Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Mason Whitfield war immer ein Mann der Entscheidungen. Vor fünf Jahren kündigte er seinen gut bezahlten Job und verließ Seattle. Nun ist er zurück und startet in ein ganz anderes Leben: als Besitzer einer Sportbar und alleinerziehender Vater seiner Tochter Willow. Mason liebt sein Leben – auch als Single. Als jedoch eine wunderschöne, geheimnisvolle Frau Nacht für Nacht in seiner Bar auftaucht, ist seine Neugierde geweckt. Er muss einfach mehr über sie erfahren … Lowenna Chambers gibt nie auf. Der Krebs konnte sie nicht zerstören und auch nicht, dass Ihr Mann sie verließ, weil er sich in ihre Schwester verliebt hatte. Dass die beiden aber am Valentinstag heiraten, sie die Hochzeitstorte backen und die Rede halten soll – das ist dann aber doch zuviel. Ein Plan muss her, und zwar in Form eines perfekten und unglaublich gutaussehenden Begleiters. Aber woher nehmen? Nacht für Nacht hält sie in einer Bar nach geeigneten Männern Ausschau, doch der Traummann ist schwer zu finden. Bis sich Barbesitzer Mason einmischt … Willkommen in Seattle, der Heimat der »Single Dads of Seattle«! Zehn attraktive alleinerziehende Väter, die jeden Samstagabend Poker spielen, sich gegenseitig helfen und zuhören, ihre Kinder über alles lieben und vor allem eines hoffen: eines Tages wieder die große Liebe zu finden. Dies ist Masons Geschichte. Alle Titel der Reihe »Single Dads of Seattle« können unabhängig voneinander gelesen werden.

Über Whitley Cox

Whitley Cox ist an der kanadischen Westküste geboren und aufgewachsen. Sie studierte Psychologie und unterrichtete zeitweise in Indonesien, bevor sie in ihre Heimat zurückkehrte. Heute ist sie mit ihrer Highschool-Liebe verheiratet und Mutter von zwei Töchtern.

ABONNIEREN SIE DEN
NEWSLETTER
DER AUFBAU VERLAGE

Einmal im Monat informieren wir Sie über

Folgen Sie uns auf Facebook, um stets aktuelle Informationen über uns und unsere Autoren zu erhalten:

https://www.facebook.com/aufbau.verlag

Registrieren Sie sich jetzt unter:

http://www.aufbau-verlag.de/newsletter

Unter allen Neu-Anmeldungen verlosen wir

jeden Monat ein Novitäten-Buchpaket!

Whitley Cox

Valentine’s with the Single Dad

Mason

Übersetzt von Michelle Landau aus dem amerikanischen Englisch

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

Newsletter

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Epilog

Impressum

For Ana Clemente

An amazing new friend.

Kapitel 1

Sie war wieder da.

Zur selben Zeit.

Am selben Tisch.

Mit dem gleichen Drink vor sich.

Mit demselben pinken Notizbuch und Kugelschreiber.

Nur ihr Haar war heute anders. Normalerweise trug sie ihren kinnlangen, dunkelbraunen Bob glatt, mit einer geschwungenen Ponysträhne über der Stirn. Heute jedoch waren ihre Haare ganz wellig, und sie hatte die Ponysträhne mit einer kleinen silbernen Klammer seitlich festgesteckt.

Dadurch konnte er heute ihre Augen besser sehen.

Ihm gefielen ihre Augen sehr.

Hellgrau mit sanften hellen Sprenkeln um die Pupillen. Er hatte noch nie zuvor solche Augen gesehen. Wenn sie lächelte oder einen Schluck von ihrem Wein nahm, bildeten sich kleine Fältchen in den Augenwinkeln, die ihre Apfelbäckchen besonders rund erscheinen ließen.

Da sie meistens für sich blieb, hatte er keine Ahnung, wie sie hieß, aber sie kam seit drei Wochen jeden Dienstag- und Donnerstagabend in seine Bar. Und jedes Mal saß sie am selben Tisch. Gab jedes Mal dieselbe Bestellung auf. Und jedes Mal blieb sie von Viertel nach acht bis Viertel nach zehn. Sie trank nichts außer Wein und Wasser, und im Laufe dieser zwei Stunden unterhielt sie sich – auch wenn es eher aussah wie Vorstellungsgespräche – etwa jede halbe Stunde mit einem neuen Mann. Manche Männer hielten fast eine ganze Stunde durch, während andere schon weggeschickt wurden, bevor ihr Drink Gelegenheit hatte, warm zu werden.

Sie lächelte meist, überließ das Reden zum Großteil ihrem Gegenüber. Dann schüttelten sie sich die Hände, und die Männer gingen ihrer Wege – und kehrten niemals zurück, zumindest sah es so aus.

Veranstaltete sie hier ihre eigene Variante des Speed-Datings?

Führte sie Vorstellungsgespräche für eine Stelle, die sie zu vergeben hatte?

War sie eine Zuhälterin – oder eine Puffmutter – und überprüfte potenzielle Kunden?

Die Männer, mit denen sie sich bisher getroffen hatte, waren nicht hässlich. Tatsächlich waren sie alle ziemlich gut aussehend. Vielleicht suchte sie ja nach Darstellern für eine Burlesque-Show mit männlicher Besetzung.

Was auch immer es war, die Frau am Tisch beim Fenster faszinierte Mason wahnsinnig. Sie war wie ein Ohrwurm, den man nicht mehr loswurde. Er bekam sie einfach nicht aus dem Kopf – und wollte es auch gar nicht.

Er freute sich auf Dienstag- und Donnerstagabend. Er hatte sogar seine Schichten so gelegt, dass er jeden Dienstag- und Donnerstagabend arbeitete. Diese mysteriöse Frau hatte ihn verzaubert, und er musste dringend mehr über sie erfahren.

Wie hieß sie?

Wo arbeitete sie?

Was tat sie hier in seiner Bar mit all den Männern?

Normalerweise hätte er kein Problem damit, einfach auf die Frau zuzugehen, sich vorzustellen und sie zu fragen, was sie da trieb. Schließlich gehörte ihm Prime Sports Bar & Grill, und er war ein freundlicher, offener Typ. Aber aus irgendeinem Grund hatte er den Eindruck, dass sie in Ruhe gelassen werden wollte. Es lag fast so etwas wie ein Hauch Verlegenheit in ihrem Gesicht, wann immer sie einen neuen Mann begrüßte, ihm die Hand schüttelte und gemeinsam mit ihm Platz nahm. Als wollte sie eigentlich gar nicht hier sein. Das machte das Mysterium, das sie umgab, nur noch verlockender, noch aufregender.

Außerdem war sie unfassbar süß, und wenn er sich vorstellte, sie wegen etwas anderem anzusprechen als nur ihrer Bestellung zum ersten Mal, verspürte er seit sehr langer Zeit zum ersten Mal wieder Schmetterlinge im Bauch,.

Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Es war schon kurz vor zehn. Sie würde bald gehen.

