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Die Sozialversicherung

von Horst Marburger
Oberverwaltungsrat (AT) a. D.

18., vollständig überarbeitete Auflage, 2018

Inhalt

Abkürzungen

Das Wichtigste in Kürze

I.Die Sozialversicherung als Teil der sozialen Sicherheit

II.Gemeinsame Vorschriften

1.Voraussetzung der Versicherungspflicht

1.1Beschäftigungsverhältnis

1.2Beschäftigung Deutscher im Ausland (Ausstrahlung)

1.3Ausländische Arbeitnehmer (Einstrahlung)

2.Beginn und Ende des Beschäftigungsverhältnisses

3.Das beitragspflichtige Entgelt

3.1Allgemeines

3.2Berechnung der Beiträge

3.3Sachbezüge

3.4Gehalts- und Lohnnachzahlungen

3.5Urlaubsabgeltungen

4.Beitragszahlung bei Arbeitsunfähigkeit und der Gewährung von Pflegeunterstützungsgeld

5.Beitragspflicht bei mehreren Beschäftigungsverhältnissen

5.1Krankenversicherung

5.2Arbeitsförderung

5.3Rentenversicherung

6.Geringfügige Beschäftigungen und geringfügige Tätigkeiten

7.Unständig beschäftigte Arbeitnehmer

8.Sozialversicherungspflicht berufstätiger Rentner

8.1Krankenversicherung

8.2Rentenversicherung

8.3Arbeitsförderung

9.Studenten und Praktikanten

10.Mitarbeitende Familienangehörige

10.1Beschäftigungsverhältnis

10.2Ehegatten

10.3Kinder

10.4Sonstige Verwandte

11.Nachträglicher Abzug von Beiträgen zur Sozialversicherung

12.Nacherhebung von Beiträgen auf Grund von Betriebsprüfungen

13.Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge

14.Entstehen und Fälligkeit der Beiträge

15.Verjährung von Sozialversicherungsbeiträgen

16.Erhebung von Säumniszuschlägen für rückständige Sozialversicherungsbeiträge

16.1Erlass von Säumniszuschlägen

17.Jahresarbeitsentgeltgrenze

17.1Schwankende Entgelte

17.2Vereinbarung von Nettolohn

18.Beitragsberechnung

18.1Bemessungsgrundlage

18.2Berechnung der Beiträge

18.3Höhe der Beiträge

18.4Verteilung der Beitragslast

18.5Beitragsfreiheit

19.Die Meldepflichten

20.Wahlfreiheit

21.Freiwillige Versicherung

21.1In der Krankenversicherung

21.2In der Pflegeversicherung

21.3In der Rentenversicherung

III.Die einzelnen Versicherungszweige

1.Die Krankenversicherung

1.1Krankenversicherungspflichtiger Personenkreis (§ 5 SGB V)

1.2Freiwillige Versicherung

1.3Ausnahmen von der Versicherungspflicht

1.4Arbeitskampf, bestimmte Entgeltersatzleistungen, Schwangerschaft

1.5Empfänger von Kurzarbeitergeld

1.6Ende der Mitgliedschaft (§§ 190, 191 SGB V)

1.7Beitragszuschuss für freiwillig oder privat krankenversicherte Rentner

2.Die Pflegeversicherung

2.1Versicherungspflichtiger Personenkreis in der Pflegeversicherung (§§ 20 bis 24 SGB XI)

2.2Freiwillige Versicherung

2.3Ausnahmen von der Versicherungspflicht (§ 22 SGB XI)

2.4Zuständigkeit, Mitgliedschaft

2.5Beitragszuschüsse

2.6Meldevorschriften (§§ 50, 51 SGB XI)

3.Die Rentenversicherung

3.1Versicherungspflichtiger Personenkreis (§§ 1–4 SGB VI)

3.2Ausnahmen von der Versicherungspflicht

3.3Beitragsentrichtung von freiwillig Versicherten und Pflichtversicherten auf Antrag zur gesetzlichen Rentenversicherung

3.4Nachentrichtung von Beiträgen

3.5Beitragserstattung

4.Die Arbeitsförderung

4.1Versicherungspflicht

4.2Versicherungsfreiheit (§§ 27 und 28 SGB III)

