Inhalt

  1. Cover
  2. Shadow Hearts – Die Serie
  3. Über diese Folge
  4. Über die Autorin
  5. Titel
  6. 1. Im Sonnenlicht
  7. 2. Brüssel
  8. 3. Alte Freunde
  9. 4. Renon Dey
  10. 5. Berlin
  11. 6. Die Anstalt
  12. 7. Verlorene Seele
  13. 8. Der Streit
  14. 9. Blut & Wasser
  15. 10. Die Wandlung
  16. Impressum

Shadow Hearts – Die Serie

Wenn sie Vampire berührt, kann sie deren Erinnerungen sehen. Als Toni diese Gabe an sich entdeckt, ändert sich ihr Leben schlagartig. Bis dahin lief es alles andere als geplant: Ihr Freund hat sie verlassen, sie hat ihr Studium geschmissen und kommt mit ihrem Job als Barkeeperin gerade so über die Runden.

Doch nun begibt sie sich gemeinsam mit dem amerikanischen Vampirjäger Brent auf die Jagd nach Vampiren durch ganz Europa. Und während sie versucht, hinter das Geheimnis ihrer Kräfte zu kommen, kann sie nicht aufhören an den ersten Vampir zu denken, der ihr je begegnet ist – Finn Mathesson.

Über diese Folge

Toni erfährt, dass ihre Freundin Dédé verschwunden ist. Gemeinsam mit Nick und Brent verfolgt sie die Spur der jungen Frau bis nach Berlin. Dort müssen sie erkennen, dass Dédé sich nie ganz von dem Biss des Vampirs aus Amsterdam erholt hat. Und jetzt kann nur noch einer helfen: Finn Mathesson. Doch davon ist Brent alles andere als begeistert …

Über die Autorin

J.T. Sheridan ist das Pseudonym der Autorin Jessica Bernett. Sie wurde 1978 als Enkelin eines Buchdruckers in Wiesbaden geboren. Umgeben von Büchern und Geschichten entdeckte sie schon früh ihre Begeisterung für das Schreiben. Der Liebe wegen wechselte sie die Rheinseite und lebt heute mit ihrem Mann und ihren Kindern in Mainz. Sheridan hat schon immer davon geträumt, einen Roadtrip durch Europa zu unternehmen und kann dies nun in mit ihrer Heldin Toni in Shadow Hearts ausleben.

J.T. SHERIDAN

Folge 6: Verloren

1. Im Sonnenlicht

Toni

Nach dem grausamen Überfall der Werwölfe war nichts mehr so wie vorher.

Ich hatte versucht, die Vampire von meiner Familie fernzuhalten, sie zu schützen, indem ich mich selbst von ihr fernhielt.

Ich zog das Unglück an, und die Finsternis folgte mir auf jedem Schritt, den ich auf diesem Erdboden tat. Oder war es umgekehrt, und ich folgte der Dunkelheit? War ich es, die sich in die Finsternis stürzte und mit einem Streichholz versuchte, ein winziges Licht in dieser Welt zu schaffen, die von so viel Düsternis erfüllt war? Im Fall der Werwolfbande jedoch war mir die Finsternis voraus gewesen. Sie war lange vor mir bei meiner Familie gewesen und hatte sich meinen Bruder gekrallt.

Wäre es anders gekommen, wenn ich früher zu meiner Familie gereist wäre? Hätte ich Nick vor der Finsternis beschützen können, ihn davor bewahren können, ein Teil von ihr zu werden?

Ich wusste, dass mein kleiner Bruder sich ganz ähnliche Fragen stellte. Wäre es besser gewesen, in Madrid zu bleiben und so die Werwölfe von der Finca meiner Eltern fernzuhalten?

Doch wir konnten nicht ändern, was bereits geschehen war. Wir konnten nur dafür sorgen, dass unserer Familie nie wieder etwas zustoßen würde. In erster Linie taten wir das, indem wir die Polizei bei ihren Ermittlungen unterstützten.

Offiziell wurde gegen eine gewisse Viktoria Vadas ermittelt, genannt Vika. Sie war die Anführerin einer Bande von Kriminellen, die ihren Sitz in Madrid hatte. Daher arbeitete die Polizei von Barcelona mit der Polizei von Madrid zusammen.

Nick war ein wertvoller Zeuge, da er über Insiderwissen verfügte. Die Bande hatte bereits mehrere Überfälle auf Tankstellen und Supermärkte verübt. Sie hatten Nick mit einem Jobangebot nach Madrid gelockt, ihn als IT-Experten angeworben.