Er zog am Zapfhahn für das San Camanez Lager, das gerade bestellt worden war, und füllte ein Glas. Er war inzwischen so gut im Bierzapfen geworden, dass er nicht mal mehr hinsehen oder sich darauf konzentrieren musste. Er zählte einfach im Kopf, hielt das Glas genau im richtigen Winkel, und in neunundneunzig Prozent der Fälle sah er genau im richtigen Moment wieder runter, um das Glas unter dem Hahn hervorzuziehen.

Heute Abend war keine Ausnahme.

Er stellte das volle Glas auf die Theke, damit die Kellnerin es zusammen mit den restlichen Getränkebestellungen abholen konnte. Sein Blick haftete am Hinterkopf des Mannes, der aktuell Masons geheimnisvolle Frau unterhielt – oder besser gesagt, daran scheiterte, sie zu unterhalten.

Dann stand der Typ auf.

Mason sah wieder auf die Uhr. Oh, der Kerl war definitiv ein Blindgänger. Er hatte nicht mal die vollen dreißig Minuten geschafft.

Der Blindgänger nahm seinen Mantel von der Stuhllehne und schlüpfte in die Ärmel, bevor er Masons geheimnisvoller Dame zunickte und dann eilig die Bar verließ. Sie blieb allein zurück, mit einem gelangweilten und enttäuschten Ausdruck im Gesicht.

Würde sie jetzt auch aufstehen und gehen?

Sie blieb nie länger als bis Viertel nach zehn, und jetzt war es genau zehn. Um die Uhrzeit erwartete sie doch bestimmt nicht noch ein »Date«.

Das hoffte er zumindest.

Er rief kurz bei seiner Mutter an, um sich nach seiner vier Monate alten Tochter Willow zu erkundigen. Letzte Woche war sie etwas erkältet gewesen, und sie war auch jetzt noch ein bisschen verschnupft, schien aber wieder besser zu schlafen und war gut drauf. Seine Mutter versicherte ihm, dass es Willow gut ging, berichtete, dass sie auf der Brust von Masons Vater eingeschlafen war, und auch wenn sie natürlich in ihrer Wiege schlafen konnte, hatte Masons Dad sich nicht die Mühe gemacht, sie dort hineinzulegen.

»Sie sind doch nur für kurze Zeit so klein«, sagte seine Mutter. »Lass uns ihr Babyalter genießen, solange wir können.«

Mason verdrehte die Augen, sagte aber nichts. Er konnte sich schließlich schlecht aufregen, wenn er doch genau das Gleiche tat. Wann immer Willow auf seiner Brust einschlief, blieb die Welt stehen, und er genoss einfach nur den Moment. Seine Mutter hatte recht, sie war nur für kurze Zeit so klein. Sie würde krabbeln, bevor er wusste, wie ihm geschah, und dann laufen und dann mit ihren Freunden abhängen und keine Zeit mehr für ihren armen alten Vater haben.

Sein Herz zog sich zusammen, als er sich Willow in einem Alter vorstellte, in dem sie alt genug war, um auf Partys zu gehen und mit Jungs auszugehen. War es zu spät, um einen GPS-Sender hinter ihr Ohr transplantieren zu lassen?

Langsam begann sich die Bar zu leeren. Es war nur noch eine Gruppe Frauen da, die sich in einer hinteren Ecke des Pubs angeregt unterhielten, und Masons geheimnisvolle Dame.

Sie starrte auf ihr Notizbuch, doch die Art, wie sie mit ihrem Stift auf das Papier tippte und auf ihrer Unterlippe kaute, verriet ihm, dass sie sich nicht wirklich auf das konzentrierte, was auch immer sie aufgeschrieben hatte. Sie war in Gedanken versunken.

Er musste ihr sagen, dass es Zeit für die letzte Runde war. Dienstags schloss die Bar schon um elf.

Also trocknete er sich die Hände ab und trat dann hinter der Bar hervor, straffte die Schultern und ließ kurz seinen Nacken knacken, bevor er auf ihren Tisch zuging. »Hi. Die Bar macht gleich zu. Möchten Sie noch ein Glas Pinot?«

Er blieb direkt vor ihr stehen und wartete darauf, dass sie den Kopf hob. Ihr Blick wanderte langsam seinen Körper hinauf. Er unterdrückte den Impuls zu grinsen, sogar als er amüsiert bemerkte, wie ihre grauen Augen sich weiteten, als ihr Blick in seinem Schritt angekommen war.

Sie schluckte schwer, als sie ihm schließlich ins Gesicht sah. Blinzelte. »Ja, bitte«, sagte sie leise, ihr Blick huschte schon wieder zurück zu ihrem Notizbuch.

»Treffen Sie heute Abend noch einen weiteren Mann?« Er konnte es sich nicht verkneifen. Die Neugier war wie ein Juckreiz, und er musste sich einfach kratzen.

Sie schüttelte langsam den Kopf, sah aber nicht wieder zu ihm auf. »Nein.«

Er schluckte und verlagerte das Gewicht auf seine Fersen. »Darf ich fragen, was Sie die letzten Wochen hier getan haben? Sie sind zwei Abende die Woche hier und treffen sich zwei Stunden lang mit verschiedenen Männern.« Er kratzte sich im Nacken. »Die Kellnerinnen fangen schon an zu tuscheln.«

Das war nicht mal gelogen. Das Servicepersonal begann langsam, sich zu fragen, was die Frau hier wollte, aber Mason bezweifelte, dass ihre Neugier so groß war wie seine. Sonst hätten sie sie schon gefragt.

Sie erwiderte seinen Blick. »Ich versuche, eine Begleitung zu finden«, sagte sie, und ihre Wangen liefen wunderschön rosa an. »Ich möchte jemanden dafür anstellen, mich auf eine Hochzeit zu begleiten.«

Er zog die Brauen hoch und machte einen Schritt zurück. Das war definitiv nicht die Antwort, die er erwartet hatte. Wieso um alles in der Welt musste dieses umwerfende Wesen jemanden dafür bezahlen, mit ihr auszugehen? Jeder normale Mann würde sich doch auf die Chance stürzen, diese Frau begleiten zu dürfen, und zwar umsonst.

Er musste mehr erfahren. Er wollte die ganze Geschichte hören.

»Haben Sie Hunger?«, fragte er.

Sie sah ihn kurz mit zusammengekniffenen Augen an, nickte dann aber. Er konnte die Zahnräder in ihrem Kopf quasi rattern sehen, als sie versuchte herauszufinden, was er vorhatte.

Er war sich selbst nicht sicher, was das war. Er wusste nur, dass er noch nicht bereit war, sie aus der Tür gehen zu sehen, und jetzt, nachdem er einmal angefangen hatte, sich mit ihr zu unterhalten, musste er weitermachen. Er musste sie kennenlernen.

