Cover: Verführung in der Bibliothek - 18 erotische Kurzgeschichten by LUST authors

Verführung in der Bibliothek - 18 erotische Kurzgeschichten

 

Lust

Verführung in der Bibliothek: Erika Lust-Erotik

Verführung in der Bibliothek

Die Sonne scheint warm auf meine Haut. Es ist Hochsommer – die Zeit, in der wir glauben, dass die Wärme für immer bleibt. Die Zeit, in der wir keinen Gedanken an Winter, Kälte und dicke Mäntel verschwenden. Ich liege am Strand und genieße die warmen Sonnenstrahlen, aber plötzlich wird es dunkel. Ein Mann steht vor der Sonne und schaut auf mich herab. Ehe ich protestieren kann, fällt er über mich her. Er packt meinen Hintern und ich stöhne laut auf. Niemand sonst ist am Strand. Ich vergrabe meine Finger in seinen dunklen Locken. Sein Mund, seine Hände, sein Wesen ist überall. Keuchend stoße ich ihm meinen Unterleib entgegen, aber plötzlich, ja, plötzlich wird es wieder hell. Sein Schatten verschwindet und die Wärme der Sonne fällt wieder auf mein Gesicht.

 

Ich wache vom Klingeln des Weckers auf. Morgenlicht fällt auf unser Bett. Es ist ein strahlender Morgen, wie es ihn nur im Frühling gibt, wenn die Sonne lange vor uns aufsteht. Das Licht bahnt sich seinen Weg durch die Spalte zwischen unseren Vorhängen und legt sich wie eine Decke über das Bett und den Boden. Ich schalte den Wecker aus, schwinge die Beine über die Bettkante und trete barfuß ins Licht. Die Wärme der Sonnenstrahlen kriecht von meinen Zehen bis in den ganzen Körper. Dann erklingt die Melodie des Weckers erneut. Ich habe ihn anscheinend nicht richtig ausgestellt. Auf der anderen Seite des Doppelbetts liegt mein Mann. Die Melodie bringt ihn dazu, sich die Decke über den Kopf zu ziehen. Er brummt wie immer und ich eile zum Nachttisch, um den Wecker diesmal richtig auszuschalten. Der Klang verfliegt und damit auch die Erinnerungen an den Traum.

 

Die Morgenstunden gehören mir. Ich stelle den Wecker immer lange bevor ich eigentlich aufstehen müsste, um einfach ein wenig Zeit für mich selbst zu haben. Diese Gewohnheit stammt aus der Zeit, als ich noch gearbeitet habe. Bevor der Tag richtig begann, bevor die Kinder aufwachten, noch vor dem Frühstück, ja, bevor wir die Apotheke öffneten, saß ich dann mit einer Tasse Kaffee und in einen übergroßen Morgenmantel gehüllt da und genoss die Stille. Damals verlangten mir die Kinder viel mehr ab, denke ich mir, nun sind sie nahezu selbstständig und kommen fast nur zum Essen nach Hause. Die Arbeit forderte auch ihren Teil. Es war schließlich meine Apotheke und damit auch meine Verantwortung. Aber es endete wie mit vielen Betrieben in dieser Zeit, die Finanzkrise zwang uns zur Schließung. Obwohl die Kinder großgeworden sind und die Arbeit nicht schon in aller Frühe ruft, finde ich mich nun im gleichen Morgenmantel und mit der gleichen Universitätstasse in der Hand am Tisch wieder.

 

Ein paar Stunden später sind die Kinder und mein Mann zur Tür hinaus und im Haus kehrt eine andere Stille ein. Sie ist merkwürdig ungewohnt. Eine Stille, die ich mir früher nicht einmal vorstellen konnte. Als ich die Apotheke führte, als es langsam bergab mit ihr ging und der Gedanke, sie zu schließen, hin und wieder zum Vorschein kam, schwor ich mir, dass ich, falls ich arbeitslos würde, meine Zeit damit verbringen wollte, alle Bücher zu lesen, zu denen ich nie gekommen war. Heute muss ich mein Versprechen einlösen. Heute muss ich in die Bibliothek.

