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Roland Eller (Hrsg.) | Markus Heinrich (Hrsg.)
VERMÖGENS MANUFAKTUR
Stressfrei anlegen im Klimawandel der Finanzmärkte
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Für Fragen und Anregungen:
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1. Auflage 2018
© 2018 by FinanzBuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
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Redaktion: Marion Reuter
Korrektorat: Hella Neukötter
Umschlaggestaltung: Maria Wittek
Umschlagabbildung: Shutterstock.com/stokkete
Satz: Satzwerk Huber, Germering
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in Germany
ISBN Print 978-3-95972-129-5
ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-229-2
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-230-8

INHALT

Vorwort der Herausgeber Roland Eller und Markus Heinrich
Umweltanalyse
Das Big Picture – Die Welt seit 2008 im Ausnahmezustand Volker Gronau
1Aktienmärkte bergen mehr Chancen als Risiken
2Deutsche Aktien brachten über 9 Prozent pro Jahr
3Was machten die Zinsen?
4Der Kausalzusammenhang funktioniert nicht mehr
5Reaktion des japanischen Aktienmarktes
6Wer hat sich verschuldet?
7Inflationsarten
8Aktien als Geldanlage
9Resümee
Autorenvita
Die wichtigsten Megatrends, die Investoren kennen sollten Jürgen Michels
1Die wichtigsten Megatrends
2Auswirkungen der Megatrends auf Finanzmarkt- und Wirtschaftsfaktoren
3Fazit: Megatrends sind keine Modeerscheinung für Investoren
Autorenvita
Anleihe-Ankaufprogramm(e) der EZB: eine Abkehr vom Glauben an »Effiziente (Finanz-)Märkte« Karlheinz Ruckriegel
1Paradigmen(wechsel) in der Volkswirtschaftslehre
2Immobilienkrise in den USA ab 2006/2007 als konkreterAuslöser der Finanzkrise
3Anleihe-Ankaufsprogramme – ein sehr erfolgreiches Mittel gegen (Markt-)Panik
4Lehren aus der Finanzkrise
Autorenvita
Der Wandel an den Währungsmärkten Michael Blumenroth
1Einführung
2Eine kurze Geschichte der Währungsmärkte
3Die Funktionsweise der Währungsmärkte
4Wer ist an Währungsmärkten aktiv?
5Einflussfaktoren auf Währungsmärkte
Anhang
Autorenvita
Die Blockchain als zukunftsweisende Idee für die Geldanlage Stefan Ulreich
1Das Konzept der Blockchain
2Investitionsmöglichkeiten in Blockchain als Technologie
3Beispiel Kryptogeld
4Beispiel Immobilien
5Beispiel Musikbranche
6Beispiel Lieferketten in der Lebensmittelindustrie
7Beispiel Energie
8Konsequenzen für Investoren
Literatur
Autorenvita
Methoden und Werkzeuge
Risikoprofiling von Anlegern – wie finde ich heraus, welches Risiko zu mir passt? Lothar Schmidt
1Einleitung
2Herausforderung im Umgang mit Geld und Risiko
3Professionelles Risikoprofiling
4So können Sie vorgehen
Autorenvita
Die Bank – der Lotse im digitalen Anlagedschungel Jochen Werne
1Finanzmärkte richtig nutzen
2Besitzstandseffekt und mangelnde Selbstkontrolle
3Family Banker®: Lotse und Filter in der Informationsflut
Autorenvita
Lassen sich Börsenkurse vorausberechnen? Norbert Keimling
1Traditionelle Kurs-Gewinn-Verhältnisse haben kaum Aussagekraft
2Zyklisch bereinigtes Kurs-Gewinn-Verhältnis (CAPE)
3Attraktive CAPE kündigen Investitionschancen an
4CAPE erlaubt international Renditeprognosen
5Schwächen des CAPE-Ansatzes
6Kurs-Buchwert-Verhältnis verbessert Renditeschätzungen
7Welche Aktienmarktrenditen können Anleger erwarten?
8Mit welcher Unsicherheit sind diese Prognosen behaftet?
9Szenario-Analyse für den deutschen Aktienmarkt
10Fazit
Autorenvita
Die private Risikotragfähigkeit: Professionelles Risikomanagement für Privatanleger Daniela Waitz
1Die Idee der privaten Risikotragfähigkeit
2Product Governance: Müssen Banken die Anleger vor sich selbst schützen?
3Einordnung der privaten Risikotragfähigkeit im Investmentprozess
4Risikoquantifizierung und Modellrisiken
5Das Konzept der Privaten Risikotragfähigkeit
6Fallbeispiele
7Abschließende Bewertung
Autorenvita
Die strategische Vermögensanlage – Wie lege ich mein Geld ohne Stress an? Markus Ramming
1Grundlagen und Anlagemöglichkeiten
2Wie viel wovon? Die Gewichtungsfrage
3Lösungsmöglichkeiten
4Fazit
Autorenvita
Die globale Aufteilung des Vermögens Dr. Gerd Kommer
Literatur
Autorenvita
Ein konjunkturbasierter Investmentprozess für den Privatgebrauch Josef Gilhaus und Simon Pleines
1Einleitung
2Wachstum und Konjunktur
3Wirtschaftsindikatoren
4Der konjunkturbasierte Investmentprozess
5Fazit
Literatur
Anhang 1: Auswertungsbogen für das Euroland (beispielhafte Markierungen)