»Ich wollte sowieso gerade schauen, ob Barry hinten in der Küche mir noch ein paar überbackene Nachos machen kann, bevor er die Küche dichtmacht. Wollen Sie mitessen? Geht aufs Haus, wenn Sie mir erzählen, wieso Sie denken, dass Sie jemanden dafür bezahlen müssen, mit Ihnen auszugehen.«

Sie reagierte sehr verhalten, dachte so lange mit ernstem Gesicht über seine Worte nach, dass er sich schon Sorgen machte, dass er zu forsch gewesen war und sie gleich ihre Tasche nehmen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden würde.

Doch das war nicht der Fall.

Zum Glück.

Sie stand auf, nahm Mantel und Tasche vom Stuhl und zuletzt auch das pinke Buch und den Stift vom Tisch. »Ich setze mich zu Ihnen an die Bar«, sagte sie und richtete sich zu ihrer vollen Größe auf – womit sie immer noch ein gutes Stück kleiner war als er. Ihm war gar nicht aufgefallen, wie klein sie war. Er war ihr bisher immer nur nahe gekommen, wenn sie saß.

Er nickte und widerstand dem Drang, triumphierend die Faust in die Luft zu recken, dann nahm er ihr leeres Weinglas vom Tisch und auch das halbvolle Bierglas des letzten potenziellen Dates und ging damit zurück hinter die Theke.

Rasch schenkte er ihr ein frisches Glas Pinot ein, den sie immer trank, und schob ihr das Glas über den Holztresen zu. »Also gut, Miss …«

»Lowenna Chambers«, sagte sie, hob das Glas und nahm sofort einen Schluck.

Lowenna Chambers.

Er ließ sich ihren Namen einen Moment lang auf der Zunge zergehen. Er gefiel ihm. Er passt zu ihr. Er hatte die Art Eleganz, die er gleich am ersten Abend an ihr bemerkt hatte.

»Und Sie sind …?«, fragte sie, den Kopf abwartend zur Seite geneigt.

Er streckte ihr die Hand entgegen. »Mason Whitfield. Freut mich, Sie kennenzulernen, Miss Chambers.«

Ihr Lächeln wärmte seine Brust von innen heraus. Sie ergriff seine Hand und drückte sie mit einer Festigkeit, die er bis in seine Eier spürte. »Freut mich auch, Mr. Whitfield.«

Grinsend tippte er ihre Nacho-Bestellung in den Computer vor ihm ein. »Also gut, Miss Chambers, wollen Sie Jalapeños auf Ihren Nachos?«

Ihr Lächeln war klein und fast ein wenig schüchtern, aber sie nickte. »Gern.«

»Was ist mit Oliven?«

Sie nickte wieder, das Lächeln wurde breiter. »Je mehr, desto besser.«

Sein Grinsen wuchs ebenfalls. »Sehr gut. Sehe ich genauso.« Er drückte den Knopf für Extra Oliven gleich mehrfach, um ihre Obsession zu betonen. »Und Guacamole?«

»Kann man es ohne denn überhaupt Nachos nennen?«

Oh, sie gefiel ihm. Als er sie angesprochen hatte, hatte sie zuerst etwas schüchtern gewirkt, aber inzwischen schien sie sich wohler zu fühlen, sie wirkte entspannter in seiner Nähe.

»Da haben Sie absolut recht«, stimmte er zu. »Ich bestelle uns eine extra große Portion.« Er drückte die Taste, die die Bestellung in die Küche schickte, und machte sich dann daran, einen Stapel schmutzige Gläser zu spülen. »Okay, die Nachos sind unterwegs. Dann mal zurück zum Thema: Was hat es mit dieser Date-gegen-Geld-Sache auf sich? Wieso um alles in der Welt müssen Sie für ein Date bezahlen?«

Sie nahm noch einen Schluck Wein, bevor sie antwortete. »Die Kurzversion ist, dass meine Schwester meinen Ex-Mann heiratet und ich ein Date für die Hochzeit brauche, das sie und diese ganze pompöse, angeberische, oberflächliche Angelegenheit vollkommen in den Schatten stellt. Ich brauche den absoluten Hingucker. Ich brauche ein Unterwäschemodel mit Universitätsabschluss und sechsstelligem Gehalt, das tanzen kann wie Fred Astaire.«

Oha!

Sie hob eine Schulter. »Sie wissen schon … ein magisches Einhorn.«

Mason hatte zwei Gläser in jeder Hand, und er hätte sie beinahe fallen gelassen. »Ähm, können sie den Typen nicht einfach dazu bringen, so zu tun, als wäre er all das?« Wäre das nicht einfacher, als nach dem Heiligen Gral zu suchen und den Mann dann dafür zu bezahlen, sie zu begleiten? Da draußen gab es doch bestimmt einen Kerl, der zumindest ein paar der Punkte auf ihrer Liste erfüllte, und den Rest konnte man ja ausschmücken.

Sie schüttelte den Kopf. »Ich will nicht lügen. Lügen beißen einen immer irgendwann in den Hintern. Und wenn er auch nur für einen Moment vergisst, wer er angeblich sein soll, würde das alles ruinieren.«

Da hatte sie natürlich recht.

»Dann halten Sie in meiner Bar also Vorstellungsgespräche für ein Date ab?« Er tauchte weiter Gläser ins Wasser.

»Schien mir ein sicherer Ort dafür zu sein – in der Öffentlichkeit –, und Sie wirken wie der Typ Mann, der mir sofort zur Hilfe kommen würde, wenn ein Kandidat mal handgreiflich werden sollte.«

Oh, das auf jeden Fall.

»Sie haben also meine Bar ausgesucht, damit ich ihr Gratis-Bodyguard bin?« Er zog eine Augenbraue hoch, konnte sich ein Lächeln aber nicht verkneifen.

»Ich gebe jede Woche eine ganze Menge Geld für Ihren Wein aus. Gratis würde ich es also nicht nennen«, entgegnete sie.

Auch wieder wahr.

»Also, ich verstehe ja, dass es ziemlich übel ist, dass Ihre Schwester Ihren Ex-Mann heiratet, aber wieso boykottieren Sie die Hochzeit nicht einfach ganz? Wieso tun Sie sich das überhaupt an und gehen hin?«

Sie stieß geräuschvoll die Luft aus. »Vor fünf Jahren wurde bei mir Gebärmutterhalskrebs diagnostiziert. Es musste fast eine vollständige Hysterektomie durchgeführt werden, denn als sie mich aufgemacht haben, haben sie festgestellt, dass sich der Krebs schon auf einen meiner Eierstöcke ausgebreitet hatte. Sie haben meinen Muttermund, meine Gebärmutter und den befallenen Eierstock entfernt. Mein Mann, Brody, war damals erst seit einem Jahr in seinem Job als Anwalt. Seine Krankenversicherung war gut, aber nicht super; sie hat einiges abgedeckt, aber das Geld ist trotzdem knapp geworden, sodass wir bald finanzielle Probleme hatten. Meine Behandlungen und die OP waren nicht billig, und die Versicherung hat alles versucht, um nicht zahlen zu müssen.«

Irgendetwas kitzelte ihn bei ihren Worten im Nacken, aber er wusste noch nicht so recht, was. »Arschlöcher«, grummelte er kopfschüttelnd.

