Inka Loreen Minden

 

Die Lady und das Biest

Para-Histo-Romance

Inhalt

 

Die junge Lady Patricia hat es satt, dass alle über ihr Leben bestimmen. Als sie mit einem alten Lord verheiratet werden soll, läuft sie von zu Hause weg und versteckt sich auf der Fregatte eines Freundes. Leider ist sie auf dem falschen Dreimaster gelandet und glaubt sich unter Piraten, doch die Realität ist schlimmer: Patricia befindet sich auf einem Schiff voller übernatürlicher Kreaturen, und ausgerechnet der Captain, das Alphatier des Rudels, hat sie zu seiner Gefährtin auserkoren …

 

Historischer Liebesroman mit Wolfswandlern, Vampiren und Dämonen.

 

 

»Inka Loreen Minden« steht für gefühlvolles Prickeln und heiße Lesemomente. Hier wird an gewissen Stellen nicht ausgeblendet, sondern die Dinge werden beim Namen genannt.

 

Diese Geschichte hätte im normalen Taschenbuchformat 360 Seiten.

Das E-Book enthält zusätzliches Bonusmaterial (plus 80 Seiten).

 

Kapitel 1 – Erweckung

Ende des 18. Jahrhunderts, mehrere Seemeilen vom englischen Festland entfernt

 

 

»Aye, was haben wir denn hier für ein Bürschchen?« Die raue Stimme an Patricias Ohr riss sie aus einem unruhigen Schlummer. Blinzelnd schaute sie in ein faltiges Gesicht mit nur einem Auge, das … Oh Gott, es glühte wie Kohle in der Dunkelheit!

Nein, das konnte nicht sein, sie war bestimmt noch in ihrem Traum gefangen. Schlaftrunken zwinkerte sie mehrmals und blickte erneut hin. Das Licht einer Öllampe offenbarte die erschreckend hässliche Visage eines Mannes mit Augenklappe, doch er sah nun normal aus.

Im ersten Moment wusste Patricia nicht, wo sie war, bis sie sich ihrer Rückenschmerzen und des leichten Schaukelns des Bodens bewusst wurde. Sie befand sich im Laderaum eines Schiffes, und zwar auf Captain Gardeners Fregatte. Sie hatte es tatsächlich geschafft!

Der Alte funkelte sie böse an, wobei er sie auf die Beine zerrte. »Das wird dem Captain aber gar nicht gefallen.«

Noch ehe sie sich versah, hatte er sie aus dem Laderaum geschleift.

Ihr Herz klopfte wild. Langsam rieselte in ihr Bewusstsein, dass hier irgendetwas ganz und gar nicht nach Plan lief. Als sie sich diesen alten Mann genauer betrachtete, beschlich sie das ungute Gefühl, auf dem falschen Schiff gelandet zu sein, denn dieser Matrose trug keine Marineuniform. Nicht nur die Augenklappe ließ ihn wie einen Piraten erscheinen, sondern vor allem die krumme Nase und der Mund, der schiefe Zähne entblößte.

»Captain!«, brüllte der furchterregende Seemann, während er Patricia hinter sich her durch das schwankende Schiff zog. »Ich habe die Ratte gefunden!«

Ratte? Sie war gewiss kein Nagetier, auch wenn sie am liebsten an ihren Fingernägeln gekaut hätte. Aber sie widersprach nicht. Vorerst hielt sie es für klüger den Mund zu halten und abzuwarten, wie sich die Dinge entwickelten. Mit diesem übelgelaunten Seebären wollte sie sich auf keinen Fall anlegen.

Am Ende des Ganges hämmerte der Alte mit der schwieligen Faust gegen eine Holztür: »Captain, ich habe vielleicht einen Saboteur gefunden. Morgan! Bist du schon wach?«

Morgan? Himmel, sie befand sich wirklich nicht auf Gardeners Schiff! Ihr Magengrummeln nahm zu. Wo hatte sie sich mit ihren verrückten Ideen diesmal hineinbugsiert?

Wehmütig dachte sie daran zurück, wie sie noch vor wenigen Stunden selbstsicher zu den Docks marschiert und felsenfest davon überzeugt gewesen war, dass ihr Plan aufgehen würde …

 

 

»Miss Patricia Salesbury, du bist ein Wildfang! Du bist schon als solcher auf die Welt gekommen und wirst wohl noch mit sechzig ein unbezähmbares Wesen sein!«, hörte sie die Worte ihres Kindermädchens im Kopf nachhallen. Auch jetzt, mit ihren zweiundzwanzig Jahren, mochte sie sich nicht in die langweilige und versnobte Gesellschaft Englands einfügen, sondern tat stets das, wonach ihr der Kopf stand. Deswegen hatten ihre Eltern beschlossen, sie mit dem alten und schwerreichen Lord Fitzwilliam zu verheiraten, weil sie bereits als unvermittelbare Jungfer galt.

»Unter seinem Regime werden dir die Flausen und deine Leichtlebigkeit schon vergehen«, hatte ihr Vater gesagt. Doch Patricia besaß ihren eigenen Dickschädel. Niemals würde sie die Frau eines uralten, langweiligen Mannes werden. Sie wollte endlich etwas Aufregendes erleben, die Welt kennenlernen, sich auf ein Abenteuer einlassen. Und wenn sie ihren Wissensdurst gestillt hatte, wollte sie Kinder bekommen. Die würde ihr so ein Tattergreis niemals schenken können.

Deshalb hatte sie heute Nacht spontan ihrem Elternhaus den Rücken gekehrt, um sich im Schutze des Nebels zum nahe gelegenen Hafen von Brixham zu schleichen. Sie wusste, dass sich in aller Frühe Captain Gardeners Schiff auf die mehrwöchige Reise nach Boston machte. In Amerika würde sie endlich frei sein, das Leben nach ihren eigenen Vorstellungen und Wünschen gestalten, als ungebundene Frau ohne Konventionen. Eine entfernte Verwandte ihrer Mutter lebte dort, vielleicht könnte sie bei ihr unterkommen.

Niemand schenkte ihr besondere Aufmerksamkeit, als sie in den Kleidungsstücken ihres älteren Bruders durch die dunklen Gassen zum Hafen ging. Ein Gürtel hinderte die viel zu große Hose daran, ihr bis auf die Knöchel hinunterzurutschen, und ihre widerspenstige schwarze Mähne hatte sie unter einen Filzhut gestopft. Das weite Leinenhemd kaschierte perfekt ihre weiblichen Formen, und mit dem geschulterten Jutesack sah sie wie ein junger Matrose auf Landgang aus. Sie hatte sich den besten Mantel ihres Bruders übergeworfen, da im März die Nächte eiskalt waren. Er würde ihn sicher vermissen, doch er konnte sich einen neuen kaufen. Aber Patricia wollte unbedingt etwas von ihm mitnehmen, weil sie ihn über alles liebte. Leider hatte auch er ihr nicht helfen wollen, der Ehe zu entfliehen. Als zukünftiger Erbe des Salesbury-Imperiums war ihr Bruder genauso darauf bedacht, sie anständig zu verheiraten, bevor sie mit ihrer unbefangenen Art einen Skandal heraufbeschwor. Er war zwar von der Wahl ebenfalls nicht begeistert gewesen, aber noch war Vater das Oberhaupt und hatte das Sagen.

