Rom kämpft um den Rhein
Teil I
Caesars Kriege gegen Helvetier und Sweben
Siedlung auf dem Münsterberg von Breisach-vorrömisch
ROM KÄMPFT UM DEN RHEIN
TEIL I
CAESARS KRIEGE GEGEN HELVETIER UND SWEBEN
© 2019 Walter Krüger
Umschlaggestaltung, Illustrationen, Fotografien: Walter Krüger
Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN Paperback: |
978-3-7469-9981-4 |
ISBN Hardcover: |
978-3-7469-9982-1 |
ISBN ebook: |
978-3-7469-9983-8 |
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INHALTSVERZEICHNIS
Einleitung
Die Römer wollten Westeuropas erobern
Worum ging es?
Caesar braucht den Krieg
Caesar findet einen Kriegsgrund
Die Lage an der Provinzgrenze
Die Nachbarn der Provinz
Die Provinz Gallia Transalpina nach den Teutonen
Die politische Lage im Umfeld der Tiguriner
Gründe für den Beginn des „Gallischen Krieges“
Wie Caesar seine Kriege vorbereitete
Die Probleme der überlieferten Handlungen
Die Verschwörung des Orgetorix
Der neue Statthalter der Provinz
Was bleibt zurück?
Helvetier und Tiguriner
Wer sind die Helvetier?
Versuch einer geografischen Einordnung Helvetiens
Schlussfolgerung
Caesars Krieg außerhalb der Provinz
Die Suche nach der militärischen Bedrohung
Die Idee des Auszugs bleibt bestehen
Caesar überschreitet die Provinzgrenze
Die Beziehungen der Stämme nördlich der Provinz
Der Einmarsch der Römer in das Land der Haeduer
Der Feldzug gegen Dumnorix
Gab es strategische Überlegungen?
Die Verfolgungsjagd durch das Land der Haeduer
Wo lag das Schlachtfeld bei Bibracte?
Die Entwicklung und der Ablauf der Schlacht
Das Ende des Feldzugs
Der römisch-swebische Krieg 58 v.Chr.
Vorspiel
Ariovist, die Sequaner und Haeduer
Der Krieg der Worte
Die Sequaner
Der Anmarsch
Die Meuterei im Lager bei Besançon
Der Einmarsch in das Land der swebischen Stämme
Das Herrschaftsgebiet des Ariovist
Caesars Überfall und der Kampf im Sundgau
Bevor es zum Kampf kam
Die Schlacht zwischen Ariovist und Caesar
Der Nachklang
Die Kämpfe um den Alpenpass
Was hatte Caesar erreicht?
Bibracte-das Oppidum der Haeduer-Rekonstruktionsversuch eines Tores
Einleitung
Es ist kein Geheimnis, dass in unserer Gegenwart Historiker und Politiker nicht müde werden, die großen zivilisatorischen Leistungen der Römer am Rhein und im Südwesten Deutschlands herauszustellen und zu würdigen. Eine Ausstellung jagt die andere und dicke Bücher überschwemmen den Markt. Dass die Römer grausame Kriege führten, fremde Völker unterwarfen und versklavten, spielt offensichtlich nur eine Nebenrolle. Vernachlässigt wird auch, sich mit denjenigen zu beschäftigen, an denen sich die Römer seit dem Jahr 58 v.Chr. „abgearbeitet“ haben. Insbesondere betrifft das die entlang des Rheins lebenden germanischen und swebischen Stämme. Nicht nur, dass sie heute fast in Vergessenheit geraten sind, werden sie mehr und mehr durch sogenannte Kelten ersetzt. Inzwischen haben wir in der deutschen Geschichtsdarstellung einen Zustand erreicht, der das gesamte Rheinland von der Quelle bis zur Mündung, Süddeutschland und den Alpenraum als keltisches Gebiet ausweist und die Germanen als bösartige Eroberer, Räuber und Eindringlinge abstempelt. Wollen wir unsere Vorfahren tatsächlich so sehen? Die Barbaren im Umgang mit den von ihnen verachteten Ureinwohnern waren die Römer. Es ist unverständlich, warum sich viele deutsche Historiker nicht zu ihren germanischen und swebischen Vorfahren im Rheinland bekennen wollen. Schließlich haben sich alle am Rhein Lebenden bis in das 16. und 17. Jh. hinein als Deutsche bezeichnet, auch Niederländer und Schweizer. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Art der Darstellung unserer Vorgeschichte in den allgemein gültigen Strom der geistigen Umformung unseres Denkens im Sinne der Political Correctness passt.