»Genau«, sagte sie, das Gift in ihrer Stimme beinahe spürbar. »Wie auch immer, Brody und meine Schwester haben kurz nach meiner OP angefangen, miteinander zu schlafen – während ich Chemotherapie bekommen habe. Ich war zu krank, um auch nur an Intimität zu denken, und musste mich außerdem noch von dem großen Eingriff erholen.«

»Wollen Sie mich verarschen?« Dieses Mal ließ er tatsächlich ein Glas fallen, und das Klirren, als es auf dem Fliesenboden zerbrach, ließ sie beide zusammenzucken. Er klappte überrascht den Mund auf.

Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Die beiden wissen nicht, dass ich es weiß. Brody hat die Scheidung eingereicht, sobald meine letzte Untersuchung ergeben hat, dass ich krebsfrei bin. Er hat behauptet, dass er mich zwar immer noch liebt, aber nicht mehr verliebt in mich ist. Außerdem wolle er Vater werden und auf die traditionelle Art und Weise Kinder bekommen. Er sei sich einfach nicht mehr sicher, ob ich die richtige Frau für ihn bin. Drei Monate später haben er und Doneen ihre Beziehung öffentlich gemacht.«

Mason hatte sich gebückt, um die Scherben aufzufegen, seine Fingerknöchel standen weiß hervor, so fest hatte er die Kehrschaufel gepackt. Rasende Wut pulsierte durch seinen Körper beim Gedanken an diesen Idioten Brody und Lowennas Schwester, die sie hintergangen hatten, während sie um ihr Leben kämpfte.

Er kippte die Glasscherben in die Mülltonne und sah sie dann vollkommen fassungslos an. »Und Sie gehen auf die Hochzeit der beiden?«

Sie nickte mit einem steifen Lächeln auf den Lippen. »Oh, es geht noch weiter.«

Was konnte denn da noch kommen?

»Ich besitze eine Chocolaterie, und meine Eltern, die für die Hochzeit bezahlen, haben mich gebeten, mich um die Gastgeschenke zu kümmern. Sie wollen eine kleine Schachtel Pralinen für jedes Platzgedeck. Am Anfang wollte ich nicht, aber irgendwann habe ich nachgegeben. Und als meine Schwester Wind von meiner Großzügigkeit bekam, hat sie sich gleich auch noch ein riesiges, pompöses Schokoladenkunstwerk für das Dessertbuffet gewünscht – kostenlos natürlich. Mir wurde nahegelegt, dass das ja mein Hochzeitsgeschenk an die beiden sein kann.«

»Kostet so was nicht normalerweise Tausende von Dollar?«, fragte er.

»Jap. Tut es. Aber das Beste kommt erst noch … nachdem ich zugestimmt hatte, das ganze Schokoladenzeug zu machen, hat meine Schwester mich gefragt, ob ich ihre Trauzeugin sein will. Ich hatte vor Überraschung fast einen Schlaganfall.«

»Und haben Sie angenommen?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich war gezwungen, ihr großzügiges Angebot abzulehnen.« Sie verdrehte die Augen und schnaubte. »Ich habe ihr gesagt, dass ich nicht gleichzeitig ihren Junggesellinnenabschied vorbereiten und die ganze Schokolade für ihre Hochzeit machen kann. Sie musste sich entscheiden und hat gesagt, dass die Schokolade wichtiger ist.«

»Ist Ihre Schwester eine Psychopathin?«, fragte er in vollem Ernst.

Ihre Lippen zuckten. »Eher sozial unbeholfen, vollkommen egozentrisch und eine oberflächliche Narzisstin. Ich bin mir auch nicht sicher, ob sie weiß, was Mitgefühl ist.« Sie hielt kurz inne und zuckte dann mit den Schultern. »Vielleicht ist sie eine Psychopathin. Ich habe gehört, dass es mehr von denen gibt, als uns bewusst ist. Und nicht alle sind Machete schwingende Irre.«

Oh, das wusste er nur zu gut. Er hatte in seinem Leben schon ein paar Psychopathen getroffen. Die meisten davon erfolgreiche CEOs, die überhaupt kein Problem damit hatten, Leben, Unternehmen oder ganze Gemeinschaften zu zerstören, solange ihnen das noch mehr kaltes, hartes Geld einbrachte.

Die Glocke in der Küche läutete, und er trat um die Theke herum an die Durchreiche, um ihre Nachos zu holen.

Lowenna bekam einen hungrigen Blick, als er das große Tablett vor ihr auf der Bar abstellte, ein Berg aus Nachos, überzogen mit einer dampfenden Schicht aus Cheddar und schwarzen Oliven. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen.

»Sie haben also eine Chocolaterie?«, fragte er und reichte ihr einen Teller und ein paar Servietten. »Doch nicht etwas diesen neuen Laden hier gleich um die Ecke?«

»Wicked Sister Chocolates? Jap, das bin ich.« Sie grinste. »Toller Name, oder? Als ich mitten in der Chemotherapie war, meine Haare ausgefallen sind und ich kaum noch fünfzig Kilo gewogen habe, hat Doneen allen Ernstes zu mir gesagt, dass sich immer alles nur um mich dreht. Sie hat gesagt, dass ich den Krebs in unsere Familie gebracht habe und dass unsere Eltern über nichts anderes mehr reden. Dass sie ihren Geburtstag vergessen haben, weil sie an dem Tag bei mir im Krankenhaus waren, nachdem ich eine negative Reaktion auf die Chemotherapie hatte. Sie hat gesagt, ich sei gemein und egoistisch und würde meine Krankheit ausnutzen. Dass Frauen andauernd Gebärmutterhalskrebs bekämen und es überlebten und ich es ganz offensichtlich viel schlimmer darstellte, als es wirklich war.«

»Was zur Hölle?«, stieß er hervor, und ein Tortilla Chip voller Guacamole und Salsa landete auf seinem Schuh. »Was. Zur. Hölle?«

Lowenna hob nur die Augenbrauen. »Jap. So ist sie meine liebe Schwester. Die beste große Schwester, die ich mir hätte wünschen können.«

»Und Sie gehen wirklich auf ihre Hochzeit?«

»Ja. Tue ich. Wenn auch widerstrebend.«

»Aber wieso?«

»Meine Eltern – vor allem meine Mutter – sind wahre Meister darin, einem ein schlechtes Gewissen zu machen. Sie glaubt, dass meine Anwesenheit bei der Hochzeit eine Art Olivenzweig sein kann, ein erster Schritt, um die Beziehung zwischen meiner Schwester und mir wieder zu kitten.« Sie verdrehte die Augen und schnaufte. »Ziemliches Wunschdenken meiner Meinung nach, aber bitte, wenn sie meint.«

»Aber die Frau ist eine verdammte Psychopathin, die mit Ihrem Mann geschlafen hat, als Sie noch verheiratet waren und gegen den Krebs gekämpft haben. Wollen Sie diese Beziehung überhaupt retten?« Er schüttelte den Kopf. Er konnte einfach nicht begreifen, wieso Lowenna ihre Schwester nicht mit einem riesigen Schwert für immer aus ihrem Leben geschnitten hatte.