Anhang 2: Mögliche Indikatoren, Datenreihen und Datenquellen für die USA
Anhang 3: Mögliche Indikatoren, Datenreihen und Datenquellen für das Euroland
Autorenvita
Der Irrtum des Cost-Averaging-Effekts Dr. Gerd Kommer
Literatur
Autorenvita
Märkte, Produkte und Anlagestrategien
Welche Indizes sind sinnvoll, um mein Vermögen anzulegen? Markus Heinrich
1Aktienindizes
2Rentenindizes
3Indizes für Derivate
4Währungen
5Benchmark für aktive Anlagestrategien
6ETFs auf Indizes
7Fazit
Autorenvita
Faktor-Investing oder Smart Beta – Wie investiere ich in Ertragsprämien, um Geld zu verdienen? Werner Krämer
1Bestimmung von Aktienrenditen – Das Einfaktormodell
2Bestimmung von Aktienrenditen – Das Mehrfaktorenmodell
3Historisch nachgewiesene Faktoren, die Wert generieren
4Einfaktor-Investing
5Mehrfaktoren-Investing
6Praktische Fragen bei der Umsetzung des Faktor-Investing
7Ausblick
Hinweis des Autors
Autorenvita
»Markt – Meinung – Wissen« – Bausteine eines wissenschaftlichen Anlagekonzepts Arndt Kussmann
1Vorbemerkungen
2Die Grundzüge des Anlagekonzepts – die Kapitalmarktforschung ebnet den Weg
3Der Anlagebaustein »Markt« – weltweit prognosefrei investieren
4Der Anlagebaustein »Wissen« – Expertenwissen in ausgewählten Nischenmärkten nutzen
5Abschließende Bemerkungen
Literatur
Autorenvita
Factor Investing – Wie werden Faktorprämien ausgewählt und kombiniert? Bernhard Breloer
1Einleitung
2Faktoren erklären, konstruieren und verbessern
3Portfoliokonstruktion: Faktoren richtig umsetzen und integrieren
4Zur Auswahl der geeigneten Faktorstrategien für das eigene Portfolio
5Abschließende Gedanken
Autorenvita
Ein Blick hinter die Kulissen: So funktioniert Value Investing Georg Geiger
1Einleitung: Value Investing
2Auswahlkriterien
3Anlageuniversum
4Bewertung
5Qualitative Analyse
6Fazit
Autorenvita
Wandelanleihen – mehr als eine Option auf steigende Märkte Martin Kühle
1Konstruktion von Wandelanleihen
2Markt für Wandelanleihen
3Langfristige Performance von Wandelanleihen
4Strategiemöglichkeiten und Einsatz in der Asset-Allokation
5Fazit
Autorenvita
Warum Immobilieninvestmentfonds gerade jetzt (nicht?) als Kapitalanlage funktionieren?! Ein Detailblick hinter die Kulissen Detlef Schumacher
1Einleitung
2Immobilienmärkte: Die reine Betrachtung der Bruttomietrenditen verschweigt ein Gutteil der (Ertrags-)Wahrheit!
3Erwerbsnebenkosten und deren Ergebniseinfluss
4Performance ist nicht gleich Performance – Auswirkungen von Kosten, Liquidität und Leverage (bzw. LTV = Loan to Value)
5Exkurs: Werden Erträge oder Substanz ausgeschüttet?
6Immobilieninvestments – Direkt erwerben oder via Investmentfonds investieren?
7Fazit: Vorteile für Fondsanleger
8Wichtiger Hinweis
Autorenvita
Edelmetalle zur Vermögenssicherung im ökonomischen Winter Martina Beierl und Johann Gess
Einleitung
1Investmentstrategien im Rahmen der Makro-Zyklik
2Edelmetalle zur Absicherung des Vermögensportfolios
3Der Goldsparplan der Volksbank Löbau-Zittau eG
4Das Goldkonto der Kreissparkasse Göppingen
5Darum müssen Vorstände gerade jetzt querdenken
Autorenvita
Währungen als Anlageform von Maik Schober
1Einleitung
2Wechselkurssysteme
3Risikoprämie
4Zinssätze und ungedeckte Zinsparität
5Kaufkraftparität
6Zusammenfassung
Autorenvita
Makro- und Verhaltensökonomie: Das Naturgesetz der ökonomischen Jahreszeiten Uwe Bergold und Bernt Mayer
1Einleitung
2Makroökonomische Zyklik als Naturgesetz der ökonomischen Jahreszeiten
3Persönlichkeitsprofile im Rahmen der Verhaltensökonomie
Literatur
Autorenvita
Do it yourself
Die praktische Umsetzung Ihrer Investmentpläne – auf diese Punkte sollten Sie achten Dr. Gerd Kommer
Literatur
Autorenvita
Steuerbedingte Unterschiede in den Nachsteuerergebnissen bei identischen Ergebnissen vor Steuern Thomas Egner
1Zur Notwendigkeit der Berücksichtigung von Steuern
2Die Wirkungsweise der Abgeltungsteuer
3Investitionen in Sachwerte
4Investitionen in offene Investmentfonds
5Schlussbemerkungen
Literatur
Autorenvita
Die neue Welt der digitalen Vermögensverwalter Markus Jordan
1Digitale Vermögensverwaltung für jeden Anspruch
2Was ist eine digitale Vermögensverwaltung?
3Deutliche Unterschiede bei den Anlagestrategien
4Transparente Kosten
5Mehr Anbieter, mehr Angebot
6Testbericht: Digitale Vermögensverwaltungen
7Die einzelnen Bewertungskategorien
9Fazit
Autorenvita
So funktionieren Robo-Advisor Rudolf Geyer
1Der Robo-Advisor
2Die automatische Finanzportfolioverwaltung als Herzstück eines Robo-Advisors
3Fazit
Literatur
Autorenvita