Der Club, den Vika in Madrid unterhielt, war nur ein Nebenbetrieb, ihr Alibi für die Geschäfte, die sie abzog. Tatsächlich war der Sumpf ihrer Machenschaften tiefer. Sie wurde bereits in Belgien und Frankreich gesucht, weil sie dort ebenfalls Banden gegründet hatte. Sie stammte aber ursprünglich aus Ungarn …

Während der Ermittlungen blieben wir also auf der Finca meiner Eltern. Wir wussten, dass die vier Männer, die in der Nacht gekommen waren, nun in Haft saßen. Aber es gab noch andere. Würde Vika ihre Bande, ihr Rudel vielmehr, zusammenrufen, um sich an Nick zu rächen?

Wir waren vorsichtig. In den Nächten teilten Brent, Nick und ich Wachen ein. Meine Eltern wussten natürlich nicht, dass Werwölfe existierten. Sie gingen, genau wie die Polizei, davon aus, dass es sich um eine Bande von Kriminellen handelte.

Meine Schwester Celia und ihr frisch angetrauter Ehemann Leon verschoben ihre Hochzeitsreise, die sie in Südafrika verbracht hätten, und blieben in ihrer Wohnung in Barcelona, bis die Ermittlungen abgeschlossen waren. Auch meine Tante Emilia flog zunächst nicht zurück nach Ibiza.

Wir alle trauerten um Nana.

Ihre Beerdigung hatte eine Woche nach der Hochzeit meiner Schwester stattgefunden. Ihr Grab befand sich bei der Kirche in dem Dorf, wo Celia geheiratet hatte. Ich besuchte sie jeden Tag und legte frische Blumen an ihrem Grab nieder.

Die Trauer um das, was wir verloren hatten, war groß. Ich erinnerte mich gern daran, wie sie mir ihre Geschichten erzählte, während ich als kleines Mädchen in ihrer Küche saß und sie Kuchen backte oder Obst für einen Snack schälte. Ich vermisste Nana so unermesslich. Ich bereute die verlorene Zeit, die Gespräche, die wir noch hätten führen können.

Ich saß in meinem Zimmer und blätterte in ihrem alten Buch. Verzweifelt fragte ich mich, wer mir nun die Fragen beantworten würde, die sich mir stellten.

Brent klopfte an die offen stehende Tür. »Hey, alles okay bei dir?«

Sein Anblick ließ mein Herz schneller schlagen. In allen Vorstellungen davon, wie es wohl sein würde, mit ihm zusammen zu sein, hatte ich nie zu hoffen gewagt, dass es so sein würde.

Unsere Freundschaft war nach wie vor tief. Wir konnten uns alles sagen, waren ehrlich und direkt zueinander. Doch es war eine weitere Ebene hinzugekommen. Und mir trieb es die Hitze in meine Mitte, wenn ich daran dachte, was wir bisher alles getrieben hatten. Brent war ein fantastischer Liebhaber, und wir genossen es, diese neue Seite von uns zu erkunden und neue Sachen auszuprobieren.

»Komm rein«, bat ich und klopfte neben mich aufs Bett.

Er schloss die Tür hinter sich und setzte sich zu mir, die Beine über Kreuz und eng an mich geschmiegt. Dann sagte er nichts, sondern wartete, bis ich so weit war.

Ich schluckte und kämpfte mit den Worten. »Ich frage mich, warum Nana mir nicht früher von den Meigas und unserem Familiengeheimnis erzählt hat. Sie hätte mich warnen können, mich besser auf das vorbereiten können, was mich erwartete.«

Brent legte mir einen Arm um die Schultern, und ich kuschelte mich an ihn. Seine Wärme tat mir unendlich gut. So, wie es von Anfang an gewesen war. »Sie hatte nicht ahnen können, dass es dich trifft. Und auf ihre Weise hat sie dich und deine Geschwister sehr wohl dafür empfindsam gemacht … Sie hat euch ihre Geschichten erzählt und euch so vor den Monstern gewarnt, von denen sie wusste, dass es sie wirklich irgendwo in dieser Welt gibt.«

Er küsste mich auf die Schläfe, und ich seufzte tief. Ein weiterer Gedanke keimte in mir auf. »Ich bin froh, dass es mich getroffen hat. So bleibt Celia dieses Schicksal erspart, und sie kann ein ganz normales Leben führen. Zusammen mit Leon.«

Brent und ich würden nie ein normales Leben führen. Wie sollte das funktionieren, wenn wir doch zu den wenigen Menschen auf dieser Welt gehörten, die wussten, welche Monster sich da draußen herumtrieben?

»Im Moment können wir jedenfalls so tun, als wäre unser Leben normal.« Er rutschte an meiner Seite etwas tiefer und küsste mich auf den Mund.

