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Dipl.-Psych. Katrin Baum, Hamburg, freiberufliche Kommunikationstrainerin, Coach und systemische Therapeutin, leitet Seminare zu „Gesprächsführung“ und „Kundenorientierte Korrespondenz“.

Dipl.-Psych. Cornelia Deeg, Hamburg, arbeitet als Trainerin / Beraterin / Coach und als Journalistin. Ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen Führung, Kommunikation und Change Management.

Hinweis

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnungen nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abruf bar.

ISBN 978-3-497-02739-2 (Print)

ISBN 978-3-497-60682-5 (PDF)

ISBN 978-3-497-60991-8 (EPUB)

© 2018 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt GmbH & Co KG, München, unzulässig und straf bar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Printed in Germany

Covermotiv: © julien tromeur / Fotolia (Frösche)

© iStock.com / vichitlamool (Tastatur)

Zeichnungen im Innenteil von Katrin Baum

Satz: Katharina Ehle, Leipzig

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: info@reinhardt-verlag.de

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Inhalt

Vorwort von Friedemann Schulz von Thun

Einleitung

1     Kommunikationspsychologische Modelle – Die Theorie

1.1   Das Kommunikationsquadrat

„Quadratisch schreiben“ – Das Besondere in der schriftlichen Kommunikation

Wie erreichen Sie Ihren Leser?

„Quadratisch lesen“ – Die vier Brillen des Lesers

Fazit: Vier Fragen, denen Ihr Text standhalten muss

1.2   Die vier Verständlichmacher

Einfachheit

Gliederung / Ordnung

Kürze / Prägnanz

Anregende Zusätze

Das „Haus der Verständlichkeit“

2     Kommunikationspsychologische Modelle – Die Praxis

2.1   Das Kommunikationsquadrat

Die Sachebene

Die Selbstkundgabeebene

Die Beziehungsebene

Die Appellebene

2.2   Die vier Verständlichmacher

Einfachheit

Gliederung / Ordnung

Kürze / Prägnanz

Anregende Zusätze

Warum so kompliziert, wenn es auch einfach geht?

Fazit: Die vier Verständlichmacher und ihre Wirkung

2.3   Exkurs: Kommunikation in digitalen Zeiten – das Besondere bei E-Mails

3     Übungen

3.1   Checkliste für die Verbesserung von Texten

3.2   Multiple-Choice Test

3.3   Sätze umformulieren

3.4   Fachtexte umformulieren

3.5   E-Mails umformulieren

3.6   Briefe umformulieren

3.7   Eigene Texte verfassen – mit Hilfe der Checkliste

Anhang

Lösung zu 3.2: Multiple-Choice Test

Lösung zu 3.3: Sätze umformulieren

Lösung zu 3.4: Fachtexte umformulieren

Lösung zu 3.5: E-Mails umformulieren

Lösung zu 3.6: Briefe umformulieren

Literatur

Sachregister

Widmung und Dank

Online-Material

Die Checkliste sowie die Übungen aus Teil 3 können Leserinnen und Leser auf der Homepage des Ernst Reinhardt Verlags unter www.reinhardt-verlag.de herunterladen.

Vorwort von Friedemann Schulz von Thun

Ein neues Buch zur Förderung der Verständlichkeit – ich bin entzückt und beglückt! Entzückt, dass unser „Klassiker“ von 1974 noch einmal Nachwuchs bekommt! Der Klassiker von Langer, Schulz von Thun und Tausch, ursprünglich mit dem langen Titel „Verständlichkeit in Schulen, Verwaltung, Politik, Wissenschaft – mit einem Selbsttrainingsprogramm zur Darstellung von Lehr-und Informationstexten“, hat sich zwar erfreulich als ein Longseller entwickelt (2015 in 10. Auflage unter dem Titel „Sich verständlich ausdrücken“ erschienen). Aber er ist ergänzungsbedürftig geworden, um Anschluss zu gewinnen an die moderne Zeit mit ihren vielfältigen Entwicklungen.