Die Idee zu dem Buch „Rom kämpft um den Rhein“ entstand nach der Fertigstellung meines Buches „Die Kimbern und Teutonen kamen nicht aus Jütland.“ Bereits in dieser Arbeit rückte der niederrheinische Großraum in den Mittelpunkt meines Interesses. Dort siedelte ich die germanisch sprechenden Stämme, zusammengefasst unter der Bezeichnung Teutonen, an. Deren Kern bildeten die Eburonen und Sugambrer. Caesars Aussage über die Abstammung der Atuatuker von den Kimbern und Teutonen war eine wichtige Anregung. Mein Buch wurde auch mit dem Wissen um die späteren Ereignisse des sogenannten „Gallischen Krieges“ verfasst.
Was geschah nach dem Untergang der Teutonen und Ambronen in der niederrheinischen Region? Und welche Rolle spielten die Tiguriner in der heutigen Schweiz? Diese Fragen wurden zu einer Herausforderung, sich der Thematik nochmals anzunehmen. Sie rief nach erneuter Beschäftigung. Schließlich handelt es sich um die erste und ausführlichste römische Schrift über einen geografischen Raum, aus dem viel später mehrere Nationen entstanden. Aus Mangel an anderen Quellen ist das Buch „De Bello Gallico“ nicht wegzudenken aus den Erklärungsversuchen zur europäischen Vorgeschichte. Caesar selbst hat mehrmals Bezüge zu den Kimbern, Teutonen und Tigurinern in seinem Buch hergestellt. Von zivilisatorischen Leistungen der Römer kann man in der Zeit Caesars noch nicht sprechen. Gemeint werden die römische Art und der römische Weg der gesellschaftlichen Veränderungen in den frühen Stammesgebieten der Kelten, Belger und Germanen. Caesar hat sie unzweifelhaft angestoßen. Mehr noch, er hat einen Grundstock für alle weiteren Entwicklungen gelegt. Römische Zivilisation bedeutete zuerst die Eroberung fremder Gebiete und ihre Beherrschung durch eine gewaltige Militärmaschine. Es galt, Menschen und Reichtümer aus den eroberten Gebieten zu gewinnen. Alles, was die Römer in den neuen Provinzen schufen, diente allein diesem Zweck und weniger oder gar nicht der Verbesserung der Lebenslage der einheimischen Bevölkerung. Städte wurden für die Garnisonen gebaut, landwirtschaftliche Güter für die Versorgung der Soldaten und der römischen und einheimischen, römerfreundlichen Eliten angelegt, Minen für Gold, Silber, Zinn, Kupfer, Blei und Eisen gegraben, Holz für den Bau von Siedlungen, Befestigungsanlagen und militärischen Kampfgeräten geschlagen. Nach jedem gebrochenen Widerstand gegen die römischen Legionen wurden die Unterlegenen als Arbeitssklaven verschleppt oder als Soldaten in die Hilfstruppen eingegliedert. Im Laufe der Zeit fielen bestimmte römische Errungenschaften an einheimische Eliten ab, die dadurch enger an die Besatzungsmacht gebunden wurden. Doch wir wissen von den Archäologen, dass die Masse der ursprünglichen Bevölkerung die römische Lebensweise nicht annahm.
Caesar, der 59 v.Chr. Konsul war, wusste wie alle Senatoren, dass die Einrichtung der Provinz Gallia Transalpina 121 v.Chr. jenseits der Alpen nur ein erster Schritt zur Eroberung weiterer Stammesgebiete war. Hinter dem außenpolitischen Ziel, ganz Westeuropa zu erobern, verbarg sich die Bedeutung der zwei wichtigsten Handelswege, die sich am südlichen Rheinknie kreuzten: Der Rhein als Rückgrat der großen Verkehrsachse von Italien über die Rhone nach Norden und die Donau als Rückgrat des Weges von den keltischen Gebieten an das Schwarze Meer. Beide Flüsse wurden nicht immer direkt am Ufer, häufiger im sicheren Abstand, von Fernwegen begleitet. Dieses Verkehrsnetz war den Römern mehrere Eroberungskriege wert.
Mit dem Rhein als neue Grenze durchschnitt Caesar jahrhundertealte Lebensräume der Germanen und Sweben. So schuf er die Grundlage für anhaltende Konflikte, die als Bewegung gegen die römische Eroberungspolitik zu zwei Großstämmen führte, von den Germanen zu den Franken und von den Sweben zu den Alemannen. Beide Stämme zerstörten die gallo-römischen Provinzen. Die Franken eroberten am Ende diese Gebiete und auch die ihrer alemannischen Nachbarn. So legten sie die Fundamente für das heutige Europa. Viele Konflikte aus Caesars Kriegszügen und deren Folgen hielten fast zweitausend Jahre lang an und führen noch heute im friedlichen Europa auf politischen, kulturellen, sozialen, archäologischen und historischen Feldern zu heftigen, wenn auch geistigen Schlachten.