4.3Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag (§ 28a SGB III)

4.4Beiträge zur Arbeitsförderung (§ 341 Abs. 2 SGB III)

4.5Geringverdiener (§ 346 Abs. 2 SGB III)

4.6Beginn und Ende der Versicherungspflicht (§ 24 SGB III)

5.Die Unfallversicherung

5.1Versicherungspflicht

5.2Ausnahmen von der Versicherungspflicht (§ 4 SGB VII)

5.3Durchführung der Unfallversicherung

5.4Beitragserhebung (§ 150 ff. SGB VII)

IV.Die Leistungen

1.Krankenversicherung

1.1Leistungen der primären Prävention und Gesundheitsförderung (§ 20 SGB V)

1.2Maßnahmen zur Verhütung von Krankheiten (§§ 21 bis 24 SGB V)

1.3Gesundheitsuntersuchungen und Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten (§§ 25, 25a und 26 SGB V)

1.4Leistungen zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52a SGB V)

1.5Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§§ 24c bis 24i SGB V)

1.6Leistungen bei Empfängnisverhütung und bei nicht rechtswidrigem Schwangerschaftsabbruch (§§ 24a, 24b SGB V)

1.7Familienversicherung (§ 10 SGB V)

2.Pflegeversicherung

2.1Leistungsarten (§ 28 SGB XI)

2.2Leistungsvoraussetzungen (§ 33 SGB XI)

2.3Pflegebedürftigkeit (§ 14 SGB XI)

2.4Pflegegrade (§ 15 SGB XI)

2.5Familienversicherung (§ 25 SGB XI)

2.6Pflegesachleistung (§ 36 SGB XI)

2.7Pflegegeld (§ 37 SGB XI)

2.8Zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen

2.9Urlaubspflege (§ 39 SGB XI)

2.10Stationäre Pflege (§§ 41–43b SGB XI)

2.11Pflegehilfsmittel und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen

2.12Leistungen für Pflegepersonen (§§ 44, 44a, 45 SGB XI)

3.Unfallversicherung

4.Rentenversicherung

5.Arbeitsförderung

Sachregister

Abkürzungen

AAG Aufwendungsausgleichsgesetz
Abs. Absatz
AFG Arbeitsförderungsgesetz
AföRG Ausbildungsförderungsreformgesetz
AGB Arbeitsgesetzbuch der (früheren) DDR
ALG Alterssicherung der Landwirte
AOK Allgemeine Ortskrankenkasse
ArEV Arbeitsentgeltverordnung
ArVNG Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz
AV Angestelltenversicherung
AVG Angestelltenversicherungsgesetz
BA Bundesagentur für Arbeit
BAföG Bundesausbildungsförderungsgesetz
BB Betriebs-Berater
BBiG Berufsbildungsgesetz
BEA Bescheinigungen Elektronisch Annehmen
BfA Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
BFH Bundesfinanzhof
BGBl Bundesgesetzblatt
BMF Bundesminister der Finanzen
BSG Bundessozialgericht
BStBl Bundessteuerblatt
BVerfG Bundesverfassungsgericht
BVG Bundesversorgungsgesetz
DB Der Betrieb
DEÜV Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung
DOK Die Ortskrankenkasse
DRVB Deutsche Rentenversicherung Bund
DVO Durchführungsverordnung
eAkte Elektronische Akte
EFZG Entgeltfortzahlungsgesetz
EStG Einkommensteuergesetz
FAG Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz
GG Grundgesetz
GKV-FQWG Gesetzliche Krankenversicherung-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz
GRG Gesundheits-Reformgesetz
GSG Gesundheits-Strukturgesetz
i. S. im Sinne
JAE Jahresarbeitsentgelt
KG Kommanditgesellschaft
KK Krankenkasse
KSVG Künstlersozialversicherungsgesetz
KV Krankenversicherung
KVÄndG Krankenversicherungsänderungsgesetz
KVLG Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte
KVLG 1989 Zweites Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte
LAG Lastenausgleichsgesetz
LSG Landessozialgericht
LStR Lohnsteuer-Richtlinien
LVA Landesversicherungsanstalt
MuSchG Mutterschutzgesetz
PflegeVG Pflegeversicherungsgesetz
RAG Rentenanpassungsgesetz
RdW Recht der Wirtschaft
RehaG Rehabilitations-Ausgleichsgesetz
RGBl Reichsgesetzblatt
RVA Reichsversicherungsamt
RVÄndG Rentenversicherungs-Änderungsgesetz 1965
3. RVÄndG 3. Rentenversicherungs-Änderungsgesetz
RV-BZV Rentenversicherungs-Beitragszahlungsverordnung
RVO Reichsversicherungsordnung
SachBezV Sachbezugsverordnung
SG Sozialgericht
SGB Sozialgesetzbuch (I–XII)
SV Sozialversicherung
SvEV Sozialversicherungsentgeltverordnung
SVG Soldatenversorgungsgesetz
USK Urteilssammlung für die soziale Krankenversicherung
VAG Versicherungsaufsichtsgesetz
VO Verordnung
WzS Wege zur Sozialversicherung
ZPO Zivilprozessordnung
ZSS Zentrale Speicherstelle