Wie war das Grundlagenwerk damals zustande gekommen? Unser Lehrer Reinhard Tausch (1921–2013) war verdrossen, zermürbt und verärgert über die vielen Texte aus Wissenschaft und der Behördenwelt, aus Schulbüchern, von Unternehmen und Zeitschriften, die er nicht verstand: „Wenn ich es als Professor schon nicht verstehe, wie soll es dann ein Normalsterblicher verstehen!?“ – Das sei doch gerade die Aufgabe von Textautoren, schwierige Inhalte so zu vermitteln und zu erklären, dass sie in den Kopf eines aufgeschlossenen Lesers oder einer Leserin hineingehen, oder? Aber gut gemeinte Appelle würden nichts ausrichten. Wir bräuchten zunächst zweierlei: Erstens gesichertes Wissen darüber, was Texte verständlich macht. Das sollte Inghard Langer (1943–2013) in seiner Doktorarbeit erforschen. Und zweitens ein Trainingsprogramm für Textautoren, um zu lernen und zu üben, wie man diese erforschten Verständlichmacher verwirklicht – das sollte ich in meiner Doktorarbeit entwerfen und evaluieren. So geschah es und das „Hamburger Verständlichkeitskonzept“ mit den vier Faktoren Einfachheit, Gliederung-Ordnung, Kürze-Prägnanz und zusätzliche Stimulanz war geboren und wissenschaftlich fundiert. Ich selber war der erste Nutzanwender und habe davon enorm profitiert – die Millionenauflage meines nachfolgenden Buches „Miteinander reden“ mag dafür ein Beleg sein.

Seitdem hat sich hierzulande viel getan. Schul- und Lehrbücher sind deutlich verständlicher gestaltet – mit guten Abbildungen (die wir damals nicht untersucht haben) und im Internet mit interaktiven Animationen. Gelegentlich sind sogar Bauanleitungen, Behördenschreiben, Vertragstexte von Versicherungen für Laien und Nichtjuristen nachvollziehbar. Aber noch immer ist hier viel zu tun, immer noch und immer wieder lese ich Artikel in meiner Wochenzeitung, die sich im achten Himmel der gelehrsamen Abstraktion bewegen. Und ich werde genauso verdrossen, zermürbt und verärgert wie damals Reinhard Tausch, wenn ich allenfalls „Bahnhof“ verstehe. Bin ich zu dumm, obwohl inzwischen auch Professor? Oder hatte der Autor mehr als genug damit zu tun, den Text stimmig werden zu lassen für das, was in seinem Kopf vor sich geht – und hatte einfach nichts mehr übrig für die Frage, wie er es hinkriegen kann, den Text für jemanden zu formulieren, der all das nicht im Kopf hat? Dann wird es Zeit, den Didaktiker in ihm (oder in ihr) zu wecken, der eine Einfühlung (kognitive Empathie) entwickelt, was im Kopf des Adressaten vor sich gehen mag. Dann kann er ihm mithilfe der vier Verständlichmacher eine Brücke bauen. Das vorliegende Buch wird ihm oder ihr dabei entscheidend weiterhelfen.

Noch etwas ist geschehen in der Zwischenzeit, etwas ganz anderes: Die Kommunikationspsychologie hat sich weiter entwickelt (Schulz von Thun, „Miteinander reden“ 1-3, 1981, 1989 und 1998). Das Modell vom Kommunikationsquadrat enthält die Erkenntnis, dass jede menschliche Äußerung und jeder Text in Hinblick auf vier gleich wichtige Aspekte gehört, analysiert und kommunikativ gestaltet werden kann – und muss. Und gelingende Kommunikation ergibt sich aus dem Zusammenspiel aller vier Seiten: Sachinhalt, Selbstkundgabe, Beziehung und Appell. „Erst quadratisch wird die Sache rund!“ sagen wir heute. Damals (1974) haben wir nur die Verständlichkeit der Sachinformation im Auge gehabt. Aber was ist mit den anderen drei Seiten?

Die Autorinnen des vorliegenden Buches, Katrin Baum und Cornelia Deeg, haben es hier unternommen, die Verständlichkeit von Texten „ins Quadrat“ zu nehmen. Also nicht nur Vorschläge und Übungen für die Darstellung des Sachinhaltes vorzulegen, sondern auch für die Gestaltung der Selbstkundgabe, der Beziehungsansprache und des Appells. Denn ob wir wollen oder nicht, bei der Formulierung eines Textes, zum Beispiel eines Geschäftsbriefes, bringen wir alle vier Saiten (diesmal mit ai geschrieben) zum Klingen. Und ob Sie wollen oder nicht: der Empfänger hört oder liest mit „4 Brillen“, und alles kommt gleichzeitig bei ihm an und landet in seinem Kopf und in seinem Herzen. Damit erweitern die Autorinnen den Anspruch: Es geht nicht mehr nur um die reine Verständlichkeit, sondern auch um den guten Ton. Die Frage „Wie fühle ich mich angesprochen durch die Art, wie du mit mir sprichst?“ kommt jetzt hinzu zu der ursprünglichen Frage „Wie kann ich das kapieren, was du mir vermitteln willst?“