Voller Übermut und Vorfreude pfiff sie eine flotte, undamenhafte Melodie, woraufhin ihr sogar die Mädchen zuzwinkerten, die vor den Spelunken bibbernd auf Männerfang waren.

Nie hatte sich Patricia besser gefühlt als in dieser Nacht, obwohl sie sich eigentlich fürchten sollte. Der Nebel kroch aus allen Löchern, befeuchtete ihr Gesicht und dämpfte die Geräusche der Umgebung. Zudem hörte es sich an, als würde sie verfolgt werden, doch es waren nur ihre eigenen Schritte, die von den Wänden der schmalen Gassen hallten. Sie wollte sich auf Captain Gardeners Schiff schleichen und so lange an Bord verstecken, bis sie weit genug auf See waren, damit er nicht auf die Idee kam kehrt zu machen, um sie wieder zu Hause abzusetzen. Dann würde sie ihm ihre Situation erklären. Er würde sie verstehen, sie beschützen … Ach, er war ihr Held!

Patricia hatte Captain James Gardener auf einen der unzähligen Bälle kennengelernt, die sie gezwungenermaßen ständig besuchen musste, um nach Ehekandidaten Ausschau zu halten. Zwar hatte sie zahlreiche Angebote von wirklich gut aussehenden Männern erhalten und sie hatte sich geschmeichelt gefühlt, aber das waren alles Langweiler gewesen, die es gerne gesehen hätten, wenn ihre Frau sich lediglich um die Kinder kümmerte, Teller bemalte, Kissen bestickte und ein Instrument spielte.

Diese Gentlemen hatten ihren Sinn für Abenteuer kein bisschen geschätzt, ganz anders der Captain. Patricia hatte sich prächtig mit ihm verstanden, fasziniert seinen aufregenden Erzählungen gelauscht und sich ein klein wenig in ihn verliebt. Das glaubte sie jedenfalls. Noch nie hatte sie sich zu einem Mann hingezogen gefühlt oder war von einem geküsst worden – den Stallburschen ausgenommen, aber da war sie erst zwölf Jahre alt gewesen. Doch von James, der in seiner Uniform ein äußerst gutes Bild abgab, hätte sie sich verführen lassen. Allerdings hatte sie sich dieses Gefühl gleich aus dem Kopf geschlagen, denn sie wollte sich nicht verlieben.

»Liebe macht abhängig«, murmelte sie und sie wollte fürs Erste frei sein. Frei, um Abenteuer zu erleben. Die Sache mit der Liebe und allem was dazugehörte, würde sie in Amerika nachholen – als moderne Frau, die sich nahm, was sie wollte.

Nachdem sie den Hafen erreicht hatte, in dem ebenfalls dicker Nebel waberte, läutete eine Glocke in der Ferne zwei Uhr morgens. Trotzdem herrschte hier reger Betrieb. Seeleute luden die letzten Kisten und Fässer auf Gardeners Fregatte, die groß und mächtig am Kai lag und nur schwach von wenigen Öllampen erhellt wurde. Wie ein Kätzchen auf Samtpfoten huschte Pat in einem günstigen Moment über die Gangway auf das riesige Segelschiff. Dort versteckte sie sich in einem der Laderäume hinter gestapelten Holzkisten, die, der Beschriftung nach, schottischen Whiskey enthielten.

Patricia atmete auf. Geschafft! Zum Glück hatte sie daran gedacht, sich eine Kerze mitzunehmen, da es im Bauch eines Schiffes dunkler als die schwärzeste Nacht war. Das wusste sie ebenfalls von James, dessen Reden sie stets Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Deshalb wunderte es sie auch nicht, als sie auf einige Bahnen Segeltuch stieß, auf denen sie es sich gemütlich machte. Wie James mehrmals erwähnt hatte, war es wichtig, auf langen Reisen genügend Ersatzsegel mitzuführen. Falls ein Sturm die großen Rahsegel zerfetzte, konnte der Dreimaster innerhalb kürzester Zeit wieder Fahrt aufnehmen. Patricia fand es allerdings merkwürdig, als die Fregatte schon kurze Zeit später ablegte, James musste die Abfahrt vorgezogen haben. Egal – sie hatte es geschafft und ihr Herz machte einen Freudensprung. Sie war auf dem Weg nach Amerika! Überglücklich hatte sie sich in das Segeltuch gekuschelt, die Kerze ausgeblasen und war schon bald eingeschlafen …

Doch als sie gerade dieser erschreckend hässliche Mann aus ihren Träumen gerissen hatte, waren sie wie Seifenblasen geplatzt. Jetzt wusste Patricia, dass sie auf dem falschen Schiff gelandet war. Denn dieser verbrauchte und vom Leben gezeichnete Matrose konnte unmöglich einer von James Gardeners Leuten sein.

Ihr Magen zog sich zusammen, ihre Knie wurden butterweich. Oh Gott, das war ihr Ende …

»Morgan!« Der Alte klopfte weiterhin gegen die Tür.

Morgan … Woher kam ihr dieser Namen bekannt vor? Hatte ihn James nicht erst kürzlich erwähnt, als er eine seiner Abenteuergeschichten von Piraten, Monstern und seltsamen Kreaturen zum Besten gegeben hatte? Egal – gleich würde sie diesem Captain vorgestellt werden und konnte ihm in aller Ruhe erklären, dass hier ein Missverständnis vorlag. Schließlich war sie weder eine Ratte noch ein Saboteur. Am ehesten ein Deserteur, überlegte sie lächelnd.

»Dir wird dein dummes Grinsen gleich vergehen, Junge. Wenn unser Captain dich in die Finger bekommt, wirst du für sehr lange Zeit keinen Grund mehr zum Lachen haben. Aye, das schwöre ich dir!« Wieder hämmerte er gegen die Tür. »Morgan, verdammt!«

Oh Gott, die Männer auf dem Schiff schienen keinen Spaß zu verstehen. Sie machte sich auf das Schlimmste gefasst.

Patricia vernahm ein Knurren hinter dem dicken Holz und zuckte zusammen. Dem Captain behagte es offenbar nicht, so früh geweckt zu werden.

Als plötzlich die Tür aufgerissen wurde, blieb ihr beinahe das Herz stehen, doch der Schock währte nur kurz. Vor ihr stand das bestaussehendste Exemplar Mann, das ihr je begegnet war! Was vielleicht auch daran lag, dass der Captain nichts weiter auf der Haut trug als Kniehosen, und so ein Anblick bot sich einer jungen Lady nicht alle Tage.

Sie schluckte. Der Kerl war richtig groß, mit breiten Schultern, schmalen Hüften und … Um Gottes willen, seine Pupillen waren riesig und schwarz wie die Nacht! Er hatte wohl zu tief ins Glas geschaut. Auch sonst befand er sich in einer wilden Verfassung, denn die schulterlangen braunen Haare fielen ihm wirr über Wangen und Stirn.