Das Wichtigste in Kürze

Alle Arbeitnehmer, die eine Beschäftigung gegen Entgelt ausüben, sind regelmäßig sozialversicherungspflichtig.

Die Sozialversicherungsbeiträge sind nach der Höhe der Arbeitsentgelte gestaffelt. Entgelte sind alle Vergütungen, die aus einer Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.

Geringfügige Beschäftigungen sind nicht sozialversicherungspflichtig. Für geringfügig entlohnte Beschäftigte haben die Arbeitgeber aber Pauschalbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung zu zahlen.

Die Pflegeversicherung folgt grundsätzlich der Krankenversicherung. Wer krankenversichert ist, ist damit automatisch auch pflegeversichert.

Rentner können rentenunschädlich arbeiten. Dies gilt für Bezieher von Regelaltersrente unbeschränkt, im Übrigen, z. B. bei Altersrente für langjährig Versicherte oder sonstigen vorzeitigen Renten, nur in begrenztem Umfang.

Familienangehörige sind sozialversicherungspflichtig, wenn ein echtes entgeltliches Beschäftigungsverhältnis vorliegt.

In der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung sind geringfügig entlohnte Beschäftigte (450-Euro-Kräfte) versicherungsfrei. In der Rentenversicherung gibt es die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht.

Kurzzeitig Beschäftigte (nicht mehr als drei Monate oder 70 Arbeitstage) im Kalenderjahr) sind versicherungsfrei in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.

Die Sozialversicherungsbeiträge müssen regelmäßig einbehalten und fristgemäß an die Einzugsstelle abgeführt werden. Nachträglich darf der Arbeitgeber Beiträge nur bei den nächsten drei Lohn- oder Gehaltszahlungen einbehalten. Zu Unrecht entrichtete Beiträge werden erstattet. Die Satzung der Einzugsstelle regelt die Fälligkeit der Beiträge. Der Beitragsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind.

Die Pflichtbeiträge werden in der Regel vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte getragen. In der Krankenversicherung werden von den Krankenkassen erhobene Zusatzbeiträge von den Versicherten allein getragen. Kinderlose Versicherte haben außerdem in der Pflegeversicherung einen Beitragszuschlag zu entrichten. In der Unfallversicherung sind die Beiträge vom Arbeitgeber aufzubringen.

Arbeitnehmer sind nur kranken- und pflegeversicherungspflichtig, wenn ihre Jahresbezüge die Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht übersteigen. Die Jahresarbeitsentgeltgrenze wird jährlich bekanntgegeben. Besonderheiten gibt es für sogenannte Bestandsfälle. Für Personen, die am 31.12.2002 wegen Überschreitens der an diesem Tag geltenden Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in einer substitutiven privaten Krankenversicherung versichert waren, gilt nämlich eine gesonderte Jahresarbeitsentgeltgrenze. Außerdem muss das Entgelt in allen Fällen die Grenze des nächsten Jahres überschreiten. In der Renten- und Arbeitslosenversicherung sind alle Arbeitnehmer – ohne Rücksicht auf die Höhe des Arbeitseinkommens – versicherungspflichtig. Die Höhe der Beiträge ist jedoch durch die Beitragsbemessungsgrenze nach oben begrenzt.