Dafür trifft es sich gut, dass Katrin Baum und Cornelia Deeg vor langer Zeit (1996–2000) die Kommunikationspsychologie bei mir in Hamburg studiert haben und derzeit als Dozentinnen für unser Institut unterwegs sind. Aber nicht nur das, sie haben auch langjährige Erfahrungen mit Trainingsveranstaltungen für Menschen, die in Unternehmen für die Geschäftskorrespondenz zuständig sind. Die Beispiele, mit denen Sie, liebe Leserin, lieber Leser, es in den zahlreichen Übungen zu tun bekommen werden, profitieren von diesem Praxishintergrund. Wahrscheinlich wird es Ihnen ähnlich wie mir ergehen, wenn Sie dieses Buch durcharbeiten: Es macht Spaß, eigene Formulierungen zu probieren – und sie dann anschließend mit den Empfehlungen der Meisterinnen zu vergleichen! Da ergeben sich doch ganz neue Optionen! Vielleicht werden Sie nicht jede Empfehlung wortwörtlich übernehmen wollen, und das wäre gut so und ganz im Sinne der Autorinnen. Denn Kommunikation sollte idealerweise stimmig sein und das heißt: in Übereinstimmung mit dem, der spricht oder schreibt und in Übereinstimmung mit den Besonderheiten des Kontextes, den Sie vor Augen haben. Dieses Gefühl für Stimmigkeit zu schärfen, dies wird sich als unausweichlicher Begleitnutzen dieses Buches erweisen.

Kundig und erfrischend der Text, erhellend und pfiffig die Abbildungen von Katrin Baum – ich bin beglückt, dass ich diesem „Nachwuchs“ noch einen herzlichen Willkommensgruß entgegenbringen kann! Und ich darf ahnen, dass für Reinhard Tausch und Inghard Langer die Freude nicht geringer gewesen wäre.

Hamburg, Dezember 2017                Friedemann Schulz von Thun, Prof. em. für Pädagogische Psychologie, Schwerpunkt Beratung und Training am Fachbereich Psychologie der Universität Hamburg

Einleitung

BEISPIEL

Aufgrund des käuflichen Erwerbs dieser Abhandlung wird der Erwerber in die Lage versetzt, zum einen die Formulierung von Schriftstücken so zu bewerkstelligen, dass dessen Rezipient die Inhalte intellektuell erfassen kann, zum anderen wird der Abnehmer dieser Publikation dazu befähigt, die Vigilanz des Adressaten zu erlangen.

Wie kommt dieser Satz bei Ihnen an? Lesen Sie stattdessen:

Herzlichen Glückwunsch! Sie halten gerade ein Buch in den Händen, das Sie motivieren wird, Texte ansprechend und verständlich zu formulieren und die Aufmerksamkeit Ihres Lesers zu wecken.

Was unterscheidet die beiden Sätze voneinander?

Im zweiten Satz werden Sie persönlich angesprochen und Sie erfahren, welchen Nutzen dieses Buch für Sie hat. Beim ersten Satz verlieren Sie vermutlich schnell das Interesse, weiterzulesen. Er wimmelt von umständlichen, bürokratischen Formulierungen und wirkt durch seine Passivkonstruktionen sehr unpersönlich.

Warum ist es so wichtig, beim Schreiben Inhalte klar und prägnant auf den Punkt zu bringen und dabei lebendig zu formulieren?

Jeder Text, jeder Brief und jede E-Mail wirkt wie eine Visitenkarte nach außen. Mit Ihrem Text haben Sie die Chance, aktiv den Kontakt zum Leser zu gestalten und Ihre Inhalte überzeugend zu vermitteln.

Wie häufig haben Sie sich als Leser schon durch unverständliches Bürokratendeutsch gequält und sich gefragt: Was möchte mir der Autor damit sagen? Welchen Nutzen habe ich davon, dass ich den Text lese?