Da er sie unverwandt anstarrte, nahm sie sich die Freiheit, dasselbe bei ihm zu tun. Er hatte ein interessantes Gesicht, ebenmäßig und männlich, mit einer geraden Nase und einem markanten Kinn. Eine feine Narbe zog sich durch die rechte Augenbraue. Das erinnerte Patricia wieder an ihr Gespräch mit James. Vor ihr stand Morgan Black, der gefürchtetste Pirat und Frauenverführer der Sieben Weltmeere! Sie war nicht etwa auf Captain Gardeners Schiff, der Endeavor, gelandet, sondern auf der berüchtigten Neptuns Revenge. Da gab es keine Zweifel, denn genau so hatte James den Piraten beschrieben. Er hatte zwar etwas von einem Monster erwähnt … aber auch wenn Morgan sie übellaunig anfunkelte, erkannte sie gleich, dass hier ein normaler Mann vor ihr stand. Oh, wenn sie jetzt nur mit James sprechen könnte, sie hätte so viel zu berichten!

Zu ihrer Furcht gesellte sich Aufregung, doch beim Anblick des muskulösen Oberkörpers kribbelte es von ihren Zehenspitzen bis in die Haarwurzeln. Morgan sah sogar noch viel besser aus als James. Zu gerne hätte sie jetzt die Hand ausgestreckt, um über seinen flachen Bauch zu fahren.

Himmel, was war denn los mit ihr? Ihr war schwindlig. Als ob der verführerisch-maskuline Duft, den er verströmte, sie zu einer anderen Frau machte. Zu einer Dirne!

Oder träumte sie noch?

Sie hatte bereits nackte Männer gesehen, weil sie das Dienstpersonal ihrer Eltern bei gewissen Eskapaden beobachtet hatte, aber so ein gut ausgestatteter Kerl war nie dabei gewesen. Hämmerte ihr Herz deshalb so ungestüm?

Sie sollte sich lieber überlegen, wie sie aus dieser Situation heil herauskommen konnte, anstatt einen Seeräuber anzuhimmeln. Allein als Frau unter Piraten – schlagartig war die Angst wieder da.

Der Alte drückte Patricia unsanft am Arm und schubste sie noch näher zum Captain. »Hab ihn im Laderaum gefunden. Bei meinem morgendlichen Rundgang. Hat sich in den Ersatzsegeln versteckt, die kleine Ratte.«

Erneut stieg ihr Morgans balsamischer Duft mit der warmen Note in die Nase, woraufhin ihr Herz noch schneller schlug, wenn das überhaupt möglich war. Dieser Mann roch unwiderstehlich gut, während der Alte an ihrer Seite wie ein Putzlappen stank.

Pat blieb wie angewurzelt vor der Kabine des Captains stehen. Obwohl ihr der große Mann mit seiner animalischen Ausstrahlung gehörig Angst einjagte, lugte sie an ihm vorbei und bewunderte seinen Ordnungssinn. Der große Raum, der über die ganze Breite des Achterdecks reichte, war sauber und aufgeräumt, besaß allerdings eindeutig maskuline Attribute. Es gab keinen Firlefanz, keine bunten Farben. Eine Frau schien hier nicht zu leben. An den niedrigen Deckenbalken hingen drei Laternen, rechts erblickte Patricia zwei große Truhen, die vor einem geräumigen Schrank standen, und einen Schreibtisch aus Eichenholz, auf dem eine Seekarte ausgebreitet war. Daneben lagen noch ein Logbuch und ein Sextant.

Vor ihr, am Heck des Segelschiffs, gaben eine Reihe großer Fenster den Blick auf das Meer und die aufgehende Sonne preis, und auf der linken Seite befand sich ein breites Bett. Ein ungewöhnlich breites Bett für einen Mann, der auf seinen Reisen monatelang ohne weibliche Gesellschaft auskommen musste. Wie viele Frauen er wohl schon darin verführt hatte? Und wie viele Hafendirnen seine Lust befriedigt hatten?

Die zerknitterten Laken riefen Patricia ins Bewusstsein, dass dieser verführerische Kerl gerade noch darin gelegen hatte, worauf ihr Herz sich beinahe überschlug.

 

 

Morgan unterdrückte den Instinkt, seine Krallen auszufahren. Sollte der Bengel wirklich einer von Murrays Leuten sein? Kaum zu glauben, dass sein Bruder jetzt schon halbe Kinder für seine Vorhaben einsetzte. Wütend packte er das Milchgesicht am Hemdkragen. »Sag, Junge, hat mein Bruder dich geschickt?«

Der Bursche blickte ihn aus großen Augen an und schüttelte den Kopf. Es waren die blausten Augen, die er je gesehen hatte. Sie besaßen die Farbe der Karibischen See.

Als ihm plötzlich das Blut in die Lenden schoss, stutzte er. Schockiert über die unerwartete Reaktion seines Körpers, ließ er den Jungen sofort los. Verdammt, seit wann löste ein Grünschnabel solche Gefühle in ihm aus? Morgan konnte nicht den Blick von dem attraktiven Gesicht nehmen. Was war der Kleine nur für ein hübscher Bengel. Seine makellose Haut war zwar für Morgans Geschmack zu bleich, doch die zierliche Nase, die schmalen Augenbrauen, das spitze Kinn und dieser sündhafte Mund faszinierten ihn. Welcher Mann hatte solch sinnliche Lippen?

Eine schwarze Locke lugte unter dem Schlapphut hervor, und er war versucht, sie um seine Finger zu wickeln. Der Kleine besaß sicher seidenweiches Haar.

Morgans Hoden zogen sich zusammen und ein Prickeln strömte in seinen Unterleib. Das Jucken in seinen Kieferknochen kündigte das Ausfahren der Fangzähne an und seine Muskeln nahmen an Volumen zu. Verdammt, nicht jetzt! Eisern hielt er sich zurück, nicht wie ein Tier an dem jungen Mann zu schnüffeln, und sog möglichst unauffällig seinen Duft auf, der ihn an einen Rosenbusch erinnerte. Aber darunter lag ein dunkleres Aroma: Der Kleine hatte Angst …

Es schockierte Morgan, wie er auf den Burschen reagierte. Sein Geschlecht schwoll an, er konnte sich kaum zurückhalten, die Zähne in den zarten Hals zu rammen, um den Kleinen zu markieren. Er hatte gehört, was diese körperlichen Reaktionen hervorrief, aber das konnte unmöglich sein, nie im Leben war dieser Junge sein Seelengefährte! Vielleicht gaukelte ihm sein Verstand etwas vor, weil die Ratte wie ein Mädchen roch?

So nah bei dem Jungen konnte er auch dessen Herz schlagen hören. Es raste förmlich, als wollte es vor ihm weglaufen, doch der Bursche hielt sich tapfer. Er war taff und hübsch dazu.

Teufel noch mal, was war los mit ihm? Nur unter Aufbietung seines ganzen Willens konnte er sich von dem Kleinen lösen und sich seinem Ersten Offizier zuwenden, der den Bengel immer noch am Arm festhielt. »Ianto, schnapp dir ein paar Männer und inspiziere jeden Winkel. Seht nach, was diese Kröte für Schaden angerichtet hat.«

»Aye, aye, Captain. Und was machen wir solange mit ihm?« Ianto warf dem jungen Mann einen vernichtenden Blick zu, wobei er sich geräuschvoll am stoppelbärtigen Kinn kratzte.