Und sie dann mit eben diesem Schwert aufgespießt hatte.

Wenn Mason so etwas passiert wäre, hätte er jetzt keinen Bruder oder keine Schwester mehr. Er hätte den Kontakt komplett abgebrochen und würde als Einzelkind weiterleben.

Gott sei Dank hatte seine Schwester Nova das größte Herz der ganzen Welt und war eine seiner besten Freundinnen. Nur blöd, dass sie und ihr Mann letztes Jahr nach Australien gezogen waren, weil ihr Mann dort einen Job angeboten bekommen hatte. Er vermisste seine Schwester tierisch.

»Ich gehe hin, weil ich ihnen zeigen muss, dass ich darüber hinweg bin. Dass es mir besser geht als jemals zuvor, jetzt, da ich den Krebs und Brody los bin. Und abgesehen von dem gemieteten Freund ist das auch alles wahr. Mir geht es großartig. Das Geschäft läuft wie geschmiert. Mein Leben ist im Moment wirklich toll. Aber ich glaube, dass ein echter Hingucker als Begleitung, ein Typ, der tausendmal heißer ist als mein Ex, mir einfach etwas zusätzliches Selbstbewusstsein geben würde. Das ist bei mir leider eher Mangelware, seit, Sie wissen schon … seit mein Mann mich für meine Schwester verlassen hat und all das.« Sie schob sich einen voll beladenen Chip in den Mund, kaute, schluckte und fuhr dann fort: »Ich habe sogar schon einen Tanzlehrer gebucht, falls ich jemanden finde, der aussieht wie Channing Tatum, aber nicht so tanzen kann wie er. Wenn er keinen Anzug hat, besorge ich ihm einen. Ich zahle für einen neuen Haarschnitt. Ich zahle für absolut alles, solange er nur so tut, als wäre er Hals über Kopf in mich verliebt, und sämtliche Gäste auf der Hochzeit verzaubert.«

»Aber Sie haben doch gesagt, dass Sie ein Unterwäschemodel mit einem sechsstelligen Gehalt suchen – so ein Typ sollte sich das doch alles selbst leisten können, oder?«

Sie zuckte mit den Schultern und tunkte einen Chip in die Salsa. »Schon möglich. Im Endeffekt muss er einfach nur erfolgreicher und attraktiver sein als mein Ex-Mann.«

»Wann ist denn die Hochzeit?«, fragte er.

»An meinem Geburtstag«, sagte sie schnaubend.

Er legte den Kopf schief und musterte sie nachdenklich. »Und wann ist der?«

Sie leerte ihr Weinglas in einem großen Schluck. »Am Valentinstag.«

Kapitel 2

Sie war nervös gewesen, als sie Masons Angebot, sich eine Portion Nachos zu teilen, angenommen hatte. Aber inzwischen genoss sie es, hier an der Bar zu sitzen, Nachos, Oliven und Käse zu essen und Masons tätowierte Arme zu betrachten, deren Muskeln hervortraten, während er arbeitete. Ihre Nervosität war verflogen, stattdessen fühlte sie sich entspannt und dankbar. Diese ganze Idee, ein Date für Doneens und Brodys Hochzeit zu finden, entwickelte sich allmählich zur Tortur.

Außerdem hatte sie im letzten halben Jahr geschuftet wie eine Irre, hatte ihr Geschäft aufgezogen und ihre Angestellten ausgebildet. Dann das Weihnachtsgeschäft und direkt danach Silvester, und bis zum Valentinstag waren es auch nur noch fünf Wochen. So viele Feiertage, die alle mit Pralinen gefeiert wurden. Fürs Geschäft war das großartig, aber grauenhaft für ihren Blutdruck.

Letztendlich hatte sie sogar Kunden abweisen müssen, vor allem solche, die große Bestellungen für Weihnachts- oder Silvesterpartys aufgeben wollten. Sie hatte einfach nicht genug Zeit, Platz und Personal, um das alles stemmen zu können. Sie waren vollkommen ausgelastet.

Nächstes Jahr könnte sie vielleicht mehr Leute einstellen oder einen größeren Laden mieten, aber für den Moment musste sie mit dem auskommen, was sie hatte, auch wenn das bedeutete, ein paar Aufträge zu verlieren.

Sie beobachtete, wie Mason den Arm ausstreckte und die Adern unter seinen Tattoos hervortraten, als er die Martini- und Margaritagläser in ihre Halter über der Bar hängte. Er war ein attraktiver Mann, so viel stand fest. Dunkle Haare, dunkler, kurz rasierter Bart, dunkelblaue Augen, buschige Brauen. Ein Vorzeige-Frauenheld.

Und groß.

Mannomann, war er groß.

Und dabei nicht schlaksig. Der Mann war breit gebaut, und so wie es aussah, verbargen sich unter dem schwarzen Prime Sports Bar & Grill-Shirt jede Menge Muskeln. Obwohl er Barkeeper war, strahlte er Gefahr und Verlockung aus, ebenso wie sein frischer, maskuliner Duft, den sie nicht ganz zuordnen konnte, aber unglaublich berauschend fand.

Groß, dunkel und gefährlich.

Yummy.

Sie leckte sich die Lippen, schmeckte das Salz der Nachos.

»Mehr Wein?«, fragte er und hob fragend eine Braue.

Sie schüttelte widerstrebend den Kopf. »Nein, das sollte ich wohl besser lassen.«

»Geht aufs Haus. Nach so einer Geschichte kann ich unmöglich Geld von Ihnen nehmen. Ach was, eigentlich sollte ich Sie bezahlen.« Er nahm die Flasche Pinot aus dem Regal hinter sich und hielt sie ihr vor die Nase. »Sicher?«

Sie verdrehte die Augen und hob dann die Schultern. »Ich muss nicht mehr fahren, wieso also nicht?«

»Wohnen Sie hier in der Nähe?«, fragte er und kippte den restlichen Flascheninhalt in ihr Glas.