Sein Mund fühlte sich angenehm weich an. Bereitwillig öffnete ich die Lippen, und meine Zunge begegnete seiner.

Brents Hand wanderte unter mein T-Shirt und streichelte meine Haut, bis er zu meiner rechten Brust gelangte, die er leicht massierte.

»Toni? Essen ist gleich fertig!«

Brent gab ein Brummen von sich, und ich kicherte.

»Ich komme mir gerade vor wie ein Teenager, der heimlich mit seiner Freundin Sex haben will.«

Nun musste ich wirklich lachen.

»Ähm, hallo?« Es war die Stimme meines Bruders, und ich hätte am liebsten die Tür aufgerissen und ihn fortgeschickt.

Aber mit Brent im Bett rumzumachen, während im Haus Familienmitglieder herumwuselten, war eher nicht das, was ich mir unter einem spannenden Sexleben vorstellte.

»Komme gleich!«, rief ich nach draußen, um wenigstens noch ein paar Momente allein mit Brent genießen zu können. Ich schob meine Hand in seine Jeans und umfasste seinen Schwanz, der bereits hart war. »Hmm, wir werden wohl noch ein bisschen warten müssen.«

Er gab ein leises Knurren von sich und küsste mich fordernd. »Nach dem Essen unten am Strand?«

Ich nickte und zog meine Hand wieder aus seiner Hose. Meine Brustwarzen drückten gegen mein Shirt, und ich seufzte genießerisch auf, als Brent durch den Stoff hindurch zärtlich hineinbiss.

Mein Bruder Nick hatte Neuigkeiten, die er uns beim Abendessen verkündete. Wie immer saßen wir gemeinsam in der großen Wohnküche, und mein Vater servierte an diesem Abend eine große Pfanne Paella. Dazu gab es von meiner Mama selbst gebackenes Brot sowie einen kühlen Rosé, da meine Mama keinen Weißwein mochte, der natürlich besser zum Essen gepasst hätte.

»Die polizeilichen Ermittlungen sind abgeschlossen«, verkündete Nick. »Es wird Anklage erhoben gegen die Männer, und die Fahndung nach Vika läuft weiter. Aber wir dürfen unserer Wege gehen.«

»Werden wir nicht als Zeugen zur Gerichtsverhandlung geladen?«, fragte Mama verwundert.

»Doch, womöglich schon. Vorerst scheinen aber unsere schriftlichen Aussagen zu genügen. Deswegen müssen wir erreichbar bleiben. Aber Toni und Brent dürfen das Land verlassen, wenn sie wollen.« Nick schob sich ein großes Stück Brot in den Mund, was ihn nicht davon abhielt, weiterzureden. »Und ich auch. Ich werde mit den beiden gehen.«

Tante Emilia sog die Luft durch die Nase ein, wandte den Blick ab und gönnte sich einen großen Schluck vom Wein. Nun, es waren mehrere Schlucke. Sie kippte das halbe Glas runter.

Ich zog die Brauen hoch. Einmal mehr fiel mir auf, dass sie sich in Nicks Gegenwart merkwürdig benahm. Sie schaffte es kaum, ihn anzusehen, und redete nur das Notwendigste mit ihm.

Mein Vater starrte meinen Bruder an und deutete mit der Gabel auf ihn. »Junge, was ist mit deinem Studium?«

»Keine Sorge, ich bin nicht dumm.« Nick klang ein bisschen trotzig. »Ich werde im Fernstudium weitermachen. IT ist zum Glück ein recht fortschrittliches Fach.«

»Fernstudium? Wie soll das funktionieren?« Papa war skeptisch, doch Nick erklärte ihm ausführlich die Möglichkeiten von Online-Vorlesungen sowie diverser Lernplattformen.

Mein Blick huschte zu Brent. Er folgte Nicks Ausführungen und aß dabei in Ruhe weiter.

Wir würden in unser altes Leben zurückkehren.

Auf der Straße. Mit unserem VW-Bus. Stets auf der Suche nach dem nächsten blutrünstigen Vampir, von dem wir die Menschheit erlösen durften.

Ein Teil von mir hatte es tatsächlich vermisst – dieses alte Leben voller Schrecken, Blut und Horror. Aber es war die Zweisamkeit mit Brent, die ich wirklich vermisst hatte. Wir beide allein gegen den Rest der Welt.

Doch nun waren wir nicht mehr allein. Wir hatten Nick bei uns. Somit startete unser Leben doch irgendwie ganz anders, als es bisher gewesen war.

Nach dem Essen räumten Nick und ich die Küche auf.

»Wann fahren wir los?«, wollte er wissen.