Bereits der Titel seines Buches müsste Anstoß erregen. Der „Gallische Krieg.“ Anders gesagt: Der Krieg Caesars in Gallien. „Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum…“ so beginnt er sein Buch. Zu keiner Zeit hat es ein Land, ein Volk, eine Landschaft, eine sprachliche, kulturelle oder politische Einheit gegeben, die eine solche Bezeichnung verdient hätte. „Gallien“ ist eine Erfindung Caesars. Sie hat ihn nicht lange überdauert, weil in den Jahren 13 v.Chr. und 16 v.Chr. seine Eroberung in drei kaiserlich-prätori- sche Provinzen Gallia, Belgica und Aquitania eingeteilt wurde. Und dennoch hat sich Caesars Begriff mit dem entsprechenden Inhalt über Jahrhunderte gehalten und für erhebliche Konflikte gesorgt. Die französischen Herrscher beriefen sich auf ihn und kämpften gegen Deutschland um den Rhein als Staatsgrenze.
Gallier am Rhein. Das gab es in Wirklichkeit nicht. Nur in Caesars Vorstel- lung, die anachronistisch ist. Dennoch ist wahr, dass er den Rhein zu einem Grenzfluss der römischen Republik gemacht hat. Nach ihm wurde der Rhein als Galliens Fluss bezeichnet. So wie es Catull formulierte: „... er könne die hohen Alpen überschreiten, die Orte besuchen, die an den großen Caesar erinnern: Galliens Rhein, das grausige Meer und am Rande der Welt die Britannier.“
Der Rhein ist nicht irgendein Fluss. Er war es auch für die Römer nicht. Schließlich zählte er zu den vier berühmtesten Flüssen, die für die Grenzen des riesigen Reiches zeugten. Dazu gehörten im Osten der Nil und der Euphrat, im Westen die Donau und der Rhein. Krinagoras schwärmt:
„… Besungen werde der doppelte Sieg (des Tiberius) im Kriege, es wissen davon Araxas und Rhein, aus denen versklavte Völker trinken. “ (Frg.49R , Anthologia Palatina16, 61)
In Westeuropa ist er der bedeutendste und größte Strom. Er entspringt auf Zweieinhalbtausend Meter Höhe im Gotthard-Massiv in Gestalt zweier Flüsse, des Vorder- und Hinterrheins, die sich sehr bald zum Alpenrhein verbinden. Nach amtlicher Angabe wird als Quelle der Abfluss aus dem Tomasee im Kanton Graubünden genannt. Die Länge des Rheins wird mit 1320 km bis zur Mündung in die Nordsee angegeben. Dieser Fluss ist die Hauptschlagader eines riesigen Einzugsgebietes, gespeist aus vielen Neben- flüssen, die sowohl von links, als auch von rechts einmünden. Die Natur hat ihn nicht als Grenzfluss geschaffen. Menschen, denen sein Wasser als Lebenselixier diente, hatten sich vor Tausenden von Jahren auf beiden Sei- ten des Flusses angesiedelt. Und sie gehörten alle großen Völkern an, die sich auf eine gemeinsame Abstammung beriefen. Seit der Antike, der wir in diesem Buch begegnen, leben im Einzugsgebiet des Rheins Menschen, die eine gemeinsame Sprache sprechen, wenn auch in verschiedenen Dialekten. Heute sagen wir, es wohnen dort Menschen mit deutscher Zunge. Daran hat auch nichts geändert, dass in diesem Gebiet über Jahrhunderte die größten aller menschlichen Schwächen, die Kriege um Territorien und Macht, auf vielfältige Art und Weise ihre Narben hinterlassen haben. Trotz der Grenze Frankreichs, eines romanischen Staates, sprechen die Bewohner des Elsass ihren alemannischen Dialekt auch weiterhin. Nach zweitausend Jahren leben die Dialekte Nieder-, Mittel-, Mosel- und Rheinfränkisch bis zur Mur und darunter das Alemannische bis heute fort.
Der Rhein war immer eine Lebensader und kein Grenzfluss. Die Grenzen, die ihm heute, wenn auch unsichtbar, eingefügt werden, sind noch jung. Sie sind politischer Natur, aber keine ethnischen Grenzen. Und genau das gilt es herauszustellen, wenn die Zeit Caesars betrachtet wird. Dieser Mann war ein Machtpolitiker, gewiss kein Menschenfreund. Als er sich 58 v.Chr. entschied, mit seinen Legionen die Grenze der römischen Provinz Gallia Transalpina (seit 27 v.Chr. Gallia Narbonensis) zu überschreiten und sich anschickte, ganz Westeuropa zu erobern und zu unterwerfen, hatte er genau diesen großen Fluss Rhein im Blick, die Lebensader vieler germanischer und swebischer Stämme an seinen Ufern. Bekäme er ihn in seine Gewalt, könnte er auch den Widerstand der an ihm lebenden Völker brechen. Römer interessierten sich weniger für geografische Gegebenheiten, mehr für einen Fluss, der als weithin leuchtende Grenzmarke fast am Ende ihrer Welt von der unendlichen Größe Roms kündete.