»Um den kümmere ich mich«, knurrte er, zog den Jungen in die Kajüte und verriegelte die Tür. »Was hat mein Bruder dir aufgetragen?« Morgan musste sich bemühen, den Kleinen nicht anzuschreien und darauf achten, dass sein Temperament nicht mit ihm durchging. Das könnte eine Katastrophe heraufbeschwören. Niemand außer seiner Crew durfte wissen, wer er wirklich war. »Solltest du die Handelswaren zerstören? Das Trinkwasser vergiften? Oder unser Ersatzsegel zerschneiden?«

Der Bengel wusste wohl nicht, was er darauf erwidern sollte, sondern fixierte nur seine Brust, deren Muskeln sich ständig anspannten. Sein Blick schien Morgan die Haut zu verbrennen, was ihn mehr als verwirrte. Er hatte schon genug damit zu tun, die Verwandlung zu unterdrücken, und der Kleine machte es nicht einfacher, indem er ihn so anstarrte! Es fehlte ihnen gerade noch, dass ein Zivilist herausfand, was sich auf diesem Schiff abspielte.

 

 

»Sprich endlich, oder muss ich dich erst Kiel holen lassen?« Die Stimme des Captains war kaum mehr als ein Flüstern, wirkte aber so bedrohlich, als hätte er Patricia angeschrien.

Furcht schnürte ihre Kehle zu. Langsam wich sie mehrere Schritte vor dem Piraten zurück, bis sie mit dem Rücken an eines der Fenster stieß. Was sollte sie tun? Wenn sie ihm ihre Situation erklärte, würde er an ihrer Stimme merken, dass sie eine Frau war. Und aus James Gardeners abenteuerlichen Erzählungen wusste sie, wie Piraten mit Frauen an Bord umgingen. Sie mussten der gesamten Mannschaft zu Diensten sein, ob sie wollten oder nicht.

Morgan wäre sie keinesfalls abgeneigt, im Gegenteil, sie brannte förmlich darauf, ihn einmal berühren zu dürfen. Himmel, wieso nur? Hatte der Mann einen Zauber auf sie gelegt?

Wie gerne hätte sie jetzt diese bronzefarbene Haut gestreichelt, um herauszufinden, ob sie so weich war, wie sie aussah, aber Morgan verwirrte sie. In einem Moment zog er sie unwiderstehlich an und kurze Zeit später machte er ihr wieder Angst. So etwas Verrücktes hatte sie noch nie erlebt.

Wenn sie jedoch an den alten Ianto dachte, mit den fauligen Zähnen und dem übel riechenden Atem … Sie schüttelte sich. Da hätte sie ja gleich Lord Fitzwilliam heiraten können! Andererseits – sollte sie weiterhin schweigen, würde sich der Captain in seiner Vermutung bestätigt fühlen und vor Folter nicht zurückschrecken …

Ohne Vorwarnung riss er ihr den Mantel von den Schultern, packte sie hinten am Hosengurt und hob ihren Oberkörper aus einem geöffneten Fenster, als ob Patricia so leicht wie eine Feder wäre. Mühsam unterdrückte sie einen Schrei. Dieser Pirat wollte sie den Haien zum Fraß vorwerfen! Er war wirklich barbarischer, als er aussah. Gleich würde ihr der kalte Wind den Hut vom Kopf reißen und sie enttarnen!

Mit wild rasendem Herzen starrte sie nach unten in die aufschäumende Gischt, die am Heck des fahrenden Schiffes hervorzischte und im Licht der aufsteigenden Sonne beinahe leuchtete. Kalter Schweiß strömte ihr aus jeder Pore. Unter anderen Umständen hätte sie die reizende Aussicht ja genießen können, aber nicht, wenn ihr Leben nur an einem dünnen Stück Leder hing!

»Bitte nicht«, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, während Morgan ihren Körper Zentimeter um Zentimeter über den Fenstersims hob. Der Holzrahmen presste sich in ihren Bauch und nahm ihr zusätzlich die Luft.

»Hast du was gesagt, Kleiner?«, rief er.

Pat war wie gelähmt. Hektisch ruderte sie mit Armen und Beinen in der Luft, während sie sich fragte, wie es sich anfühlte, in den dunkelgrünen Fluten zu ertrinken.

»Sprich endlich, Junge, und dir wird nichts geschehen. Darauf gebe ich dir mein Wort als Ehrenmann!« Seine Stimme drang schwach durch das Rauschen des Windes an ihre Ohren.

»Als ob Piraten Ehrenmänner wären!«

Plötzlich wurde das Schiff von einer Böe erfasst, woraufhin sie tatsächlich beinahe aus dem Fenster gefallen wäre, hätte sich nicht blitzschnell Morgans Hand um ihren Oberkörper gelegt und sie in die Kabine zurückgerissen.

Erst eine halbe Ewigkeit später, nachdem sich ihr erster Schrecken gelegt hatte, bemerkte Pat, dass die Finger des Captains auf ihrer Brust ruhten.

»Heiliges Kanonenrohr«, zischte er an ihrem Ohr. »Mit mir ist also doch alles in Ordnung. Du bist gar kein Junge!«

Pat wagte kaum zu atmen. Ihr Herz hämmerte, während er begann, vorsichtig ihre Brust zu massieren. Sofort reckte sich ihre Knospe seinen Fingern entgegen. Der Captain hielt sie so fest an sich gepresst, dass sie durch den dünnen Stoff ihres Hemdes seine angespannten Brustmuskeln auf ihrem Rücken spüren konnte, während sich etwas Hartes gegen ihre Pobacken drückte.

Pat war nicht dumm. Sie wusste, was das zu bedeuten hatte. Schließlich hatte ihr Rosalind, die Köchin ihrer Eltern, alles über die körperliche Liebe zwischen Mann und Frau erzählt. Na ja, eigentlich hatte Patricia sie erst erpressen müssen, damit sie jedes Detail herausrückte. Da war es Pat sehr gelegen gekommen, dass sie Rosalind in wilder Umarmung mit Bernard, dem Hausdiener, auf dem Küchentisch vorgefunden hatte. Danach hatte Patricia keine Gelegenheit mehr ausgelassen, das Personal heimlich zu beobachten. Wenn ihre Eltern wüssten, was nachts im Dienstbotentrakt vor sich ging!

Plötzlich drängte Morgan mit der Stirn ihren Kopf ein Stück zur Seite, um die Nase an ihren Hals zu pressen. Er schnüffelte, und sie spürte seinen Atem keuchend entweichen. Als seine Zungenspitze ihre Haut kitzelte, entkam ihr ein quiekender Laut. Was erlaubte sich dieser Mann?! Und warum setzte sie sich gegen die aufdringlichen Berührungen nicht zur Wehr? Weil sie starr vor Angst war oder weil es sich verteufelt gut anfühlte, was er machte?

Wie oft sie sich bei ihren nächtlichen Beobachtungen immer gewünscht hatte, sie wäre kein Mädchen aus gutem Hause, sondern eine einfache Küchenmagd, um einmal in den Genuss körperlicher Liebe zu kommen. Sollte sie die Gelegenheit nutzen? Seufzend schloss sie die Augen und ließ sich nach hinten gegen Morgans nackten Oberkörper sinken. Mittlerweile drückte und streichelte er ihre andere Brust ebenso zärtlich und wechselte sich ab, beide ausreichend zu verwöhnen. Hitze stieg wie ein Großfeuer in ihr auf und ein angenehmes Pochen machte sich zwischen ihren Schenkeln breit. Diese Berührungen waren wunderbar, besser als in ihren Vorstellungen. Sie wollte mehr davon, wollte wissen, wie sich eine nackte Männerbrust in ihren Händen anfühlte.