Ziel dieses Buches ist es, dass Sie Anregungen und konkrete Tipps bekommen, wie Sie Ihren Leser persönlich ansprechen können. Denn wenn es Ihnen gelingt, Texte aus Sicht Ihres Lesers zu verfassen, werden Ihre Formulierungen Interesse wecken und besser verstanden.

Grundlage des Trainingsprogramms ist der Bestseller „Sich verständlich ausdrücken“, den unser Ausbilder Professor Friedemann Schulz von Thun gemeinsam mit seinen Kollegen Professor Inghard Langer und Professor Reinhard Tausch vor etwas mehr als vierzig Jahren nach intensiver Forschung zum Thema Verständlichkeit verfasst hat.

Wir haben bei Professor Schulz von Thun studiert und im Jahr 2001 unser Diplom gemacht. Seine Methoden und Modelle prägen unsere tägliche Arbeit als Kommunikationstrainerinnen.

Unser Buch ist eine Ergänzung zu diesem Standardwerk und wird Sie dabei unterstützen, die Kriterien für verständliches Formulieren anhand vieler praktischer Beispiele zu vertiefen.

Im ersten Teil werden Sie hilfreiche kommunikationspsychologische Modelle kennenlernen und erfahren, wie Sie diese beim Schreiben von Texten anwenden können. Zusätzlich zu den vier Verständlichmachern (Langer et al. 2015) lernen Sie das Kommunikationsquadrat (Schulz von Thun 1981) als hilfreiche Methode kennen. Das Kommunikationsquadrat ist das bekannteste Kommunikationsmodell in Deutschland und mittlerweile auch in vielen anderen Ländern bekannt. Schulz von Thuns Theorie der „quadratischen Kommunikation“ wird seit Jahren in der gymnasialen Oberstufe gelehrt und hat Eingang gefunden in zahlreiche berufsvorbereitende und berufsbegleitende Studiengänge. Darüber hinaus gehört es zum Standardwerk in Kommunikationstrainings und hat sich in Seminaren zur Gesprächsführung als äußerst wirksam erwiesen. In unserem Buch werden wir dieses Modell erstmalig auf die schriftliche Kommunikation übertragen.

Im zweiten Teil finden Sie viele Übungen, mit Hilfe derer Sie das Gelernte anwenden können. Das Schöne dabei: Hier gibt es nicht die eine und einzig richtige „Musterlösung“. Denn Kommunikation nach dem Hamburger Verständlichkeitskonzept bietet Ihnen die Möglichkeit, Ihren individuellen Stil zu erhalten und gleichzeitig die Tipps für (noch) verständlichere und lebendigere Formulierungen umzusetzen. Lassen Sie sich gern davon anregen und picken Sie sich die Formulierungen heraus, die für Sie passen. Wir wünschen Ihnen dabei viel Freude!

Zur besseren Lesbarkeit wurde die männliche Form verwendet. Selbstverständlich sind immer sowohl Frauen wie auch Männer gemeint.

1   Kommunikationspsychologische Modelle – Die Theorie

Bevor wir Sie im zweiten Teil dieses Buches dazu einladen, ausgiebig zu üben und über Ihre eigene Kommunikation nachzudenken, möchten wir Ihnen im ersten Teil ein paar Grundlagen vermitteln, damit auch die Leser auf ihre Kosten kommen, die wissen möchten, warum etwas wie formuliert werden sollte. Zwei anerkannte Modelle bilden das Fundament dieses Buches:

1  Das Kommunikationsquadrat (Schulz von Thun 1981)

2  Die vier Verständlichmacher (Langer, Schulz von Thun & Tausch 2015; 1974 erschienen unter dem Titel „Verständlichkeit in Schule, Verwaltung, Politik und Wissenschaft“)

1.1  Das Kommunikationsquadrat

Warum ist das, was der eine sagt, nicht immer das, was beim anderen ankommt? Die Antwort darauf liefert uns das bekannteste Modell der zwischenmenschlichen Kommunikation: das Kommunikationsquadrat von Friedemann Schulz von Thun (1981).

Er beschreibt in seinem Buch „Miteinander reden“, dass wir Menschen – ob wir es wollen oder nicht – immer, wenn wir etwas von uns geben, gleichzeitig auf vier verschiedenen Ebenen kommunizieren:

1  Sachebene Sachinhalt

2  Selbstkundgabeebene

3  Beziehungsebene

4  Appellebene

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Abbildung 1: Das Kommunikationsquadrat (nach Schulz von Thun 1981)

Genauso, wie der Sender auf vier Kanälen senden kann, kann der Empfänger die Botschaft mit vier unterschiedlichen „Ohren“ hören.

