Titel

3Angela Steidele

In Männerkleidern

Das verwegene Leben der Catharina Margaretha Linck alias Anastasius Lagrantinus Rosenstengel, hingerichtet 1721

Biographie und Dokumentation

Insel Verlag

Die Erstausgabe dieses Buches erschien 2004 im Böhlau Verlag, Köln.

eBook Insel Verlag Berlin 2021

Der vorliegende Text folgt der Erstausgabe, 2021.

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Umschlagabbildung: Männerrock (Justaucorps), um 1695, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg

Umschlaggestaltung: Designbüro Lübbeke, Naumann, Thoben, Köln

eISBN 978-3-458-77068-8

www.suhrkamp.de

Motto

5»in Summa es seÿnd solche umbstände beÿ der Sache,
die so leichte nicht in der welt passiret seÿn mögen«

Aus der Gerichtsakte Catharina Margaretha Lincks, Berlin 1721

9Vorwort zur Neuausgabe

Catharina Margaretha Linck war die letzte Frau, die wegen der sogenannten Unzucht mit einer anderen Frau in Deutschland, ja in Europa hingerichtet wurde. Anfang November 2021 jährt sich ihre Enthauptung zum dreihundertsten Mal. Der Insel Verlag nimmt das traurige Ereignis zum Anlass, dieses 2004 bei Böhlau in Köln erschienene, jedoch seit langem vergriffene Buch neu herauszugeben. Hierfür habe ich den Text durchgesehen und um neu entdeckte Quellen ergänzt ().

Im Vorwort zur Erstausgabe habe ich bekannt: Catharina Lincks Geschichte hat mich nicht losgelassen, seitdem ich das erste Mal von ihr gehört habe. Der Nervenarzt Franz Carl Müller veröffentlichte 1891 einen fragmentarischen Auszug aus Lincks Gerichtsakte unter dem Titel »Ein weiterer Fall von conträrer Sexualempfindung« in Friedreich’s Blättern für gerichtliche Medicin und Sanitätspolizei. Allein schon Catharina Lincks männliches Pseudonym faszinierte mich ungemein; Thomas Mann hätte es sich nicht schöner ausdenken können: Anastasius Lagrantinus Rosenstengel. Skeptisch, ob Müller diese schillernde Figur nicht sogar erfunden hatte, suchte ich Lincks Gerichtsakte im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz – und fand sie, nach zwei Weltkriegen nicht nur unversehrt, sondern auch wesentlich umfangreicher, als der Ausschnitt von 1891 erahnen ließ. Viele Angaben aus der Gerichtsakte konnte ich durch Nachforschungen in anderen Archiven bestätigen, ergänzen, präzisieren oder korrigieren. So ist dieses 10Buch entstanden, das im Hauptteil Catharina Lincks Lebensweg schildert. Der biographischen Skizze folgen die Quellen, darunter die vollständigen Gerichtsakten; aus der historischen Distanz skurril und unfreiwillig komisch machen sie Catharina Lincks Geschichte zu einem authentischen Schelmenroman.

Tatsächlich hat mich ihre Geschichte noch weit länger nicht losgelassen, als ich damals ahnen konnte. Mit In Männerkleidern begann meine Leidenschaft für Quellen aus dem 18. Jahrhundert und zugleich die inspirierende Verunsicherung, was sie eigentlich bezeugen. Wird Geschichte erst im Lese- und Schreibakt der Historikerin für ihre Gegenwart erschaffen? Wie viel Fiktion entsteht nolens volens in der Geschichtsschreibung? Mit wie viel Erfindungsgabe wird schon das Leben selbst gelebt? Wer ist echter – Catharina Linck oder Anastasius Rosenstengel? Bei der Recherche für In Männerkleidern interessierte mich sehr, wer Franz Carl Müller war und welches Erkenntnisinteresse ihn ins Geheime Staatsarchiv führte (). Als ich begriff, dass Müller nicht nur Catharina Lincks Akte aus dem Archiv gezogen hatte, sondern auch die Leiche Ludwigs II. aus dem Starnberger See, war die Idee zu meinem Roman Rosenstengel. Ein Manuskript aus dem Umfeld Ludwigs II. (2015) geboren. Denn Müller verbindet zwei historische Persönlichkeiten, die ihre Existenz, ihr Leben buchstäblich erfunden haben: die eine als Prophet, Soldat und Ehemann, der andere als Schwanenritter und Bauherr von Schlössern nach Regieanweisungen Richard Wagners. Für Rosenstengel wählte ich die Form des Briefromans, weil diese Gattung schon immer augenzwinkernd ›Echtheit‹ simuliert. Die Handlung entfaltet sich in fingierten Briefen historischer Persönlichkeiten, gespickt mit Originalzitaten. Faktisches und Fiktionales vermengen sich so untrennbar wie bei Ludwig II. und Catharina Linck: Leben ist auch nur Kunst. Was ich meinem fiktionalen Rosenstengel untergeschoben habe, ist mit diesem Buch über die historische Catharina Linck nun endlich wieder zu erkennen.

11Biographie