VORWORT DER HERAUSGEBER ROLAND ELLER UND MARKUS HEINRICH

Sie werden sich wahrscheinlich fragen, welche Motive uns dazu bewegt haben, dieses Buch ins Leben zu rufen, Autoren und einen Verlag zu suchen? Man könnte die Idee wie folgt auf den Punkt bringen: »Insider berichten über Methoden und Werkzeuge der professionellen Geldanlage und wiederum jedermann kann davon profitieren.«
Finanzmarktwissen ist kein Hexenwerk! Wir wollten schon immer unser berufliches Netzwerk an Kontakten sehr interessanter Persönlichkeiten nutzen, um auch dem Privatanleger in ganz einfachen Worten »Produkte und bewährte Strategien« der professionellen Geldanlage zu erschließen. Finanzmarkt-Insider berichten hier über die Methoden und Werkzeuge, wie Profis erfolgreich das Geld anlegen und Risiken managen. Diese Strategien können fast 1:1 auf die private Vermögensanlage übertragen werden. FAZIT: Jedermann kann das Wissen für seine private Geldanlage nutzen.
Mit vielen anschaulichen Beispielen und einfachen Worten werden komplexe Zusammenhänge auch für Laien gut verständlich. Doch oft liegt es nicht am Wissen, sondern an der Umsetzung! Das Buch fungiert hier als einfache Anleitung und steht mit Rat und Tat beiseite. Der Leser erhält viele Anregungen und Tipps, wie er seine Kapitalanlage selbst in die Hand nehmen kann. Unser Ziel ist erreicht, wenn die Leser am Ende des Buches etwas wagen – nämlich sich trauen, ihre persönliche Anlagestrategie umzusetzen oder eben bei der Bank oder Sparkasse ihres Vertrauens in Auftrag zu geben.
Gehören Sie zur Zielgruppe des Buches? Auf jeden Fall! Das Buch richtet sich an alle,
die sich für Chancen und Risiken an den Finanzmärkten interessieren,
die ihre private Altersvorsorge selbst in die Hand nehmen und das nötige Wissen »anlesen« möchten,
die den Wunsch verspüren, selbstbestimmt zu investieren mit geringen Gebühren auf der einen Seite und einer großen Auswahl an Produkten auf der anderen,
die ihr privates Risikomanagement selbst in die Hand nehmen,
die die Strategieberatung der Bank besser nachvollziehen und kontrollieren möchten,
die das Ziel verfolgen, Möglichkeiten und Chancen der Digitalisierung zu nutzen.
Das Buch versucht einen roten Faden zu spannen. Zu Beginn werden im Rahmen einer Umweltanalyse externe Einflussfaktoren auf die Finanzmärkte und Zukunftstrends näher unter die Lupe genommen. Was bewegt die Profis aktuell? Mit welchem Umfeld haben sie zu kämpfen? Im nächsten Schritt werden konkrete Methoden und Werkzeuge beschrieben, die sich seit Jahren bewährt haben und allgemein anerkannt sind: Welches Insiderwissen haben Profis und was muss ich über Behavioral Finance wissen? Der Abschnitt Märkte, Produkte und Anlagestrategien erläutert eine breite Palette an Investitionsmöglichkeiten. Zuletzt fragt sich der Leser zu Recht, was er mit all dem Wissen jetzt tun soll. Das letzte Kapitel geht auf die praktische Umsetzung ein.
Vielen Dank an alle Autoren, die wir für dieses Buch gewinnen konnten, und an unsere rechte Hand, Daniela Waitz, ohne die dieses Buch nie zustande gekommen wäre. Unser Dank gilt auch dem FinanzBuch Verlag und hier vor allem Herrn Georg Hodolitsch.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen!
Roland Eller und Markus Heinrich

UMWELTANALYSE

DAS BIG PICTURE – DIE WELT SEIT 2008 IM AUSNAHMEZUSTAND VOLKER GRONAU

»Ein Beispiel zu geben, ist nicht die wichtigste Art, wie man andere beeinflusst. Es ist die einzige.«
Albert Schweitzer
Schwierigkeiten zu meistern, wird uns spätestens dann zur Strategie des beruflichen (Über-)Lebens, wenn wir uns täglich auf das Neue besinnen und darauf, welche täglichen Herausforderungen auf uns warten. Wenn jetzt bereits Geschehenes als Beispiel für bestimmte Verhaltensweisen oder Entwicklungen herangezogen wird, ist der erste Schritt, der zum Erfolg führen wird, bereits getan. Erfahrungen bringen uns weiter – gerade und speziell in der Kapitalanlage.
Der nachfolgende Abschnitt beschreibt die Entwicklungen und Hintergründe an den Wertpapiermärkten, speziell der vergangenen zehn Jahre. Die beiden grundlegenden Alternativen der Anlagen, wie die Aktie oder das festverzinsliche Wertpapier, wurden dabei in ihren Veränderungen erkundet und einer Dokumentation unterworfen. Um ein besseres Verständnis für die Entstehung zu gewinnen, wurde die Zeit davor ergänzend durchleuchtet. Besonders Augenmerk wurde dabei auf das Thema »Inflation« gelegt.
Die Geschichte mit der wirtschaftspolitischen Grundrichtung der Bundesrepublik Deutschland, der sozialen Marktwirtschaft, entwickelte sich aus den verheerenden wirtschaftspolitischen Ergebnissen nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Im Jahr 1921 herrschte eine offene Inflation, nach einer Stabilisierung der damaligen Währung »Mark« brach 1929 eine weltweite Krise aus, die zum Zusammenbruch des internationalen Währungssystems führte. Millionen von Arbeitslosen in aller Welt waren die Folge. 1945 waren der Geldwert und das Geldvermögen in Deutschland wieder zerstört, es herrschte Zwangswirtschaft bei gestoppten Preisen.
Dieser kurze historische Rückblick ist wichtig, da das Thema Inflation (also die Geldentwertung) eine dominierende Rolle in der Präferenz einer Investition einnimmt. Die Angst, Geld zu verlieren, prägt gerade den deutschen Anleger. Die Aversion gegenüber risikobehafteten Geldanlagen ist weltweit stark ausgeprägt, besonders in Deutschland. Aber gerade der Anleger in Sachwerten profitierte durch diese Anlagen, weil sein realer Geldwert erhalten blieb und die Wirren der Weltkriege und Schwankungen der darauffolgenden Jahre vollends erfolgreich überstand.