 

Das alte Bibliotheksgebäude ist groß und überwältigend. Wenn ich die umliegenden Gebäude betrachte, ist es auffällig niedrig. Aber die Mauern sind dick. Wunderschöne Schnitzereien zieren die Fenster und pompösen, auffälligen Türen. Für eine Weile betrachte ich das Gebäude aus der Ferne, ehe ich die Straße überquere. Die Bibliothek beherbergt alle großen Liebesgeschichten, alle fantastischen Erzählungen und historischen Figuren. In den Regalen stehen Büchern von Autoren, die ich kenne, von Autoren, die ich nicht kenne und von Autoren, die ich kennen sollte. Autoren, die viel zu bekannt oder viel zu unbekannt waren. Solche, die nie richtig groß werden konnten, ehe der Tod sie holte. Ich denke über all das nach, während ich das Gebäude von der anderen Straßenseite aus betrachte. Ein Mann rempelt mich an, als er an mir vorbeigeht.

 

„Pass doch auf“, sagt er und geht schnell vorbei. „Du hältst ja den ganzen Verkehr auf.“

 

Er gestikuliert vergeblich, während er rückwärts weitergeht. Er hält meinen Blick so lange fest, dass ich mich zu schämen beginne. Als er sich abwendet, frage ich mich, wovor ich mich schämen sollte. Ich schüttle kurz mit dem Kopf und erst als der Mann aus meinem Blickfeld verschwunden ist, kommt mir eine gute Antwort in den Sinn. Das ist oft so. In unangenehmen Situationen erstarre ich zu Stein, aber ich bin ein Meister darin, fünf Minuten später auf die perfekte, schlagfertige Antwort zu kommen. Ich gehe über die Straße und verschwinde in der Bibliothek.

 

Der Stadtlärm verschwindet hinter den dicken Mauern. Die Decke ist hoch, aber die vielen Bücherregale, schweren Mahagonimöbel und dicken Teppiche dämpfen die Geräusche, sodass der Raum nicht hallt. Bisher bin ich immer nur hier vorbeigefahren und habe das Gebäude von außen bewundert, jetzt sehe ich es erstmals von innen. Es sieht genauso aus, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich nehme mir viel Zeit, während ich durch die Reihen gehe. Ich lasse die Fingerspitzen über die Buchrücken tanzen. Manchmal nehme ich ein Buch aus dem Regal. Ich lese den Klappentext, woraufhin ich mich entscheide, es zu behalten oder wieder zurückzustellen. Im Kopf habe ich eine Liste, eine Liste mit Büchern, die ich lesen will. Mit der Hilfe einer Bibliothekarin habe ich schnell einen Stapel beisammen. Die Bibliothekarin verweist mich auf einen Teil der Bibliothek, in dem gemütliche Lesesessel stehen und ich gehe dorthin. Es ist mitten am Vormittag, die Sessel sind frei. Ich lasse mich tief in einen schweren Ledersessel sinken. Seine Ohren schirmen mich von der Umwelt ab. Ich nehme das oberste Buch vom Stapel, schlage die erste Seite auf und beginne zu lesen. Eine halbe Stunde lang lese ich im ersten Buch, dann lege ich es weg. Es war spannender, bevor ich es zu lesen begonnen habe, als jetzt, nach den ersten paar Kapiteln. Ich greife nach dem Nächsten, aber das Muster wiederholt sich. Genauso läuft es mit dem dritten und dem vierten Buch.

 

Ich lehne mich entmutigt zurück und schließe für einen Moment die Augen, während ich all meine Vorstellungen von damals, all die Zeit, die ich den besten Büchern widmen wollte, vor mir zu Staub zerfallen sehe.

 

Als ich die Augen wieder öffne, unterhält sich die Bibliothekarin mit einer Frau. Die Frau hält ein Buch in den Händen. Sie deutet auf die Titelseite, während sie leidenschaftlich spricht. Die Bibliothekarin hört interessiert zu und beugt sich zu ihr. Sie sprechen leise, aber ohne zu flüstern. Die Frau mit dem Buch gestikuliert. Sie lachen. Dann reicht sie der Bibliothekarin das Buch und hebt eine Hand zum Abschied, woraufhin sie sich auf den Weg nach draußen macht. Als sie ein paar Meter hinter sich gebracht hat, dreht sie sich noch einmal um und sagt:

 

„Ich kann es auf jeden Fall empfehlen.“

 

Sie lächelt, die Bibliothekarin lächelt zurück. Ich rappele mich schnell auf, lasse meinen Bücherstapel zurück und frage die Bibliothekarin nach dem Buch, das die Begeisterung der Frau geweckt hat. Sie betrachtet mich einen kurzen Augenblick, lächelt mit geschlossenen Lippen und gibt mir das Buch. Dann macht sie auf dem Absatz kehrt und geht in die Abteilung für amerikanische Literatur.