Also drehte sie sich in den Armen des Piraten um und schaute geradewegs in die wundervollsten smaragdgrünen Augen, die sie je gesehen hatte. Ihr Atem stockte abermals. Die glühende Schwärze, die zuvor seine Pupillen beherrscht hatte, war verschwunden. Stattdessen traf sie Morgans verlangender Blick direkt ins Herz. Himmel, sah dieser Kerl gut aus, wenn er nicht so finster guckte!

Patricia befeuchtete mit der Zungenspitze die Lippen, legte den Kopf in den Nacken und wartete darauf, von diesem verwegenen Draufgänger geküsst zu werden. Davon träumte sie schon ewig. Solch sündhafte Gedanken hatte sie immer, wenn sie nach ihren nächtlichen Streifzügen im Bett lag. Dann musste sie sich streicheln – die Bilder nackter, in sich verschlungener Leiber vor Augen –, bis die ersehnte Erlösung sie fand. Dabei kümmerte es sie nicht, dass es eine Sünde sein sollte, sich dort zu berühren, denn wieso sollte etwas derart Wunderbares verboten sein?

Gerade, als sich seine Lippen näherten – so gefährlich nah, dass sie bereits den warmen Atem auf ihrem Mund fühlte –, klopfte es an der Tür.

»Captain?« Pat erkannte Iantos raue Stimme.

Sofort ließ Morgan von ihr ab, eilte zur Tür, zog den Holzriegel zur Seite und öffnete dem alten Mann.

»Pete hat einen Sack voller Weiberkram gefunden«, sagte Ianto. »Wir denken …«

Morgan trat zur Seite.

»Ah, wie ich sehe, hast du es selbst herausgefunden.« Mit seinem einen Auge lugte er unverhohlen in die Kabine. Dabei flutschte es in der Höhle hin und her, als führte es ein eigenständiges Dasein. Richtig unheimlich. Kichernd warf Ianto ihnen den schweren Beutel zu, der scheppernd vor Pats Füßen liegen blieb, und schloss die Tür wieder hinter sich. Sie waren abermals allein.

Morgan wandte sich von ihr ab, wobei er sich mit beiden Händen durchs Haar fuhr, und auch Patricia wusste nichts Besseres mit ihren Fingern anzufangen, als sie in den Hosentaschen zu vergraben, was wenig damenhaft aussah. Nach endlos schweigsamen Augenblicken fand sie jedoch zuerst die Sprache wieder. Mit erhobenem Kinn und einem ausgestreckten Arm trat sie auf den Captain zu: »Mein Name ist Patricia Salesbury, und es tut mir außerordentlich leid, dass ich hier offensichtlich für Verwirrung gesorgt habe.«

Er schien tatsächlich verwirrt, als er ihre Hand ergriff, um einen Kuss auf die Finger zu hauchen. »Captain Morgan Ryall«, sagte er mit rauer Stimme. »Zu Ihren Diensten, Miss Salesbury.«

»Ja, das habe ich bereits bemerkt«, erwiderte sie, als sie ihm die Hand entzog. »Sie sind also Captain Ryall.« Den Nachnamen des Seeräubers betonte sie besonders deutlich. »Aber warum so förmlich? Nachdem wir uns schon näher kennengelernt haben, dürfen Sie mich ruhig Patricia nennen.«

Für einen verwegenen Piraten hielt sich dieser Morgan auf einmal sehr an die Etikette. Hatte er nicht vor wenigen Minuten noch die Hände auf ihren Brüsten gehabt? Der Gedanke daran ließ Pat erzittern. Und warum war sie so forsch? Sie war ein Mädchen aus feinem Hause und keine plappernde Küchenmagd, doch dieser Mann verwirrte sie.

Als er keine Anstalten machte, das Gespräch weiterzuführen, nahm sie das Ruder in die Hand. »Sie möchten sicher wissen, was ich auf Ihrem Schiff zu suchen habe, Morgan. Ich darf doch Morgan zu Ihnen sagen, nicht wahr, Captain? Schließlich haben Sie mich zuvor schon geduzt.«

Er nickte nur.

»Wollen Sie meine Geschichte hören?«

Morgan gab ein undefinierbares Brummen von sich. Anscheinend war er viel zu beschäftigt, ihr Profil in sich aufzunehmen. Obwohl sie in unvorteilhaften Kleidern steckte, wirkte sie auf ihn wohl wie die Versuchung selbst. Die Beule in seiner Hose war nicht zu übersehen.

Liebe Güte, sie sollte darüber erschrocken sein! Stattdessen wurde jede Zelle ihres Körpers von dem Piraten angezogen. Sie wollte aber keinen Piraten attraktiv finden!

Patricia hielt sich bei ihrer Erzählung korrekt an die Wahrheit, wobei sie versuchte, nicht auf den Körper des Captains zu starren, der mit verschränkten Armen vor ihr stand. Dadurch kamen seine Brustmuskeln besonders gut zur Geltung.

Als sie ihre Geschichte beendet hatte, blinzelte er sie an.

Pat seufzte. Er war nicht gerade redselig.

»Glauben Sie mir oder halten Sie mich immer noch für den Saboteur, den Ihnen angeblich Ihr Bruder auf den Hals gehetzt haben soll?«

»Ich glaube Ihnen, Patricia. Sie arbeiten nie im Leben für Murray. Der hätte Ihnen längst Ihre lose Zunge rausgeschnitten«, meinte er trocken und starrte sie finster an, wodurch er wieder bedrohlicher wirkte.

Pat schluckte. Sein Bruder gehörte anscheinend auch zu einer Piratenbande. Hervorragend. Wo war sie da nur hineingeraten? Jetzt hatte sie mehr Abenteuer, als ihr lieb waren. Trotzdem wollte sie sich ihre Unsicherheit nicht anmerken lassen. »Und wohin fährt Ihr Schiff?«

»Nach Bombay.«

»Das liegt in Indien!« Was wollte sie denn dort? »Herrschen da nicht gerade Unruhen?«

»Irgendwer kämpft immer gegen uns, Lady. Das hält mich aber nicht davon ab, Geld zu verdienen. Außerdem sollte Krieg das geringere Übel sein, denn auf See drohen andere Gefahren: Unwetter, Wasserknappheit oder Feuer an Bord. Und Piraten. Vor denen müssen wir auf der Hut sein.«

Natürlich, weil er kein Pirat war!

»Viel wichtiger ist die Frage, was ich mit Ihnen anstelle, Miss Salesbury.« Morgan trat einen Schritt auf sie zu und sie spürte erneut seine Körperwärme.

»Was meinen Sie damit?« Ihr Herzschlag flatterte.

Verschmitzt lächelnd erwiderte er: »Sie könnten sich nützlich machen. Uns gewisse Annehmlichkeiten erweisen und sich somit Ihre Überfahrt verdienen.«

Sie riss die Augen auf. »Was? Das ist nicht Ihr Ernst! Wofür halten Sie mich? Für eine Dirne?« Plötzlich klang ihre Stimme eine Oktave höher.

Er hob eine Braue, ohne die Miene zu verziehen. »Sie haben mich falsch verstanden, Lady. Ich dachte an Segel flicken, die Wäsche waschen, meinem Koch helfen …«

Schlagartig schoss ihr Hitze ins Gesicht, was ihm ein Schmunzeln entlockte. Zum ersten Mal fehlten ihr die Worte. Dieser Mann war ein Flegel!