1AKTIENMÄRKTE BERGEN MEHR CHANCEN ALS RISIKEN

Die letzten zehn Jahre, beginnend ab 2008, aber auch die Dekade davor (1998–2008) waren für Anleger extrem herausfordernd. Kaum war die Asien- und Russlandkrise (1997) überstanden bzw. waren die Anleger noch mittendrin, wurden sie durch die LTCM-Pleite (Hedgefonds-Insolvenz) erneut auf die Probe ihres Durchhaltevermögens gestellt.
Unerwähnt darf dabei auch nicht bleiben, dass genau mit dem Beginn des Jahres 1998 der wirtschaftspolitische Meinungskonsens sich auf den Aufbau von Arbeitslosigkeit konzentrierte, zugunsten eines damaligen kleinen Wirtschaftswachstums. Oder mit anderen Worten: Es wurde (erfolgreich) das Wirtschaftswachstum angeheizt durch die Inkaufnahme einer hohen Arbeitslosenzahl. Genauso wie heute (Ende 2017) war damals das Hauptanliegen der Politiker, keine Deflation zuzulassen.
Damit hatten die Volksvertreter, damals wie heute und die gesamte Zeit dazwischen, absolut recht. Denn, nichts ist schlimmer einzuschätzen als eine Deflation, also der Rückgang von Preisen, der sich wie eine Spirale nach unten fortsetzt und alles, aber auch wirklich alles, an Gütern und Dienstleistungen nach unten zieht. Dazu auch die Löhne, die Immobilien und die Wertpapierkurse. Wenn diese Abwärtseskalation richtig rotiert, ist es sehr schwer, daraus wieder zu entfliehen. Das unrühmliche Beispiel dazu war die Zeit der großen weltweiten Depression von 1929, über die sechs Jahre des Zweiten Weltkrieges (1939–1945) bis 1954. Der wohl bekannteste Börsenindikator, der auf reinen Durchschnittswerten basierende Dow Jones Industrial Average fiel bis zum Sommer 1932 um 90 Prozent und warf die Welt in eine Depression, von der sie sich erst ab dem Jahre 1954 wieder anfing zu erholen. Die Erfolge, welche die Aktienmärkte in den USA ihren Anlegern bescherten, waren Renditen pro Jahr von rund 5 Prozent – ohne Berücksichtigung der Dividenden. Denn der Dow Jones ist ein Preisindex, ohne Verrechnung der Dividenden. Im Gegensatz zum Deutschen Aktienindex (DAX), der sofort jede Ausschüttung in die Kursfestsetzung wieder mit anlegt.
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Abb. 1: Dow Jones Industrial Average (1900–1960), Quelle: eigene Darstellung

2DEUTSCHE AKTIEN BRACHTEN ÜBER 9 PROZENT PRO JAHR

Die zwei Dekaden von 1960 bis 1980 waren geprägt von einer zunehmend volatilen Seitwärtsbewegung der Aktienmärkte, die ab 1982 (Beginn der Ära Helmut Kohl) eine bis heute währende Aufwärtsbewegung der Dividendentitel vollzieht, mit einem Ertrag pro Jahr von über 9 Prozent. Die Renditen für kurze Laufzeiten (ein Jahr) bewegten sich zwischen –0,95 und 13,40 Prozent (siehe nachfolgende Zinsgrafiken) beziehungsweise minus 0,24 und 11,11 Prozent (zehn Jahre; Langfristzinsen: siehe Chart »Zinsstrukturkurven«) für lange Laufzeiten.
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Abb. 2: Deutscher Leitindex (DAX) 1959–Nov. 2017, Quelle: vwd und eigene Darstellung
Es vollzogen sich innerhalb dieser Zeit zwei einschneidende geo- und makropolitische Einflüsse, durch die beiden Ölkrisen (1973 und 1979), welche die Aktienmärkte in starke Turbulenzen brachten und die Zinssätze auf bis daher noch nie erreichte Niveaus emporschnellen ließen (Geldmarktzins 13 Prozent), von deren Stand sie bis heute im Trend fallen, währenddessen die Aktienmärkte anstiegen.
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Abb. 3: Ölpreiskrisen 1973 (15 $/Barrel) und 1979 (39 $/Barrel) und die Zeit danach, Quelle: Bloomberg | F.A.Z.-Archiv und eigene Darstellung [Ein Barrel in US-Dollar ca. 159 Liter]
Die Verkettung zwischen dem steigenden Ölpreis und der Ölkrise zeigt das folgende Bild:
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Abb. 4: Ölpreis – Ölkrise – BIP-Index, Quelle: OPEC | Statistisches Bundesamt
Zu sehen sind die Preise für ein Barrel Öl (WTI, helle Linie) und das Bruttoinlandsprodukt (BIP, dunkle Linie) in Deutschland, wie es mit dem extremen Anstieg des Ölpreises nicht mithalten konnte. Bei beiden Ölkrisen (1973 und 1979) wurde das Angebot verknappt. Auch wenn der Ölpreis heute wieder auf relativ hohe Niveaus angestiegen ist, kann dies mit der damaligen Situation nicht verglichen werden. Der Grund liegt in dem Zuwachs der wirtschaftlichen Leistung, dem Bruttoinlandsprodukt. Wenn mehr Güter und Dienstleistungen hergestellt beziehungsweise erbracht werden, nimmt der Verbrauch des Rohstoffes Öl zu. Eine verstärkte Nachfrage ließ dadurch den Ölpreis in den vergangenen Jahren schrittweise steigen. In Verbindung mit neuen Ölfeldern und der Innovation des Frackings (Ölsandgewinnung) konnte dem vermehrten Bedarf nach Öl Rechnung getragen werden.

3WAS MACHTEN DIE ZINSEN?