Rom hat viele Kriege geführt und ein Weltreich geschaffen. Insofern ist der Plan Caesars nichts Außergewöhnliches. Was seinem Ziel, eine neue Provinz zu gründen und ihr den Namen Gallien zu verleihen, einen ganz bitteren Beigeschmack gibt, ist die Tatsache, dass er den Rhein nicht nur zu einer politischen, sondern auch zu einer ethnischen Grenze bestimmen wollte. Alle Bewohner links des Rheins wurden von ihm nach dem achtjährigen blutigen Krieg zu Galliern erklärt. Dahinter verbargen sich Aquitanier (Aqui- tania), Kelten (Celtica), Belger (Belgica) und Germanen. Die linksrheinischen Germanen wurden anfangs nicht als besondere Gruppe herausgestellt, weil sie sich von den Belgern schwer unterscheiden ließen. Nur die Verwandten auf dem rechten Flussufer waren von diesem Augenblick an die Germanen. Und mit dieser Entscheidung war ein ganz schlechter Ruf verbunden. Caesar schürte einen allgemeinen Germanenhass. Er diskriminierte sie, wo er nur konnte. Er beschwor eine permanente Bedrohung herauf, warf ihnen vor, nur ein Ziel zu verfolgen, sein Gallien, das bis an den Rhein reichen sollte, erobern und ausrauben zu wollen. Die Römer sprachen von unbändiger Angriffslust der Bewohner.
Es soll in diesem Buch dargestellt werden, dass der Rhein eben keine Grenze zwischen Galliern, Sweben und Germanen war, sondern dass Germanen und Sweben beide Ufer bewohnten. Ein Fluss ist in der Regel ein lang gestreckter Raum der Kommunikation, nicht der Trennung und Abschottung. Echte Kelten (röm.: Gallier) lebten nur in dem Teilgebiet Celtica, so wie es die römische Administration später auswies. Caesars Rede von einer ethnischen Grenze war politisches Kalkül, mit dem er seine Feldzüge zum „Schutz“ der Gallier begründen und den Senat gefügig machen wollte. Caesar legte damit ein Saatkorn, das bis heute austreibt.
Die Wirkung dieser falschen Behauptung historischen Ausmasses bekommen wir noch nach Jahrhunderten zu spüren. Über die Zeiträume der Geschichte hinweg gab es immer wieder Bestrebungen, den Fluss zu einer Grenze zwischen Galliern (Franzosen) und Germanen (Deutschen) zu machen. Besonders ausgeprägt war dieses Bestreben in den Köpfen der fränki schen und später französischen Herrscher, die nichts unversucht ließen, sich in ihrem Drang nach Osten dem Rhein immer weiter anzunähern. 1806 hat Napoleon als „neuer Caesar“ dann dem Ganzen den Glanzpunkt aufgesetzt, als er die Grenze zum Rheinbund konkret auf den Rhein verlegte. Endlich war alles Linksrheinische Frankreich – Gallien. Von dieser kurzlebigen Illusion verblieb Frankreich immerhin das Elsass, das auch die französische Republik endlich mit einem Stück Rheingrenze beglückte.
Mit der Ausleuchtung der Ereignisse aus dem „Gallischen Krieg“ soll keine Politik gemacht werden. Die politischen Verhältnisse am Rhein werden so genommen wie sie sind und die daraus resultierenden Grenzen sind erfreulicherweise so offen wie noch nie. Die Nachbarn leben freundschaftlich miteinander und niemand muss Angst haben, dass wieder aufeinander geschossen wird. Gerade in einer Zeit, in der Geschichte von nationalistischen Tendenzen befreit erscheint, ist es wichtig, auch die Vorgeschichte von überholten und zweifelhaften Ansichten zu entlasten.
Da dieser Fluss keine ethnische Grenze war, sondern beidseitig von Germanen und Sweben bewohnt wurde, führte die neu angestrebte römische Grenze zu einer gewaltsamen Trennlinie zwischen uralten Stammesgebieten. Damit gaben sich die Betroffenen niemals zufrieden. Und so hat Caesar die Ursache für den Jahrhunderte andauernden Konflikt zwischen Römern, Galliern, Germanen und Sweben geschaffen. Am Ende siegten die Germanen und Sweben als Franken und Alemannen und vernichteten das weströmische Reich. Die von der römischen Grenzziehung betroffenen Stämme waren zu keinem Zeitpunkt bereit, sich mit der Teilung abzufinden.
