen? Uns fehlt noch eine Person.“
Alicia nahm Elins Hand und bejahte. Sie stellten sich in Reihen auf dem Rasen hinterm Haus aus, fünf auf jeder Seite, und jemand, der etwas zu viel zu trinken gehabt hatte, sagte laut die Regeln auf, während Alicia brav ihre Mannschaftskameraden begrüßte. Der erste Kubb fiel durch Elins Wurf. Elin juchzte vor Freude und hüpfte auf und nieder, während die andere Mannschaft buhte. Der Nächste warf vorbei und die andere Mannschaft war dran. Wegen der Paragrafenreiter in beiden Teams ging das Spiel nur langsam voran, und nach einigen Würfen war Alicias Bier alle. Sie sagte zu Elin, dass sie mehr holen ginge und bekam noch zwei Getränkeaufträge aus ihrer Mannschaft. Der Weg zum Haus war leer, und es schien, dass die meisten zum Wasser gegangen waren. Alicia merkte, dass sie angetrunken war und musste sich festhalten, als sie die Treppe zur Haustür hochging. Erst, als sie eintrat, merkte sie, dass sie keine Schuhe trug und fragte sich, wo sie die gelassen hatte. Sie konnte sich nicht einmal erinnern, sie ausgezogen zu haben. Sie öffnete die Tür und ging durch den Flur in die Küche. Im Kühlschrank gab es nur Essen, aber an der Spüle stand ein Sixpack lauwarmes Starkbier. Kaum hatte sie danach gegriffen, als sie einen dumpfen Laut hörte und innehielt. Alicia spürte, wie sich in ihr etwas anspannte. Ihre Brustwarzen wurden hart, als hätte sie jemand unmerklich berührt, und das Geräusch zog sie an. Es klang wie … sie wusste, wie es klang. Es erinnerte sie an Sex. Guten Sex. Zu neugierig, um sich davon abzuhalten, schlich sie in die Richtung des Geräusches, das sich nun zu einem Stöhnen ausgewachsen hatte, und fand eine Tür mit einem altmodischen Schlüsselloch. So sanft sie konnte, stellte sie das Bier ab, sank auf die Knie und spähte hinein. Sie musste sich auf die Zunge beißen, um nicht laut nach Luft zu schnappen. Auf der anderen Seite des Schlüssellochs sah sie ein helles Badezimmer und ein offenes Fenster, das von zwei Körpern verdeckt wurde. Sie erkannte den einen sofort wieder und ihr schwindelte vor Schock und Lust. Nach vorn auf das Waschbecken gebeugt stand Alex, und hinter ihm ein Mann, den Alicia vage vom Mittagessen wiedererkannte. Es gab keinen Zweifel, was sie gerade taten. Der Mann, der nicht Alex war, streichelte fordernd Alex‘ unteren Rücken und Po, während er in ihn eindrang. Alicia konnte sehen, dass Alex mit offenem Mund die Augen schloss, und er stöhnte rhythmisch. Alicias Lippen waren trocken geworden, und sie befeuchtete sie leicht. Gelähmt von der Absurdität der Situation und überrascht über ihre eigene aufflammende Geilheit zog sie sich den Rock hoch. Niemand anders war im Haus zu sehen gewesen, und die zwei im Badezimmer waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sie zu bemerken. Leise öffnete sie das Plastik um das Bier und zog eine Dose heraus. Die Dose hatte angenehme Raumtemperatur, und Alicia führte die glatte, lauwarme Oberfläche an ihre Muschi und rieb sie vor und zurück, bis es von der Stimulation zwischen ihren Beinen kribbelte. Alicia biss sich auf die Lippen und drückte sich rhythmisch gegen die Dose. Ihre Schenkel brannten von der anstrengenden Bewegung und sie legte eine Hand an die Wand neben der Tür, um sich abzustützen. Wieder spähte sie durch das Schlüsselloch und sah, dass Alex und der andere sich in ihre Richtung gedreht hatten. Der Mann stellte einen Fuß auf den Toilettendeckel und stieß schneller in Alex, der