I.Die Sozialversicherung als Teil der sozialen Sicherheit

Die Sozialversicherung ist ein Teil unserer sozialen Sicherheit. Ihr angehören zu dürfen ist eines der sozialen Rechte, die das SGB I in seinem § 2 anspricht. Es heißt dort weiter, dass aus den sozialen Rechten Ansprüche nur insoweit geltend gemacht oder hergeleitet werden können, als deren Voraussetzungen und Inhalt durch die Vorschriften der besonderen Teile des SGB im Einzelnen bestimmt sind. Die besonderen Teile des SGB werden immer weniger, da in das SGB ständig weitere Bereiche des Sozialrechts übernommen werden, zuletzt mit Wirkung ab 1.1.1998 das Recht der Arbeitsförderung. Die sog. traditionellen Sozialversicherungsbereiche sind alle im SGB geregelt. Außerhalb des SGB befinden sich beispielsweise die Vorschriften über die Kranken- und Rentenversicherung der Landwirte. Maßgebend sind hier das Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte bzw. das Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte. Beide Gesetze sind besondere Teile des SGB (Art. II, § 1 Nr. 8 und 9 SGB I).

In der RVO werden nur noch Teile der Krankenversicherung (Zweites Buch) geregelt. Die gesetzliche Unfallversicherung und damit auch die landwirtschaftliche Unfallversicherung ist seit 1.1.1997 im SGB VII geregelt.

Die in der RVO verbliebenen Teile der krankenversicherungsrechtlichen Bestimmungen beschäftigen sich in erster Linie mit dem Dienstrecht der Krankenkassen und ihrer Verbände. Die meisten Bestimmungen über die gesetzliche Krankenversicherung befinden sich aber im SGB V, das am 1.1.1989 in Kraft getreten ist und durch das GRG geschaffen wurde.

Eng an der Krankenversicherung orientiert sich die Pflegeversicherung, die im beitragsrechtlichen Teil am 1.1.1995, bezüglich des Leistungsrechts am 1.4.1995 in Kraft getreten ist. Die Vorschriften über die Pflegeversicherung sind im SGB XI geregelt. Das SGB XI ist zwischenzeitlich mehrfach geändert worden.

Mit Wirkung ab 1.1.1998 ist das AFG, das bis dahin die Arbeitsförderung (Arbeitslosenversicherung) regelte, durch das SGB III ersetzt worden. Übergangsweise galten noch einige Vorschriften des AFG weiter, z.B. die über das Konkursausfallgeld, die mit Wirkung seit 1.1.1999 durch Bestimmungen des SGB III (insbesondere über das Insolvenzgeld) ersetzt worden sind.

Von den bisher geschaffenen Teilen des SGB wurden bereits die Teile I, III, IV, V, VI, VII und XI erwähnt. Außerdem existieren das SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende), das SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe), das SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) sowie das SGB X und das SGB XII (Sozialhilfe). Im SGB X werden das Verwaltungsverfahren, der Schutz der Sozialdaten, die Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten geregelt.

In § 4 SGB I wird das oben bereits erwähnte Recht des Zuganges zur Sozialversicherung näher erläutert. Die Leistungen aus den einzelnen Versicherungszweigen sowie die zuständigen Leistungsträger werden in den §§ 21–23 SGB I sowie in § 19 SGB I (Arbeitsförderung) näher aufgeführt. Diese Vorschriften regeln aber keine Einzelheiten über die Leistungsgewährung. Dies ist den Leistungsgesetzen vorbehalten. Zu den Hauptleistungsgesetzen (SGB III, SGB V, SGB VI, SGB VII, SGB XI) treten noch die oben bereits erwähnten Gesetze hinzu, die die landwirtschaftliche Kranken- und Rentenversicherung regeln. Seit dem 1.7.2001 gilt das Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch (SGB IX), das die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen zum Gegenstand hat. Es ist zum 1.1.2018 neu gefasst worden.

Die Pflegeversicherung wird von den Krankenkassen durchgeführt, die in diesem Zusammenhang die Bezeichnung „Pflegekassen“ tragen (§ 21a Abs. 2 SGB I).