Seit dem Ende der Kriege Caesars 50 v.Chr. kam es in den eroberten Gebieten immer wieder zu Aufständen. 46 v.Chr. erhoben sich die Bellova- ker; die Aquitanier folgten 38 v.Chr. und 28 v.Chr.; die Moriner am Kanal standen 30 v.Chr. auf und die Treverer 29 v.Chr.; 16 v.Chr. gingen die Su- gambrer über den Rhein zu ihren Angehörigen und wurden zurückgeschlagen; im Jahr 9 schlugen die Cherusker die Römer bei Kalkriese vernichtend. Auch nach der Zeitenwende ändert sich die Haltung der Unterworfenen und ihrer Verwandten auf der rechten Rheinseite nicht. Die Friesen erhoben sich 39 und 50; die Chauken folgen 41/42 und 47, die Brukterer drängten 77 über den Rhein. Sehr schwer fiel den Römern die Niederwerfung der Bataver 69/70. Die Chatten kämpften um ihre abgetrennte Wetterau 83. Die Chauken fielen 172 in das Gebiet der Belgica ein. Von 166 bis 180 dauerten die Markomannenkriege. Die unsichere Lage am Limes zwang zu einem Präventivkrieg gegen die Alemannen, die ihn schließlich 233 überrannten. 260 drangen germanische Heere über den Limes an der Donau weit in römische Gebiete ein, sodass sich die Römer an den Rhein und über die Donau zurückzogen. Franken und Alemannen gaben keine Ruhe und drängten 268, 270, 275, 288 und 298 erneut über die römische Grenze, die ja noch immer ihre Stämme spaltete. In den Jahren 356 und 357 drangen die Franken endgültig über den Niederrhein vor und blieben teilweise dort. Auch in den kommenden Jahren 368, 379, 383 und 288 stürmen Franken und Alemannen immer wieder die römische Grenze, bis sie um 406 aufgelöst werden musste. Diese etwas nüchterne Aufzählung ist deshalb so wichtig, weil an ihr erkannt werden kann, dass die Germanen und Sweben an Rhein und Donau die Trennung von ihren Stammesbrüdern niemals anerkennen wollten, andererseits die Römer in ihren überholten und arroganten Vorstellungen von Ruhm und Ehre nicht bereit waren, den Ausgleich mit den betroffenen Stämmen zu suchen und ihren Fehler seit Caesar, den Rhein zur Grenze zu erheben, nicht korrigieren wollten.
Die Germanen im Norden und die Sweben im Süden haben ihre Zusammengehörigkeit trotz der langen römischen Teilung der Stammesgebiete nie aufgegeben. Der niederrheinische Raum, die Heimat der Teutonen und späteren Germanen, d.h. der Eburonen und Sugambrer, immer ein Kraftzentrum in Westeuropa, wurde zur Quelle eines der mächtigsten Stämme, der Franken, der sich aus dem Zusammenschluss vieler germanischer Stämme beiderseits des Rheins entwickelte. Es gibt eine ungebrochene Linie von den germanischen Bewohnern links und rechst des Rheins bis zur Bildung des Frankenreiches und des anschließenden deutsch-römischen Reiches. In dieser Linie haben Kelten am Rhein keinen Platz. Man darf die Kultur eines Großraums nicht gleichsetzen mit einem dort lebenden Großvolk. Die Hallstattkultur und die La-Tène-Kultur waren Schöpfungen der germanisch-swe- bischen Völker im Alpenraum und seines Vorlandes. Diese Kultur wurde von vielen ganz unterschiedlichen Völkern erfasst; von Frankreich bis Skandinavien und vom Rheinland bis an die Donau. Und es ist nichts Außergewöhnliches, dass ein Großvolk an mehreren Kulturkreisen beteiligt war. Das ist noch heute so. Die Südslaven gehören der westlichen christlichen Kultur, der östlichen griechisch-orthodoxen und der islamischen an. Polen und Russen trennt ebenso viel, trotz gleicher Herkunft.
Auch entlang des Rheins gab es kein einheitliches kulturelles Gefüge. Dessen ungeachtet verband die Stämme seit Urzeiten die gemeinsame Abstammung und Sprache. Der Lebensraum der Kelten beginnt von Osten gesehen erst hinter dem Jura, hinter den Vogesen und den Ardennen. Er umfasst nur die Celtica der cäsarischen Provinz Gallia. Dass Caesar das Ziel verfolgte, die belgischen und germanischen Stämme links des Rheins zu keltischen umzuformen, kommt in seinen „Commentarii de Bello Gallico“ deutlich zum Ausdruck. Da sich die eng am Rhein lebenden Germanen diesem Ziel besonders hartnäckig widersetzten, erklärt das vielleicht seine Absicht, sie „mit Stumpf und Stiel auszurotten“, wie er das im Falle der Eburonen offen ausspricht und verfolgt. Besinnen wir uns wieder auf die Wahrheiten, die man selbst aus Caesars Buch entnehmen kann und lösen uns von der Vorstellung, das Rheinland sei bis zum Ende des römischen Reiches von Kelten bewohnt gewesen. Viele Erkenntnisse aus der Vorgeschichte, geschriebene und von der Erde frei gegebene, könnten dann unbelasteter und überzeugender aufgenommen und verarbeitet werden.