 

Eine rothaarige Frau schmückt das Cover. Sie hat lange, dunkle Wimpern und trägt ein breites, gepunktetes Haarband. Ihre Augen sind geschlossen, ihr Mund leicht geöffnet. Hinter ihr steht ein Mann mit nacktem Oberkörper. Er hält die Frau umschlungen, sodass man seine muskulösen Arme sehen kann. Sein Kopf ist in ihrem Hals vergraben. Ich brauche den Klappentext nicht zu lesen. Stattdessen schlage ich sofort die erste Seite auf und beginne zu lesen.

 

Sie ist allein zu Hause, weil sie eine Niete gezogen hat. Sie und ihre Mitbewohnerinnen hatten ausgelost, wer in der Wohnung bleiben und den Schornsteinfeger hereinlassen würde. Sie hatte den Kürzeren gezogen. Nun liest sie allein in einer Zeitschrift. Sie blickt auf, als sie einen Schatten am Fenster wahrnimmt – das ist er. Sie reckt den Hals und hält nach ihm Ausschau, als er am Küchenfenster vorbeigeht. Er hat dunkle Spuren im Gesicht, einen starken, markanten Kiefer und unter seinem Hemd kann sie die Muskeln zucken sehen. Plötzlich ist es gar nicht mehr so schlimm, dass sie beim Losen verloren hat.

 

Nur wenige Minuten vergehen, bis ich merke, dass mein Herz schneller schlägt. Die Erwartung an das, was kommen wird, erfüllt mich mit einer solchen Spannung, dass ich ganz vergesse, wo ich bin. Ich lese weiter.

 

Der Schornsteinfeger fragt, ob er das Bad benutzen dürfe – es sei etwas schmutziger geworden als erwartet. Sie nickt ihm vom Sofa aus zu und zeigt zum Badezimmer. Der Schornsteinfeger verschwindet und schon bald hört sie das Wasser laufen. Sie beißt sich auf die Unterlippe, als sie daran denkt, dass er sich nicht weit von ihr entfernt die Kleider vom Leib gerissen hat. Ihre Lippen werden weich, als sie sich vorstellt, wie ihre Finger seinen Oberkörper liebkosen, während sie all den Schmutz abwäscht.

 

„Entschuldigung, haben Sie ein Handtuch für mich?“, ruft er aus dem Badezimmer.

 