»Ja, ungefähr fünfzehn Minuten zu Fuß. Nicht allzu weit. Angenehmer Arbeitsweg.«

»Das glaube ich.« Er warf die leere Weinflasche in den Recyclingeimer hinter sich und kehrte dann zu der schon deutlich geschrumpften Portion Nachos zurück. »Was haben Sie denn vor, wenn Sie Mr Perfect nicht mehr rechtzeitig finden?«

Sie hob beide Schultern und schüttelte den Kopf, während sie eine käsebedeckte Jalapeñoscheibe vom Teller nahm und sich in den Mund steckte. »Keine Ahnung.«

»Was ist mit mir?«

Sie zog verwirrt die Nase kraus. »Was soll mit Ihnen sein?«

»Wie wäre es mit mir als Ihrem Date?« Er stellte ein Glas unter einen Zapfhahn und zog am Hebel. »Ich meine, ich will ja nicht eingebildet klingen oder so, aber ich habe schon so einige Blicke auf mich gezogen. Und wenn Ihr Ex-Mann kein Riese ist, bin ich vermutlich auch größer als er. Ich bin knapp zwei Meter groß. Und ich verdiene im sechsstelligen Bereich.«

Lowenna verschluckte sich fast an ihrer Jalapeño. »Als Barkeeper?«

Er fixierte sie mit seinen blauen Augen.

Oh, verdammt, hatte sie ihn beleidigt? Das war nicht ihre Absicht gewesen, sie hatte nur noch nie einen Barkeeper getroffen, der so gut verdiente wie ein Banker. Außerdem hatte er sie mit seinem Angebot völlig unvorbereitet getroffen.

»Mir gehört die Bar. Wussten Sie das nicht?«, sagte er, sein Ton war nicht barsch, hatte aber eine gewisse Schärfe.

Mist, sie hatte ihn wirklich beleidigt. O nein.

Sie schüttelte den Kopf und griff nach ihrem Weinglas. »Nein. Ich … ich dachte, Sie …«

»Sie dachten, ich wäre nur ein niederer Barkeeper, der sich den Arsch für ein gutes Trinkgeld aufreißt? Nein, nicht ganz.«

Sie senkte den Blick. »Tut mir leid. Ich wollte Sie nicht vorschnell beurteilen. Ich dachte nur …«

»Lowenna – ich finde, es ist höchste Zeit fürs Du –, entspann dich. Alles gut.«

Sie sah ihm wieder ins Gesicht. Sein Lächeln war warm, breit und so verdammt sexy.

Gott sei Dank.

»Dir gehört die Bar also?«, fragte sie, ihre Wangen glühten, und in ihrer Brust brannte die Verlegenheit über ihre Vorurteile noch heißer.

Er nickte. »Jap. Und bevor ich den Laden hier gekauft habe, war ich Investment Banker bei einer der größten Firmen des Landes. Boon Investments

Sie zog die Brauen so schnell hoch, dass sie fast von ihrer Stirn flogen.

Jeden Tag auf ihrem Weg in die Arbeit kam sie an dem Wolkenkratzer vorbei, in dem Boon Investment die obersten sechs Stockwerke belegte. Das war eine große Firma. Groß und erfolgreich.

»Aber vor etwa fünf Jahren konnte ich das nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren und habe die Firma deswegen verlassen«, fuhr er fort. »Bin eine ganze Weile rumgereist, um einen tieferen Sinn im Leben zu finden als Geld.«

Sie schluckte. »Und was hast du gefunden?«

Er griff in seine Gesäßtasche, zog sein Handy hervor und hielt ihr ein Foto vor die Nase: Das süßeste Baby, das sie je gesehen hatte, in einem rosa und lila gepunkteten Strampelanzug. »Sie«, sagte er schlicht. »Sie heißt Willow und ist mein Ein und Alles.«

»Hast du sie adoptiert?«

Er schüttelte den Kopf, zog sein Handy zurück und starrte das Foto selbst ein paar Sekunden lang an. Seine blauen Augen wurden ganz weich, und ein Lächeln huschte über seine Lippen, bevor er das Handy schließlich wegpackte.

»Nein. Sie ist meine Tochter.« Er zog kurz die Nase kraus. »Nicht, dass sie nicht auch meine Tochter wäre, wenn ich sie adoptiert hätte, aber Willow ist meine biologische Tochter, das wollte ich damit sagen. Zwei meiner besten Freundinnen aus dem College sind verheiratet. Sie sind lesbisch und wollen selbst keine Kinder. Katya hat mir eine ihrer Eizellen angeboten und Delia ihren Bauch. Sie sind Willows Tanten und lieben sie bedingungslos. Aber sie ist meine Tochter. Nur ich stehe auf ihrer Geburtsurkunde. Ich bin das einzige Elternteil, das sie kennt. Ich wollte ein Kind. Ich wollte mein Leben zu etwas Besserem nutzen, als nur ständig dem Geld hinterherzulaufen. Ich wollte eine Familie, jemanden, um den ich mich kümmern kann. Ich wollte ein Vermächtnis und mich jeden Morgen darauf freuen, aufzustehen und meinen Tag mit jemandem zu verbringen, den ich liebe und der mich liebt. Außerdem werde auch ich nicht jünger und habe die richtige Frau eben noch nicht gefunden, also habe ich es allein getan.«

Heilige Scheiße.

Sie hätte nicht gedacht, dass es wirklich Männer wie Mason gab. Alleinerziehende Väter, ja. Aber jemand, der absichtlich alleinerziehender Vater war? So ein Einhorn hatte sie noch nie getroffen.

»Sie ist unglaublich süß«, sagte sie voller Bewunderung für diesen Mann. »Und ich liebe den Namen Willow. Willow Whitfield, klingt super.«

»Willow Olivia Whitfield. Ihre Initialen sind WOW. Angeblich bringt es Glück, wenn deine Initialen ein Wort ergeben.« Er kratzte sich im Nacken. »Zumindest behauptet meine Mom das. Ich heiße Mason Otto Whitfield.«

»MOW«, sagte sie grinsend. »Mähen auf Englisch.«

Er nickte. »Und meine Schwester heißt Nova Emily Whitfield. Sie hat deswegen nicht mal den Namen ihres Mannes angenommen, denn dann wäre sie nicht mehr …«

»NEW, neu.« Ihr Grinsen wurde so breit, dass ihre Wangen schon begannen wehzutun.

»Ganz genau. Sein Nachname ist Atkinson, das geht natürlich nicht. NEA heißt überhaupt nichts.«

Lowenna kicherte und verzog unwillkürlich das Gesicht, als sie selbst hörte, wie mädchenhaft und kokett sie klang.

O Mann, so war sie doch überhaupt nicht.

Mason schien es jedoch überhaupt nicht zu stören, denn er lächelte nur und fuhr mit seiner Erklärung fort: »Als Willow auf die Welt kam, musste ich die Tradition natürlich weiterführen.«

Sie kicherte wieder, aber diesmal war es ihr egal. Er hatte sie zum Lachen gebracht, und es gefiel ihr, wie sie sich in seiner Nähe fühlte. »Das finde ich toll«, sagte sie. »Was für Namen hättest du genommen, wenn Willow ein Junge geworden wäre?«

»Wyatt Otto Whitfield. Meine Kinder sind für mich immer einfach nur Wow.« Sein Lächeln ließ ihren Bauch brodeln und flutete ihren Kopf mit unanständigen Gedanken.

War es seltsam, dass sie sofort überprüfte, ob ihre Initialen ein Wort ergaben?

Lowenna Amélie Chambers. LAC. Nee. Nichts.