»Da gibt es noch ein ganz anderes Problem. Frauen auf dem Schiff bringen Unglück, so heißt es. Sie werden meine Männer verunsichern. Alle werden Sie schnellstmöglich von Bord haben wollen.«

Jetzt verschränkte sie ebenfalls die Arme vor der Brust und wich so weit vor ihm zurück, bis sie mit den Kniekehlen an sein Bett stieß. »Aber das ist doch ein alter Aberglaube.«

Er schlich näher, bis er so dicht vor ihr stand, dass er mit dem Kinn beinahe ihre Stirn berührte. »Meine Männer werden die nächsten Monate fast ausschließlich auf See verbringen. Eine Frau an Bord wird für sie auf jeden Fall eine unwiderstehliche Versuchung darstellen.« Er grinste sie teuflisch an, seine Zähne blitzten.

»Und was gedenken Sie dagegen zu unternehmen, Captain?« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Sie befand sich in einer ausweglosen Situation. Nun bereute sie es, von Zuhause weggelaufen zu sein.

Eine weitere Böe erfasste das Schiff. Vor Schreck klammerte sie sich an ihn und riss ihn mit sich nach hinten. Prompt landete sie mit ihm im Bett. Mit rauer Stimme erklärte er: »Sie werden in meiner Kabine schlafen. Diese lässt sich als Einzige absperren. Damit sind Sie wenigstens nachts vor Übergriffen geschützt. Tagsüber werde ich ein Auge auf Sie haben. Oder besser zwei.«

Er machte keine Anstalten, von ihr herunterzugehen. Sein schwerer, warmer Körper fühlte sich angenehm an. Außerdem hatte dieser Schurke einen Geruch an sich, den sie am liebsten tief in sich aufgenommen hätte, wenn es ihr möglich gewesen wäre, denn Morgan drückte sämtliche Luft aus ihren Lungen.

»Sie werden sofort den nächsten Hafen ansteuern und mich dort absetzen«, presste sie heraus. Obwohl sie kaum atmen konnte, genoss sie seine Nähe. Der Pirat machte ihr Angst, dennoch zog es sie so stark zu ihm hin, dass sie alle Anstandsregeln vergaß. Aber da sich weder ihre Eltern noch ihre Zofe oder sonst ein Mitglied der feinen englischen Gesellschaft an Bord befanden, war ihr das ziemlich egal.

»Lady … ich habe eine feste Route, die ich einhalten muss. Auch wenn Sie noch so entzückend sind, werde ich für Sie keine Ausnahme machen.« Er grinste, und seine grünen Augen funkelten. Die schulterlangen Haare fielen ihm ins Gesicht und kitzelten ihr Kinn. Wie gerne hätte sie jetzt ihre Hände darin vergraben, um es noch mehr durcheinanderzubringen.

Sie wollte empört sein, tatsächlich war sie dankbar und erleichtert über sein großzügiges Angebot, sie in seiner Kabine schlafen zu lassen. Das war sehr anständig für einen Seeräuber. Sie hatte fast ein schlechtes Gewissen, weil sie ihn aus seinem Reich vertrieb. »Und wo werden Sie nächtigen?«, fragte sie vorsichtig und kämpfte gegen die Versuchung an, ihn auf diese wundervoll geschwungenen Lippen zu küssen, von denen sie einfach nicht die Augen abwenden konnte.

Wieder spürte sie, wie sehr er sie begehrte. Der Beweis drückte sich an ihren Oberschenkel.

»Ich werde natürlich in meinem Bett schlafen«, sagte er. Seinen Körper fest auf ihren gepresst, genoss Morgan mehr als offensichtlich ihre Kurven.

Vehement schubste sie ihn von sich herunter, sodass er seitlich auf die Matratze rollte, und sprang auf. »Sie werden doch nicht ernsthaft glauben, dass ich mit Ihnen zusammen in einem Bett schlafe!«

»Wer hat denn gesagt, Sie schlafen in meinem Bett? Davon war niemals die Rede.« Geschmeidig kam er auf die Beine und stellte sich dicht vor sie.

»Aber Sie sagten gerade …«

»… dass Sie in meiner Kabine schlafen werden.« Er wies auf die gegenüberliegende Ecke im Raum. »Dort werde ich für Sie eine Hängematte aufspannen lassen. Und jetzt entschuldigen Sie mich. Die Pflicht ruft.« Bevor er die Kajüte verließ, schnappte er sich Hemd und Mantel, die über der Lehne eines Stuhls hingen, und drehte sich noch einmal zu ihr um. »Es wäre besser, wenn Sie auch tagsüber in meiner Kabine bleiben. Verriegeln Sie die Tür hinter mir, dann wird Sie niemand belästigen.«

»Niemand außer Ihnen!«, rief sie ihm hinterher, doch da hatte er die Tür schon geschlossen.

Oh, sie kochte! Die nächste Stunde brachte sie damit zu, fluchend durch den kleinen Raum zu tigern. Sie schimpfte über ihre dumme Idee nach Amerika auszuwandern und die Dreistigkeit des Captains. »Morgan Ryall! Pah! Dass ich nicht lache. Morgan Black ist er! Der gefürchtete Piratenkapitän! Aber ich habe keine Angst vor dir, Black. Ich habe bemerkt, wie du auf mich reagierst. Du hast keine Chance gegen mich und meine weiblichen Reize. In ein paar Tagen wirst du mir aus der Hand fressen!«

Sie ging hinüber zu seinem Schreibtisch, um die Seekarte zu studieren, auf der er die angebliche Route nach Indien eingezeichnet hatte. Wahrscheinlich war das alles nur Fassade, falls sein Schiff in einem Hafen kontrolliert wurde. Mit ihrem Finger fuhr sie die feine Linie entlang und murmelte: »Brixham … Santa Cruz … Kapstadt … Victoria … Bombay.«

»Santa Cruz …« Patricia überlegte laut. »Ist das nicht die Hafenstadt auf Tenerife, durch die die Amerika-Handelsroute geht? Da wird mich Morgan absetzen und ich nehme das nächste Schiff nach Boston.«

Ihr Blick fiel auf den Jutesack, der noch immer mitten im Raum lag. »Und jetzt ist es an der Zeit, mit Plan A zu beginnen. Plan A besagt: Nicht mit weiblichen Reizen geizen, wenn Frau ihren Kopf durchsetzen möchte.« Denn sie war sich nicht sicher, ob Morgan wirklich Santa Cruz ansteuerte. Falls nicht, würde sie ihn schon dazu bringen.

 

Kapitel 2 – Seelengefährtin

 

Breitbeinig stand Morgan an Deck und ließ sich die salzige Brise um die Nase wehen. Das Schiff machte volle Fahrt, das Wetter spielte mit und die Ware sowie der Rumpf schienen unbeschädigt. Sein Bruder – oder besser gesagt, sein Halbbruder – hatte es diesmal nicht geschafft, ihm Steine in den Weg zu legen. Murray hatte es ihrem Vater nie verziehen, dass er Morgan, obwohl er von einer Bestie abstammte, mit genauso viel Stolz, Liebe und Zuwendung bedachte wie seinen Erstgeborenen, weshalb in Murray schon seit frühester Kindheit ein abgrundtiefer Hass auf Morgan brannte. Darum hatte es Morgan, der fünf Jahre jünger war als sein Bruder, als Junge nicht leicht gehabt.