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Abbildung 2: Die vier Ohren des Empfängers

Sagt beispielsweise ein Mann zu seiner Frau: „Was ist das Grüne in der Suppe?“, so kann die Frau diese Aussage auf vier verschiedenen Ebenen hören.

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Was kommt bei Ihnen an, wenn Sie gekocht haben und von Ihrem Partner die Frage hören: „Was ist das Grüne in der Suppe?“? Was hören Sie zwischen den Zeilen heraus?

Bitte notieren Sie spontan Ihre ersten Interpretationen:

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Was haben Sie „gehört“?

Sachebene: Möglicherweise hören Sie die Frage des Partners rein sachlich. Dann wäre eine sachliche Reaktion passend wie „Das ist Petersilie.“ oder „Das ist Basilikum.“

Selbstkundgabeebene: Vielleicht hören Sie jedoch auch heraus, dass es dem Mann nicht schmeckt. Das heißt, er hätte auch sagen können: „Ich mag das Grüne nicht.“ In dem Fall hören Sie, was der Sender mit seiner Aussage über sich selbst sagt, wie es ihm geht. Selbstverständlich kann es auch positiv gemeint sein, wie: „Mir schmeckt das sehr gut.“ oder „Ich habe Lust, das auch mal zu kochen“.

Beziehungsebene: Vielleicht hören Sie in der Frage auch eine Aussage des Mannes darüber, wie er zu Ihnen steht und was er von Ihnen hält. Dies könnte sein: „Du bist eine gute Köchin.“ Oder aber: „Du kannst nicht kochen“.

Appellebene: Zuletzt ist es auch möglich, Aussagen als Appell aufzufassen, nach dem Motto: „Bitte lass das Grüne in Zukunft weg!“, „Mach mir doch mal wieder ein Steak!“ oder „Koch gern öfter mit Kräutern!“.

Warum ist unsere Kommunikation häufig so kompliziert und störanfällig? Warum kommt es so oft zu Missverständnissen? Warum streiten wir uns, wenn doch auf der Sachebene alles meist ganz klar zu sein scheint?

Antworten liefert das Kommunikationsquadrat, wie in Abbildung 3 zu sehen ist. Denn mit jedem gesprochenen Satz, mit jedem Verhalten, mit jeder körpersprachlichen Äußerung teilen wir – ob wir es wollen oder nicht – unserem Empfänger immer auf allen vier Ebenen etwas mit. Auch unser Empfänger wird ebenfalls – ob er es will oder nicht – die Aussage auf einem oder sogar mehreren der vier verschiedenen Kanäle hören. Daher ist das, was einer sagt, so selten das, was beim anderen ankommt.

In der mündlichen Kommunikation kann es zum Beispiel auch zu Störfällen kommen, wenn der Konflikt eigentlich auf der Beziehungsebene liegt (die Frau fühlt sich nicht wertgeschätzt), beide Gesprächspartner jedoch (scheinbar) auf der Sachebene miteinander sprechen. Eine Antwort in genervtem Tonfall („Koch doch selber, wenn es dir nicht schmeckt.“) kann dann dazu führen, dass plötzlich eisiges Schweigen am Esstisch herrscht.

Jede Aussage ist auf vierfache Weise wirksam. Sie beinhaltet immer

  eine Sachinformation (worüber ich informiere),

  eine Selbstkundgabe (was ich von mir zu erkennen gebe),

  einen Beziehungshinweis (was ich von dir halte und wie ich zu dir stehe) und

  einen Appell (was ich bei dir erreichen möchte).

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Abbildung 3: Das Kommunikationsquadrat zu der Frage „Was ist das Grüne in der Suppe?“ (nach Schulz von Thun 1981)

Vertiefte Informationen zum Kommunikationsquadrat finden Sie im Buch „Miteinander reden“ (Schulz von Thun 1981).