Die Frau steht schnell vom Sofa auf und geht zu ihm. Als sie die Tür öffnet, steht er wahrhaftig im nackten Oberkörper vor ihr. Der Schmutz ist verschwunden. Er hat den Körperbau einer griechischen Statue mit definierten Bauchmuskeln und schweren, starken Armen. Die Frau hält das Handtuch vor sich und nähert sich dem Mann. Sie kommt ihm ganz nahe und drückt das Handtuch an seine Brust. Sie schaut ihm in die Augen, er nimmt ihre Hände und hält sie fest. Vorsichtig prüfend neigt er seinen Kopf zu ihr. Sie zieht sich nicht zurück, sondern lehnt sich an ihn. Dann geht alles ganz schnell. Er entreißt ihr das Handtuch, nimmt sie in die Arme und küsst sie feucht und intensiv. Er drückt sie gegen die Duschwand. Sie legt ihre Beine auf seine Hüften, sodass er ihr Gewicht trägt. Sie kann die Ausbeulung in seiner Hose an ihrem Geschlecht spüren. Sie ist so hart wie seine angespannten Armmuskeln. Ihr Rock rutscht nach oben. Sie küssen sich lange und während ihre Zungen neugierig miteinander spielen, hebt er ihren Slip an. Er streift sie bloß, aber das genügt. Etwas in ihr macht einen Ruck und sie keucht erschrocken auf. Er berührt sie, wie noch kein Mann zuvor sie berührt hat. Erst ist er konzentriert und vorsichtig, danach wird er intensiver und beharrlich. Eifrig und neugierig erforscht er sie und sie öffnet sich für ihn. Sein steifes Glied gleitet unbeschwert in sie und sie legt den Kopf genießerisch in den Nacken. Er zieht ihren Körper an sich und dringt tief ein. Sie kann es nicht lassen, seine Bauchmuskeln zu streicheln, die zuvor noch vom Ruß ihres Schornsteins bedeckt waren. Sie sind hart wie Granit. Er umklammert ihre Hüften und lässt sie von der Wand herunter. Daraufhin tritt er in die Raummitte, wo sie sich nirgendwo abstützen kann, was allerdings auch nicht nötig ist. Er hebt sie hoch, hält sie fest und wirbelt sie herum, als wäre sie federleicht. Er nimmt sie härter ran und sie hofft, dass der Nachbar ihre Schreie nicht hört und an die Tür klopft. Sie hört seinen Atemzügen an, dass er kurz vor'm Höhepunkt ist. Sie werden schneller, seine Muskeln spannen sich noch stärker an. Sie legt ihre Hände auf seine Schultern und schaut ihm in die Augen. Sie stellt sich auf den Boden. Ihre Beine zittern und sie weiß nicht, ob ihre Knie sie werden halten können. Sie kniet sich hin und nimmt sein Glied in den Mund. Ihre roten Lippen umschließen ihn und es dauert nicht lange, bis seine Atemzüge außer Kontrolle geraten. Er legt eine Hand auf ihren Kopf, während sie dankbar saugt. Er stöhnt und kurz darauf spürt sie seine Wärme ihren Mund erfüllen. Ihre roten Lippen wandern seinen Körper entlang, bis sie seinen Mund finden und sich das Paar in einem Kuss vereint.

 

Ich schlage das Buch zu und schaue mich um. Ich sitze immer noch allein im Sessel in der Bibliothek. Da ist keine Menschenmenge, die mich mit verurteilenden Blicken anstarrt, als hätte ich etwas Verbotenes getan. Ich lege das Buch auf den kleinen, runden Tisch neben dem Sessel. Meine Gedanken sind immer noch bei der Frau und dem Schornsteinfeger. Mir ist klar, dass die Geschichte geistlos und einfach gestrickt ist, dass sie mit Klischees spielt, aber trotzdem geht mein Atem schneller, meine Handflächen werden warm und feucht und ich verspüre den Drang, mich zu berühren, der Lust in meinem Körper nachzugeben. Eine Bibliothekarin kommt vorbei. Sie sieht mich lächelnd an und ich nehme das Buch schnell wieder in die Hand.

 

Als ich nach Hause komme, schmeiße ich meine Tasche in den Flur. Es dauert noch ein paar Stunden, bis die anderen nach Hause kommen. Mein Mann hat nachmittags Termine und die Jungs gehen nach der Schule zum Fußball und zum Hockey. Ich habe das Haus noch eine Weile für mich. Und genau das brauche ich jetzt auch – ein bisschen Zeit. Ich lege mich im Schlafzimmer aufs Bett und lese die Geschichte über die Frau und den Schornsteinfeger ein zweites Mal. Nach kurzer Zeit kribbelt es in meinen Fingern, sie wollen mich berühren. Ich weiß schließlich, was mich erwartet – was passieren wird. Vorsichtig öffne ich meine Jeans, als hätte ich Angst, jemanden zu wecken. Ich bin so nervös, entdeckt werden zu können, obwohl ich mich in einem großen, leeren und abgeschlossenen Haus mitten am Tag befinde, wo die Familie und die Nachbarn andere Dinge zu tun haben. Es ist dumm, sage ich mir, als ich den Reißverschluss öffne und vor dem lauten Geräusch erschrecke. Ich stöhne laut auf, als die Finger ihren Weg finden und endlich den Punkt treffen, der nach Berührung geschrien hat. Ich bohre meine Schultern in die Matratze und stoße den Unterleib gegen die Hand. Flach gleitet sie meine Klitoris entlang, während ich lese, wie der Schornsteinfeger die junge Frau über seinen Penis zieht. Ich sehe seine markanten Arme und die sich unter seiner hellen Haut windenden Muskeln. Ich lese, wie er die Frau unbeschwert umherwirbelt, wie sie die Stellung wechseln und ich stelle mir vor, dass ich es bin, die er unter der Dusche festhält. Ich, die laut stöhnt und sich überhaupt nicht um die Nachbarn schert. Ich stelle mir vor, dass es mein Mund ist, in den er sich ergießt, ich, die seinen warmen Samen schmeckt. Meine Hand wird schneller und schneller. Ich drücke fester gegen die wachsende Klitoris und komme mit einem Schrei.