In jedem unbeobachteten Moment wurde er von Murray gepiesackt, aber er hatte sich zu wehren gewusst. Als er heranwuchs, hatte eine Veränderung mit ihm stattgefunden. Er war nicht nur zum Mann geworden, sondern auch zu einer Bestie, die immer dann zum Vorschein kam, wenn man ihn reizte oder er erregt war. Und auch in Vollmondnächten konnte er das Biest in sich nur schwer im Zaum halten. Er war wie seine Mutter, zumindest fast, denn er konnte sich nicht ganz in einen Wolf verwandeln.

Murray hatte bald bemerkt, dass er bei Morgan an seine Grenzen stieß, aber nun besaß er subtilere Methoden, um ihm zu schaden: Er versuchte, sein Schiff zu sabotieren oder die Waren zu zerstören. Und das alles wegen Vater! Er hatte versprochen, dem erfolgreicheren Sohn die Reederei zu überlassen.

Morgan hatte keine Ahnung, was für ein Dämon von seinem alten Herrn Besitz ergriffen hatte. Der begründete sein Vorhaben damit, dass sich keiner bevorzugt vorkommen sollte, denn hier würde nur Leistung zählen. Dabei hätte Morgan doch das Unternehmen zusammen mit seinem Bruder weiterführen können. Aber seit dem Tod von Morgans Mutter, hatte sich sein Vater Jeffrey total verändert. Er war in sich gekehrt und verhielt sich oft seltsam. Früher soll er ganz anders gewesen sein, haben die Nachbarn erzählt.

Doch Murray und seine Mannen waren jetzt nicht da. Alles hätte endlich einmal wunderbar sein können, wäre nicht plötzlich Patricia Salesbury in sein Leben geplatzt.

»Diese verwöhnte Ziege, die glaubt, alle tanzen nach ihrer Nase, ist eindeutig Schuld daran, dass ich diesen perfekten Tag nicht genießen kann«, murmelte er in die kühle Brise. »Aber ich werde sie von ihrem hohen Ross schmeißen, diese Madame!«

Spätestens wenn sie sah, was auf diesem Schiff wirklich vor sich ging, würde ihr das Lachen vergehen. Denn nicht nur Morgan stellte eine Gefahr für sie dar, auch der Rest seiner Mannschaft bestand aus Geschöpfen, denen man lieber nicht begegnete, egal zu welcher Tageszeit. Er musste Patricia loswerden!

Leider konnte er nicht vergessen, wie sich seine Hand auf ihrer Brust angefühlt hatte. Nachdem er herausgefunden hatte, dass er sich weiterhin für Frauen interessierte, hatte sich seine anfängliche Erleichterung in ungezügelte Lust verwandelt. Diese Szene ging ihm nicht aus dem Kopf!

Morgan krallte die Finger um die Reling und schloss die Augen. Patricia hatte keine Einwände erhoben, und er streichelte sie weiterhin. Seine Finger rieben durch den Stoff des Hemdes an der harten Brustspitze, während er ihr mit der anderen Hand den lächerlichen Hut vom Kopf zog. Sofort ergoss sich eine Flut pechschwarzer Haare über ihre Schultern, in die er unweigerlich sein Gesicht versenkte. Als er ihren berauschenden, blumigen Duft inhalierte, hatten seine Finger mit den seidigen Locken gespielt.

Er hatte sich beherrschen müssen, diese Frau nicht zu markieren und sie zu seiner Beute zu machen. Er war ein Gentleman und kein Tier, verdammt noch mal! Hoffentlich würden sein Speichel an ihrem Hals und die Tatsache, dass er hier der Anführer war, ausreichen, dass sich ihr niemand sonst näherte.

Der Druck in seinen Lenden stieg bei diesen frischen Erinnerungen an. Seine Sinne schärften sich und die Haut spannte, als seine Muskeln weiter wuchsen. Wenn dieses Mädchen sah, was er wirklich war … Nein, das musste er mit aller Macht verhindern. Er musste sich beherrschen! Angestrengt dachte er an etwas Widerwärtiges, woraufhin er sich leicht entspannte, aber Patricia ging ihm dennoch nicht aus dem Kopf. Diese Frau unterschied sich von allen Ladys, denen er bis jetzt begegnet war. Und das waren in den letzten einunddreißig Jahren einige gewesen. Als Captain kam er schließlich viel herum. Aber noch keine dieser Frauen hatte ihn so in ihren Bann gezogen wie diese verwöhnte Göre. Am meisten machten ihm seine körperlichen Reaktionen Angst, denn in ihrer Nähe hatte er immer den Wunsch, sie zu der Seinen zu machen, seine Fänge in ihren Hals zu schlagen, sodass sich sein Speichel mit ihrem Blut vermengte, und sie zu nehmen.

Nein, diese Göre war unmöglich die Gefährtin, nach der er so lange gesucht hatte! Er wollte kein verzogenes Biest zur Frau. Das Biest war er schon selbst.

Außerdem schaffte sie es, ihn wie einen Hornochsen aussehen zu lassen. Sie bot ihm Paroli, wann immer sie die Gelegenheit dazu bekam, besaß ein freches Mundwerk und schien keine Angst vor ihm zu haben. All ihren Mut würde sie noch brauchen, wenn die nächste Vollmondnacht hereinbrach und seine Männer, einschließlich ihm, ihre wahre Gestalt zeigten. Hoffentlich hörte sie auf ihn und blieb in seiner Kabine.

Verflixt, er hatte ihr an die Brust gefasst. Was sie jetzt von ihm dachte? Auch wenn er manchmal ein Monster war, durfte er sich nicht gehen lassen.

Wie lange hatte er schon keine Frau mehr unter sich gespürt? Es musste Monate her sein, was es umso schwerer machte, ihr zu widerstehen. Vielleicht dachte er auch deshalb, sie wäre die Seine? Doch er durfte sie nicht anfassen. Ihr Ruf wäre unweigerlich zerstört. Das ist er sowieso schon, flüsterte ihm ein Stimmchen in seinem Kopf zu.

Es hatte ihn seine volle Selbstkontrolle gekostet, nicht ihre lächerlichen Hosen herunterzureißen, um seinen Schwanz in sie zu rammen. Verflucht! Warum war ausgerechnet sie das vollkommenste Wesen, das er jemals erblickt hatte, zumindest, was ihr Äußeres anging? Sie weckte das schlafende Tier in ihm, die Bestie, die er schon sein Leben lang zu bändigen versuchte.

Einen Makel hatte die Kleine jedoch: Sie redete zu viel. Außerdem kam ihm ihr hübsches Gesicht von irgendwoher bekannt vor.

Salesbury … Ja natürlich, wie hatte er sie bloß vergessen können? Dieser verhätschelte Blaustrumpf aus reichem Hause musste die Tochter der Familie Salesbury sein. Der Vater war ein vermögender Earl! Die kleine Besserwisserin hatte sich sehr angeregt mit Captain Gardener unterhalten, diesem aufgeblasenen Kapitän, der früher für die Royal Navy gesegelt war und sich allein deshalb als etwas Besseres vorkam. Patricia war ihm sprichwörtlich an den Lippen gehangen, so angestrengt hatte sie seinen Erzählungen gelauscht.