Bei der Kommunikation ist außerdem immer entscheidend, was beim Empfänger ankommt! Dem Verhaltensforscher und Nobelpreisträger Konrad Lorenz (1903–1989) wird die Aussage zugeschrieben, es gäbe sechs Stufen des Verstehens in der Kommunikation:

1  Gemeint ist noch nicht gesagt.

2  Gesagt ist noch nicht gehört.

3  Gehört ist noch nicht verstanden.

4  Verstanden ist noch nicht einverstanden.

5  Einverstanden ist noch nicht angewendet.

6  Angewendet ist noch nicht beibehalten.

Auf jeder dieser Stufe kann der Sender seinen Empfänger verlieren. Auf unser Beispiel übertragen bedeutet dies:

Gemeint ist noch nicht gesagt: In unserem Beispiel drückt der Mann seine Aussage so aus, als sei sie rein sachlich gemeint. Selbstverständlich können Mimik, Gestik und Tonfall Hinweise darauf geben, ob über die Sachebene hinaus auf einer der anderen drei Ebenen etwas „quer“ liegt. Die Wortwahl des Mannes jedoch ist so gewählt, als handele es sich um eine rein sachliche Frage.

Aber ist sie das wirklich? Wir wissen es nicht. Vielleicht möchte der Mann ja in Wirklichkeit seine Frau kritisieren oder loben oder aber an sie appellieren. Allein die Tatsache, dass er sich sachlich ausdrückt, bedeutet nicht, dass er es auch sachlich meint.

Gesagt ist noch nicht gehört: Im zweiten Schritt muss der Empfänger das Gesagte auch hören. Das heißt: Hört die Frau ihm wirklich zu und spricht er laut genug, dann wird die Frage „Was ist das Grüne in der Suppe?“ auch auf ihr Ohr treffen. Fragt sich nur, auf welches Ohr. Damit kommen wir zum nächsten Schritt.

Gehört ist noch nicht verstanden: Selbst wenn wir davon ausgehen, dass der Mann seine Aussage so sachlich meint, wie er es sagt und dass seine Frau diese Frage Wort für Wort hört, wissen wir noch nicht, was seine Frau genau hört. Wie versteht sie seine Frage?

Vielleicht möchte er wirklich nur eine sachliche Antwort bekommen, da er einen Informationsbedarf hat. Dann wäre eine Antwort wie „Das ist Basilikum.“ passend.

Möglicherweise hört die Frau jedoch auf einem anderen „Ohr“ und fühlt sich angegriffen. Auch wenn die Worte klar bei ihr ankommen, hört sie möglicherweise Kritik heraus: „Du kannst nicht gut kochen.“ Oder einen Appell: „Koch mal mit mehr Fleisch!“.

Verstanden ist noch nicht einverstanden: Nehmen wir mal an, der Mann wollte mit seiner Aussage die Frau dazu bewegen, das Grüne in Zukunft wegzulassen und anstelle dessen häufiger Fleisch zu kochen. Nehmen wir zusätzlich an, seine Frau hat auf allen bisherigen Stufen genau das verstanden, was ihr Mann ihr mitteilt. Das heißt, sie hört es als Appell: „Lass das Grüne in Zukunft weg und koche mehr Fleisch!“. Dann heißt das noch lange nicht, dass sie damit einverstanden ist. Vielleicht widerspricht sie seinem Wunsch vehement.

Einverstanden ist noch nicht angewendet: Selbst wenn sie einverstanden wäre mit dem Wunsch ihres Mannes, heißt es noch nicht, dass sie dem Appell auch folgt. Vielleicht denkt sie sich: „Ach, er hat recht. Ich kann ja auch mal nach seinem Geschmack kochen und nicht immer nur nach meinem“. Das heißt noch nicht, dass sie sich beim nächsten Kochen daran erinnert und nach seinen Wünschen kocht.

Angewendet ist noch nicht beibehalten: Selbst wenn sie seinen Appell richtig versteht und beim nächsten Kochen umsetzt, bedeutet dies noch nicht, dass sie dieses Verhalten auch beibehält. Ein paar Wochen später kommt dasselbe Thema vielleicht wieder „auf den Tisch“.

Merken Sie, wie kompliziert unsere Kommunikation häufig ist? Auf allen sechs Stufen besteht die Gefahr, dass der Empfänger etwas anders versteht, als der Sender es gemeint hat. Obwohl wir im Gespräch zusätzliche Informationsquellen haben, wie zum Beispiel die Körpersprache, Mimik, Gestik oder den Tonfall. Wenn wir schriftlich kommunizieren, wird die Sache nicht leichter. Denn dann fehlen uns diese sogenannten „non-verbalen“ Informationen und unser Leser sieht nur das, was schwarz auf weiß geschrieben steht.

„Quadratisch schreiben“ – Das Besondere in der schriftlichen Kommunikation