 

Am nächsten Morgen sorge ich dafür, den Wecker schon beim ersten Mal richtig auszuschalten. Ich schlüpfe in meinen großen Morgenmantel und gehe schläfrig die Treppe hinunter. Mit einer Hand halte ich das Geländer, mit der anderen das unter einer Zeitung versteckte Buch fest. Mein Mann und die Kinder sollen es nicht sehen. Ich koche Kaffee und fasse den Entschluss, mit einer neuen Geschichte anzufangen, bevor die anderen aufwachen. Der Schornsteinfeger wird durch einen Gärtner ersetzt, die Frau mit einer älteren Dame aus der Oberschicht. Ich bin so in die Geschichte vertieft, dass ich gar nicht merke, wie mein Kaffee kalt wird. Genauso wenig bemerke ich die Schritte auf der Treppe – das Geräusch meines Mannes, der sich schwer auf jede einzelne Stufe fallen lässt.

 

„Guten Morgen“, sagt er und legt eine Hand auf meine Schulter.

Ich fahre zusammen, als ich realisiere, dass er plötzlich an meiner Seite steht und seine Hand auf mir ruht.

„Meine Güte, habe ich dich erschreckt? Das tut mir leid, Schatz.“

Er wendet sich ab und schenkt sich den restlichen Kaffee ein.

„Ich habe dich einfach nicht gehört“, sage ich und lehne mich über das Buch auf dem Tisch.

„Worum geht’s?“, fragt er.

„Worum geht was?“, sage ich und schaue ihn fragend an.

„Na, in dem Buch“, entgegnet er und nickt zum Tisch.

Er nimmt einen Schluck Kaffee.

„Ach so, darin geht es um eine Liebesbeziehung, die nicht so gut läuft“, sage ich. Ich hoffe, dass das seine Frage abwimmelt.

„Wie blöd, das ist natürlich nicht gut“, sagt er. „Naja, ich nehme mir was zum Frühstücken mit.“

Er küsst mich auf den Scheitel und geht in Richtung Haustür.

„Vielleicht hast du heute Abend Lust auf eine Flasche Wein? Dann können wir uns ein bisschen unterhalten und du kannst mir mehr über das Buch erzählen“, sagt er mir zugewandt.

Ich nicke lächelnd und winke ihm zu. Da ich oben langsam die Kinder hören kann, verstecke ich das Buch wieder unter der Zeitung. Sobald ich sie verabschiedet habe, fahre ich zur Bibliothek. Ich verschlinge die Novellen und bei dieser Geschwindigkeit ist es die beste Idee, ein paar Bücher auf Vorrat zu haben.

 

Eine Bibliothekarin hilft mir, den Namen der Autorin nachzuschlagen, um herauszufinden, was sie sonst noch geschrieben hat.

 

„Sie ist offenbar eine Eintagsfliege“, sagt sie.

Sie lächelt ununterbrochen.

„Aber wir haben eine ganze Abteilung für dieses Genre“, fügt sie hinzu.

Sie deutet auf einen Teil der Bibliothek, in dem ich gestern nicht war.

„Diese Regale dort“, sagt sie, während sie zeigt, welchen Bereich die Abteilung umfasst. „Dort finden Sie vielleicht etwas Vergleichbares.“

„Danke für die Hilfe“, sage ich.

 

Ich warte, bis der Klang ihrer Schritte verstirbt, bevor ich mich hinhocke und auf die Suche gehe. Ich ziehe Bücher hervor, stelle sie wieder zurück. Wo ich meine Auswahl gestern noch anhand der Klappentexte getroffen habe, schaue ich nun in erster Linie auf das Cover. Je mehr Klischees es erfüllt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich es mitnehme. Dann setze ich mich mit meinem neuen Bücherstapel in einen der großen, schweren Sessel. Ein paar Studenten mit Rucksäcken kommen vorbei, aber niemand bleibt stehen und schaut mich verwundert an. Niemand zieht fragend eine Augenbraue hoch, niemand starrt mich mit verschränkten Armen an. Es ist fast so, als könnten sie mich gar nicht sehen und das gefällt mir. Ich nehme das erste Buch vom Stapel und beginne zu lesen.