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zogen die Zinsen sukzessive an und erreichten mit dem Beginn der ersten Ölkrise ihren ersten Höchststand. Am 13. Juni 2016 waren die zehnjährigen Zinsen zum ersten Mal mit –0,01 Prozent im negativen Bereich angekommen (siehe Pfeil bei Abb. 5).
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Abb. 5: Bundesanleihen Laufzeit zehn Jahre, Quelle: Reuters und eigene Darstellung
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Abb. 6: Zinsstrukturkurven (März 1973–Oktober 2017) inkl. DAX [Laufzeiten: 1 bis 10 Jahre], Quelle: eigene Darstellung
Die nachfolgenden Zinsstrukturkurven (Abb. 6) dokumentieren diese Entwicklungen der ein- bis zehnjährigen Zinsen, ab März 1973 – dem höchsten Stand der Zinsen nach dem Zweiten Weltkrieg:
Dass das weltweite Zinsniveau an diesem Zeitpunkt (1973) einen historischen Höchststand zeigte, um anschließend nochmals im Jahre 1980 kurzzeitig dorthin zurückzukehren (Zweite Ölkrise), wird durch das obige Schaubild bestätigt.
Wenn wir die Epoche vor Christus ausklammern, bestätigt das nachfolgende Schaubild diese Aussage der historischen Zinshöchststände:
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Abb. 7: Durchschnittliches Zinsniveau (weltweit) über 5.000 Jahre, Quelle: Bank of England, »A History of Interest Rates«, Grafik: »Die Presse«
Diese Höchststände waren jeweils mit einer inversen Zinsstruktur (kurzfristige Zinsen liegen über den langfristigen Zinsen) Hand in Hand gegangen, was wirtschaftlich, respektive auch wirtschaftspolitisch immer mit einer überhitzten Konjunktur oder anderen Anomalien ökonomischer Merkmale zusammenhing.
Der Ölpreis war demnach der Antreiber für die Inflation und konnte nur durch eine Erhöhung der kurzfristigen Zinsen durch die damalige Deutsche Bundesbank zurückgeführt werden. Die Beziehung wird durch die folgende Grafik veranschaulicht:
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Abb. 8: Leitzins und Inflationsrate (Deutschland bzw. Europa), Quelle: Bundesbank, EZB, Statistisches Bundesamt, F.A.Z. und eigene Darstellung
Einen verlässlichen Indikator für die zukünftige Entwicklung der Zinskurve liefert der reale (also der inflationsbereinigte) Geldmarktsatz.
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Abb. 9: Notenbankzins und Inflation im Euroraum (Prozent), Quelle: EZB und Bundesbank und eigene Darstellung [* ab 1999 Hauptrefinanzierungssatz der EZB, davor Wertpapierpensionssatz der Bundesbank]
Durch einfache Subtraktion (0–1,5) liegt dieser reale Zinssatz bei historisch niedrigen –1,5 Prozent.
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Abb. 10: Kurz- und langfristige Realzinsen im Euroraum (Monatsdurchschnitt in Prozent), Quelle: Bundesbank, [1) Drei-Monats-Euribor minus Verbraucherpreisinflation | 2) Rendite zehnjähriger Bundesanleihen minus Verbraucherpreisinflation]
Je niedriger dieser Satz ist, desto steiler ist in der Regel die Zinsstrukturkurve (wie aktuell im Dezember 2017), was sich in relativ hohen Renditedifferenzen zwischen langen und kurzen Laufzeiten widerspiegelt. Die aktuelle Zinsdifferenz liegt bei rund 1,2 Prozent (ein- versus zehnjährige Zinsen).
Das ist derzeit auch eine normale Zinsstrukturkurve. Sollte aber wieder eine in der Zukunft zu erwartende inverse Zinsstrukturkurve möglich erscheinen, die über eine flache Kurve (das komplette Zinsniveau ist nahezu identisch) zu einer inversen führt, muss das konjunkturelle Umfeld als prosperierend eingeschätzt werden. Was aktuell, zu Beginn des Jahres 2018, auch realistisch ist.
Um also einen überbordenden wirtschaftlichen Aufschwung, der nicht mit einer aus dem Ruder laufenden Inflation einhergeht, einzudämmen, müssten die Kurzfristzinsen erhöht werden. Die spezifischen Phasen, in welchen sich dabei das jeweilige Land konjunkturell befindet, verstehen sich von selbst. Während in den USA derzeit die Rufe nach weiteren Zinserhöhungen immer lauter werden, ist dies für Europa und Japan derzeit kein Thema.
Die Mehrheit der Anleger verlangt aktuell auch wieder eine Verzinsung, um wieder ein Entgelt für Konsumverzicht (eben Sparen für Zinsen) zu erhalten.

