'Wenn die Akustik in einem Raum nicht gut ist, werden einfach ein paar Schallabsorber hineingepackt, und alles ist in Ordnung.'
Wer so handelt, kann einen Raum mit etwas Glück tatsächlich verbessern, mit weniger Glück aber auch deutlich verschlechtern. Zwei Hörsäle in einem Gebäude der Universität Wuppertal, wo der Autor Vorlesungen über Akustik gibt, können dies illustrieren. Beide sind für jeweils etwa 100 Hörer dimensioniert, beide mit etwa 1 Sekunde langem Nachhall ähnlich akustisch bedämpft, für die Nutzer jedoch von extrem unterschiedlicher Qualität. Bei einem Hörsaal haben die Planer sich offensichtlich ausgekannt und haben alles richtig gemacht, mit dem Resultat, daß eine zweistündige Vorlesung ohne Verstärker-Anlage keine besondere Anstrengung beim Sprechen und beim Zuhören bedeutet; letzteres natürlich vorausgesetzt, die Vorlesung ist inhaltlich interessant und gut vorgetragen. Über den anderen Hörsaal beklagen sich sowohl die Vortragenden "man kann nicht laut genug reden" als auch die Zuhörer "man kann schlecht verstehen". In letzteren hat man offensichtlich 'einfach Absorber hineingepackt', mit wenig Glück und 'zielgenau' an den falschen Oberflächen im Raum. Dieses E-Book soll dazu beitragen, daß in Zukunft möglichst viele Räume zu der gelungenen Kategorie gehören.
Im ersten Teil wird beschrieben, was eine 'gute Akustik' ausmacht bei Räumen, in denen raumweit kommuniziert wird, also Unterrichts-, Seminar-, Besprechungs-, Konferenz-, Vortrags-Räumen, Hörsälen und weiteren. Dabei geht es sowohl um die Perspektive der Hörer, als auch um die Perspektive der Sprecher oder Vortragenden.
Im zweiten Teil geht es um die Umsetzung, zunächst um die Analyse eines existierenden Raums, dann um die geeigneten Maßnahmen zu dessen Verbesserung. Weiterhin wird die Auswahl von Schallabsorbern behandelt und verschiedene Typen mit ihren Eigenschaften werden beschrieben. Abschließend werden besondere Aspekte bei der Neuplanung von Räumen betrachtet und zwei gelungene Beispiele vorgestellt, eines davon in einem Schulgebäude mit besonderen energetischen Ambitionen.
Dieses E-Book mit durchweg farbiger Grafik sollte bevorzugt auf einem Gerät mit farbigen Display gelesen werden, also eher einem Tablet- oder Notebook-Computer als auf einem schwarz-weißen 'Reader'. Dem Vorteil des E-Books, daß sich die Darstellung an das jeweilige Lesegerät anpaßt, steht als Nachteil entgegen, daß die Formatierung gelegentlich deutlich von der Intension des Autors abweicht. So gibt es immer wieder Seiten-Umbrüche zwischen Kapitel-Überschriften und dem folgenden Text oder zwischen Grafiken und deren Unterschriften. Daß dieser Leitfaden trotz des teilweise unbefriedigenden Layouts ein E-Book geworden ist, liegt an der Absicht des Autors, ein auch für Studenten erschwingliches Angebot zu machen, wie es in farbigem Druck selbst als Paperback nicht realisierbar gewesen wäre.
In der Schreibweise von Zahlen weicht dieses E-Book vom in Deutschland üblichen Komma als Dezimal-Trennzeichen ab und verwendet statt dessen den in wissenschaftlichen Publikationen verbreiteten Dezimal-Punkt.
Das E-Book enthält so gut wie keine externen Verweise auf Ressourcen und Quellen. Zu diesem Zweck wird eine spezielle Web-Seite mit der Adresse 'acoucheck.de/schulakustik' eingerichtet. So können Quell-Angaben bei Änderungen leicht angepaßt werden, was besonders bei Internet-Adressen ein Vorteil sein kann. Auch etwaige Ergänzungen, oder falls nötig, Korrekturen werden dort zu finden sein.