 

Die Wärme strömt durch die offenen Balkontüren und sie hört die Finger der anderen über die Tasten gleiten. Obwohl sie sich für den Kurs angemeldet hat, um ihr Meisterwerk zu schreiben, bleibt ihre Tastatur still. Sie sitzen an einem Tisch in einem mächtigen, hellen Raum eines hohen Gebäudes. Die Türen zum Balkon stehen offen, sodass der summende Stadtlärm und der Klang der am Strand brechenden Wellen im Raum miteinander verschmelzen. Sie hasst es, die anderen bei der Arbeit zu hören und verlässt deshalb ihren Platz, um auf den Balkon zu gehen. An der Küste taucht ein Surfer auf. Das Wasser perlt von seiner Haut ab. Er streicht sich mit einer Hand durch das feuchte Haar, während er mit der anderen das Surfbrett an den Körper klemmt. Einen Körper, so hart wie das Brett selbst. Sie beobachtet ihn, wie er über den Strand zum Parkplatz geht. Ehe er aus ihrem Sichtfeld verschwindet, blickt er für einen Augenblick zu ihr auf und zwinkert. Schnell zieht sie sich vom Balkon zurück und setzt sich wieder an den Computer. Sie sieht sich gezwungen, die Finger auf die Tasten zu legen, bevor die Inspiration verschwindet. Sie beginnt zu schreiben und sobald sie in Fahrt gekommen ist, ist sie nicht mehr zu stoppen. Ihre Finger fliegen über die Tasten und ein anderer Kursteilnehmer schaut überrascht auf. Während des Schreibens rückt sie freudig auf dem Stuhl herum, gleitet leicht vor und zurück, außerstande, den Blick des Surfers zu vergessen. Sie schreibt über sich selbst, den Surfer und alles, was sie miteinander tun könnten.

 

Sie befinden sich auf dem Dach des Gebäudes an einem Pool. Sie schreibt, wie er ihr galant aus ihrem rosa Badeanzug hilft und wie seine Hände ihren schmächtigen Körper berühren. Es ist, als verschwände sie aus dem Raum mit den anderen Autoren, als verschwände sie auf das Dach mit dem Pool. Ihre Finger hämmern auf die Tastatur, aber in Gedanken ist sie ganz woanders. Der Surfer berührt sie und sie ihn. Sie küssen sich ausgiebig. Sie ist feucht, aber das war sie schon, bevor sie seine Hand gespürt hat. Sie hat schon gemerkt, wie sie langsam feucht wurde, als sie ihn am Strand sah. Sie fühlte die Säfte fließen, als sie das Geräusch des Fahrstuhls hörte und schreckte zusammen, als er geradewegs über die Fliesen auf sie zukam. Am Rand des Pools dringt er in sie ein und sie stöhnt laut auf. Die hohe Kante des Gebäudes trennt sie von Strand und Stadt, schirmt sie von der Außenwelt ab. Er richtet sich auf, sodass sie ihn voller Pracht sehen kann. Sie geht auf die Knie und umklammert sein großes Glied. Gierig nimmt sie es in den Mund, lässt ihn tief hineingleiten. Stöhnend legt er den Kopf in den Nacken, während sie mit großen, dankbaren Augen zu ihm aufschaut.

 

Zurück im Schreibzimmer ist die Frau von den anderen Teilnehmern umgeben. Sie stöhnt lauthals, lehnt sich zurück, aber nimmt die Finger nicht von den Tasten. Einige schauen kurz auf, widmen sich danach aber wieder ihrer eigenen Arbeit.