»Wow, langsam. Ich muss mit Brent reden.«

»Werden wir einen Vampir jagen?« Er sah mich erwartungsvoll an. Für ihn schien es ein großes Abenteuer zu sein, in das er sich stürzte.

»Vielleicht.« Ich stellte den Teller, den ich gerade abgetrocknet hatte, in den Schrank. »Aber es ist kein Spaß. Das sollte dir klar sein.«

Er nickte und sah betreten zu Boden. »Es ist nur, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl habe, etwas Nützliches zu machen … dass ich nicht der Loser vom Dienst bin.«

Mein Bruder ein Loser? Das konnte ich mir schlecht vorstellen. Ich fand, er war lustig, besaß eine Menge Grips und war nett anzusehen. Aber vermutlich sah ich ihn durch die rosarote Schwesternbrille. Was hatte er erlebt, seit er mit meinen Eltern nach Spanien gezogen war, während ich mit unseren deutschen Großeltern zurückblieb?

Ich hatte mich damals bewusst dazu entschieden, in Deutschland zu bleiben. Ich stand damals kurz vor dem Abi, liebte meine Großeltern über alles und wollte nicht unbedingt ein Anhängsel meiner Eltern bleiben.

Unsere Schwester Celia hatte es schon immer nach Spanien gezogen und war bereits an der Uni in Barcelona angenommen worden, während unser kleiner Bruder Nick ohnehin lieber bei unseren Eltern leben wollte.

Ich packte ihn und wuschelte ihm durch das dunkle Haar. »Du bist kein Loser. Ein Nerd vielleicht, aber ein cooler.«

Er grinste schief und küsste mich auf die Wange. »Danke, Schwesterherz. Für alles.«

»Schon okay. So, ich gehe mal ’ne Runde spazieren.« Ich schnappte mir eine angefangene Flasche Wein aus dem Kühlschrank und fing Nicks amüsierten Blick auf.

»Was ist das denn nun mit Brent und dir? Freundschaft mit gewissen Vorzügen?«

Autsch, das tat weh. So wirklich hatten Brent und ich den Status nicht besprochen. Aber mussten wir das überhaupt?

Ich hob die Schultern. »Wird sich klären«, sagte ich knapp. »Aber schick mir ’ne Nachricht, falls jemand runter zum Strand will.«

»Als ob du da unten auf dein Handy gucken würdest.«

Ich schürzte die Lippen und marschierte an meinem Bruder vorbei. Ich musste wohl kaum mein Liebesleben mit ihm ausdiskutieren.

Aus meinem Zimmer holte ich eine Decke und machte mich auf den Weg zum Strand. Der Frühling hatte in Spanien deutlich Einzug gehalten. An einigen Tagen konnte man sogar schon im Meer baden, ohne sich fast den Hintern abzufrieren.

Bald würden die ersten Feriengäste auf der Finca meiner Eltern eintreffen und sie auf Trab halten. Die Haushaltshilfe, die für meine Eltern arbeitete, kam bereits täglich, um bei den Vorbereitungen zu helfen. Meine Mutter hatte einen Frühjahrsputz angeordnet, um das Haus und den Garten auf Vordermann zu bringen. Brent und ich halfen, wo es ging, doch so langsam hatte ich das Bedürfnis, wieder mein eigenes Leben zu führen.

Ich schmunzelte bei dem Gedanken, während ich den schmalen Pfad hinunter zum Strand ging. Mein eigenes Leben war schrecklich, voller Gefahren und Grauen. Aber Brent und ich sorgten füreinander. Und wir sorgten dafür, dass blutrünstige Vampire keine Gefahr mehr für Menschen darstellten. Mit jedem Vampir, den wir erledigten, retteten wir Menschenleben.

Es war meine Bestimmung. Nanas Buch hatte es mir deutlich gemacht. Und ich haderte nicht mehr damit.

Brent wartete an dem kleinen Felsen am Ende der kleinen Bucht, zu der man nur von unserem Grundstück aus Zugang hatte. Er hatte sich gegen den Stein gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt und das Gesicht der untergehenden Sonne zugewandt. Ich hielt inne, um den Anblick zu genießen.

Seine Muskeln traten leicht hervor, und sein schwarzes Shirt war ein wenig hochgerutscht, sodass ein Streifen Haut über seinem Jeansbund zu sehen war.

Er hatte sich heute nicht rasiert, und sein kantiges Kinn war von Bartstoppeln bedeckt. Sein Haar war ein wenig länger als sonst, und eine Strähne fiel ihm in die Stirn. Ich hätte nie gedacht, dass ich auf diesen verwegenen Typ von Mann stehen würde. Aber ich tat es.