Dann dachte sie an ihren Namen, als sie noch verheiratet gewesen war: Lowenna Amélie Masters. LAM. Nö.

Aber was wäre, wenn sie Mason heiraten und Lowenna Amélie Whitfield werden würde? LAW. Das englische Wort für Recht und Gesetz. Jap. Das funktionierte.

Mhm.

Dann spielte sie aus purer Neugier dasselbe mit dem Namen ihrer Schwester durch. Die Initialen ihres Mädchennamens ergaben kein Wort, aber sobald sie mit Brody verheiratet war …

Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte laut los.

»Was ist so witzig?«, fragte Mason. Seine Stimme vibrierte ein wenig, als wäre er unsicher, ob er mit ihr lachen durfte oder nicht.

Sie öffnete die Augen und wischte sich die Lachtränen weg. O Mann, so einen Lachflash hatte sie echt nötig gehabt. Sie nahm einen Schluck von ihrem Wein und grinste mit dem Glas an den Lippen. »Sorry, ich habe nur gerade überlegt, was die Initialen meiner Schwester für ein Wort ergeben, und im Moment, mit ihrem Mädchennamen, kommt noch nichts dabei raus, aber wenn sie meinen Ex-Mann heiratet, heißt sie Doneen Ursula Mathilda Masters.« Sie lachte wieder und wartete darauf, dass Mason es aussprach.

Er grinste genauso breit wie sie. »Dann ist deine Schwester DUMM

Sie prustete völlig undamenhaft, grinste wie eine Idiotin und brach dann in einen erneuten Lachanfall aus.

Es war bescheuert, darüber zu lachen. Eigentlich lächerlich. Aber sie musste auch die kleinen Siege feiern. Und das Wissen, dass ihre Schwester für den Rest ihres Lebens DUMM sein würde, machte Lowenna doch ein klein wenig glücklicher.

»Also, was sagst du?«, brach Masons Stimme durch ihr Lachen.

Sie griff nach ihrem Weinglas und nahm einen großen Schluck, gab ihrem Atem Zeit, sich wieder zu beruhigen, bevor sie antwortete, sonst bekam sie sicher einen Schluckauf.

»Was sage ich wozu?«, fragte sie schließlich, stellte ihr Glas wieder ab und griff sich einen Tortilla-Chip.

»Dazu, dass ich dein Date für die Hochzeit bin«, erwiderte er. »Du hast noch nichts dazu gesagt. Wir sind irgendwie ein bisschen vom Thema abgekommen.«

Sie blinzelte und ließ ihren Blick dann langsam an seinem Körper hinabwandern – seinem sehr durchtrainierten, braun gebrannten, großen Körper. O Mann, er war gleich dreifach gefährlich. Sie hatte noch nie einen Mann wie ihn gedatet, es aber immer schon gewollt.

Konnte sie mit Mason auf die Hochzeit gehen und ihrer Schwester die Show stehlen? Konnte er ihr die Show stehlen? Er war groß. Und er hatte einen guten Job. Und zusätzlich war er noch ein liebevoller Vater.

»Kannst du tanzen?«, platzte sie heraus, bevor sie sich bremsen konnte.

Etwas Undefinierbares blitzte in seinen dunkelblauen Augen auf, doch es verpuffte genauso schnell wieder. Er nahm einen Schluck von seinem Bier, schüttelte den Kopf und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Nicht wirklich, reicht nur für ein bisschen Tanzen im Club – nicht, dass ich diesen Mist in den letzten Jahren besonders oft gemacht hätte. Aber ich habe ein paar Freunde, die professionelle Tänzer sind, die könnten uns bestimmt Tanzstunden geben.«

»Ich habe schon einen Kurs in der Benson Tanzschule gebucht.«

»Oh, genau da arbeiten meine Freunde.«

Sein Lächeln würde noch ihr Untergang sein, dessen war sie sicher. Es würde die Frauen – und vermutlich auch ein paar Männer – auf der Hochzeit zum Schmelzen bringen. Unter ihrem babyblauen Pulli richteten sich ihre Brustwarzen auf. »Du kennst Violet?«

Er nickte und griff nach einem Chip. »Jap. Ich kenne Vi schon, seit wir Kinder waren. Ihr Bruder Mitch war in der Highschool mein bester Freund. Und jetzt spielen Mitch, ich und Vis Freund Adam jeden Samstag zusammen Poker. Im Club für alleinerziehende Väter. Außerdem sind Mitch und Adams Ex-Frau inzwischen ein Paar.«

Lowennas Kopf drehte sich. Was hatte sie da gerade gehört?

»Mitch ist mit der Ex-Frau des Freundes seiner Schwester zusammen? Habe ich das richtig verstanden?«, fragte sie und sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an, als würde das ihr beim Sortieren helfen.

Das leise Lachen, das seine Brust zum Vibrieren brachte, verriet ihr, dass sie nicht die Erste war, die ihn ansah, als wäre ihm ein zweiter Kopf gewachsen. »Jap. Nicht alle Scheidungen enden im Bösen. Manchmal können sich Paare auch trennen und danach befreundet bleiben. Sie fahren sogar alle zusammen in den Urlaub. Mitch hat seine Tochter Jayda, Adam und Paige haben Mira, und jetzt erwarten Adam und Violet ihr erstes Kind. Eine große, verwirrende, glückliche Familie.«

Sie presste nachdenklich die Lippen zusammen. »Solange alle damit glücklich sind … Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich in nächster Zeit einen tropischen Doppelbungalow mit DUMM und Dümmer buche. Oder jemals.«

Er nickte nur und schob sich mehr Chips mit Guacamole in den Mund.

»Und du hättest Zeit für zwei Tanzstunden die Woche bis zur Hochzeit? Was ist mit Willow?«

Er zuckte mit den Schultern. »Sie ist erst vier Monate alt. Sie kann entweder mitkommen und in ihrem Autositz dabeisitzen, oder ich kann sie mir umschnallen, wenn sie quengelig wird. Meine Mom kann sie auch nehmen. Mom ist Violets Empfangsdame in der Tanzschule.«

»Wow, ihr seid einfach alle irgendwie miteinander verbunden, oder?«

Er zog eine Schulter hoch. »Eine große, verwirrende, glückliche Familie. Ich würde es nicht anders wollen. Wir halten zusammen. Dasselbe gilt für alle Mitglieder der Single Dads von Seattle.«

Familie. Richtig.

Sie hielt ihre Familie schon seit – tja, wann? – seit der Highschool nicht mehr für eine glückliche Familie. Schon damals hatte Doneen sie wie Dreck behandelt. Sie war immer schon eine fiese große Schwester gewesen.

Lowenna hatte nie herausgefunden, wieso das so war, sie wusste nicht, was sie getan hatte, dass ihre Schwester sie so hasste. Sie hatte Doneen jahrelang vergöttert, war ihr überall hin gefolgt und hatte ihr alles nachgemacht. Und Doneen hatte es gehasst. Hatte es gehasst, mit Lowenna zu teilen, ganz egal, ob es um Zeit ging, um Raum, um Spielzeug oder um ihre Eltern.