Zur Durchführung der allgemeinen Unfallversicherung sind die gewerblichen Berufsgenossenschaften, die Gemeindeunfallversicherungsverbände, die Feuerwehr-Unfallkassen, die Eisenbahn-Unfallkasse, die Unfallkasse Post und Telekom, die Unfallkassen der Länder und Gemeinden, die gemeinsamen Unfallkassen für den Landes- und kommunalen Bereich und die Ausführungsbehörden des Bundes zuständig (§ 22 Abs. 2 SGB I).

In der allgemeinen Rentenversicherung sind die Regionalträger, die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zuständig. Dies sind in der knappschaftlichen Rentenversicherung ebenfalls die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See sowie in der Alterssicherung der Landwirte die landwirtschaftlichen Alterskassen (§ 23 Abs. 2 SGB I).

Die Leistungen der Arbeitsförderung werden durch die Agenturen für Arbeit und die sonstigen Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit erbracht (§ 19 Abs. 2 SGB I).

Das SGB I sieht in seinem § 29 besondere Leistungen zur Rehabilitation und zur Teilhabe behinderter Menschen vor. Diese Leistungen sind in das SGB IX und in die einzelnen Leistungsgesetze aufgenommen worden. Die bisher aufgeführten Sozialleistungsträger sind (mit Ausnahme der Pflegekassen) Träger dieser Leistungen. Außerdem sind hierfür die Integrationsämter zuständig.

Die Träger der Kranken-, Pflege-, Renten- und Unfallversicherung sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung(§ 29 Abs. 1 SGB IV). Die Selbstverwaltungsorgane sind (Ausnahme: Kranken- und Pflegeversicherung) in der Regel die Vertreterversammlung und der Vorstand (vgl. § 31 SGB IV). Die Vertreterversammlung kann als Legislativorgan bezeichnet werden. Sie beschließt gem. § 33 Abs. 1 SGB IV die Satzung und sonstiges autonomes Recht des Versicherungsträgers sowie in den übrigen durch Gesetz oder sonstigem für den Versicherungsträger maßgebenden Recht vorgesehenen Fällen.

Der Vorstand ist das Exekutivorgan des Versicherungsträgers. Er verwaltet diesen und vertritt ihn gerichtlich und außergerichtlich, soweit Gesetz oder sonstiges für den Versicherungsträger maßgebendes Recht nichts Abweichendes bestimmen (§ 35 SGB IV). Der Vorstand erlässt Richtlinien für die Führung der Verwaltungsgeschäfte, soweit diese dem Geschäftsführer obliegen. Der Geschäftsführer wiederum führt gem. § 36 Abs. 1 SGB IV hauptamtlich die laufenden Verwaltungsgeschäfte, soweit Gesetz oder sonstiges für den Versicherungsträger maßgebendes Recht nichts Abweichendes bestimmen. Insoweit vertritt er den Versicherungsträger gerichtlich und außergerichtlich.

Seit 1.1.1996 gelten die vorstehenden Ausführungen für die Krankenversicherung nicht mehr. Nach § 31 Abs. 3a SGB IV ist dort der Verwaltungsrat das einzige Selbstverwaltungsorgan der Krankenkassen. Wie die Vertreterversammlung bei den anderen Sozialversicherungsträgern ist der Verwaltungsrat das Legislativorgan, dessen Vertreter bei der alle sechs Jahre stattfindenden Sozialwahl gewählt werden.

Den ehrenamtlichen Vorstand gibt es bei den Krankenkassen nicht mehr. An die Stelle des bisherigen Geschäftsführers und seines Stellvertreters ist der hauptamtliche Vorstand getreten (§ 35a SGB IV). Die Amtszeit des Vorstandes beträgt sechs Jahre. Wiederwahl ist möglich. Der Vorstand besteht bei Krankenkassen mit bis zu 500000 Mitgliedern aus höchstens zwei Personen, bei mehr als 500000 Mitgliedern aus höchstens drei Personen.

Der Vorstand sowie aus seiner Mitte der Vorstandsvorsitzende und dessen Stellvertreter werden von dem Verwaltungsrat gewählt. Sonderregelungen gelten bei Betriebskrankenkassen.