Vor einem Jahr musste Morgan einen dieser lächerlichen Bälle besuchen, weil sich dort ein Geschäftsmann mit ihm treffen wollte. Dabei war ihm sofort die hübsche Frau aufgefallen, um die sich die Männer in Massen gescharrt hatten. Doch sie hatte sie alle abblitzen lassen, weil sie nur Augen für diesen blasierten Dummkopf gehabt hatte.

Morgan hatte sie aus größerer Entfernung gemustert und sie nicht riechen können, da er sich in verdünntem Essig getränkte Baumwollfasern in die Nasenlöcher gesteckt hatte. Menschenmassen und all ihre Gerüche machten es ihm schwer, sich zu beherrschen, und Gardener gehörte zu seinem größten Feind. Wenn er herausfand, wer Morgan war und welche Geschöpfe auf diesem Schiff arbeiteten … nicht auszudenken! Aber Patricia passte bestens zu diesem Stutzer. Aye, dieser verwöhnten Göre würde Morgan nur zu gern eins auswischen, egal, wie sehr er sich zu ihr hingezogen fühlte. Oder gerade deshalb? Warum bloß war sie hier aufgetaucht? Und warum hatte sie ihm verschwiegen, dass sie eine echte Lady war?

Als hätte er sie mit seinen Gedanken herbeigerufen, stand sie plötzlich an Deck, in einem reizenden hellblauen Kleid, das dieselbe Farbe hatte wie ihre Augen. Trotz der zerknitterten Seide raubte ihm der Anblick den Atem. Die schwarzen Locken wehten verführerisch um ihr herzförmiges Gesicht und ihren schlanken Nacken; der Wind presste den dünnen Stoff an ihre Beine und offenbarte, wie lang und wohlgeformt diese waren. Zudem flatterte ihr betörender Duft wie ein lavendelfarbenes Band zu ihm her. Morgan nahm einen tiefen Zug, dann stapfte er zu ihr hinüber.

Zum Glück hatte er seine Leute vorgewarnt, welch hübschen Gast sie an Bord hatten, doch seine Mannschaft schien genauso gebannt auf Lady Patricia zu starren wie er. Seine anfängliche Verzückung wich rasender Wut. Hatte er ihr vorhin nicht ausführlich geschildert, wie gefährlich es für eine Frau war, sich unter einer Meute liebeshungriger Seemänner aufzuhalten?

»Sie benehmen sich wie das begehrteste Häppchen am gesamten Buffet«, zischte er, als er sie am Arm packte, um sie wieder unter Deck zu zerren. Manche seiner Männer gelüstete es nicht nur nach ihrem Körper, sondern vor allem nach ihrem Blut. »Was haben Sie sich dabei gedacht?« Nicht viel, wahrscheinlich.

Durch die Kälte an Deck hatten sich Patricias Brustspitzen unter dem dünnen Stoff aufgerichtet. Sie würde sich eine Lungenentzündung holen!

Patricia versuchte sich vergeblich aus seinem festen Griff zu winden. »Es wird mir doch erlaubt sein, frische Luft zu schnappen. Sie können unmöglich von mir erwarten, dass ich mich die nächsten Wochen ausschließlich in Ihrer Kabine aufhalte!«

»Sie haben recht, das kann ich nicht. Aber ich werde dafür sorgen, dass Sie sich an Bord der Mariah entsprechend kleiden.«

»Mariah!?« Sie hob die Brauen und sah ihn überrascht an – einen Moment später stand sie wieder in seiner Kabine. Vorsichtshalber verriegelte er sie, damit sein widerspenstiger Gast nicht entwischen konnte.

»So, und was gedenken Sie jetzt zu unternehmen?« Trotzig stemmte sie die Hände in die Hüften.

»Ausziehen«, befahl er.

»Was?« Sie tat so, als hätte sie sich verhört.

Mit vor der Brust verschränkten Armen baute er sich vor ihr auf und musterte sie eindringlich. »Sie haben mich schon verstanden. Sie werden wieder in die Hosen steigen.«

»Aber das geht nicht!« Erneut wich sie vor ihm zurück.

Sein zorniges Gesicht spiegelte sich in ihren Pupillen, aber noch sahen seine Augen normal aus. Das würde nicht mehr lange der Fall sein, wenn Patricia ihn weiterhin reizte!

»Warum sind Sie bloß so wütend auf mich, Morgan? Liegt das an dem Piratenanteil in Ihrem Blut?«

Piratenanteil? »Jetzt lenken Sie nicht vom Thema ab, Miss Salesbury.« Dieses Weib machte ihn rasend. Zuhause mochte sie ja tun und lassen, was sie wollte, aber hier war er der Führer!

»Aber ich kann mich nicht ausziehen.«

Er machte einen Schritt auf sie zu. »Natürlich nicht, dafür haben Sie ja Ihre Zofen, nicht war, Mylady? Aber ich zeige Ihnen, wie einfach das geht.« Schon wollte er sich an den Knöpfen ihres Kleides zu schaffen machen, doch sie schubste ihn energisch von sich.

Mit aufgerissenen Augen blickte sie ihn an. »Aber Sie verstehen nicht. Ich habe die Sachen aus dem Fenster geworfen!«

Morgan erstarrte. »Was?«

»Ich sagte«, wiederholte sie laut und deutlich, als würde sie mit einem Kleinkind sprechen, »ich habe die Sachen aus dem Fenster geworfen.«

»Verdammt!« Seine Hand sauste auf den massiven Holztisch, und obwohl der fest mit dem Boden verschraubt war, hüpften die nautischen Instrumente ein Stück nach oben. Patricia machte ihn wütend. Sie machte ihn sogar extrem wütend und hitzköpfig. Frauen gegenüber zeigte er sich sonst immer von seiner besten Seite, nur bei Patricia wollte ihm das nicht gelingen. Sie hatte ihn verhext. Diese kleine Sirene musste einen Fluch über ihn gelegt haben, denn anders konnte er sich sein Verhalten nicht erklären. Er war nicht mehr er selbst, und er verlor sonst nie die Kontrolle über sich! Schon früh hatte er lernen müssen, sich zu beherrschen, damit ihm nicht der Prozess gemacht wurde. Zwar waren Werwolfverfolgungen aus der Mode gekommen und die Zeiten für Morgan und seine Artgenossen nicht mehr ganz so hart, aber es bestand dennoch das Risiko, hingerichtet zu werden oder in einer Kuriositäten-Show zu landen. Deshalb kam es ihm gelegen, das Meer zu bereisen, dort war er die meiste Zeit unter sich und seinesgleichen.

»Na ja, jetzt, wo alle wissen, dass ich eine Frau bin, brauche ich keine Hosen mehr zu tragen.« Patricia schenkte ihm ein unsicheres Lächeln. »Obwohl so eine Hose durchaus ihre Vorzüge hat, vor allem gegen den kalten Wind an Deck.«

Morgan ballte die Hände zu Fäusten. Wenn sie keine Frau wäre, würde er ihr einen Kinnhaken verpassen, damit sie wieder zu Verstand kam. Er stemmte die Hände in die Hüften, wo er sie besser unter Kontrolle hatte.

»Gesetz Nummer eins«, sagte er eisig. »In Zukunft werden keine Sachen mehr über Bord geworfen, es sei denn, ich ordne das ausdrücklich an!«