den Nacken des Mannes gegriffen hatte und sich lustvoll zu ihm nach hinten beugte. Alicia konnte Alex‘ fein definierte Muskeln sehen, für die er jahrelang trainiert hatte. Sie dachte an alle Wiederholungen, die er mit den Hanteln durchgeführt hatte, verschwitzt im Fitnesscenter, wovon sie noch geiler wurde, falls das möglich war. Sie hatte nie darüber nachgedacht, wie geil sie Alex fand. Erst jetzt, als die Lust freigelassen worden war, wagte sie es sich einzugestehen. Alex schien es zu genießen, und das tat auch Alicia. Nachdem sie sich ein wenig aufgewärmt hatte, war die schmale Kante am oberen Rand der Dose die perfekte Stimulation für die Klitoris. Alicia rieb sich härter, schneller, und hörte, dass auch die beiden sich im Badezimmer einem Orgasmus näherten. Sie beeilte sich, um fertig zu sein, bevor sie herauskamen, und dachte die süßesten Gedanken, die sie nur konnte. Ihr Körper spannte sich in einem herrlichen Orgasmus und entspannte sich anschließend. Als sie die beiden im Bad kommen hörte, stand sie leise auf und schlich sich schnell aus der Haustür.
Einige Stunden später war es an der Zeit für die traditionelle Mittsommerfeier der Insel. Alicia hatte nach den Geschehnissen im Haus noch nicht richtig wieder zu sich gefunden. Sie war zum Wikingerschach zurückgekehrt, als wäre nichts geschehen, und mied sowohl Alex als auch Sabine, so gut es ging. Sie wusste nicht, was sie zu ihnen sagen sollte, und fühlte sich schuldig, weil sie zum privaten Stelldichein ihres Kumpels onaniert hatte und weil sie Alex‘ Lüge nun kannte. Wusste Sabine, dass Alex mit anderen schlief? Oder war er einfach ein unverbesserlicher Single? Alicia fragte sich das. Sie hielt sich etwas im Hintergrund, als die anderen aufteilten, wie sie die Feier gestalten würden. Als es beschlossen zu sein schien, dass die meisten als Gruppe zur offiziellen Inselfeier gehen würden, wo die Mittsommerstange aufgestellt würde, verkündete Sabine, dass sie zu Hause bleiben und aufräumen wolle. Elin schloss sich an und schlug vor, dass die anderen zur Mittsommerfeier rübergehen sollten, während sie in aller Ruhe das Abendessen vorbereiteten. Ein paar der Gäste pfiffen und machten Späße, die Alicia nicht verstand, aber Sabine und Elin kümmerten sich nicht darum. Alicia merkte spontan, dass sie keine Lust hatte, mit den anderen Gästen mitzugehen, da sie außer Alex niemanden kannte. Und mit ihm wollte sie gerade wirklich nicht reden. Während die Gruppe sich für den Aufbruch vorbereitete, schlich sich Alicia ins Haus, um Alex weiterhin zu meiden, und suchte Elin, um sie zu fragen, ob sie auch dableiben könne.
„Natürlich“, rief Elin und lächelte Alicia offen an. „Ist doch schön, dass du hier mit uns bleibst.“
Alicia war umgehend erleichtert, dass sie nicht weiter an Alex denken musste. Gleichzeitig wusste sie nicht, wie sie mit Sabine sprechen sollte. Wenn sie sich nun verplapperte, dass Alex mit jemand anderem gevögelt hatte? Alicia wollte für keinen Streit an Mittsommer verantwortlich sein. Außerdem war sie mitschuldig; sie war schließlich dageblieben und hatte zugesehen. Wie sollte sie Sabine das erklären? Weiter kam sie mit ihren Gedanken nicht, denn im Wohnzimmer wurde Musik aufgelegt und Sabine rief nach ihnen beiden. Elin und Alicia gingen hinein, und Elin brach in Gelächter aus beim Anblick von Sabine, die auf bohemische, entrückte Weise tanzte. Elin warf sich aufs Sofa und sah Alicia an, während sie auf den Sitz neben sich klopfte.