Die Vertreterversammlung und der Verwaltungsrat werden durch die Versicherten und die betroffenen Arbeitgeber alle sechs Jahre neu gewählt (§§ 33 Abs. 3, 46 Abs. 1, 58 Abs. 2 SGB IV). Die nächste Wahl zu den Vertreterversammlungen bzw. Verwaltungsräten der Sozialversicherungsträger findet 2023 statt.

Bei der Sozialwahl handelt es sich im Wesentlichen um eine Briefwahl (vgl. § 54 Abs. 1 SGB IV). Die Vertreterversammlung wählt aus ihrer Mitte den Vorstand (§ 52 SGB IV).

Beide Selbstverwaltungsorgane sowie der Verwaltungsrat der gesetzlichen Krankenkassen sind in der Regel zur Hälfte aus Vertretern der Versicherten und der Arbeitgeber zusammengesetzt (vgl. § 44 SGB IV). Ausnahmen gibt es insbesondere bei den Ersatzkassen. Dort besteht der Verwaltungsrat nur aus Vertretern der Versicherten. Bei den Betriebskrankenkassen gehört dem Verwaltungsrat außer den Vertretern der Versicherten der Arbeitgeber oder sein Vertreter an. Er hat die gleiche Zahl der Stimmen wie die Vertreter der Versicherten. Bei einer Abstimmung kann er jedoch nicht mehr Stimmen abgeben, als den anwesenden Vertretern der Versicherten zustehen.

Die Zusammensetzung des Verwaltungsrates bei den Krankenkassen kann von dem jeweiligen Bundesverband der Krankenkassen innerhalb seiner Kassenart in seiner Satzung mit einer Mehrheit von mehr als drei Vierteln der stimmberechtigten Mitglieder geändert werden (§ 44 Abs. 4 SGB IV). Bei den Mitgliedern handelt es sich um die Landesverbände der Krankenkassen bzw. um die Landes-Krankenkassen. Dadurch soll erreicht werden, dass beispielsweise bei den Ersatzkassen auch die Arbeitgeber an der Selbstverwaltung beteiligt werden können. Der Verwaltungsrat muss allerdings mindestens zur Hälfte aus Vertretern der Versicherten bestehen.

Es wurde bereits erwähnt, dass die Vertreterversammlung die Satzung beschließt. Bei den Krankenkassen ist hierfür der Verwaltungsrat zuständig. Bei der Satzung handelt es sich um eine Art „Hausgesetz“ der Versicherungsträger. Hier wird über Sonderleistungen (Mehrleistungen) bestimmt, in der Krankenversicherung u. a. auch über die Beitragshöhe (Zusatzbeiträge).

Auch die Bundesagentur für Arbeit ist eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 367 SGB III). Sie hat ihren Sitz in Nürnberg. Die Bundesagentur gliedert sich in die Zentrale, die Regionaldirektionen auf der mittleren Verwaltungsebene und die Agenturen für Arbeit. Die Organe der Bundesagentur sind der Verwaltungsrat und die Verwaltungsausschüsse der Agenturen für Arbeit (§ 371 SGB III). Die Organe der Bundesagentur setzen sich nach § 371 Abs. 5 SGB III zu je einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und der öffentlichen Körperschaften zusammen. Die Amtsdauer der Organmitglieder dauert gem. § 375 Abs. 1 SGB III sechs Jahre. Es gibt hier keine öffentliche Wahl wie bei der Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung. Vielmehr werden die Organmitglieder von näher bestimmten Stellen berufen (§ 377 SGB III).

Die Krankenversicherungsträger ziehen den Gesamtsozialversicherungsbeitrag ein. Dieser umfasst den Beitrag zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie zur Arbeitsförderung. Rechtsgrundlagen sind die §§ 28a bis 28r SGB IV. Die Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie zur Arbeitsförderung werden danach zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag zusammengefasst. Dies gilt auch dann, wenn nicht zu allen Bereichen Versicherungs- bzw. Beitragspflicht besteht. Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist die Krankenkasse, von der die Krankenversicherung durchgeführt wird. Dies kann auch eine Ersatzkasse sein. Für Beschäftigte, die bei keiner Krankenkasse versichert sind, werden Beiträge zur Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung an die Einzugsstelle gezahlt, die im Fall einer Krankenversicherung kraft Gesetzes zuständig wäre. Seit dem 1.4.2003 ist für den Einzug der Beiträge für geringfügig Beschäftigte sowie für alle damit zusammenhängenden Aufgaben, wie z. B. die Entgegennahme von Meldungen nicht mehr die jeweils maßgebende Krankenkasse, sondern die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zuständig.