Eine Nacherzählung des Buches von Caesar wird nicht angestrebt. Dafür ist es präsent genug, seit Jahrhunderten. Vielmehr wird der Versuch unter nommen, die drei Vorstöße, die er gegen die nichtkeltischen Stämme unternahm, jeweils für eine Stammesgruppe gleicher Ethnie in überschaubarer Abfolge darzustellen. Dadurch werden die Zusammenhänge zwischen den Stämmen deutlicher und auch die zeitliche Einordnung wird nicht durch andere Feldzüge unterbrochen.
Das Buch „Rom kämpft um den Rhein“ erscheint in drei Teilen. Jedes Teil stellt eine in sich abgeschlossene Handlung dar und wird als Einzelexemplar verlegt. Die Darstellung orientiert sich streng an die Abschnitte aus Caesars Buch, die den betroffenen Stämmen zugeordnet werden können. Im Teil I geht es um seinen Vorstoß auf die Stämme am Oberrhein. Sie können nach seinen Worten als swebisch bezeichnet werden. Im Teil II wird die Eroberung und Unterwerfung der belgischen Stämme dargestellt. Caesar gelang dadurch der Zugang zur Kanalküste, dem Sprungbrett nach Britannien und zur Rheinmündung. Im Teil III schließlich wird der Vorstoß auf den Nieder- und Mittelrhein behandelt. Im Mittelpunkt steht der hartnäckige Widerstand der germanischen Stämme links und rechts des Stroms.
So entsteht eine zusammengefasste Abhandlung der Geschichte des Kampfes aller dieser Stämme gegen die Römer, in dem es um ihre Freiheit und Unabhängigkeit geht. Im Unterschied zu Caesars Buch, aus dem man sich stets in sprunghafter Weise die Ereignisse eines Stammes heraussuchen muss, entstehen übersichtliche Räume und Schauplätze mit den kontinuierlichen Handlungen der darin lebenden Bewohner.
Die nacherzählte Geschichte zeigte während der Bearbeitung mangels ausreichender Quellen viele Lücken, Widersprüche und Zweifel in den Handlungen und deren räumlicher Einordnung in Caesars Buch an. Es musste versucht werden, diese zu schließen, aufzuheben und zu entschärfen. Besondere Untersuchungen und Berechnungen wurden erforderlich, um die geografischen Räume annähernd nachzubilden, in denen sich die Handlungen vollzogen. Auf das Mittel, frei zu erzählen, was nicht belegt werden kann, konnte nicht ganz verzichtet werden. Der Neigung, die historischen Vorgänge nicht nur in der Sichtweise Caesars niederzuschreiben, sonder mehr auf die der Betroffenen einzugehen, wurde nachgegeben.
Das ist durchaus ein schwieriges Unterfangen. Was Caesar überliefert, ist bereits eine Mischung aus Tatsachen und Wunschvorstellungen. Nur selten stellt er die Gegner vor oder lässt sie zu Worte kommen. Deren Ansichten und Handlungen können nur sichtbar gemacht werden, wenn man aus Caesars Schrift deren Reaktionen auf seine Aktionen zu spiegeln versucht. Da vieles davon unscharf bleibt, wurden in die durch Fakten gesicherten Handlungen Ergänzungen eingefügt, deren Inhalte nur eine vage Annäherung an die Wirklichkeit sein können.
Walter Krüger
Potsdam 2019
Die Römer wollen Westeuropa erobern
Worum ging es?
Über dieses bedeutende Ereignis aus dem 1.Jahrhundert v.Chr. gibt es nur eine zeitnahe schriftliche Quelle. Sie wurde von demjenigen verfasst, der dieses Gebiet für die römische Republik dauerhaft erobert hat. Caesar nannte sein Buch „Der Gallische Krieg“. Der Operationsraum seiner Legionen umfasste den Teil Westeuropas, der von den Pyrenäen bis zum Rhein und vom Atlantischen Ozean bis an die Alpen reichte. Dieses riesige Gebiet bezeichnete er als „Gallien“.
Die Erweiterung des Territoriums der Republik von der Rhone und dem Languedoc bis an den Atlantik, den Kanal und die Nordsee einerseits und bis zum wichtigsten Nord-Süd-Verkehrsweg, dem Rhein andererseits, würde der Weltmacht, die sich bisher auf die Räume um das Mittelmeer beschränkt hatte, völlig neue Perspektiven eröffnen. Auch wenn Caesar den geplanten Krieg unter einem politischen und juristischen Druck durchgeführt hat, darf man nicht unterschätzen, dass der Senat, dem er angehörte, von einer solchen Vision schon längere Zeit erfüllt war. Caesar war zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Er wusste von diesen in die Zukunft gerichteten Zielen und war klug genug, sie rechtzeitig zu erkennen und für die Befriedigung seines Ehrgeizes zu nutzen. Caesars Vorstellung von Gallien entsprach ganz und gar nicht den tatsächlichen Verhältnissen, die er bei seiner Ankunft in der Provinz Gallia Transalpina vorfand. Und deshalb verdeutlichte er, was dahinter steckte. Er war sich also genau bewusst, dass sein Gallienbild anfechtbar war. Im Laufe des Krieges, den er beschreibt, verstößt er selbst immer wieder gegen seine eigene Erfindung eines Großgebiets Gallien und damit auch gegen die Bezeichnung der Bewohner als Gallier. Darauf werde ich zu angebrachter Zeit noch zurückkommen.
