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1. Auflage 2021

© 2021 Arena Verlag GmbH,

Rottendorfer Straße 16, D-97074 Würzburg

Alle Rechte vorbehalten

Text: Anna Ruhe

Einband und Illustrationen: Max Meinzold

Lektorat: Christine Denk

E-Book ISBN 978-3-401-80951-9

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Der Umzug ins Puppenhaus

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Ich heiße Paula Goldenberg und habe etwas, das außer mir niemand hat. Ganz ehrlich: Ich habe eine eigene Fee. Eine, die fliegen kann und einen ausklappbaren Zauberstab besitzt, mit dem sie rund um die Uhr versucht, meine Wünsche wahr werden zu lassen. Sie heißt Maxi von Phlip und ist gerade mal minigroß.

Klingt eigentlich wie der allergrößte Lottogewinn. Aber wer nun denkt: So eine will ich auch haben, sollte besser noch weiter zuhören.

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Meine Fee kann mir nämlich nicht einfach alle Wünsche erfüllen, die ich ihr sage. Nein, sie muss sie selbst und ganz allein erraten.

Und das ist ein riesiger Unterschied. Maxi rät nämlich niemals richtig. Leider. Sie liegt immer völlig daneben. Und deshalb macht meine Fee eine ganze Menge Dinge für mich, die ich auf gar keinen Fall jemals bestellen würde!

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Ich wette, niemand denkt jetzt mehr: So eine will ich auch haben.

Außer mir, Paula Goldenberg.

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Denn auch wenn es mit meiner Fee manchmal ganz schön anstrengend sein kann, lustig ist sie trotzdem – und langweilig ist mir auch nie mehr. Und was ist schon schlimmer als Langeweile?

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Vor mir stieg Papa die Stufen in den ersten Stock hinauf, und hinter mir hörte ich Maxis Flügel vertraut durch die Luft surren.

»Ich hab echt maximetrisch viel Glück gehabt!«, hörte ich die kleine Fee jubeln. In ihrer Winzigkeit zischte sie unsichtbar für alle außer für mich hin und her. »Mein Mensch ist der tollste von allen!«

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Papa schnaufte, während er versuchte, das dreistöckige alte Puppenhaus in mein Zimmer zu bugsieren. Es hatte die letzten Jahre in seinem Trödelladen Goldenbergs Dinge bereits Staub angesetzt, und ich hatte es längst vergessen. Erst als Maxi das Puppenhaus entdeckte, war mir aufgefallen, dass es nicht nur die perfekte Größe für meine kugelschreibergroße Fee hatte, sondern auch bereits fertig eingerichtet war.

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Im Erdgeschoss des Puppenhauses gab es eine geräumige Küche, ein Esszimmer mit altmodischen Puppenmöbeln und eine Bibliothek. Im zweiten Stock lagen das Schlafzimmer, ein Badezimmer und ein Salon mit einem Sofa plus Sesseln aus gelbem Samt. Alles im Puppenhaus wirkte allerdings schon etwas älter. So alt, dass das Mädchen, das als erstes damit gespielt hatte, mittlerweile bestimmt längst im Oma-Alter war. Aber Maxi würde es sich darin schon gemütlich machen. »Dass du noch mit Puppen spielst, hätte ich nicht gedacht.« Papa schnaufte noch mal und stellte das Puppenhaus neben meinem Bett ab.

»Ich spiele ja auch nicht damit, sondern …«, haspelte ich und überlegte kurz. »… ich finde es einfach nur schön anzugucken!«

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Das war definitiv eine gute Antwort von mir. Papa lächelte jetzt so, wie er immer lächelt, wenn er glaubt, mich zu verstehen. Papa liebt nämlich alles, was eine Geschichte hat, wie er immer sagt. Also alles, was man nur noch gebraucht kaufen kann. Deshalb ist er ja auch Trödelladenbesitzer geworden.

»Gott sei Dank liegt unsere Wohnung direkt über meinem Laden.« Papa wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Weiter hätte ich das Ding nicht mehr geschleppt!«

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»Ich bin eine pri-pra-primibus Glücksfee!«, jubelte Maxi. »Gerade noch eingesperrt in dieser grässlichen Flasche, geht’s jetzt, schwups, rein in ein zauberhaftes neues Haus.« Maxi hopste aufgeregt durch das Wohnzimmer des Puppenhauses und ließ sich auf das Samtsofa plumpsen. Dabei brach eins der Sofabeine ab.

Meine Fee kippte auf die Seite und fing an zu fluchen.

»Nanu?«, wunderte sich Papa.

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»Wie ist das denn gerade passiert?« Er konnte Maxi zwar weder sehen noch fluchen hören, aber er hatte natürlich trotzdem bemerkt, dass wie aus heiterem Himmel ein Sofabein umgeknickt war. »Ich repariere dir das bei Gelegenheit«, versprach er und schüttelte immer noch den Kopf.

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Auch das Fell unseres Perserkaters Baron Schnurr sträubte sich, und er fauchte los. Ich glaube, er kann meine Fee, im Gegensatz zu Papa, sehr wohl sehen. Auf jeden Fall kann er sie hören. Maxi redet nämlich manchmal mit ihm und erzählt mir dann, dass Baron Schnurr sehr ungezogen zu ihr sei und hässliche Dinge sagen würde. Aber ich habe Baron Schnurr noch nie sprechen hören. Deshalb bin ich mir nicht so sicher, ob Maxi wirklich immer die ganze Wahrheit erzählt oder nicht doch mal die eine oder andere Extra-Geschichte erfindet.

Manchmal nimmt meine Fee es nämlich nicht so genau mit der Wahrheit.

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Der Schlechte-Laune-Tag

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Es war Samstagvormittag, und ich saß schlecht gelaunt auf meinem Bett. Samstags muss ich immer aufräumen. Wie dumm! Wie soll man denn bitte schön in einem ordentlichen Zimmer was Tolles machen? Sobald man fertig ist mit Aufräumen, packt man doch eh sofort wieder alles aus. Und dann ist die ganze Arbeit futsch.

Leider ließ Papa mein Argument auch an diesem Samstag nicht gelten. Er beharrte darauf, dass ich in einem aufgeräumten Zimmer meine schönen Sachen auch mal finden würde. Pah! Muss der gerade sagen. Sein Trödelladen sieht aus wie … na ja, ich sag es lieber nicht.

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Ich verdrehte die Augen und warf Maxi einen Blick zu. Die pfiff vor sich hin und war damit beschäftigt, das Puppenhaus umzuräumen.

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Also schaute ich ihr zu, wie sie von Zimmer zu Zimmer flitzte und mit ihrem Zauberstab die Möbel und Gegenstände herumfliegen ließ.

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Noch sah es ziemlich wüst aus, aber ich war ja nicht Papa und bestimmte über Maxis Einrichtungsgeschmack. Ich war da viel lockerer.

»Das neue alte Haus ist superprimibus!«, trällerte Maxi durch die herumwirbelnden Puppenmöbel und jubelte zum tausendsten Mal darüber, dass sie endlich aus der blöden Flasche heraus war.

Das mit der Flasche sollte ich vielleicht noch einmal erklären.

Meine Fee Maxi, mit vollem Namen Maximeralda Feodora Dilara Nima von Phlip, saß genau zwei Jahre, achtzehn Tage und 123 Minuten in einer grünen Flasche fest.

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