'Last but not least' geht ein besonderer Dank an Aloisius Görg und an Marc Großklos, die beide mit zahlreichen und wertvollen Hinweisen dazu beigetragen haben, daß vieles in dem jetzt vorliegenden E-Book besser und klarer dargestellt ist, als dies im ursprünglichen Entwurf der Fall war.
Köln, Dezember 2018
Akustisch gut gestaltete Räume unterstützen die Kommunikation oder den Unterricht. Die sprachliche Kommunikation erfolgt in solchen Räumen einfach mühelos, oft ohne daß dies besonders auffällt.
Auf der anderen Seite gibt es vielerorts Grund zur Unzufriedenheit mit den akustischen Verhältnissen in Schulen und an anderen Orten, an denen kommuniziert wird. Allenthalben gibt es Klagen über 'schlechte Akustik' und über menschliche Belastungen und Überlastungen, die damit im Zusammenhang stehen.
Dabei ist es in den meisten Fällen weder sonderlich schwierig noch besonders kostspielig Räume in einen akustisch guten Zustand zu versetzen. Entscheidend ist jedoch die Kenntnis darüber, wie dies zu bewerkstelligen ist. Genau darum soll es im Folgenden gehen.
Als Erstes muß geklärt werden, welche Eigenschaften ein akustisch guter Raum haben soll. Was 'gut' ist hängt dabei immer von der Nutzungsart ab. Ein Konzertsaal soll andere Eigenschaften haben als ein Büroraum, ein Unterrichtsraum andere als ein Kino, etc.
Da es hier immer um Kommunkation geht, kann man sagen, daß diese – raumweit – ohne Anstrengung möglich sein soll. Dies muß noch präzisiert werden, und zwar sowohl aus der Sprecher-Perspektive als auch aus der Hörer-Perspektive.
In unmittelbarer Nähe zu den Sprechern, etwa in kleiner Runde an einem Eßtisch, ist Sprache in der Regel gut bis sehr gut zu verstehen und die Eigenschaften des Raums spielen nur eine untergeordnete Rolle. Mit zunehmendem Abstand zwischen Sprecher- und Hörer-Position steigt der Einfluß der Raum-Eigenschaften auf die Verständlichkeit. Diagonal durch einen typischen Unterrichtsraum oder auch bei anderen Räumen für Kommunikation sind durchaus Distanzen von 10 m oder auch mehr möglich. Bei diesen Entfernungen hängt die Verständlichkeit im Gegesatz zum Nahbereich wesentlich von den Raum-Eigenschaften ab.
Aus der Alltags-Erfahrung wissen wir, daß die Verständlichkeit in halligen Räumen meist schlechter ist als in bedämpften Räumen. Daraus ergibt sich bereits der Hinweis, daß die Bedämpfung von halligen Räumen mit schallabsorierenden Elementen nützlich sein kann. Allerdings kann dies, wie noch gezeigt wird, auf günstige oder auf ungünstige Weise erfolgen. Deshalb werden die Zusammenhänge im Folgenden genauer betrachtet.
Um die Schallausbreitung in einem Raum Näher zu untersuchen, ersetzen wir (vorübergehend) den Sprach-Schall durch einen sehr kurzen Schall-Impuls als Testsignal, das an einer Sprecher-Position ausgesandt wird (In der Praxis kann das ein kräftiges Händeklatschen oder ein platzender Ballon sein). An der Hörer-Position bringen wir in unserem Gedanken- Experiment ein Meß-Mikrofon an, mit dem wir den dort eintreffenden Schall beobachten können. Nun verfolgen wir einzelne Schallwege von der Impuls-Quelle zum Empfänger-Mikrofon.