„Mach uns eine Show“, feuerte sie Sabine an, und zu Alicia sagte sie: „Komm, setz dich!“
„Aber das Essen …“, hub Alicia an, setzte sich aber trotzdem.
„Ach, egal“, sagte Elin und zuckte mit den Schultern. „Dafür haben wir später noch massenhaft Zeit.“
Sabine tanze weiter auf eine Art, die Alicia an Woodstock und Vollmondpartys erinnerte. Sie schien vollkommen in ihrer eigenen Welt zu sein. Alicia sah aus dem Fenster auf das schimmernde Meer. Sie fühlte sich richtig entspannt mit den beiden Frauen, obwohl es gerade noch so ein verrückter Mittsommer gewesen war. Sabine holte etwas Wein, Elin versank weiter im Sofa.
„Wessen Haus ist das hier?“, fragte Alicia eher zu sich selbst.
„Eriks Großvater gehört es offiziell, aber er ist zu alt, um noch herzukommen“, antwortete Elin. „Wir haben hier schon seit Jahren Partys, seit Erik für das Haus zuständig ist.“
Alicia war sich nicht sicher, wer Erik war, und fragte auch nicht. Ihre Intuition sagte ihr, dass er einer derjenigen gewesen war, die beim Wikingerschach so auf die Regeln gepocht hatten. Sabine stellte drei Gläser und eine Flasche Wein auf den Tisch und schenkte das gut gekühlte Getränk aus.
„Also, seit wann kennt Alex und du euch?“, fragte Sabine.
Alicias Magen zog sich bei der Erwähnung von Alex‘ Namen zusammen. Sie fragte sich, ob man ihr die Nervosität anmerkte.
„Seit der Mittelstufe“, sagte sie und trank einen Schluck, um nicht mehr sagen zu müssen.
„Shit, so lang schon!“, rief Elin. „Dagegen sehen wir alt aus.“
Sabine nickte.
„Wie lange kennt ihr euch denn schon“, fragte Alicia, die froh war, das Thema wechseln zu können.
„Seit einer Ewigkeit“, sagte Elin dramatisch.
„Seit unserer Jugend in der Innenstadt“, sagte Sabine. „Wir haben uns in einer Bar getroffen und es war Liebe auf den ersten Blick.“
Alicia lachte, weil sie das für einen Witz hielt, aber kaum hatte Sabine das gesagt, wandte Elin sich zu Sabine und gab ihr einen Kuss. Alicia verschluckte sich am Wein.
„Entschuldigung“, keuchte sie und spürte den Sauvignon Blanc in die Nase steigen.
Sabine und Elin sahen beunruhigt aus und Sabine holte ein Glas Wasser für Alicia. Alicia dankte und trank ein paar große Schlucke, ehe sie wusste, was sie sagen sollte.
„Also … seid ihr …?“, begann sie.
„Partnerinnen, kann man sagen“, sagte Elin.
„Aber was ist mit Alex?“, fragte Alicia und sah Sabine an.
„Ich habe Alex sehr gern, aber ich liebe auch Elin. Und Erik, und noch ein paar Leute, die heute nicht hier sind. Nur, weil ich mit jemandem zusammen bin, höre ich nicht auf, mit jemand anderem zusammen sein zu wollen. Alle meine Partner wissen das, auch Alex. Sonst würde das nie funktionieren.“
Sabine nahm am Ende ihrer Erklärung ihren Wein und trank, während sie intensiv Alicias Reaktion betrachtete. Alicia sah mangels Alternativen auf ihre Fingernägel.
„Ich nehme an, das gilt für beide?“, murmelte Alicia und kam sich plötzlich sehr dumm vor.
Elin warf einen Blick auf Alicia und lachte los.
„Oh nein, du Arme! Hast du ihn mit jemand anderem gesehen? Das muss der totale Schock gewesen sein.“
Elin lachte so, dass es sie schüttelte. Sabine lächelte.
„Das gilt für beide Seiten“, bekräftigte sie, noch immer mit dem gleichen intensiven Blick.
„Oh“, sagte Alicia und fühlte sich nervös.