Lowenna schluckte den emotionalen Kloß herunter, der sich immer in ihrer Kehle bildete, wenn sie an die schreckliche Beziehung zu ihrer Schwester dachte. Sie wusste, dass Doneen sie nicht wirklich leiden konnte, aber sie hoffte, dass sie sie tief im Inneren doch liebte. Zumindest hatte sie das bisher gehofft. Jetzt war sie sich da nicht mehr so sicher. Nicht, nachdem Doneen sie so sehr hintergangen und mit ihrem Ehemann geschlafen hatte.

Mason räusperte sich. »Alles okay?«

Sie nickte, leerte ihr Weinglas und blinzelte das Brennen aufsteigender Tränen weg, bevor sie überlaufen konnten. »Ja. Ich war nur … gerade mit den Gedanken woanders.« Sie hob den Blick, um seinem zu begegnen. »Ist es okay für dich, wenn du Willow während der Hochzeit nicht bei dir haben kannst?«

»Sie ist auch jetzt nicht bei mir, und es geht ihr gut. Sie ist das erste Enkelkind in der Familie, mein Vater ist in Rente, und meine Mutter arbeitet nur noch halbtags. Sie sind immer gern verfügbar und freuen sich, Willow bei sich zu haben. Ich habe ihnen mehrfach gesagt, dass ich auch eine Nanny anstellen kann, aber meine Mom hat gedroht, mich nie wieder zum Sonntagsbraten einzuladen, wenn ich das tue. Also kümmern sie sich um Willow, wenn ich nicht da sein kann.«

»Die beiden klingen wie richtig tolle Eltern und Großeltern.«

»Die besten.« Er nahm einen Schluck Bier. »Also, habe ich bestanden? Bin ich dein Date? Oder hast du eine Shortlist und lädst die Finalisten alle zu einer zweiten Runde ein?«

»Sehr witzig. Nein, keine Shortlist. Keiner der anderen hat meine Kriterien erfüllt.«

Er pfiff durch die Zähne. »Autsch.«

»Hast du einen Anzug?«, fragte sie, nicht sicher, wieso sie ihre Antwort hinauszögerte.

Er nickte. »Ich habe mindestens zwölf. Du kannst gern in ein paar Wochen vorbeikommen, meinen Schrank durchgehen und dir aussuchen, welchen ich anziehen soll. Und ich gehe regelmäßig zu Elliot Bay Barbers, du musst mir also keinen Friseurtermin besorgen. Darum kümmere ich mich schon. Noch was?« In seinen blauen Augen leuchtete ein Eifer, den sie nicht so recht einordnen konnte.

Und die Tatsache, dass er sie eben zu sich nach Hause eingeladen hatte, war ihr nicht entgangen.

Ganz. Und. Gar. Nicht.

Tat er das alles nur, weil er Mitleid mit ihr hatte? Sie hatte keinem der anderen Männer von ihrem Krebs erzählt. Sie hatte ihnen im Allgemeinen nicht viel erzählt. Sie wollte sie einfach nur kennenlernen und herausfinden, ob einer von ihnen infrage käme.

Leider hatte sie nicht einen einzigen Typ getroffen, den sie für gut genug befunden hatte. Und die Zeit wurde langsam knapp.

»Das Ganze wäre eine rein geschäftliche Transaktion«, sagte sie langsam. »Ich bezahle dich dafür, dass du mein Date bist – meine Begleitung –, für diese eine Hochzeit. Aber ich brauche das volle Programm. Zuneigung, Umarmungen, Küsse, Tanzen. Du musst so tun, als würde es dir körperliche Schmerzen bereiten, auch nur eine Sekunde von mir getrennt zu sein. Du kannst die Hände nicht von mir lassen. Tu so, als wärst du unsterblich in mich verliebt. Überzeuge mich davon, überzeuge alle auf der Party davon, und ich zahle dir zweitausend Dollar, wenn der Abend vorbei ist.«

Das Herz klopfte wild in ihrer Brust, als sie sich zurücksetzte und seine Reaktion abwartete.

Sie war sich sicher gewesen, dass er die Augen aufreißen und ihm die Kinnlade runterfallen würde, aber das passierte nicht. Er stand einfach nur da, das Bier in seiner Hand, die Lippen zusammengepresst, den eindringlichen Blick auf ihr Gesicht gerichtet.

So eindringlich, dass sie sich auf ihrem Stuhl unter der Hitze seines Blickes zu winden begann, weil sie innerlich langsam zerfloss.

Sie senkte den Blick und starrte in ihr leeres Weinglas. »Das ist viel verlangt, ich weiß«, sagte sie schließlich, als sie die ohrenbetäubende Stille nicht mehr aushielt. »Aber genau das brauche ich. Deswegen habe ich auch so viele Vorstellungsgespräche geführt. Ich habe bisher einfach niemanden gefunden, der das alles kann und dem ich zutraue, dass er knapp dreihundert Leute von seiner Rolle überzeugen kann.«

»Ich brauche das Geld nicht«, sagte er, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.

Sie schüttelte bedauernd den Kopf. »Nein. Das hier ist ein Geschäft. Ich bin kein Fall für die Wohltätigkeit.« Wut kroch ihre Wirbelsäule hinauf. »Wenn du das nur aus Mitleid tun willst, wegen der Krebssache, dann stehe ich jetzt sofort auf und gehe. Ich habe keine Lust, für irgendjemanden als Projekt zum Sammeln von gutem Karma herzuhalten.«

Vor allem, weil sie das schon einmal gewesen war und es nie geschafft hatte, ihren großzügigen anonymen Wohltäter ausfindig zu machen. So dankbar sie auch für die Spende war, sie hasste die Tatsache, dass der- oder diejenige es wahrscheinlich nur aus Mitleid getan hatte.

Seine Pupillen weiteten sich, und das Blau seiner Augen wurde noch dunkler. Hätte sie vor ihm gestanden und nicht gesessen, wäre sie vermutlich ein paar Schritte zurückgewichen, so aber blieb ihr nichts anderes übrig, als zu bleiben, wo sie war. Der Blick, mit dem er sie jetzt ansah, war geradezu bedrohlich. Einschüchternd. Aber auf die umwerfendste und aufregendste Art und Weise.

»Ich könnte niemals Mitleid mit dir haben«, sagte er leise. »Du verdienst nichts als die größte Bewunderung.«

Ihr Puls donnerte ihr in den Ohren, und ihr Atem geriet ins Stocken. »Aber du kannst schauspielern?« Wieso forderte sie ihn heraus? Wieso hielt sie ihn immer noch hin?

Weil es dir gefällt, wie er dich ansieht, wenn du ihn warten lässt, wenn du ihm nicht das gibst, was er will.

Bevor sie auch nur blinzeln konnte, war er schon hinter der Bar hervorgetreten und stand neben ihr.