 

Die Frau am Pool ist sich bewusst, dass die Welt sie nun sehen kann. Dass jeder einzelne, der nach oben schaut, sehen wird, wie er seine Hand auf ihren Kopf legt, wie sie sabbernd an seinem Penis saugt. Ihr gefällt der Gedanke, dass einige vielleicht sogar Fotos machen. Womöglich setzt sie sich deswegen auf ihn und lässt ihn in sich gleiten. Sie streckt den Rücken und reitet ihn auf dem Beckenrand, während sie auf die Stadt und die Menschen schaut, die am Fuß des Gebäudes vorbeigehen. Er dringt tief in sie ein, das Gefühl von ihm in ihr, lässt sie nach Luft ringen. Kurz darauf lehnt sie den Oberkörper über die Kante. Sie wackelt frech mit dem Hintern und er lässt sich nicht lange bitten, bis er ihre Hüften packt und von hinten in sie eindringt. Ihre Brüste schaukeln, während sie sich fest an die Dachkante klammert. Sie stöhnt in die Stadt hinaus und hofft, dass ein Fotograf den Augenblick verewigen wird. Sie ist an das Rampenlicht gewöhnt, also schwingt sie die Haare nach hinten, schwankt mit den Lenden und schließt die Augen, während sie genießerisch den Mund öffnet und aufstöhnt.

 

Die Finger des Surfers krallen sich in ihr rotes Haar und ziehen leicht daran. Sie berührt sich selbst, während er in ihr steckt. Sie spürt, wie ihre Finger seinen Penis treffen. Dann erheben sie sich beide und schauen sich an. Sie greift nach seinem Glied und er lässt einen Finger in sie gleiten. So stehen sie sich gegenüber und beobachten den Genuss in den Augen des anderen. Sie sehen, wie sich ihre Gesichtsmuskeln verziehen, wie sich ihre Körper anspannen.

 

Im Schreibzimmer sitzt die Frau und haut in die Tasten. Sie stöhnt laut und hemmungslos auf. Gleitet auf dem Stuhl vor und zurück, während sie sich in Gedanken mit dem Surfer auf dem Dach befindet.

 

Seine Finger massieren ihr Inneres, während ihre Hand routiniert sein steifes Glied melkt.

 

Die Vorstellung, dass jeder, der nach oben schaut, sie sehen kann, erregt sie so sehr, dass sie auch im Schreibzimmer unter einem Orgasmus aufstöhnt, sodass sämtliche Kursteilnehmer vom Bildschirm aufblicken. Sie stöhnt, schreit und keucht, während die Fantasie auf sie einbricht. Danach sieht sie die anderen kurz an und widmet sich anschließend wieder der Tastatur.

 

Er dreht sie auf den Rücken und dringt in ihre nun noch feuchtere Scheide ein. Sie fasst sich an und wie es sich für eine gute Liebhaberin gehört, weiß sie, dass das Schönste des Sexualaktes darin liegt, den anderen zu befriedigen. Deshalb bittet sie ihn, sie mit Liebe zu überhäufen, wenn er kommt. Seine Atemzüge gehen schneller, als er den Penis herauszieht und in die Hand nimmt. Seine Brustmuskulatur spannt sich an, dann ergießt er sich über ihren Bauch. Sie verteilt es dankbar auf ihrem Körper.

 

Ich schlage das Buch zu und schaue mich um. Zum Glück wimmelt es in der Bibliothek nicht von Menschen. Ich sitze immer noch allein in der Sesselecke. Die Geschichte hat mich so feucht gemacht, dass ich dringend etwas unternehmen muss. Ich schaffe es nicht mehr, nach Hause zu fahren. Ich muss und werde meiner Lust hier und jetzt freien Lauf lassen. Ich gehe hinter das nächste Bücherregal, schaue mich um und gehe sicher, dass mich niemand beobachtet. In dieser Abteilung ist niemand zu sehen. Ich stütze mich auf ein Regalbrett und lasse eine Hand unter die Hose gleiten. Ich bin warm und feucht. Meine Finger spielen im Nass, während ich versuche, das Gewicht auf das Regal zu verlagern. Meine Knie geben nach, als ich komme. Ich stöhne, als käme der Klang aus meinem tiefsten Innern, als hätte er lange auf seine Befreiung gewartet. Dann setze ich mich auf den Boden. Durch das Regal kann ich meinen Bücherstapel auf dem Tisch neben dem Sessel stehen sehen. Ich lege den Kopf in den Nacken und lächle zufrieden bei dem Gedanken, dass ich sie alle miteinander lesen werde. Ich schließe die Augen und denke an morgen, wenn Mann und Kinder wieder das Haus verlassen und ich mich in die größten Werke der Literatur vertiefen werde. Werke, die meinen Körper erschüttern und nach mehr streben lassen.

Spanischer Sommer: Erika Lust-Erotik