4DER KAUSALZUSAMMENHANG FUNKTIONIERT NICHT MEHR

Nur leider funktioniert der Kausalzusammenhang nicht (mehr), weil die weltweite Verschuldungsproblematik in Verbindung mit der funktionierenden Globalisierung und der in Schwung gekommenen vierten Industrialisierung (Digitalisierung) einen dicken Strich durch diese Rechnung macht.
Daher muss an dieser Stelle konstatiert werden, dass Mario Draghi (Präsident der Europäischen Zentralbank) alles richtig gemacht hat, indem er das Zinsniveau in allen Laufzeitenbereichen am Boden hält und sogar im negativen Terrain die Zinssätze verharren lässt. Die Fehler, die um das Jahr der Großen Depression 1929 gemacht wurden, indem die Liquidität verknappt wurde, anstatt sie zu erhöhen, und massivste Zinssenkungen halfen, die globale Verschuldungssituation (zunächst) in den Griff zu bekommen.
Denn, was die amerikanischen Notenbankchefs vormachten, adaptierte Mario Draghi:
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Abb. 11: Entwicklung des Leitzinses der Fed, Quelle: F.A.S. und eigene Darstellung
Damit wird sichergestellt, dass der weltweite Schuldenberg sukzessive, über eine (noch) sehr lange Zeit abgebaut werden kann. Damit kam eine Strategie zutage, die zuerst die japanische Notenbank eingeführt hatte.
Ab Februar 2018 wird ein neuer Notenbankpräsident in den USA die Geschicke des Landes und damit auch der gesamten Welt beeinflussen. Jerome Powell (genannt »Jay«) hat nicht die lange Zeit als lernende oder auch beratende Instanz einer Frau Yellen hinter sich, die ihrem Vorgänger, Ben Bernanke, mit Rat und Tat zu Seite stand. Er hat keine Krisen verantwortlich meistern müssen, da er erst seit 2012 der Federal Reserve (Fed) angehört. Er muss sich erst einarbeiten in die teilweise verklausulierten Darlegungen, die ein Fed-Chef regelmäßig als Erkenntnisgewinn aus seinen Entscheidungen enthüllt. Er wird behutsam die Kurzfristzinsen weiter erhöhen wollen. Dabei aber höllisch aufpassen müssen, dass er keinen Flächenbrand auslöst, indem er über das Ziel hinausschießt. Er muss den Spagat wagen, einerseits die Zinsen homöopathisch zu erhöhen, um eine Inflation im Ansatz bereits zu bekämpfen und um Munition zu besitzen, im richtigen Moment den Zins wieder zu senken, falls die wirtschaftliche Entwicklung dies verlangt. Dabei muss er gerade die inflatorischen Gefahren der Lohnerhöhung breiter Bevölkerungsschichten genau im Auge behalten. Gerade diese Kausalität wird seine ganze Kraft benötigen und sein Bestreben sein müssen, damit keine unvorhergesehenen Einbrüche an den Kapitalmärkten stattfinden.
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Abb. 12: Leitzinsen: Euroland, USA, Quelle: Europäische Zentralbank (EZB), Federal Reserve (Fed)

5REAKTION DES JAPANISCHEN AKTIENMARKTES

Nach dem Hype der Immobilienpreise und flankierend auch der Aktienkurse kam es mit Beginn des Jahres 1990 zu einem Kurszusammenbruch, besser gesagt zu einer Reaktion des japanischen Aktien- und Immobilienmarktes, die mit Unterbrechungen erst Anfang 2009 gestoppt werden konnte.
Denn der erste Tiefpunkt war bereits 2003 ersichtlich, von welchem sich der japanische Aktienmarkt signifikant erholte. Aber durch das weltweite Platzen der Technologieblase wurde die Börse im Land der aufgehenden Sonne nochmals erschwert ins Trudeln gebracht, sodass Ende 2008 diese Tiefpunkte nochmals eintraten.
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Abb. 13: Japanischer Leitindex (Nikkei 225) 1984–Nov. 2017, Quelle: vwd und eigene Darstellung
Innerhalb dieser langen Zeit senkte die japanische Zentralbank ihren Leitzins auf nahe null.
Die Langfristzinsen, die für die Investitionsentscheidungen maßgeblich sind, beeinflusste die japanische Notenbank über das sogenannte Quantitative Easing (Liquiditätsschöpfung) massiv, und zwar durch Käufe von Anleihen und Aktien der heimischen Wirtschaft sowie den ausgeübten Zwang, dass institutionelle Anleger, wie Versicherungsgesellschaften, heimische Anleihen in ihre Depots nehmen mussten.
Das Zinsniveau verharrt seit dieser Zeit auf Werten um den Nullpunkt.
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Abb. 14: Drei-Monats-Zins Japan 1987–November 2017, Quelle: vwd und eigene Darstellung
Japan als Vergleichsmaßstab heranzuziehen war zu Beginn der dortigen Krise sicherlich zu weit hergeholt. Auch mit dem Beginn der Erkenntnis in den westlich etablierten Wirtschaftsregionen, wie USA und Europa, dass der hohen Staatsverschuldung – vor allem der Unternehmen und Privathaushalte – entgegengewirkt werden muss, war man von Seiten der Notenbanken noch nicht so weit, die Zinsen an den Rand des Negativen zu senken. An ein aktives Heranwagen, Anleihen am Kapitalmarkt zu erwerben, war damals überhaupt nicht zu denken. Heute hingegen gehört es zum Überlebensrepertoire aller Zentralbanken.

6WER HAT SICH VERSCHULDET?

Es ist ein großer Unterschied, wer die Schulden aufgenommen hat. Der Staat, der Unternehmer oder der Privatmann? Der Staat kann nicht bankrottgehen, solange seine Währung Akzeptanz findet. Die höchste Akzeptanz hat weltweit der US-Dollar, danach der Euro und mit weiten Abständen darauffolgend der Schweizer Franken, das Britische Pfund, der Kanadische Dollar, der Yen und Yuan.
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Abb. 15: Weltwährungsreserven US-Dollar (64%)/Euro (20%) [Ende 2016], Quelle: EZB | F.A.Z. und eigene Darstellung
Die Notenbanken finanzieren also mit ihren Aufkäufen der Anleihen das Schuldenmachen der Staaten. Also wird durch sie kein negativer Schaden für die Wertpapiermärkte auszumachen sein, weil sie weiter Wertpapiere (Festverzinsliche und Aktien) erwerben werden, um die Liquidität hochzuhalten.
Ganz anders sieht es mit den Unternehmens- und Privatschulden aus. Private Wirtschaftsteilnehmer (Konsumenten, Unternehmen) können nicht vom Staat gestützt werden. Sie waren die Auslöser von großen Finanzkrisen durch ihre gewaltig hohe Verschuldung.
1929 waren es die privaten US-Unternehmen, die heillos überschuldet waren und die Welt in eine noch nie dagewesene Depression der modernen Wirtschaftsgeschichte rissen. 2007 waren es die privaten US-Konsumenten, die mit ihrer zu hohen Immobilienverschuldung (angeheizt durch die viel zu niedrigen Notenbankzinsen unter Alan Greenspan) die Welt in die größte finanzielle Nachkriegskrise ritten.
Schuldenmachen war en vogue. Immobilien stiegen fortwährend im Preis an und gaukelten dem Investor vor, dass er diese Wertsteigerung durch immer ausgedehnteren Schuldenaufbau verkonsumieren könne. Es entstand ein falsches Gefühl eines eben nicht vorhandenen Reichtumseffektes, der so lange am »Leben« erhalten werden konnte, wie die Bewertungen stiegen. Inflation war damit legitimiert, da Wertsteigerungen über die Kapitalanlage erfolgten, die mit der ungebremsten Schuldeninkaufnahme, damit über den Konsum, dazu verhalfen, die Konjunktur anzuheizen.