Die griechischen Kolonisten, die Massalia (Marsaille) gegründet und sich mit den im Umkreis lebenden Stämmen in Verbindung gesetzt hatten, nannten die Bewohner, die im Norden der Kolonie lebten, Kelten (griech.: Keltoí). So, übermittelten sie, nannten sich die Bewohner selbst. Die Römer bezeich- neten die Kelten in ihrer Sprache als Gallier. Sie hatten mit diesen Völkern bereits gute und schlechte Erfahrungen gemacht. Als sie ihre Republik bis an die Alpen ausdehnten, fassten sie die auf der östlichen Seite lebenden keltischen Stämme in einer Provinz „Gallia Cisalpina“ zusammen. Dieser Name deutet darauf hin, dass sie auch Kelten jenseits der Alpen kannten.
Als sie die Gebiete keltischer und ligurischer Stämme im Rhonetal und in Languedoc bis zu den Pyrenäen 125 v.Chr. bis 121 v.Chr. eroberten, nannten sie die neue Provinz folgerichtig Gallia Transalpina. Das nichtkeltische Gebiet der Ligurer wurde in der Provinzbezeichnung nicht berücksichtigt, aber in deren Untergliederung. Außerhalb der Provinz gab es weitere keltische Stämme. Darunter auch einige, die sich heftig gegen Roms Vormarsch an der Rhone gewehrt hatten, die Averner und Allobroger. Ihr Nachbarstamm, mit dem sie um die Vorherrschaft stritten, die Haeduer, war mit Rom freundschaftlich verbunden. Dessen angeblichen Schutz nahm Caesar später zum Anlass, alle anderen keltischen Stämme zu unterwerfen und dem von ihm zu erobernden Gebiet den Namen Gallien zu geben. Diese außerhalb der römischen Provinz lebenden Stämme hatten aber keine politische und gesellschaftliche Organisationsform Gallien ausgeprägt, in der sie alle zusammen lebten. Es gab keinen Staat aller Kelten. Was überliefert uns Caesar dazu in seinem Buch als Zitat?
Abb.1-Westeuropa um 59 v.Chr.
„Gesamtgallien gliedert sich in drei Teile. Einen bewohnen die Belger, den zweiten die Aquitanier, den dritten das in der Landessprache Kelten, bei uns Gallier genannte Volk. Sie alle unterscheiden sich in Sprache, Einrichtungen und Gesetzen. Die Gallier trennt von den Aquitaniern die Garunna, von den Belgern die Matrona und die Sequana.“(Liber I 1)
Der Großraum Gallien wird hier bereits aus seinen ursprünglichen, völlig unterschiedlichen Einzelteile zusammengesetzt: Aquitanien, noch heute ein Landschaftsbegriff in Südwestfrankreich, Belgien, heute ein eigener Staat, und das eigentliche Celtica, Zentralfrankreich, dazwischen. Eine vierte Stammesgruppe, die Germanen, erwähnt Caesar noch oder bewusst nicht als Bewohner seines erdachten Großraums. Er schiebt sie gedanklich über den Rhein, was er später öfter wieder zurücknimmt. Schon am Anfang seines Buches wird deutlich, dass er etwas gegen die Germanen hatte. Den Belgern unterstellte er, dass sie ständig Krieg gegen die Germanen führen würden und den Helvetiern sogar die tägliche Kriegsführung. Caesar, der uns überhaupt erstmalig den Stammesbegriff Germanen übermittelt, ist zugleich der Schöpfer des Begriffs vom „allgemeinen Germanenhass“. Erstaunlich für eine Zeit, in der es angeblich zu den ersten Begegnungen zwischen Römern und Germanen gekommen sein soll.
Caesar braucht den Krieg
Warum führte Caesar Krieg gegen Völker, die den Römern keinen Anlass dazu gegeben hatten? Es ging ihm um Macht und Einfluss in Rom. Das Konsulat für das Jahr 59 v.Chr. sollte ihm im Folgejahr 58 v.Chr. auf Antrag des Tribunen Vatinius für fünf Jahre die Provinzen Gallia Cisalpina und Illyrien, das Prokonsulat und das Kommando einbringen. Auf Antrag seines Freundes Pompeius fügte der Senat noch die Provinz Gallia Transalpina hinzu. Caesar arbeitete während des Konsulats fortwährend gegen die Majorität des Senats. Seine Unterstützer waren die Vertreter der Volksversammlung, teilweise benutzte er zur Durchsetzung seiner Interessen auch die Veteranen Pompeius.