Arbeitgeber, die den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an mehrere Orts- oder Innungskrankenkassen oder Betriebskrankenkassen zu zahlen haben, können beantragen, dass die Beiträge nur an die eine Krankenkasse zu zahlen sind (vgl. dazu unter 18.2).

Die wichtigsten Aufgaben der Krankenkassen als Einzugsstellen sind:

Entscheidung über Versicherungspflicht, Beitragspflicht und Beitragshöhe,

Einziehung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages,

Festsetzung von Säumniszuschlägen,

Stundung, Niederschlagung und Einstellung des Einziehungsverfahrens,

Beitreibung der Rückstände,

Beitragserstattungen, soweit Zuständigkeit besteht,

Erlass der notwendigen Verwaltungsakte und der Widerspruchsbescheide,

Vertretung bei Beitragsstreitigkeiten vor der Widerspruchstelle der Krankenkasse und den Gerichten,

Abführung und Abrechnung der Rentenversicherungsbeiträge und der Beiträge zur Arbeitsförderung sowie der Säumniszuschläge.

Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See hat entsprechende Aufgaben, soweit es um die Pauschalbeiträge für geringfügig Beschäftigte geht.

Bestehen zwischen den Einzugsstellen und anderen am Gesamtsozialversicherungsbeitrag beteiligten Trägern unterschiedliche Meinungen hinsichtlich des gleichen Sachverhalts, wirken die Versicherungsträger in der Praxis darauf hin, dass gegenüber dem Arbeitgeber eine abgestimmte Entscheidung ergeht. Solche Zweifelsfragen werden in der Regel durch gemeinsame Besprechungen der Spitzenverbände geklärt. In strittigen Fällen sind die Aufsichtsbehörden zu unterrichten.

Für die Überwachung der Beitragsentrichtung, also für die Durchführung von Betriebsprüfungen (hier werden auch das Meldewesen und die Erstattung von Beitragsnachweisungen durch die Arbeitgeber geprüft), sind die Krankenkassen nicht mehr zuständig. Der Gesetzgeber war der Auffassung, dass die seit 1.1.1996 geltende Wahlfreiheit der Versicherten, die in Kapitel 20 behandelt wird und der damit zusammenhängende verschärfte Wettbewerb zwischen den Krankenkassen eine ordnungsgemäße Prüfung nicht mehr zulässt. Deshalb wird seit 1.1.1996 bestimmt, dass die Zuständigkeit für die Betriebsprüfungen schrittweise auf die Rentenversicherungsträger überging. Seit 1.1.1999 sind die Rentenversicherungsträger, alleine für die Durchführung der Betriebsprüfungen zuständig. Einzelheiten regelt hierzu das gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 12.1.20001.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung können die Rentenversicherungsträger Bescheide der Krankenkassen (Einzugsstellen) aufheben2.

Ursprünglich erstreckte sich die Betriebsprüfung auf die Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Inzwischen ist auch das Recht der Künstlersozialversicherung dazugekommen. Seit 1.1.2010 prüfen die Rentenversicherungsträger ferner den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung.

Da es zwischen den einzelnen Versicherungszweigen erhebliche Unterschiede hinsichtlich Versicherungsfreiheit, Versicherungspflicht, Beitragspflicht, Beitragshöhe usw. gibt, wurden in Zusammenhang mit dem Meldewesen Beitragsgruppenschlüssel gebildet. In diese sind die Versicherten einzustufen.

Bei der Behandlung des gesamten Stoffes ist berücksichtigt worden, dass dem Leser weitere Broschüren der RdW-Schriftenreihe zum Thema Sozialrecht zur Verfügung stehen. Es sind dies Band 155: Meldepflichten des Arbeitgebers, Band 163: Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Band 171: Das Urlaubsrecht, Band 178: Aushilfskräfte, Band 191: Das Ehegatten-Arbeitsverhältnis, Band 214: Die Pflegeversicherung, Band 218: Die Unfall