7INFLATIONSARTEN

Dabei muss unterschieden werden, dass es diesbezüglich zwei Inflationsarten gibt:
Die Preissteigerung, die durch die Kapitalanlagen selbst zutage tritt (Vermögenspreisinflation), und die (aktuell nicht mehr vorhandenen) Preiserhöhungen, die durch eine verbesserte Produktivität die Verbraucherpreise (Verbraucherpreisinflation) steigen lassen. Natürlich wird durch allerlei Maßnahmen versucht, die Inflation am Leben zu erhalten, da ihr Gegenpart – die Deflation – das Schreckgespenst schlechthin wäre. Die permanent gestiegene Produktivität der Bevölkerung erreichte ihren besten Steigerungswert mit Beginn des Computerzeitalters (etwa um die Jahre 1970 bis 1975).
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Abb. 16: Produktivitätswachstum weltweit (gegenüber Vorjahr in Prozent), Quelle: Conference Board der Federal Reserve (Fed) [gemessen am realen BIP je Erwerbstätigen] »GDP« = BIP
Seit dieser Zeit sind die Steigerungsraten nicht mehr in diese hohen Wachstumsregionen emporgestoßen. In den USA fällt der Reallohn breiter Bevölkerungsschichten seit den 1970er-Jahren. Also ist die inflationäre Tendenz durch Produktivitätssteigerungen, die mit Lohnerhöhungen einhergehen würden, praktisch nicht mehr vorhanden.
Aber die Inflation wird unter anderem auch geschürt durch regelmäßige Erhöhungen der Rentenansprüche, wie sie derzeit jedes Jahr von der Bundesregierung beschlossen wurden. Dies soll nach offizieller Aussage auch für die kommenden Jahre gelten.
Rohstoffpreise steigen häufig über ihr kalkuliertes Niveau hinaus an – aber die Unternehmer wissen, wie diese Kostensteigerungen aufgefangen werden können, indem sie ihre Produktionsstätten ins Ausland verlagern, weil Arbeitslöhne billiger sind. Damit wird der Unternehmer immer vermögender, der »normale« Arbeitnehmer tendenziell ärmer und mehr denn je vom Unternehmer abhängig. Die Schere zwischen Arm und Reich vergrößert sich durch diesen Effekt der Globalisierung immer weiter.
Wie sollen hierbei die Zinsen – das Surrogat für Nichtkonsum – ansteigend Denn die Löhne steigen nicht und generieren dadurch auch keine Inflation, die zu einer Erhöhung der Zinssätze führt. Das wenige zur Verfügung stehende Geld breiter Bevölkerungsschichten muss also in das tägliche Leben investiert werden. Aber wenn Mittel zum Sparen übrig bleiben, sollte die Aktie tatsächlich mehr Gehör finden.

8AKTIEN ALS GELDANLAGE

Als liquide Geldanlage empfiehlt sich die Aktienanlage seit langer Zeit. Einer der am breitesten gestreuten und liquidesten Aktienmärkte ist der US-amerikanische mit seinem Topvertreter, dem Standard & Poor’s 500 Index.
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Abb. 17: Standard & Poor’s 500 Index (1950–November 2017), Quelle: vwd und eigene Darstellung
Die Betrachtung der obenstehenden Kursentwicklung über knapp 70 Jahre oder die unten abgebildete, unter Zugrundelegung der jährlichen Renditen anhand einer Glockenkurve, zeigt die beeindruckenden Erfolge, die ein Aktieninvestment über einen Zeitraum von 193 Jahren erzielte.
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Abb. 18: Standard & Poor’s Index (Ergebnisse der letzten 193 Jahre pro Jahr), Quelle: eigene Darstellung

9RESÜMEE

Es kann festgehalten werden, dass in unserer globalisierten, zunehmend digitalisierten und deregulierten Welt das zu investierende Geld der Unternehmer dorthin wandern wird, wo die günstigsten Löhne bezahlt werden können. Dadurch kann ein Preiswettbewerb aufrechterhalten bleiben, der keine Verbraucherpreisinflation mehr auslöst.
Eine Geldentwertungsphase kann exogen jederzeit durch einen starken Anstieg durch Rohstoffpreise (Öl oder wichtige Metallpreise) entstehen. Durch geopolitische Gefahren ist ebenso ein Sprung der Rohstoffpreise möglich. Dabei darf nicht übersehen werden, dass das heute die ganze Welt umspannende Informationsnetz es jedem Einzelnen erlaubt, sofort zu wissen, was auf unserem Erdball gerade wo passiert. Reaktionen können daher innerhalb kürzester Zeit vorgenommen werden. Produktionsverlagerungen sind heute sehr viel schneller in die Tat umzusetzen als noch vor zehn oder mehr Jahren.
Die kurzfristigen Realzinsen liegen seit 90 Jahren quasi auf der Nulllinie und zuckten nur innerhalb der beiden Ölkrisen kurz auf.
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Abb. 19: Kurzfristige Realzinsen 1920–2010, Quelle: F.A.Z. und eigene Darstellung
Um eine reale Performance zu erzielen, kommt der Anleger deshalb an der Aktie nicht vorbei. Die Anlage in festverzinslichen Wertpapieren gaukelt ihm einen kleinen Kupon vor, der nach Abzug der Inflation im Minusterrain verharrt.