Die Laufzeit des prokonsularischen Kommandos, die üblicherweise ein Jahr, nämlich so lange wie das Konsulat, dauerte, wurde entgegen aller Regeln auf fünf Jahre verlängert. In dieser Stellung als Prokonsul brauchte Caesar nicht mehr als Zivilist in Rom vor einem Gericht zu erscheinen, was viele seiner Gegner erboste. Mit den Provinzen erhielt er die gewünschte politische, ökonomische und militärische Macht. Um aber ein wirklich großes, ihm treu ergebenes Heer aufbauen zu können, brauchte er einen triftigen Grund. Dies konnte nur ein Krieg sein. In Illyrien fand er einen, um gegen sogenannte Aufständische zu kämpfen. In der Provinz Gallia Transalpina herrschte dagegen Ruhe.
Caesar jedoch brauchte das Gegenteil: Unruhe. Nicht in seiner Provinz Gallia Transalpina, sondern außerhalb. Eine Unruhe, die es ihm ermöglichen würde, im Sinne eines Präventivschlages die angeblich gefährdete Sicherheit Roms und seiner Verbündeten zu verteidigen und alle potenziellen Gefahren und ihre Verursacher im Ansatz zu ersticken. Wie weit er gehen würde, war ihm zu Beginn seines Prokonsulats sicher noch nicht ganz klar, da er die künftigen Gegner erst noch ausmachen musste. Doch dass die Provinz Gallia Transalpina wesentlich vergrößert werden sollte, das stand von Anfang an fest.
Seit der Gründung dieser Provinz hatten sich römische Händler und Gesandte in den nördlichen Regionen intensiv umgesehen und Wege, Flüsse, Siedlungen, Bodenschätze, einheimische Produkte sowie die Stämme und ihr Führungspersonal erfasst und für die Politiker der Republik nach Bedarf aufbereitet. Mit den Haeduern z.B. gab es freundschaftliche Verbindungen, die diesem Stamm gewisse Vorteile im Ringen um die Macht unter keltischen Stämmen verschafft hatte. Auch zu anderen Stämmen wurden Beziehungen hergestellt und die Bündnisse und Rivalitäten in Erfahrung gebracht. Noch umfangreicher und tiefgründiger wurden die Kenntnisse der Römer über die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und militärischen Verhältnisse innerhalb der nördlichen Stämme während und nach den Kriegen mit den Teutonen, Ambronen, Sequanern und Tigurinern zwischen 109 v.Chr. und 102 v.Chr.
Von mir wird Caesars Kriegsgrund als eine propagandistische Erfindung, als politische Intrige angesehen. Mit dieser Auffassung bin ich nicht allein; es gab Zweifler schon zu Caesars Lebzeiten. Selbst Senatoren warfen ihm illegale Kriegsführung außerhalb der Provinz vor.
Wie gesagt, Caesar beginnt seine „Commentarii de Bello Gallico“ mit dem Helvetierzug. Diese fragwürdige Bezeichnung soll vorerst beibehalten werden. Man kann die entsprechenden Passagen nachlesen und sie um weitere Kommentare anreichern. Hier soll diese Geschichte nicht nacherzählt werden. Vielmehr wird versucht, in Caesars Informationen einen rationellen Kern zu finden, hinter dem sich vielleicht die tatsächlichen Begebenheiten verbergen. Ein Weg dorthin soll die Schilderung der Lage an der nördlichen Provinzgrenze sein. Caesar behandelt zuerst den Helvetierzug, danach seinen Zug gegen Ariovist. Schon diese Abfolge stellt die Realitäten auf den Kopf. Weit vor Caesars Antritt als Statthalter ereigneten sich politische und militärische Zusammenstöße, deren Folgen auch im Jahr 58 v.Chr. noch umfassend zu spüren waren. Ehe auf das Erscheinen Caesars eingegangen werden kann, muss unbedingt ein Blick auf die politischen Entwicklungen in den Gebieten nördlich der Rhone und Saône nach dem Sieg der Römer über die Teutonen, Ambronen, Sequaner und Tiguriner geworfen werden. Die Züge dieser Stämme bis zu ihrem Untergang habe ich in meinem Buch „Die Kimbern und Teutonen kamen nicht aus Jütland“ ausführlich darzustellen versucht. In der Zeit von 102 v.Chr. bis zur Statthalterschaft Caesars 58 v.Chr. waren erst 44 Jahre vergangen. In diesen Jahren änderten sich die gesellschaftlichen Verhältnisse unter den Stämmen in Westeuropa nur unwesentlich. Doch die Nachwirkungen jener Züge führten zu neuen Spannungen zwischen den Kelten untereinander und den herbeigerufenen swebischen Stämmen, in die sich die Römer, d.h. Caesar, einmischen wollten.
Hat Helvetien wirklich gebrannt?