Der kürzeste Weg ist offensichtlich der Direkte von der Quelle zum Empfänger. In einem Quader-förmigen Raum gibt es außerdem 6 Wege mit einer Reflexion an einer der sechs Oberflächen des Raums, von denen zwei im Beipiel in Grafik 1.1 eingezeichnet sind. Dabei nehmen wir an, daß die Reflexionen wie bei einem Lichtstrahl an einem Spiegel erfolgen (wobei diese Annahme in der Raumakustik nur eingeschränkt richtig ist).
Grafik 1.1 Der direkte und zwei einfach reflektierte Schallwege von der Quelle zum Empfänger.
Der Schall kann auch an zwei Oberflächen nacheinander reflektiert werden, bevor er am Empfänger eintrifft, auf 30 unterschiedlichen Wegen ist dies beim Quader möglich (in Grafik 1.2 sind nur einige davon gezeigt). Zusätzlich gibt es Schallwege mit drei, vier, fünf oder noch mehr Reflexionen. Mit der Zahl der beteiligten Reflexionen steigt die Anzahl der möglichen Wege sehr stark an, wie wir bei einer und zwei Reflexionen schon gesehen haben.
Grafik 1.2 Der direkte sowie einige einfach und mehrfach reflektierte Schallwege von der Quelle zum Empfänger
Nun betrachten wir den zeitlichen Verlauf, in dem die einzelnen Schall- Anteile über die verschiedenen Wege beim Empfänger eintreffen. Der direkte Schall hat den kürzesten Weg und trifft daher zuerst ein. Wenn beispielsweise der Abstand zwischen Quelle und Empfänger 5 m beträgt, benötigt der Schall etwa 15 ms (Milli-Sekunden), etwa 3 ms pro Meter. Einige ms später treffen (nacheinander) die einfach-reflektierten, dann die zweifach-reflektierten Schall-Anteile ein, usw. Je mehr Reflexionen beteiligt sind, umso öfter hat der Schall den Raum zwischen den Reflexionen durchquert, umso höher ist also die Laufzeit. Da zugleich die Anzahl der Möglichkeiten stark ansteigt, wird die zeitliche Folge der eintreffenden Anteile immer dichter (Grafik 1.3).
Grafik 1.3 Ein Beispiel für die zeitliche Folge der ersten eintreffenden Anteile des Schalls am Empfänger (der Hör-Position). Hier sind nur der direkte, die 1-fach reflektierten und die ersten 2-fach reflektierten Anteile gezeigt.
Jetzt betrachten wir die Lautstärke der einzelnen Schall-Anteile. Ein Schall-Signal, das von einer (einzelnen, punktförmigen) Quelle ausgeht, wird mit zunehmender zurückgelegter Wegstrecke leiser, der Schallpegel nimmt ab. Der direkte Schall hat den kürzesten Weg und ist deshalb am lautesten. Da die Laufzeit der Schallanteile proportional der zurückgelegten Wegstrecke ist, werden die Anteile umso leiser, je später sie eintreffen.
Hinzu kommt, daß reale Oberflächen in Räumen niemals 100% des Schalls reflektieren, sondern einen kleinen oder größeren Anteil absorbieren. Das führt zu einer zusätzlichen von den Oberflächen-Eigenschaften abhängigen Abschwächung des Schalls bei jeder Reflexion. Stärker absorbierende Oberflächen führen zu schnellerem Abklingen, weniger absorbierende Oberflächen zu einem langsameren Abklingen der Schall-Anteile mit der Zeit.
Das Resultat des beschriebenen Prozesses ist die 'Raum-Impuls-Antwort', also die Antwort des Raums an einer Empfänger-Position auf einen Impuls an einer Quell-Position. Raumimpulsantworten lassen sich mit einfachen Mitteln aufzeichnen, beispielsweise mit einem Notebook-PC und der freien Software 'AcouCheck'. Wie das geht, ist in Kapitel 2.2 beschrieben. Grafik 1.4 zeigt als Beispiel eine Raumimpulsantwort aus einem Hörsaal der Universität Wuppertal.
Grafik 1.4 Eine in einem Hörsaal der Universität Wuppertal gemessene Raumimpulsantwort.