AUTORENVITA

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Dr. Volker Gronau ist seit seiner Hochschulausbildung für die Betreuung und ganzheitliche Konzeptionierung des liquiden Vermögens multinationaler Unternehmen sowie vermögender Privatpersonen verantwortlich. Sein Wissen eignete er sich in zwei abgeschlossenen Studiengängen im In- und Ausland an, die er mit der Dissertation »HEDGE FUND PRODUCTS AS AN ALTERNATIVE INVESTMENT AS A MEDIUM OF ABSOLUTE PERFORMANCE« vollendete. Er verantwortete als Niederlassungsleiter und Geschäftsführer namhafter Unternehmen deren Entwicklung. Er ist als Senior Partner und Vermögensverwalter der deutschlandweit agierenden »Deutschen Wertpapiertreuhand« tätig.

DIE WICHTIGSTEN MEGATRENDS, DIE INVESTOREN KENNEN SOLLTEN JÜRGEN MICHELS

»Man sieht nur, was man weiß.«
Johann Wolfgang von Goethe
Megatrends sind Entwicklungen, deren Dynamik unaufhaltsam und zumindest kurzfristig nur beschränkt beeinflussbar erscheint, die aber Auswirkungen auf Unternehmen, Branchen, Länder und damit die Kapitalmärkte haben. Das Verständnis von Megatrends und ihrer Chancen und Risiken ist gerade im aktuellen Marktumfeld wegen der mit großer Unsicherheit verbundenen kurz- und mittelfristigen Wirtschaftsaussichten hilfreich bei der Analyse von Entscheidungsoptionen.

1DIE WICHTIGSTEN MEGATRENDS

Das Konzept der Megatrends basiert vor allem auf dem 1982 erschienenen Buch »Megatrends« des amerikanischen Zukunftsforschers John Naisbitt1. Aufbauend auf seiner Arbeit versteht die Zukunftsforschung heute unter Megatrends »langfristige globale Trends«. Die Forscher unterscheiden sich jedoch in den genauen Definitionen der zeitlichen Dimension (wie lang ist langfristig?), der gesellschaftlichen und geografischen Auswirkungen und bei der Entstehung und Entfaltung solcher Trends. Weitgehende Einigkeit besteht zumindest darüber, dass ein Megatrend eine Lebensdauer von mindestens zehn bis 20 Jahren hat, zu tiefgreifenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Veränderungen führt und sich zunächst langsam entfaltet, dann aber an Dynamik gewinnt und auch temporäre Rückschläge gut wegstecken kann. Je nach Forschungs-institut unterscheiden sich Megatrends zudem sowohl in ihrer Anzahl als auch in ihren Inhalten.
Um fokussiert zu bleiben, haben wir uns auf sechs Megatrends konzentriert, von denen deutsche Unternehmen und Banken besonders betroffen sind:
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Digitalisierung
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Demografischer Wandel
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Energie und Klimawandel
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Niedrigzins und hohe Verschuldung
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Politische Rahmenbedingungen und Regulatorik
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Passivierung
Tab. 1: Sechs Megatrends, Quelle: BayernLB Research
Während die ersten drei Trends, vielleicht in leicht abgewandelter Form, auf dem Radar jedes Zukunftsforschers zu finden sind, wirken die übrigen Trends eher exotisch. Wir sind jedoch der Meinung, dass es sich bei diesen Themen angesichts ihrer potenziellen Auswirkungen auf Wirtschafts- und Finanzmarktentwicklungen ebenfalls um Megatrends handelt. Wir verstehen unsere sechs Megatrends als Oberkategorien, unter denen sich eine ganze Reihe von (auch von »echten« Zukunftsforschern genannten) Megatrends subsumieren lässt.
Im Folgenden werden die sechs Megatrends kurz vorgestellt:
1.1Digitalisierung: Der »Game Changer«
»Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert.« Mit diesem Satz der ehemaligen HP-Chefin Carly Fiorina ist eigentlich schon alles gesagt. Digitalisierung ist der Megatrend schlechthin, sie erobert alle Lebensbereiche. Die Transformation analoger Informationen in Daten und deren systematische Nutzung birgt unverkennbare Risiken, aber auch ungeahnte Möglichkeiten für jeden Einzelnen, Unternehmen, Branchen und ganze Länder.
Die Digitalisierung in unserem Privatleben ist kaum noch wegzudenken und hält immer stärker in Unternehmen und Verwaltung Einzug. Neue Start-ups und vor allem die US-Technologieriesen greifen mit ihren servicebasierten Geschäftsmodellen Unternehmen, die noch der »analogen Welt« verhaftet sind, durch disruptive Innovationen in immer mehr Branchen an. Der Rohstoff der Zukunft sind Daten. Durch ihre geschickte Nutzung mittels Big-Data-Analysen in Echtzeit sowie durch ausgefeilte Algorithmen greifen sie die Geschäftsmodelle ganzer Branchen an. Im Vordergrund der Digitalisierung steht immer der Mehrwert für den Kunden. Was dem Kunden einen zusätzlichen Nutzen verschafft, wird durch Technologie möglich gemacht. Die auf der Blockchain-Technologie beruhende Internetwährung »Bitcoin« könnte einen Paradigmenwechsel im Finanzsystem auslösen und den Zahlungsverkehr durch ein dezentrales Buchungssystem, über das standardisierte Verträge vollautomatisiert abgewickelt werden, ersetzen.
1.2Demografischer Wandel: Zwischen Flüchtlingskrise und Überalterung